Jakob Lorber

Robert Blum

Sozialrevolutionär Robert Blums Erfahrungen und Führungen im Jenseits bis zu seiner Vollendung

Band 1

Originaltext 1. Auflage 1898
durch Project True—blue Jakob Lorber

Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

Anschauliche, ungekürzte Schilderung des jenseitigen Schicksals des 1848 in Wien als Sozialrevolutionär hingerichteten Robert Blum. Hochinformative und interessante Einblicke in die geistige Welt und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten nach dem Tod.

Inhaltsverzeichnis

1. Robert Blums irdische Laufbahn bis zu seiner Hinrichtung 1848 aus politischen Gründen.

2. Ankunft des Hingerichteten im Jenseits und erste Eindrücke dort. Bewußtwerden des Lebensgefühls. Menschlich—irrige Erklärung dieser Tatsache.

3. Robert wähnt sich in Narkose.

4. Roberts Notschrei zu Gott und Berufung auf Jesus. Sehnsucht nach dem Nichtsein. Vorwärts ins Unbekannte!

5. Roberts Geh— und Schwimmversuche im leeren, finstern Raume. Selbstgespräche vom Nichts und Fortleben. Fluch gegen Gott, den angeblichen Leidensbereiter.

6. Gewaltsame äußere Ruhe, innere Unruhe Roberts. Was ist das Leben? Wer erhält es? Sehnsucht nach Glaubensfrieden. Der Gedanke an Weib und Kinder lenkt aufs Gebet. Heilsgedanken

7. Ehrfurchtvolles Gedenken an Jesus ruft wiederholt starkes Blitzen hervor. Schreck und freudige Verwunderung Roberts.

8. Roberts erneute Liebe zum Leben. Zorn und Rachedurst wandeln sich in Vergebungsgedanken. Neuer Blitz und auftauchende Helle.

9. Alle Weltweisheit ist eitel. Jesus legt mit Recht Seinen Jüngern den Glauben ans Herz.

10. Roberts gute Gedanken über Jesus. Ein abermaliger Blitz erhellt weiter Roberts Zustand in wohltuender Weise. Der Glaube an die Unsterblichkeit und an einen Gott der Liebe wächst. Neuer Blitz.

11. Weitere Ehrfuchts— und Sehnsuchtsgedanken Roberts für Jesus. Die Lichtgegend rückt näher und näher.

12. Ein Mensch erscheint in der Lichtgegend. Ist es Jesus Selbst? Roberts große Freude in Erwartung des Ersehnten. Jesus als Retter

13. Roberts Anruf. Jesu Kommen. Zum ersten Male findet die abgeschiedene Seele wieder festen Grund beim Herrn.

14. Anrede Roberts an den Herrn. Jesu Antwort. Eine wichtige Lebensfrage.

15. Gute Antwort Roberts. Fromme Wünsche.

16. Jesus verheißt Erfüllung gerechter Wünsche, macht aber triftigen Vorhalt. Roberts feurige Rede gegen die Tyrannen.

17. Jesus wendet ein: "Seid untertan der Obrigkeit!" Robert bezweifelt dieses Gebot und vermutet darin menschliche Rücksichten. Er wünscht Ausschluß über die gottmenschliche Natur Jesu.

18. Aufklärungsrede Jesu über die Notwendigkeit irdischer Obrigkeit. — Keine menschliche Gesellschaft ist denkbar ohne Leitung, Ordnung und Gehorsam.

19. Fortsetzung der Rede Jesu über den Gehorsam. Beispiele aus verschiedenen Reichen der Naturwelt.

20. Die Hochgebirge und ihre Notwendigkeit als weiteres Beispiel Jesu.

21. Jesus über die Entstehung und Notwendigkeit der Mittel— und Kleingebirge für die ganze Erde.

22. Eine rangmäßige Unterordnung ist auch unter den Menschen notwendig.

23. Roberts zustimmende Antwort und seine Gegenfrage über den Machtmißbrauch der Fürsten. Die Erde als Schulhaus.

24. Jesu trostvolle Antwort auf Roberts finstere Zweifel. Nicht Gott straft, sondern die Bosheit der freien Menschen und Geister straft sich selbst. Erfahrungslehren der Geschichte.

25. Jesus über Sinn und Zweck der irdischen Lebensschule. Zeitliche oder ewige Glückseligkeit? Was hast du hinübergebracht ins Jenseits?

26. Roberts Antwort: Das nackte Leben, das ich empfing, gebe ich dem zurück, von welchem ich's erhielt. Gibt es einen Gott der Liebe — der seine Geschöpfe so hart behandelt?

27. Jesus über die Erziehung des Menschen zur Selbständigkeit. In der scheinbar harten Erziehungsschule bekundet sich allerhöchste göttliche Liebesweisheit.

28. Auch der Leibestod ist ein Heilsmittel der Liebe Gottes. Vom Leiden beim Sterben in alter und jetziger Zeit.

29. Wahrer Sinn des Textes: 'Weichet von Mir, ihr Verfluchten!' Nicht die Gottheit verflucht, sondern jeder böswillige Geist sich selbst. — Jesus über die 'Sünde wider den Heiligen Geist'.

30. Vom reichen Prasser und armen Lazarus im Jenseits. Wer hat die Hölle gemacht? — Die Bosheit der Geister nur! Aufklärung über Gott und Christus.

31. Roberts freudige Zustimmung. Seine weitere Hauptfrage an Jesus: Wo und wie gestaltet ist die wahre Gottheit?

32. Kannst du Gott nicht lieben, so liebe Mich, Jesus. In Christo wohnet die Fülle der Gottheit körperlich. — Robert bezweifelt die Gottheit Jesu, will aber schließlich blind daran glauben.

33. Jesus über wahren und falschen Glauben. Gefahren des stumpfen Wohllebens. Gleichnis vom gemästeten Sklaven. Bittere Folgen der Liebe zur Materie.

34. Roberts Begriff von Glauben und rechter Gottesverehrung. Vorraussetzungen und Hindernisse der wahren Gotteserkenntnis

35. Jesus über das doppelte Erkenntnisvermögen des Menschen. Nur das Licht des Geistes verschafft wahren Glauben. Es erfordert aber Übung und Sittenreinheit.

36. Robert ist ungehalten über die Erinnerung an irdische Schwächen. Er wünscht andere Gespräche an einem angenehmeren Plätzchen.

37. Jesus über die Gefahr des Lobes für die Seelenentwicklung. Selbst Engelsfürsten brauchen Demut zum Geistesfortschritt. Demütiges Schuldbekenntnis dient wahrem Heil!

38. Robert wundert sich, daß er noch nicht genug gedemütigt sei. Rückschau auf seine Erdenschicksale. Alles ward mir genommen. Züchtige mich, Jesus, aber verlasse mich nicht!

39. Gute Wendung bei Robert. Weitere Belehrung durch Jesus, u.a. über den Täufer Johannes als Wegbereiter Jesu. Robert erkennt allmählich die Wahrheit über Jesus.

40. Neues Leben aus dem göttlichen Geiste beginnt in Robert. Jesu Ankündigung einer neuen Freiheitsprobe auf höhrer Erkenntnisstufe. Verhaltungswinke dafür.

41. Robert zu Jesus: "Dein Wille sei mein Leben — nur verlasse mich nicht!" Jesu Antwort.

42. Jesus als wahrer Bruder. Gleichnis vom Scheibenschießen. Nach der Liebe zu Jesus bestimmt sich alles. Neue, geistige Wohnwelt Roberts und die ersten Gäste.

43. Roberts neue, herrliche Welt. Worte staunenden Dankes und innigster Liebe. — "Beruhige dich, diese Welt ist aus dir!" Gleichnis vom Wunder der Kinderzeugung.

44. Roberts neue Aufgabe im neuen Heim. Erste Gesellschaft — die im Kampfe gefallenen politischen Freunde aus Wien. Roberts nachdrückliche Belehrung an die stürmischen Gäste.

45. Roberts klares Bekenntnis zu Jesus und die Wiener Gesellschaft.

46. Frage Roberts nach drei führenden irdischen Kampfgenossen. Ein Seelenbild dieser 'Volksfreunde'. Roberts Mahnung zu friedlichem Vergeben.

47. Eintritt in das Haus Roberts. Geistige Entsprechung seiner Stockwerke. Mahnung zur Vorsicht mit der Wiener Gästeschar. Stiller Herzensverkehr mit Jesus.

48. Das wundervolle Innere des Hauses. Roberts Ärger beim Ausblick in den Garten. Skandalszenen der Wiener Gesellschaft. Jesus übt geduldige Seelenkur an den Argen.

49. Eine Schar einstiger Balletttänzerinnen kommt ins Haus. Sie haben viel Not erfahren in der Geisterwelt und bitten demütig um Brot und Unterkommen.

50. Die Wiener Gesellschaft vor dem Hause verlangt einen Teil der Tänzerinnen. Roberts Donnerpredigt. Seelenrettung am Abgrund. 'Weingeistbrennen' auf geistigem Weg.

51. Die drei Kampfgenossen Roberts vor Jesus. Auch sie sollen gebessert werden. Die dankbaren Tänzerinnen als willige Werkzeuge.

52. Das gute Werk des Geistes in Robert. Die Herablassung Jesu erschüttert sein Herz. Sein Mitleid kommt durch Jesu Gnade den Tänzerinnen zugute. Drei Kampf— und Leidensgenossen Roberts.

53. Die Wiener Volksführer Messenhauser, Jellinek und Becher im Jenseits. Ihre Ansichten über Gott, Hölle und Fatum.

54. Jellinek beweist seinen Freunden das Dasein und Walten Gottes aus dem Buche der Natur. Näheres über die Gottheit könne der Mensch aber niemals fassen und begreifen.

55. Aufbruch der furchtsamen Helden zu Entdeckungsfahrten. Jellinek geht voran. Jesus und Robert treten auf.

56. Jellineks gute Ahnung. Sein Herz erbrennt in Liebe zum 'Freunde' Roberts. Ein Himmelswein. Jellineks Trinkspruch. Jesu überwältigende Erwiderung.

57. Wirkung des Himmelsweines. Sehnsuchtsvolle Frage nach Jesus und Seiner Gottheit. Bedeutsame, kurze Antwort Roberts. Jellineks Liebeswahlspruch.

58. Prüfung der Weiberliebe für die drei Freunde Roberts. Gute Erwiderungen Jellineks und Messenhausers.

59. Jesus über den oft mißbrauchten Satz: "Der Zweck heiligt die Mittel." — Beispiele hierzu.

60. Die Tänzerinnen wünschen Aufschluß über Gott. Robert belehrt sie: "Nicht außer, nur in dir suche Licht!" — Gefahr rein äußerlicher Forschung.

61. Dank und Verständnis der Tänzerinnen. Robert über den Kampf gegen unreine Naturgeister im Menschen. Die Stufenleiter der Vervollkommnung. Roberts Bescheidenheit. Der Allerhöchste. Wiener Volk in Roberts geistiger Welt.

62. Bittere, aber heilsame Kur der Wiener Fleischeshelden. Robert ermuntert sie in weiser Rede zum Eintritt ins Haus.

63. Die Gäste beim Anblick der Tänzerinnen. Volksgespräche in Wiener Mundart. Die Barrikadenheldin. Der Pathetikus.

64. Der stolze Pathetikus wird von Robert zurechtgewiesen. Die gutherzige Heldin redet ihm vergebens zu.

65. Die Wiener und der ungemütliche Böhme. Die Heldin wendet sich an Jellinek. Dieser verweist sie an Jesus.

66. Die Heldin wendet sich um Hilfe für sie und alle an den ihr unbekannten Jesus. Sein Rat: Bekenne offen, was dir fehlt! — Die Geschichte einer Gefallenen.

67. Wichtige Anmerkung Jesu über den Zweck dieser zum Teil ärgerlich erscheinenden Kundgabe.

68. Die sehnsüchtig harrende Heldin. Der hochmütige Pathetikus wird von Jesus zurechtgewiesen. Liebeswunder an der Heldin Helena.

69. Der Pathetikus und seine Freunde über diese wunderbare Veränderung der Helena. Vom Unterschied zwischen Traum— und wirklichen Leben. Olafs Gleichnis von der Brautwerbung. Das irdische Schicksal des Pathetikus.

70. Ehegeschichte des Pathetikus aus seiner Sicht. Der freundschaftlich hilfreiche General.

71. Der Ehehimmel des Pathetikus vernebelt sich. Das wahre Gesicht der Gattin Emma.

72. Die Forderungen der Gattin Emma. Vermittlungsmühen des Generals. Ehekrach.

73. Fortsetzung der Ehegeschichte des Pathetikus. Emmas Nervenkrise und Umkehr.

74. Große Überraschung für den Pathetikus. Er findet alte Bekannte. Olafs guter Rat.

75. Olaf wendet sich mit demütiger Bitte für das Wohl seiner Freunde an Jesus. Dessen gutes Zeugnis und Verheißung an ihn. Menschenseelen—Fischfang. Der blind—störrische Pathetikus.

76. Der aufrichtige Stiefelputzer, die unwillkommene Mierl und große Seelenwäsche des Pathetikus. Der gekränkte Hochmutsgeist verläßt seine himmlische Gesellschaft.

77. Olafs Fürbitte bei Jesus. Sein gutes Bekenntnis von der Gottheit Jesu und seine völlige Hingabe in dessen Willen. Sättigung der armen Seelen.

78. Jesu Mahnung zur Vorsicht bei geistig Halbblinden. Ankündigung eines himmlischen Großrats in betreff der Erdengeschicke. Jesu Größe, Einfachheit und Güte. Eine kleine Liebesszene. Himmlische Ratssitzung.

79. Die ehrwürdige Ratsversammlung. Jesu erste Frage: Was soll mit der Erde werden?! Adam, Noah, Abraham, Isaak und Jakob antworten.

80. Fortsetzung der Ratsversammlung. Helenas kindliche Ungeduld wird beruhigt. Moses und David reden. Helenas Zwischenrede und Davids Antwort.

81. Scharfe Gerichtsrede des Petrus über den Vatikan in Rom. Weise Gegenrede des Paulus von der Gnade.

82. Robert Blum und Jellinek äußern sich nach Jesu Aufforderung ebenfalls. Jesu Entgegnung.

83. Bechers radikale Vorschläge. Seine Belehrung durch Jesus. Die Natur des Menschengeschlechts ist bedingt durch die Erde und deren Zweck in der ganzen Schöpfung.

84. Helenas Ansicht über den Weg zum Heil der Erdenmenschheit.

85. Jesu Kritik an Helenas Vorschlägen. Gleichnis von der Kommunistensiedlung. Die Erde kann unmöglich ein Paradies sein, solange sie eine Prüfungsstätte ist.

86. Olafs Weisheit. Seine Ahnung von traurigen Vorgängen auf Erden. Ein himmlischer Trinkspruch. Neue Heilswege des Heilswege Jesu. Die neue Licht— und Liebesbrücke der göttlichen Gnade.

87. Das Himmelsmahl zum Wohle der Erdenmenschen. Szene zwischen dem Herrn und der Helena. Zwischenbemerkung Adams. Helenas Brautgewand und Krone als Entsprechung ihrer reinen, glühenden Gottesliebe.

88. Was bedeutet ein rechter Kuß? Der höchste Preis reinster Gottesliebe — die Gottesbrautschaft. Sinnbilder der Zeitgeschichte.

89. Ein Blick auf die Erde und ihre Greuel. Der Geist des Antichrists. Eine sinnbildliche Erscheinung auf dem Ratstische.

90. Weiterentwicklung des Zeitbildes auf dem Ratstische. Warum läßt Gott die vielen Weltgreuel zu?

91. Der Grund der Nachtseite des Lebens. Gegensätze sind notwendig für die geistige Freiheit.

92. Weitere Visionen Helenas. Kampf der 6 Tiere. Wirkung dieses Schauspiels auf die Wolfsmenschen und den König.

93. Robert, von Jesus aufgefordert, erklärt das Geschaute. Eigenliebe und Hochmut als Grundwurzel aller Übel. Der unwandelbare Gotteswille als ruhender Pol.

94. Helena über das siebenköpfige Ungeheuer, den Tierkampf, die Wolfsmenschen und den König. Ihre Vorschläge zur Abhilfe. Weise Menschenerziehung.

95. Hochbedeutsame Erklärung des Herrn über die Entwicklung selbständiger und freitätiger Wesen. Große Schwierigkeiten dieser Aufgabe. Hauptschlüssel zum Verständnis des Erdenlebens. Helenas begeisterter Dank.

96. Der Herr über Gottes— und Weltkinder. Das Erlösungswerk gilt hauptsächlich letzteren. Gleichnis vom Obstgarten und vom unfruchtbaren Baume. Helenas Rat bezüglich des Pathetikus. Führung eines Weltlüstlings.

97. Jesus über Sexlust und Hochmut. Roberts schwieriger Auftrag betreffs des Pathetikus. Dessen Philosophie und Roberts Antwort.

98. Der Pathetikus muß der Wahrheit recht geben. Er fängt an, nach Jesus zu fragen. Selbsterkenntnis dämmert in ihm und zeigt ihm sein Verderben vor dem Lichte Gottes.

99. Robert ermutigt den Pathetikus: Eile zu Jesus! — Der furchtsame Sünder zagt. Seine alten Freunde bedrohen ihn. Pathetikus—Dismas fasst endlich Mut und folgt dem Gottesboten.

100. Dismas bekennt vor Gott seine große Schuld, bittet aber nicht um Gnade, sondern um gerechte Strafe. Fogen dieser verkehrten Bitte.

101. Törichter Trotz des verblendeten Dismas — zum Entsetzten seiner wahren, wohlgesinnten Freunde. Ihre scharfen Urteile.

102. Dismas wird durch das allgemeine Urteil stutzig. Er wendet sich aufrichtig an Jesus um Gnade und Barmherzigkeit, die er dort auch findet. Desgleichen bittet er bei seinen Gläubigern. Bekehrte werden zu Bekehrern.

103. Emma und Olaf vergeben ihrem Schuldner Dismas. Jesu Zeugnis über den starken paulinischen Geist des Dismas. Ein himmlischer Auftrag an den Neubekehrten.

104. Dismas und seine ehemaligen Freunde. Allerlei Einwände der geistig Trägen. Eine Hungerkur für die starrköpfigen Ungläubigen.

105. Dismas über die Werke des Verstandes und des Herzens. Er bringt die dreißig Schwergläubigen zum Herrn.

106. Ansprache des Redeführers Bruno. Jesu kritische Gegenfragen. Brunos Demut und Klugheit bewirkt Jesu Gnade.

107. Himmlisches Gnadenmahl. Liebeswetteifer der Neugewonnenen. Bruno wird zur höchsten Prüfung in der Feindesliebe berufen.

108. Der Held der Liebe von Feinden umringt. Börsenleute im Jenseits. Die Liebe Christi überwindet alles. Großer Seelenfang.

109. Gute Eintracht unter den Wahrheitshungrigen. Das Heer von Weltblinden kommt vor Jesus. Brunos Lebensgeschichte.

110. Jesus über Seelenfischfang. Brot, Wein und himmlische Bekleidung als stärkende und erbauende Gnadengaben.

111. Bruno ist selig, verspürt aber noch immer Hunger und Durst. Warum? — Schaffe den kleinen Richter aus dir! Winke über die himmlische Ordnung.

112. Bruno belehrt seine Zöglinge. Einwürfe eines Grobians betreffend Wiedergeburt und Willensfreiheit. Bruno klärt ihn auf.

113. Rede des Grobians über die Entstellung der Religion durch das Priestertum.

114. Brunos durch Jesus inspirierte Antwort. Ein Beweis der Göttlichkeit der Lehre Jesu ist ihre unerschöpfliche Fülle und Mannigfaltigkeit. Vergleich mit menschlichen Lehren.

115. Kritik am Papsttum Roms. Brunos klare Beleuchtung dieser Sache. Vom Nutzen der Nacht. Ein Katholik und seine Bedenken.

116. Entstellung der reinen Gotteslehre aufgrund der menschlichen Willensfreiheit. Katholische Glaubensgeschichte. Der Herr liebt Roms Lämmer. Das Ende Seiner Langmut.

117. Die Zweifler glauben nun, fürchten aber zum Teil, schuldbewußt, den Gang zu Jesus. Zwiegespräch eines Kirchengebundenen und eines Freien. Humor im Geisterreich. Brunos klärende Rede.

118. Bardos Rechthaberei und Empfindlichkeit. Niklas' scharfe Zurechtweisung. Die Schar, im Geiste vereint, darf Jesu Herrlichkeit und Gnade erfahren.

119. Seelenheilung des Bardo. Gute Rede des Niklas von den Führungen Gottes. Dankbare, himmlische Verbrüderung aller. Häusliche Aufgaben Roberts.

120. Bekleidung im Jenseits. Segensrede Jesu an die Neugewonnen. Blum und seine Freunde werden zur Ordnung des Speisesaals beschieden. Ihre verwunderlichen Erfahrungen dort.

121. Ansichten und Ratschläge der Freunde in betreff der sonderbaren Lage. Dismas trifft das Rechte und bringt die Herzen in Ordnung. Roberts Dank. Vom Segen der Nächstenliebe. Kriegsgefallene als neue Gäste.

122. Eindringen vieler erregter Kriegsgefallener. Rede des Führers. Sein Aufruf zum Gebet.

123. Ein Mönch will Messe lesen um Geld. Der General wettert über das Papsttum. Robert möchte helfen. Jesus kommt.

124. Roberts Wiedersehensfreude. Jesu Sorge um den hinausgeworfenen Mönch. Robert als Hausherr erhält eine Gehilfin in Helena. Himmlische Eheschließung. Ein Mönch und sein Erleben der ewigen Liebe.

125. Das geistige Erwachen des Mönches. Selbstgespräche als Seelenspiegel. Jesus als Lebensanker des Schiffbrüchigen.

126. Der Mönch vernimmt die heilige Lehre von Jesus, dem Gekreuzigten. Der geistig Blinde wird sehend, erkennt Jesus und dessen endlose Gnade.

127. Überschwengliches Gotteslob des dankbaren Mönches Thomas. Sanfte Belehrung Jesu über die Schlichheit der Liebe. Gewinnung der 3000 Kriegsgefallenen.

128. Thomas im Himmelssaal. Seine Bitte für die unter dem General noch im Vorsaal harrende Schar seiner früheren Gegner. Er wird mit Ehrenkleid und Weisheitshut angetan. Seine erste Aufgabe in Begleitung des Dismas.

129. Thomas und Dismas im Vorsaal bei dem General und seinen Dreitausend. Aufklärung über Jesus und den Heilsweg. Wirkungsvolle Rede des Generals an seine Schar. Jesus an der Türe des Lebenssaales.

130. Die gerettete Schar vor Jesus. Des Generals Theowald Lebensweg zu Gott. Das Geheimnis des Erdendaseins im Jenseits beantwortet. Jesu Licht— und Lebensworte an den General und seine Schar.

131. Das große Mahl. Der General und sein Freund Kernbeiß über die göttlichen Wunder. Thomas dankt ihnen für die früher an ihm betätigte Kur. Blick auf die irdische Hölle. Neue Gäste: Unglücksscharen politischer Todesopfer.

132. Ankunft einer Schar Hingerichteter und Verzweifelter. Der Führer gibt ihre traurige Geschichte kund. Philosophie der Gott— und Lieblosigkeit.

133. Ein Graf und ein Rücksichtsloser. Lebensgeschichte der beiden. Ihre einmütige, finstere Gottesverkennung. Der stolze Königsthronbewerber und sein klägliches Ende.

134. Rachestreben der Hingerichteten. Ehrenlehre des Rücksichtslosen. Fremde Stimmen und deren Wirkung. Not lehrt beten. Die Heilsstimme.

135. Geheimnisvolle geistige Winke an die Unglücklichen. Zäher Grafenwahn von dem Rücksichtslosen gegeißelt. Ungarische Politik von damals.

136. Gespräche über Jesus. Religiöse Erfahrungen des Franziskaners. Der Graf als Bibelkundiger. Gleichnis vom Mann ohne Hochzeitskleid und von den 10 Jungfrauen.

137. Der magyarische Grafenstolz wird vom Rücksichtslosen gedämpft. Erdenpolitik in jenseitiger Beleuchtung. Der General und Robert über den Streit dieser Geister. Jesu große Geduld.

138. Der Graf und der Franziskaner über die neu vernommenen Stimmen. Der Graf äußert immer noch Bedenken, zu Jesus zu gehen. Ein Mann aus dem Volk macht kurzen Prozeß und ruft Jesus an. Wahrheit durch Jesus — als Fremdling.

139. Auch im Grafen wird es hell. Ein herrliches Hochgebirge und ein Palast wird sichtbar. Ein Himmelsbürger naht und gibt liebevollste Belehrungen über die jenseitige Ordnung.

140. Weitere Frage an den fremden Besucher über Jesus und dessen Aufenthaltsort. Seine rätselvolle Antwort.

141. Der Franziskaner spricht über die Liebe und kritisiert den Grafen wegen seines Titels. Dessen aristokratische Antwort. Miklosch's Vermittlung und gute Missionswinke.

142. Ernste Predigt des Fremden gegen den Richtgeist unter Brüdern. Einwurf des vergeltungssüchtigen Franziskaners. Der Fremde über Herzensordnung.

143. Letzte Zweifelsfragen des Franziskaners. Was geschieht mit Todsündern? Weise, liebevolle Antwort des Fremden. Einladung ins Haus.

144. Staunen der Neulinge vor der Herrlichkeit und Größe des Hauses. Wohnt hier Jesus Christus? Sehnsucht der Seelen nach Jesus. Mikloschs gute Ahnung.

145. Eintritt ins himmlische Haus. Begegnung mit alten Bekannten. Blindes Suchen des Grafen nach Jesus. Überraschungen. Endlich gefunden!

146. Der große Augenblick des Grafen Bathianni: Ja, Du bist es! Herrliche Huldigungsrede. Jesu Antwort über das Verhältnis des Vaters zu Seinen Kindern.

147. Bathiannis übermäßige Zerknirschung. Jesus über die Reifung des Menschen zur höchsten Gotteserkenntnis. Der immer noch blinde Franziskaner erhält derbe Winke von Miklosch.

148. Erneuter Zweifel des Franziskaners wegen des Anblickes von Robert Blum. Seiner Teufelsangst begegnet Jesus mit den Wundern und Gaben Seiner Vatermilde.

149. Der noch immer zweifelnde Franziskaner versteift sich auf die katholische Lehre. Miklosch kuriert ihn mit scharfen Fragen. Endlich bricht auch bei dieser starren Seele das Eis. Seligstes Staunen ob der himmlischen Wahrheiten.

150. Der Franziskaner labt sich am himmlischen Brot und Wein und dankt Jesus. Das wahre Himmelreich mit neuen, endlosen Wundern tut sich auf. Die ganze Gesellschaft der Seligen im Hauptsaal: "O Herr, wie groß bist Du!"

1. Kapitel. Robert Blums irdische Laufbahn bis zu seiner Hinrichtung 1848 aus politischen Gründen.

01. Dieser Mensch der deutschen Zunge kam unter den dürftigsten Umständen auf diese Erde, und hatte bis auf einige seiner letzten Jahre stets mit der natürlichen, irdischen Lebenserhaltungsnoth zu kämpfen, was ihm aber aus (der Welt freilich gänzlich unbekanntem) gutem Grunde zuteil ward, weil seine Seele und sein Geist von jenem Planeten herstammte, von dem ihr aus der Enthüllung der natürlichen Sonne (Nr. 2 unsrer Schriften) wisset, daß seine Einwohner mit ihrer hartnäckigsten Beharrlichkeit ganze Berge versetzen, und was sie leiblich nicht vollbringen, das setzen sie sogar nach und nach als Geister ins Werk. (Uranus.)

02. Dieser durch seine Tollkühnheit gefangen genommene, und für diese Welt hingerichtete Mann zeigte schon von seiner Kindheit her, welch' beharrlichen Geistes er war, und obschon Ich Selbst ihm, wo er sich nur immer erheben wollte, stets die tauglichsten Hindernisse in den Weg legte, wegen seines (Seelen—)Heiles, so half das aber am Ende — besonders für diese Welt — doch wenig; denn seines Geistes zu rastlos beharrliches Streben brach sich endlich aus all' seiner gestellten Unbedeutendheit doch eine Bahn, auf der er zu einem größeren Wirken gelangte.

03. Auf diesem Wirkungsstandpunkte machte er sogleich tausend große Pläne, setzte sie auch nach Möglichkeit in's Werk. Vor Allem lag ihm ein gewisses Völkerwohl am Herzen, welches zu bewerkstelligen er kein Opfer scheute! — Fürwahr, so er alle Schätze der Erde besessen hätte, so hätte er sie auch alle, sammt seinem Leben, für die Realisirung dieser seiner für ihn höchsten Idee in die Schanze geschlagen!

04. Diese Völkerwohl—Idee hatte er aber freilich hauptsächlich der bloßen Welt—Religionsschule des Ronge und dessen Genossen zu verdanken, welche Religion aber eigentlich gar keine Religion und keine Kirche ist, und auch nie sein wird, weil sie Mich, den Herrn leugnet, und macht Mich zu einem ganz gemeinen und gewöhnlichen Menschen, und Volkslehrer der Vorzeit! Diese sein wollende reine Kirche verwirft sonach aber auch den Grundstein, auf dem sie ihr Gebäude aufführen will, baut somit auf Sand, und ihr Haus wird daher einen schlechten Bestand haben!

05. Wie aber Ronge seine Kirche baute, so auch baute unser Mann seine Völkerwohlsideen — auf Sand. Ihm war alles, was die Welt darbietet, nur äußerst klein und ohnmächtig; blos in seiner Rednergabe sah er jene Machtgröße, der es gelingen müsse, in Kürze allen Machthabern den Stab zu brechen!

06. Seine Ueberzeugung war darin so stark, daß er darüber nahe keines Bedenkens fähig war. Mahnte Ich ihn auch innerlich bei zu toll gewagten Unternehmungen, so vermochte ihn aber das dennoch nicht abzuhalten von dem, was er sich einmal zu verwirklichen vorgenommen hatte; — denn es war das bei ihm eine Art Wahlspruch, dem zufolge ein rechter Deutschmann eher alles opfern solle, als von einer einmal gefaßten und durchdachten Idee abzugehen! (Er meinte also) ein Deutscher höre dadurch auf, ein Deutscher zu sein, so er mit Ideen zu tauschen anfienge!

07. Zur Festhaltung seiner einmal gefaßten und zur Ausführung bestimmten Ideen bestärkte ihn auch das mehrmalige glänzende Gelingen derselben; und so wagte er sich nun auch über ein Himmelaja—Gebirge, weil ihm die Abtragung einiger politischer Hügel gelang, durch welche Arbeit er sich auch allgemein bemerkbar gemacht hatte, und gewann dabei das Vertrauen eines ganzen Landes; welches Vertrauen ihm aber dann auch den Weg zu seinem unvermeidlichen irdischen Untergange bahnte.

08. Er erprobte in der Deutschen Versammlung die Macht seiner Zunge zu öfteren Malen, und hatte heimlich eine große Freude über seine gefeierten Zungensiege, woran freilich sein starker Geist den größten Antheil hatte. Auf diese Siege gestützt und allerfestest vertrauend, eilte er vom Orte seiner Bestimmung in eine große ostdeutsche Stadt, wo das Volk auch die unverkennbarsten Symptome seiner Ideen thatsächlich ans Tageslicht zu fördern begann; da wollte er so zu sagen mit Einem Schlage etliche dreißig sogenannte Fürstenfliegen todtschlagen, ohne zu bedenken, daß hinter diesen Fliegen auch Ich, Der Ich freilich für ihn Nichts war, etwa doch auch ein paar Wörtchen eher zu reden hätte, bevor sie eine Beute seines Fliegenprackers werden sollten!

09. Unser Mann ging hauptsächlich von dieser Idee aus, die er wohl aus Meinem Worte borgte, daß man ‚vollkommen' sein sollte gleich dem Vater im Himmel, und daß da nur Einer der Herr ist, und alle Anderen aber Brüder, ohne Unterschied des Standes und des Geschlechtes; aber er glaubte fürs Erste an Den nicht, Dem die Menschen in der Vollkommenheit gleichen sollen; für den Herrn aber hielt er nur so ganz eigentlich sich, durch die Macht der Rede; vergaß aber dabei ganz, daß die Fürsten auch Menschen sind, freilich im Besitze der Macht — aus Mir; und vergaß auch jenes Schrifttextes, wo es heißt: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!" — wie auch: „Seid jeder Obrigkeit unterthan, ob sie gut oder böse ist; denn sie hätte keine Macht, so sie ihr nicht von Oben gegeben wäre!" — Gegen diese Macht hilft nur das Gebet, und ein rechter Lebenswandel nach Meinem Worte, aber kein sogenannter politischer Fliegenpatscher.

10. Dieser Mann wurde in der früher erwähnten Stadt, wo er seine völkerbeglückende Idee durch die Gewalt der Waffen, wie durch seine Reden realisiren wollte, als ein dem Staate gefährliches Individuum gefangen genommen, und nach einem kurzen Prozesse aus dieser in die andere Welt befördert, und somit ward auch sein dießweltlicher Völkerbeglücken—sollender Wirkungskreis abgeschlossen. (+ am 10. Nov. 1848 )

2. Kapitel. Ankunft des Hingerichteten im Jenseits und erste Eindrücke dort. Bewußtwerden des Lebensgefühls. Menschlich—irrige Erklärung dieser Tatsache.

01. Nun fragt sich's: Wie kam seine Seele und sein Geist in der ewigen Geisterwelt an? — Wie befindet er sich dort? und was thut er?

02. Es muß hier bemerkt werden, daß die Meisten der, ihr irdisches Leben durch ein Strafgericht gewaltsam Einbüßenden, in der Geisterwelt mit dem größten Zorne und Rachegefühle gegen ihre Richter wie Flüchtlinge ankommen, und eine Zeitlang wie völlig Rasende herumtaumeln, was von ihrem großen Zorne und übermäßigen Rachedurste herrührt. Aus solchem Grunde werden solche Ueberkömmlinge, so sie wirkliche Verbrecher wider Gottes Gebote sind, also im Grunde Böse, alsogleich zur Hölle getrieben, die ihr eigentliches Element ist, um dort ihre Rache zu kühlen, aus der sie aber, so ihre Rache in etwas abgekühlet ist, wieder in die eigentliche Geisterwelt zurückkehren, und da von Neuem ihre Freiheitsprobe freilich auf nothwendig sehr beschränkten Wegen durchzumachen beginnen.

03. Geister aber, wie der unseres Mannes, die blos als politische, also rein weltliche Verbrecher gegen weltliche Gesetze, die freilich auch mit den Gottesgesetzen im Verbande stehen, weltlich gerichtet Drüben ankommen, werden anfangs blos in einen lichtlosen Zustand versetzt, in dem sie wie Blinde sich befinden, und somit auch keines Wesens ansichtig werden, an dem sie sich vergreifen würden, und kühlen ihre blinde und große Rache; denn großer Zorn und große Rache bewirken schon bei Menschen auf der Welt, daß sie förmlich blind werden, vor Zorn und glühendster Rachewuth; umsomehr bewirken diese argen Leidenschaften bei Seele und Geist, in denen sie hauptsächlich auftauchen und zu Hause sind, den Zustand der gänzlichen Blindheit. In diesem Zustande werden solche Geister so lange belassen, bis sich mit der Weile ihre Rache in das Gefühl der Ohnmacht umwandelt hat, und die so tief gekränkte und beleidigte Seele im stets mehr auftauchenden Gefühle ihrer Ohnmacht zu weinen beginnt; welches Weinen zwar wohl auch dem Zorne entstammt, aber denselben nach und nach auch ableitet und schwächt.

04. Hier diesseits konnte unser Mann nichts mehr thun, als blos nur, da er für diese Welt Alles als rein verloren ansehen mußte, so viel als möglich seine männliche Ehre retten, aus welchem Grunde er sich auch bei seiner Hinrichtung so entschlossen und den Tod verachtend zeigte; was aber durchaus nicht der Fall war, da er in sich wohl gar überaus stark die Schrecken des Todes fühlte, und das um so mehr, da er, als ein fester Neukatholik, an ein Leben der Seele nach dem Abfalle des Leibes durchaus nicht glaubte.

05. Aber in ungefähr 7 Stunden nach seiner Hinrichtung, da seine Seele sich gewisserart wieder zusammenklaubte, überzeugte er sich schnell von der Grundlosigkeit seines irdischen Glaubens, und gewahrte gar bald nur zu unwidersprechlich, daß er fortlebe; aber da verwandelte sich seine individuelle Ueberzeugung von dem Fortbestehen nach des Leibes Tode in einen andern Unglauben, und zwar also: — er meinte und behauptete nun bei sich, daß er wohl auf den Richtplatz ausgeführt wurde, und blind erschossen wurde, um die vollkommene Todesangst auszustehen; aber da auf ihn nur blind geschossen wurde, weshalb ihm auch der Offizier die Augen verbinden habe lassen, auf daß er nicht das leere in die Luft schießen merken solle, so sei er blos vor Angst betäubt zusammen gesunken, und wurde von da in einem ganz bewußtlosen Zustande in einen finstern Kerker gebracht, von wo ihn eine starke Reklamation von Deutschlands Bürgern sicher bald in die erwünschte Freiheit setzen würde?!

06. Ihn genierte nun blos die starke Finsterniß, also ein sehr finsteres Loch, das ihm aber jedoch nicht feucht und übelriechend vorkommt. Er befühlt sich auch die Füße und die Hände, und findet, daß ihm nirgends Fesseln angelegt sind; da er sich aber fessellos fühlt, so versucht er die Weite seines Kerkers zu untersuchen, und wie etwa der Boden beschaffen ist? Ob sich in seiner Nähe etwa nicht so ein heimliches Gericht vorfindet?!

07. Aber er staunt nicht wenig, als er fürs erste gar keines Bodens gewahr wird, und eben so wenig irgend eine Kerkerwand, und fürs zweite aber auch nicht irgend von einer Hängematte etwas finden kann, in der er sich etwa in einem freien Katakombenraume hängend befände?! —

3. Kapitel. Robert wähnt sich in Narkose.

01. Diese Sache kommt ihm sehr bedenklich sonderbar vor; er prüft auch sein Gefühl, ob dieses nicht etwa an den Extremitäten so gewisserart noch halbtodt sei? — Aber er überzeugt sich durch ein tüchtiges Kneipen und Reiben über alle seine Seelenbestandtheile, daß sein Gefühl durchaus nicht todt ist, im Gegentheile nur gar zu sehr lebendig.

02. Als er sich nun genau prüfend von allen Seiten überzeugt, daß er vollends lebendig ist, und sich von keiner Seite her irgend wie eingeschlossen befindet, außer von einer vollkommensten Nacht und Finsterniß, da fragt er sich endlich ganz verzweifelt aufgeregt:

03. (Robert Bl.:) „Wo in drei Teufels Namen bin ich denn? —! Was haben denn die durstigen Bluthunde aus mir gemacht? — Erschossen haben sie mich nicht, sonst lebete ich nicht; eingesperrt haben sie mich auch nicht; denn da finde ich weder Wand noch Boden, und keine Fesseln an meinen Gliedern; — mein vollkommenes Gefühl habe ich auch; die Augen habe ich auch; sie sind mir nicht ausgestochen, und doch sehe ich nichts! — Was haben sie denn mit mir gemacht? — wahrhaftig, das ist schaudervoll merkwürdig! — Dieser Menschenfeind, der mich proforma hat erschießen lassen, muß durch irgend einen Chemiker mich vielleicht auf eine ganz eigene Art, etwa durch ein aller sonstigen gelehrten Welt unbekanntes Narkotikum haben narkotisiren lassen, welcher Operation zufolge ich nun mich in diesem Zustande befinde!? — Aber warte, du Wütherich, du Völkerrechte—Mörder, wenn ich aus dieser Narkose komme, wenn ich wieder nach Frankfurt komme, dann freue dich! — ich werde dir eine Suppe kochen, eine ganz verdammt heiße Suppe!

04. Dieser Zustand wird nicht ewig dauern; man wird mich in Frankfurt und in ganz Sachsen requiriren, und ich werde, ja ich muß dahin kommen! — Und bin ich dort, dann tausendfaches Wehe dir! — du sollst dann kennen lernen, was für ein Frevel es ist — an einem ersten Reichstagsdeputirten sich also schonungslos und aller—Völkerrechts—widrigst zu vergreifen! Mein ganzes Wesen, ganz Deutschland, ja ganz Frankreich darf nicht eher ruhen, als bis diese allerschmählichste, mir, einem Reichstagsdeputirten angethane Unbill in aller Fülle gesühnet sein wird! — und das auf eine Art gesühnt, von der die Erde, und die ganze Weltgeschichte noch kein Beispiel aufzuweisen hat!

05. Wenn ich aber nur schon bald aus dieser sonderbaren Narkose geweckt würde! — Ich brenne vor gerechtester Rache, und dieser lästigste Zustand dauert noch immer fort! — Das ist doch eine echt teuflisch verfluchte Erfindung! Aber nur Geduld; es wird, es muß bald besser werden!"

4. Kapitel. Roberts Notschrei zu Gott und Berufung auf Jesus. Sehnsucht nach dem Nichtsein. Vorwärts ins Unbekannte!

01. Nach diesen Worten verhält er sich eine ziemlich lange Weile ganz ruhig und stille, und reibt sich blos manchmal die Augen, um einer allfälligen narkotischen Trübung los zu werden; aber da es trotz aller seiner vorgefaßten Geduld und trotz allem Augenreiben denn doch nicht heller werden will, so fängt er an der Wiedergewinnung des Augenlichtes ganz vollkommen zu zweifeln an, und wird darum auch erboster von Augenblick zu Augenblick. Als aber auch trotz seines stets größeren Erbostwerdens das Licht sich bei ihm nicht einstellen will, so ruft er gar stark:

02. (Robert Bl.:) „Was ist denn mit mir geschehen?! — Was ist das für ein verfluchter Zustand?! — Giebt es denn keinen Gott mehr? — einen Gott, der mächtig wäre — und gerechter als die von Seiner Gnaden Machthaber der Erde und ihre blauen und goldbortirten Helfers—Helfer?!

03. Gott! — so Du irgend Einer bist, recke aus Deinen Arm, und sühne mich, der ich die gute Sache Deiner Menschen, Deiner Kinder zu jenem erhabenen Ziele führen wollte, das einst schon der erhabene unverstandene Völkerlehrer Jesus erreichen wollte; aber von gemeinen Häschern aufgegriffen, und aus Dank für seine großen Mühen und Opfer zum Besten der gesammten Menschheit — an den Pfahl der damaligen größten Schmach der Menschheit gehänget wurde!

04. Wie er, bin auch ich ein Sohn von Dir und aus Dir, so Du Einer bist?! — Bist Du aber nicht und nirgends, außer im Bewußtsein der Menschen selbst, ist Deine Kraft nur jene, deren sich der Mensch bewußt ist, — dann freilich rede ich nur leere und fruchtlose Worte, und bin um mein ganzes Wesen für ewig betrogen, und das auf das Schändlichste! Warum aber mußte ich ein lebendes, meiner selbst bewußtes Wesen werden? Warum mußte irgend eine im endlosen Raume sich selbst ergriffene plumpe Idee in mir zum klarsten Ausdrucke des sich erfassenden Seins werden? Ward ich denn eine Realität voll des hellsten Sichselbstbewußtseins etwa darum, um von einer andern füsiliert zu werden? — Verfluchter Zufall, der mich je in ein so elendstes Dasein versetzte! — Wenn es Teufel gäbe, arg und böse über jede menschliche Vorstellungskraft, so sollen sie doch jede wie immer Namen habende Kraft, die mich werden machte, für ewig zerstören!

05. O Menschen! o Menschen! — ihr betrogene, arme Menschen, höret auf — euch fortzupflanzen! — setzet nicht mehr lebende Wesen an eure Stelle zur Qual in die verfluchte Welt!—Menschen, die ihr nun noch lebet, ermordet eure Kinder und euch, auf daß die verfluchte Erde leer werde von Menschen! – O — erwürget ihr Machthaber Alle, alle Menschen, und theilet dann die verfluchte Erde unter euch, auf daß ihr dann an ihr allein zur Genüge haben sollet!—— Aber umsonst, — umsonst ist mein Eifer; ein ewiger Sklave!—— was kann ein Tropfen gegen des wogenden Meeres Allgewalt?! — Darum verstumme du eitle Sprache meiner Zunge; nur ihr Hände versuchet diesem elendsten Dasein ein Ende zu machen!"

06. Nach diesen Worten macht er an sich Erdroßlungs—Versuche. — Er macht einige recht tüchtige Eingriffe in seine Kehle, aber natürlich ohne alle Wirkung; denn er greift sich gewisser Art alle Male durch und durch, ohne nur eine auch nur allerleiseste Spur von irgend einer Erstickung zu verspüren! — Das macht unseren Mann stutzen, und er wird über diesen seinen Zustand stets begriffsverwirrter. Da es aber mit dem Erdroßeln gar nicht geht, da beschließt er, schnurgerade sich vorwärts zu bewegen anzufangen; — denn, spricht er bei sich ganz erbost, — „finsterer und grundloser, als es hier ist, kann es wohl im ganzen endlosen Raume nirgends mehr sein; daher habe ich auch keinen Abgrund, und noch weniger irgend ein geheimes Gericht mehr zu befürchten; darum also nur vorwärts! — Vielleicht komme ich doch irgend wo zu einem Lichtschimmer, oder zu einem erwünschten vollkommenen Tode?!

07. O wie glücklich muß der Zustand eines vollkommenen Todes sein? — Wie glücklich muß ich gewesen sein, als ich nicht war, als ich kein Dasein fühlte, und kein freies Bewußtsein mein Wesen trügte?! — O, wenn ich doch nur wieder vollends vernichtet werden könnte! — Aber sei es nun, wie es werden will; so mir nur ein künftig möglich werdendes Nichtsein ein Gewinn ist, der vollkommene Tod ein Labsal, so giebt es auch nichts mehr, wovor ich mich fürchten solle, darum also nur vorwärts!"

5. Kapitel. Roberts Geh— und Schwimmversuche im leeren, finstern Raume. Selbstgespräche vom Nichts und Fortleben. Fluch gegen Gott, den angeblichen Leidensbereiter.

01. Hier macht unser Mann mit seinen Füßen gewöhnliche Gehebewegungen; aber da er unter seinen Füßen keinen Boden wahrnimmt, so scheinen sie ihm blos gegenseitige effektlose Pendelbewegungen zu machen, die ein Weiterkommen eben so wenig bezwecken, als so jemand auf einer Bank säße, und schlenderte mit den Füßen in der Luft leer hin und her.

02. Er denkt daher wieder bei sich auf eine andere Art der Weiterbewegung, sprechend nehmlich: (Rob. Bl.:) „Ich muß mit Händen und Füßen durch diese lichtlose Luft auf eine eigene Art zu schwimmen anfangen; das wird besser sein, als das Gehen mit den Beinen! — denn — um mit den Beinen weiter zu kommen, muß man eine feste Unterlage haben, auf der ein Bein so lange ruht, bis das andere eine freie Bewegung vorwärts macht; aber wenn die Unterlage fehlt, da ist diese Art zu gehen fruchtlos; da heißt es entweder schwimmen, — oder fliegen; — zum Fliegen aber gehören Flügel; — diese haben wir nackten Zweibeinler nicht; aber schwimmen können wir, und so will ich mich an's Schwimmen machen! — Ach du guter Himmel, das wird freilich ein erbärmlich's Schwimmen sein?! — aber was läßt sich da anderes thun, als die noch innewohnenden Kräfte so lange möglichst zweckmäßig gebrauchen, als wie lange sie sich nur immer gebrauchen lassen! — Also — es werde geschwommen!"

03. Hier fängt er an förmliche Schwimmbewegungen mit Händen und Füßen zu machen, verspüret freilich wohl keinen Fortgang durch irgend einen Luftzug; aber das beirrt ihn nicht; er setzt seine Schwimmbewegungen fort. Je mehr er arbeitet, desto mehr auch verspürt er, daß all' sein Mühen ein vergebliches ist; denn er merkt es, daß ihn diese schwarze Luft nicht den allergeringsten Widerstand irgend verspüren läßt! — Er stellt daher seine schwimmerischen Bewegungen wieder ein, und spricht:

04. (Robert Bl.:) „Ich bin ein Esel und dümmster Narr! — was mühe ich mich denn vergeblich ab?! — Wo nichts ist, da ist nichts; ich bin nun im barsten Nichts; was will ich das Nichts weiter verfolgen?! — Im Nichts ist sicher die größte Ruhe, und nimmer eine Thätigkeit zu Hause?! — Daher will auch ich in die Ruhe des Nichts eingehen, um in ihr auch zu nichts zu werden! — Ja, ja, das ist schon der Weg zur völligen Vernichtung! — hm, hm; wäre freilich recht, wenn ich nur wüßte, daß ich wirklich sei erschossen worden?! — Krachen, — kommt es mir wohl vor, als ob ich es noch gehört hätte; aber freilich müßte ich da ja natürlich vollkommen todt sein, was bei mir doch nicht der Fall ist? — auch verspüre ich nichts von irgend einer Zerrüttung!

05. Oder, sollte es nach dem Tode wirklich ein Fortleben der Seele geben?! — Ich aber bin ja noch mit Haut und Haaren, und sogar mit meiner Kleidung, die ich wohl verspüre, noch da! — hat denn die Seele auch Beine, Haut, Haar und Kleidung? — Wenn so, da muß also auch der Rock eine Seele haben?! — — Nein! so was anzunehmen, müßte einen Mann, wie ich, doch die ganze Unendlichkeit hell und laut auszulachen anfangen!? — hahahaha! Die Unsterblichkeit eines Rockes wäre noch beiweitem ärger als die Wunderkraft des Leibrockes Christi zu Trier, vom Bischof Arnoldi ausgestellt! — ?! — und doch, und doch, doch, doch! — Wenn ich Seele bin, ist der Rock mit mir hierher gewandert! — ?

06. Nein, nein, und tausendmale nein; ich bin keine Seele! ich bin Robert Blum! — ich bin der Reichstagsdeputirte in Frankfurt, zur Konstituirung eines Einigen Deutschen Reiches! — welchem Reiche sich Oesterreich nicht unterwerfen will. — Ich habe es nun hier in der Residenz (Wien) kennen gelernt, was Oestreich will; ich weiß es, daß alles Trachten dieses Staates lediglich dahin gerichtet ist, um das eiserne Kleid des alten Absolutismus wieder von Neuem anzuziehen! Ich kämpfte wie ein Riese dagegen; aber da die Kanonen des Gegners stärker waren als mein guter Wille, so mußte ich samt meiner gerechtesten Sache dennoch abziehen, ja — nicht nur abziehen, sondern mich auf dem Wege meines Ab— und Zurückziehens sogar gefangen nehmen, und am Ende sogar wirklich, oder doch wenigstens scheinbar todtschießen lassen! — Ein schöner Lohn für ein dem wahren Vaterlande treu ergeb'nes Herz! — — O du verfluchtes Leben, und verflucht, der es mir gegeben!

07. So es irgend einen Gott giebt? — Welche Freude kann es Ihm denn wohl sein, solch einem mächtigen Wesen, so sichMenschen, die sich unter jeder Zone als wahre Brüder liebevollst verträglich, und voll Geduld gegen einander erweisen sollen, wegen eines Thrones und Szepters, und nun sogar wegen Meinungsverschiedenheiten grausamst erwürgen und todtschlagen!? — Daher aber, weil — nun wie gar allezeit so Arges geschieht auf der Erde, und solches doch von einem Gott, der logisch und physisch nichts sein kann als die reinste Liebe nur, nicht ausgehen kann, so giebt es entweder gar keinen Gott, oder — wenn es einen Gottgiebt, so ist Er nur ein Erzböser, also nur ein fluchwürdiges Fatum, das die Wesen als ein Spielzeug Seiner Launen betrachtet! — Darum noch einmal Fluch jedem Wesen, das Menschen schafft für's leidigste Verderben!

08. Aber nun nur Ruhe, nicht mehr rässonniren, denn so ich in diesem Nichts auch die über alles erwünschte gänzliche Vernichtung finden will, und so ich stets mit mir selbst rede, so erwecke ich mich dadurch aus der Vernichtung, werde wieder lebend durch die neu erregten Lebenskräfte, und mein Wunsch kann dadurch nicht erfüllt werden! — Daher also nur Ruhe, strenge Ruhe, damit Vernichtung kommt."

6. Kapitel. Gewaltsame äußere Ruhe, innere Unruhe Roberts. Was ist das Leben? Wer erhält es? Sehnsucht nach Glaubensfrieden. Der Gedanke an Weib und Kinder lenkt aufs Gebet. Heilsgedanken

01. Nach diesen Worten wird unser Mann ganz stumm und ruhig mit dem Munde, aber desto rühriger in seinem Herzen, was ihn schon wieder ärgert, da er in dieser Rührigkeit nur desto mehr Leben und ein desto umfassenderes Bewußtsein in sich wahrnimmt. Je ruhiger er wird, desto größer wird auch die innere Regsamkeit; und jemehr er dieselbe unterdrücken will, desto kräftiger tritt sie auf!

02. Das treibt ihn schon wieder in eine neue Art von Verzweiflung und Zornwuth; denn es wird ihm immer einleuchtender, daß er auch auf diese Weise des ihm schon über alles lästigen Lebens nicht los werden kann; daher fängt er wieder zu reden an, und spricht:

03. (Robert Bl.:) „Nun möchte ich aber in allen Teufels Namen denn doch wissen, was denn in sich das mehr als schweinsdumme Leben ist, daß man seiner nicht los werden kann!? — Ich habe ja doch Tausende sterben gesehen, — und sie wurden todt, und es blieb auch nicht das leiseste Lebenszeichen mehr übrig, die Verwesung war das vollkommenste Ende ihres Seins!? — Diese können doch unmöglich irgend ein Bewußtsein mehr haben, und sind sonach vollkommen dahin! Oder sollen sie etwa auch gleich mir außer dem Leibe noch ein Leben haben, und zwar gleich diesem meinen?!

04. Ich kann einmal nicht todt werden? — Wer erhält mir denn dieses lästige Leben?! —— O du, — der du mich hast erschießen lassen, deine Henker müssen mit dem Todtmachungs—Handwerke noch sehr schlecht vertraut sein! — denn du hast mich nicht todt—, sondern nur lebendig schießen lassen! — Wenn deine Helfer an allen deinen Feinden solche Effekte, wie an mir bewirken werden, dann erspare dir die Mühe; denn ich sage es dir aus dieser meiner stygischen Nacht: Du wirst deine Feinde erst recht lebendig machen durch dein Pulver und Blei! Harter Mann, du hast an mir ein großes Unrecht geübt; denn du wolltest mir nehmen, was du mir nicht gegeben und ewig nicht wieder geben kannst; aber wie sehr lache ich dich nun aus; denn ich, den du todt machen wolltest, lebe; du aber, der du zu leben wähnst, bist nur um zehnmal todter als ich, dein erstes Opfer!

05. Es wäre im Grunde alles recht, wenn ich so ein kleinstes Schimmerchen von einem Lichte hätte!? — Aber diese totale Finsterniß! — die solle der Teufel holen; wenn es irgend auch einen giebt!?

06. Ich setze den Fall: Wenn ich so in dieser Lage etwa ewig verharren solle?! — O verflucht! — – — Wenn ich etwa doch schon so ein Geist bin? — das wäre wohl eine ganz verteufelte Bescheerung! — Nein, das glaube ich aber nicht; ein ewiges Leben kann es ja nicht geben!? — Und doch, — doch kommt es mir schon so hübsch lange vor, seit ich in dieser Finsterniß zubringe! — es müssen doch schon so einige Jährchen verflossen sein?! — Nur Licht, Licht! dann ist alles recht!

07. Ich muß es mir nun offen gestehen, daß es mir nun lieber wäre, so ein recht dummer Kerl zu sein, der an den Gottes—Sohn, an den Himmel, nebenbei freilich auch an den ewigen Tod, an den Teufel und an eine Hölle glaubt, und in solchem Wahnglauben mit — für seine freilich beschränktesten Tugendbegriffe — ruhigem Gewissen stirbt, als daß ich hier mit meiner geläutertsten Vernunft mich in der totalsten Lichtlosigkeit befinde! — Aber was kann ich dafür! — Ich suchte stets die Wahrheit, und glaube, sie auch gefunden zu haben; aber was nützt sie, wenn es in ihr kein Licht giebt!? — Es ist nun einmal also, und so sei und bleibe es auch!

08. Das Beste bei mir ist und bleibt meine männliche Standhaftigkeit und gänzliche Furchtlosigkeit; denn wäre ich wie so viele tausend Andere, ein ängstliches und furchtsames Wesen, so müßte ich in diesem Zustande nothwendig in die allertiefste Verzweiflung gerathen! — aber so ist mir nun schon alles eins!

09. Mein Weib und meine Kinder fangen in meinem Herzen freilich sich nun auch ein wenig zu rühren an; — die Armen werden wohl Traurigkeit um mich haben, und einen großen Kummer! — ? — Aber — was kann ich in dieser Lage für sie thun?! — Nichts, gar nichts! — Beten, das könnte ich freilich, und hätte Zeit genug dazu! — Aber zu wem, und um was, und zu welchem Nutzen?! — Der beste Wunsch ist für sie Alle ohnehin tiefst in meinem Herzen ein wahres und bestes Gebet, das ihnen sicher nicht schadet, so es ihnen auch nichts helfen kann; ein anderes Gebet aber kenne ich nicht, außer die wohlbekannten römischen ‚Vater unser' und ‚Ave Maria's', und wie noch eine Menge anderer Mund— und Zungenwetzereien heißen! — für diese aber würde sich meine gute und gebildete Familie sicher sehr erstaunt bedanken, so sie inne werden könnte, daß ich so was für ihr Heil, gleich einem Tollhäusler thäte! — doch, sie kann es ja unmöglich je erfahren, was ich hier thue?!"

7. Kapitel. Ehrfurchtvolles Gedenken an Jesus ruft wiederholt starkes Blitzen hervor. Schreck und freudige Verwunderung Roberts.

01. (Robert Bl.:) „Das sogenannte Vaterunser ist unter allen Gebetsformeln wohl die beste! Denn also hat der weise Lehrer Jesus Seine Schüler beten gelehret; leider ist dieß Gebet noch nie ganz verstanden worden, da man es meistens blind für alle Fälle und Bedürfnisse vorbrachte, während es doch nur eine rein weltliche (?) engst zusammengefaßte Aufzählung der Hauptbedürfnisse jedes Menschen ist, die sich der Mensch oft vorsagen solle, um über sich und seine Bedürfnisse stets im Klaren zu sein; aber die Römischen legen in diese Gebetsformel statt der Wahrheit nur eine gewisse läppische agatho—dämonisch— (Familien—Göttersegen) magische Kraft, und gebrauchen sie als eine geistig—sympathetische Universalmedizin gegen alle Uebel, auch wider die Krankheiten der Thiere! — und das ist mir denn doch unmöglich! „Das Vaterunser ist an und für sich sicher ein sehr würdevolles Gebet; aber freilich nur im rechten Sinne — und nur als das, was es ist; aber in der Art, als es die Römlinge und auch Protestanten gebrauchen, der barste Unsinn! — Ja, ja, der barste Unsinn!

02. O du guter Lehrer und Meister Jesus! Wenn Dein Loos etwa auch dem meinen gleicht, so wirst Du in solch einem Bestande nach Deiner schnödesten Hinrichtung wohl auch schon sicher hübsch oft bereuet haben, den argen Menschen so viel Gutes gethan zu haben?! — Beinahe 2000 Jahre in solcher Nacht? — O Edelster! — das muß sehr hart sein?!"

03. Als unser Mann den Namen Jesus so recht theilnehmend und sehr ehrend ausspricht, da fährt ein starker Blitz vom Aufgange bis zum Niedergange, worüber unser Freiheitsapostel sehr erschrickt, zugleich aber doch auch eine große Freude empfindet, da er dadurch die Ueberzeugung überkommen hat, daß er nicht blind ist.

04. Zugleich aber fängt er an auch nachzudenken, was denn etwa doch die Ursache dieses sehr hellen Blitzes war? Er denkt nun hin und her, und auf und ab; er geht alle ihm bekannten Gründe zur Erweckung der Elektrizität durch; aber er findet hier nichts zur genügenden Erklärung dieser ersten Lichterscheinung in diesem seinem für ihn noch immer unbegreiflichen Zustande; denn, denkt er bei sich, zur Erweckung der Elektrizität müssen die nothwendigen natürlichen Bedingungen vorhanden sein, als da sind — die mit Sauerstoff gefüllte athmosfärische Luft, und in ihr — negativ elektrische Körper, entweder flüssig oder auch hart; hier im Reiche des reinsten und absolutesten Nichts aber kann doch sowohl vom einen wie vom anderen nicht die Rede sein; denn wo nichts ist, da ist vollkommen Nichts, da der Begriff Nichts logisch richtig jedes wesentliche Sein gänzlich ausschließt!

05. Freilich befinde ich mich, als ein sich selbst nur zu klar bewußtes Wesen, in der Mitte dieses Nichtses, und bin somit ein bestimmtes Etwas in diesem Nichts; aber das hebt das mich umfassende Nichts nicht auf, Nichts zu sein; denn Nichts und Etwas können sehr gut nebeneinander gedacht werden, und somit auch bestehen!?

06. Aber — jetzt geht mir ein neues Gedankenlicht auf! — Ja, ja, so ist es! — — o du herrliche echtdeutsche Filosofie, du unversiegbarer Born der wahren Weisheit; du bringst Jedem das rechte Licht, der dich, wie ich, mit aller Gluth und Liebe ergreift, und dich in allen noch so sonderbaren Lebenszuständen als einzigen und verläßlichsten Rathgeber und Wegweiser benützet! — Schau, wie geschwind habe ich nun mit deiner Hülfe diesen gordischen Knoten gelöst!? Wo im Reiche des Nichts ein individuelles Sein sich vorfindet, da können ja in selbem Nichtse sich irgend noch eine Menge anderer, entweder homegene oder anders geartete Seins vorfinden!? und so können außer diesem meinem Sein sich noch eine Menge allerartiger Wesenheiten befinden, die zur Erweckung der Elektrizität tauglich sind, ohne das eigentlich uns Alle umfassende Nichts nur im Geringsten zu beeinträchtigen. Bravo, so ist's gut, — und ich weiß es nun, daß es außer mir in dieser Nacht des Nichts doch noch wie immer geartete und gestaltete wesenhafte Nachbarn giebt. Ich bin somit durchaus nicht gar so ganz allein hier, als wie ich's mir schon jetzt eine leider sehr geraume Zeit vorgestellet habe!? — O das ist gut; das ist sehr gut!

07. O, wenn ich nur schon früher mich so recht ernstlich der deutschen Filosofie in die Arme geworfen hätte, da stände ich sicher schon auf einem ganz anderen Boden, als wie ich nun stehe; aber ich Dummkopf verlor mich am Ende in eine kleinlich läppische Gebets—Kritik, und in ein leeres und nutzloses Bedauern des großen, weisen und edelsten Völkerlehrers Jesus, und ver— —!"

08. Hier blitzt es wieder, und dießmal noch stärker als zuvor. — Unser Mann ist nahe außer sich vor Schreck und Verwunderung, und kann sich gar nicht fassen über dieses für ihn unbegreiflich intensivste, aber freilich nur kurz dauernde Licht! Es kam ihm dabei auch vor, als so er in einer weiten Entfernung bestimmte Umrisse von allerlei ihm bekannten Gegenständen gesehen hätte; aber ihre Beleuchtung dauerte zu kurz, als daß er sie bestimmt ausnehmen und näher bestimmen hätte können!?

09. Nach einer langen stummen Ruhe konnte er erst wieder seine Gedanken wahrnehmen, und selbe auch nach und nach tiefer zu fassen anfangen. Sein erster wieder etwas geordneter Gedanke war folgender: „Aha, aha, nun weiß ich's erst, woran ich bin; dieses Blitzen deutet auf ein starkes Gewitter, das sich nun in der Nacht über Wien hermachen wird; ich erwache nun nach und nach aus meiner durch die Todesangst erregten großen Betäubung, kehre nun wieder ganz sachte in's Leben zurück; wahrscheinlich hilft diese vom elektrischen Fluidum sehr schwangere Luft mir dazu, und ich werde unter Blitz, Donner und Hagel wieder in's Leben zurückkehren!? Donnern höre ich zwar noch nicht; aber das Wetter kann auch noch sehr weit von hier stehen; es hat wohl sehr stark geblitzt, und der Donner könnte jetzt wohl schon, wenn auch sehr dumpf, da sein!

10. Aber kann es denn nicht sein, daß ich auch taub bin?! — Meine Gedanken vernehme ich freilich wie Worte; aber das ist noch kein Beweis, daß ich darum im Vollgebrauche meiner Gehörsorgane bin! Vielleicht komme ich bei dieser Gelegenheit auch zu meinem Gehöre wieder?! — Freilich, das sonderbare Gefühl des mich umgebenden Nichts kann ich mir auf dem natürlichen Wege noch durchaus nicht erklären; aber was liegt da daran; ich bin einmal da, und habe nunzweimal blitzen gesehen, Beweis, daß ich nicht blind bin; wer weiß, ob das nicht alles die Wirkung des drohenden schwersten Gewitters ist; daher lasse ich das Wetter einmal loskrachen und vorüberziehen; da wird es sich dann schon zeigen, ob ich noch so verbleiben werde, als wie ich jetzt bestellet bin!

11. Freilich dauert schon dieser Stand hübsch lange; nach meinem Gefühle könnten es auch schon bei 100 Jahre sein; aber das wird eine bloße Gesichtstäuschung sein? — ! — Ja, ja, blos eine Gefühlstäuschung! Denn, wenn man in einer gewissen Betäubung — besonders in solch' einer wesenlosen — dahin schmachtet, da muß ja aus einer Minute ein Jahr werden! — Ja, ja, so wird es sein; ja, so ist es auch! — Wenn es nur bald wieder blitzete, und nachher aber auch ein wenig donnerte! — Aber die Blitze lassen sich Zeit!?"

8. Kapitel. Roberts erneute Liebe zum Leben. Zorn und Rachedurst wandeln sich in Vergebungsgedanken. Neuer Blitz und auftauchende Helle.

01. „Oder, — sonderbarer Einfall, — sage noch einmal oder, oder, oder, und noch einmal oder — sollen — etwa — diese — zwei Blitze — blos in meiner Fantasie vorgekommen sein, und zeigen vielleicht an, daß es mit mir in diesem Nichts nun bald völlig zu Ende sein werde?! — Ja, ja, es kann auch so was sein; denn da ich nun dieß armselige Leben so ein wenig hab' lieb zu gewinnen anfangen, da wird es sicher bald gar sein mit ihm!? Das ist ja schon eine gar uralte Weisheitsregel, daß Derjenige sein Leben am leichtesten, am ehesten verliert, der es liebt; — man rufe nur den Tod, und wünsche ihn sehnlichst, da kommt er sicher nicht; fürchtet man sich aber vor ihm, und wünschet es von ganzem Herzen, daß er noch sehr lange ausbleiben möchte, da kommt er aber auch sicher am ehesten! — Daher muß ich schon wieder nach dem völligen Tode zu seufzen und meine baldigste und vollste Vernichtung aus allen meinen noch vorhandenen Kräften zu wünschen und zu begehren anfangen, so darf ich vollends sicher sein, daß mich der wahre Tod noch nicht gar zu bald beim Kragen haben wird!

02. Wahrlich, das ist ein recht guter alter Spruch! — ‚Wer das Leben liebt, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verachtet, der wird es erhalten!' — Bei mir ist das schon einmal der Fall; denn nur aus der allermännlichsten Lebensverachtung habe ich, aus Liebe zu allen meinen deutschen Brüdern, mich in die größten Gefahren begeben; wurde da von blinden Häschern aufgegriffen, und höchst wahrscheinlich am Ende denn doch durch Pulver und Blei hierher befördert!? — Windischgrätz meinte sicher, daß er mich hingerichtet hat!? — Aber — ich lebe; ich Robertus Blum lebe, lebe dir zum Gerichte, dir und deiner Dynastie zum Untergange!

03. Freilich bin ich jetzt noch ohnmächtig; aber es sagt mir ein inneres Gefühl: Robert, du wirst bald stark und mächtig werden, zu sühnen dein ehrlich und deutsches Blut an diesen gemeinsten Mördern und Henkern! — Ja, ja, ja, Robert, du wirst wieder stark, sehr stark wirst du! Als du lebtest auf der Erde tück'schem Boden, da warst du nur einfach in dir selbst zu Hause; nun aber lebest du in Millionen Herzen deiner Brüder, und lebest in dir selbst auch noch in der Wirklichkeit! Daher zage nicht, Robert! du wirst noch sehr stark und mächtig werden!

04. freilich wäre es besser, wenn ich schon jetzt stark wäre, wo noch mein Zorn— und Rachedurst in der vollsten Glut sich befindet; denn jetzt könnte ich wohl mit der größten Kälte für jedes Härchen meines Hauptes 10 000 Jahre meine Mörder auf das allerfurchtbarst Schrecklichste martern sehen; aber so sich etwa nach und nach in dieser Nacht mein Zorn und meine Rache legen sollen, und ich darauf erst erstarken solle, da bleibe ich schon lieber in meiner gegenwärtigen Schwäche stecken, und will an meiner Statt das Fatum walten lassen.

05. Es ist überhaupt merkwürdig, daß ich nun meinen doch allergerechtesten Zorn und mein Rachegefühl nicht halten kann! — es umwandelt sich manchmal ganz in eine Art von großmüthiger Vergebung, was mich sehr ärgert, da mein Gefühl einen solchen Charakter annimmt. Aber im Grunde, wenn ich so die Sache recht fasse, ist das denn doch eigentlich wieder deutsch, ja echt deutsch ist das; denn nur dem Deutschen ist es eigen, ja dem großen Deutschen nur! — Nur der Deutsche kann vergeben! — und das ist auch eine große und herrliche Tugend, die den edelsten Seelen nur eigen ist; und das sind deutsche Seelen, große deutsche Seelen!

06. Wer kann zu seinem Mörder sagen: ‚Freund! du hast Uebles an mir gethan; aber ich vergebe es dir vom Grunde meines Lebens!' — Das kann nur ein Deutscher; das kann Robert! — Ja, Robert kann es nicht nur, — er thut es auch! — Bruder Alfred, der du mich hast schändlich ermorden lassen, ich vergebe es dir, und will an dir ewig keine Rache nehmen, und könnte ich sie auch tausendfach! Ja, höre es ganz Deutschland! Der Robert, euer einziger Robert, hat seinem, und also auch deinem Feinde Alfred die Unthat vergeben!

07. Ah, nun ist's mir auf einmal leichter! — Hm, ja, ich bewundere nun selbst meine Größe, und das ist ein großes Labsal für mich; zwar sagt die Mythe das wohl von dem großen Völkerlehrer, der auch am Kreuze seinen Feinden alle ihre Unthat vergab; aber es war in ihm sicher auch eine echt deutsche Seele zu Hause, sonst wäre er solcher Charaktergröße wohl kaum fähig gewesen; denn den Orientalen ist so eine Großmuth wohl nie eigen gewesen! Ja, ja, der große Lehrer Jesus — war auch ein Deutscher!"

08. Bei Nennung des Namens Jesus fährt wieder ein mächtigster Blitz vom Aufgange bis zum Niedergange, und läßt nach dem Untergange einen leuchtenden bleibenden Schimmer eines eigens graulichen Leuchtens zurück, was unsern Robert sehr befremdet, und er nun schon wieder mit seiner frühern Gewitter—Erwartung so zu sagen ganz breit geschlagen ist.

9. Kapitel. Alle Weltweisheit ist eitel. Jesus legt mit Recht Seinen Jüngern den Glauben ans Herz.

01. Gar sorglichst aufmerksam betrachtet er den nachhaltigen Schimmer, und weiß nicht, was er daraus machen solle; — nach einer Weile kommt er aus seiner Ueberraschung gewisserart wieder zu sich, und fängt wieder nüchterner über diese Erscheinung zu denken an, und sagt bei sich selbst:

02. (Robert Bl. :) "Es ist am Ende doch noch ein Wetter, dessen Gewölke sich nun nach dem dritten Blitze auf einer Seite ein wenig zu lichten anfängt; nur Eines geht mir dabei nicht so ganz ein, und das ist, daß ich erst jetzt, da ich meine Umgebung etwas besser ausnehme, recht klar gewahr werde, daß ich mich ganz vollkommen gleich einem Vogel in freier Luft, oder im freiesten Aether ohne aller Unterlage befinde; es hätte solch' ein Zustand in der frühern derbsten Nacht wohl noch als ein Gefühlstrug können angenommen werden; aber nun ist es kein Trug mehr, sondern volle Wahrheit.

03. Jetzt wenigstens wird es mir wohl klar, daß ich dem Leibe nach wirklich gestorben bin, da man doch unmöglich annehmen kann, daß sich ein schwerer Leib so lange frei im Luft— oder Aetherraume erhalten könnte; — ich sehe aber auch außer mir nichts; weder unter mir, noch ober mir ist irgend etwas Gegenständliches wahrzunehmen; ich muß mich sonach sehr ferne von irgend einem Weltkörper befinden?! — hm, sonderbar, sonderbar!

04. O Hegel, o Strauß, o Ronge! — eure Weisheit scheint hier sehr stark Schiffbruch zu leiden! — Wo ist eure allgemeine Weltseele, in die nach des Leibes Auflösung der Mensch übergehen solle?! — Wo ist der im Menschen auftauchende Gott, und wo sein sich seiner selbst bewußt werden im Menschen? — Ich bin gestorben, bin nun hier so ganz in der allerohnmächtigsten Alleinheit, wie nur irgend eine vollkommenste Alleinheit sich denken und vorstellen läßt; da ist keine Spur von irgend einer auftauchenden Gottheit, und eben so wenig irgend ein Uebergang meines Wesens in das allgemeine Weltseelenthum wahrzunehmen!

05. O ihr eingebildeten menschenfreundlichen Weltweisen, eure Sehe hat sehr trüb gesehen, und wird noch trüber sehen; denn von solch' einem Befinden nach des Leibes Tode habt ihr wohl noch nie die allerleiseste Ahnung gehabt, kurz und gut, ihr habt mich betrogen, und werdet noch Viele betrügen; aber es sei euch alles vergeben, da ihr ja auch Deutsche seid; wüßtet ihr etwas Besseres und der Wahrheit Gemäßeres, so würdet ihr, als echte Deutsche, es euren Jüngern auch sicher nicht vorenthalten haben!? — Aber da ihr dessen nicht fähig seid, so gebet ihr, was ihr habt, und das ist wenigstens redlich gehandelt!

06. Freilich wohl nützt dem Menschen hier eure Redlichkeit eben nicht gar besonders, oder auch gar nicht; aber das macht auch eben nichts, da es im Grunde genug gethan ist, die Menschheit blos irdisch, materiellerseits in einer gewissen Ordnung zu erhalten. Was aber dieses oft bezweifelte Leben nach des Leibes Tode betrifft, — vorausgesetzt, daß höchst wahrscheinlich sich jedwedes Menschen Leben dem meinen gleich gestaltet, — so braucht es da sicher keine Gesetze mehr; denn welche Verpflichtungen könnten mir nur noch mehr obliegen? — sicher keine andere als die eines Wölkchens in der Luft, das die Winde treiben, wohin sie gehen! Hätte ich nun die Weisheit Salomon's und die Stärke Goliath's, wozu wohl könnten sie mir dienen?!

07. Darum wäre es wahrlich besser, in dem finstersten Aberglauben Roms zu leben und zu sterben, da man wenigstens im blinden Glauben seinen Leib ablegte, nach dessen Abfalle entweder gut oder schlecht der Seele nach fort zu leben des Glaubens wäre, und sonach auch dem Tode leichter in's Angesicht schauen könnte, als daß man als ein Rongeanischer Puritaner mit des Leibes Tode alles Leben für ewig zu verlieren wähnt, und sich somit vor dem Tode auch ganz gräßlich entsetzlich fürchten muß, wie es bei mir seligen Angedenkens der schaudervollste Fall war! O Himmel! — lieber ewig in dieser wesenlosen Leere schmachten, als noch einmal solch' eine Todesangst auszustehen!

08. Darum Lehrer, ihr Lehrer! lehret eure Jünger glauben, und sie werden glücklicher sterben, als wie ich mit aller meiner Vernunftstärke gestorben bin! Nun wird es mir auch klar, warum der große Meisterlehrer seinen Jüngern stets nur den Glauben an's Herz legte!"

10. Kapitel. Roberts gute Gedanken über Jesus. Ein abermaliger Blitz erhellt weiter Roberts Zustand in wohltuender Weise. Der Glaube an die Unsterblichkeit und an einen Gott der Liebe wächst. Neuer Blitz.

01. (Robert Bl.:) „Dieser weiseste Lehrer der Völker ward gleich mir aus dem Schooße dürftiger Eltern zur Welt geboren, und mußte sich höchst wahrscheinlich nur sehr mühsam und unter allen möglichen Entbehrungen auf den Standpunkt der höchsten moralischen Weisheitshöhe gehoben haben, wonebst er auch noch neben der überverschrobenen kindischen Priesterschaft gar manche Verfolgungen durch sein ganzes Leben sich hat müssen gefallen lassen! o — es mußte für ihn ganz enorm schwer gewesen sein, sich unter den hartnäckigsten Mosaisten und Aroniten, in deren Kopfe und Herzen eine überstygische Nacht zu Hause sein mußte, zu solcher Weisheit emporzuschwingen!?

02. Wahrscheinlich ist er einmal als ein armer Teufel entweder mit seinen eben so armen Eltern, die im Vaterlande kein Eigenthum und sicher auch wenig Arbeit und Verdienst hatten, oder mit einer andern Karawane nach Egypten gekommen, und hat dort durch seine großen angebornen Talente die Aufmerksamkeit irgend eines großen Weisen auf sich gezogen, der ihn dann in seine Schule nahm, und ihn in alle Geheimnisse der tiefsten Weisheit einweihte? aus deren Besitze und aus deren weiser Anwendung er dann bei seinen allerdummsten Landsleuten die größte Sensation erregen mußte; oder er kam in die Schule der Essäer? die damals die Quintessenz aller Weisheit besaßen, die nur irgendwo auf der damals bekannten Erde zu Hause war! — Wodurch er dann aber natürlich auch vor den blinden Juden nahe als ein Gott dastehen mußte, der armen Menschheit zum größten Tröste, wenn schon der überreichen und hochmüthigsten Priesterschaft zum größten Aerger!

03. O! es lacht mir noch jetzt das Herz, wenn ich daran denke, wie er bei den verschiedensten Anlässen die gesamte hohe — Priesterschaft doch manchmal auf eine Art hergestellet hat, daß sie darob nicht selten vor Aerger hätte zerbersten mögen! Leider ward er am Ende ein Opfer seines zu großen Muthes, und der zu tückischen Niederträchtigkeit der mit Silber, Gold und Edelsteinen verbrämten Tempelbestien.

04. Aber — erging es mir etwa besser?! — o nein! — auch ich bin ein Märtyrer für meine edelsten Bestrebungen geworden; ich wollte die Menschheit von den alten Sklavenketten befreien, und mein Lohn dafür war — der schnödeste Tod in der schönen — Brigittenau! Es ist wahrlich rein des Teufels um die gesamte Menschheit; ihre größten Freunde tödtet sie, und ihren niedrigsten abgefeimtesten Feinden bringt sie Vivats und Triumphzüge unter Musik— und Fackelglanz!

05. Aber es sei nun, wie es ist, ich bin nun von Allem erlöst, und zwar mit dem aus aller Weltgeschichte überzeugenden Bewußtsein, daß es allen großen Völkerwohlthätern nicht um ein Haar besser gegangen ist, als mir, der ich trotz meines guten Willens, doch noch lange kein Jesus bin!"

06. Bei der Nennung dieses Namens fährt schon wieder ein mächtigster Blitz, und zwar dießmal sehr nahe am Robert vorüber, und hinterläßt dießmal schon eine Art Abenddämmerung, so daß unser Mann nun seine ganze Form recht gut ausnehmen kann, wie auch gegen Abend hin etwas von einer dunstigen Gegend, ohne dabei seinen freiesten Zustand in der Luft, als freischwebend zu verlassen.

07. Obschon ihn aber der Blitz auch dießmal sehr überrascht, so erschreckt er sich davor aber nicht mehr, sondern fängt sogleich mit bedeutender Ruhe darüber nachzudenken an, und spricht sogleich bei sich selbst: „Wahrlich, im höchsten Grade merkwürdig! — nun fuhr der Blitz mir ja so zu sagen durch den Leib, und ich empfand dabei nichts als zum ersten Male ein ganz überaus wohlthuendes Lüfterl, und fühle mich nun darauf ganz außergewöhnlich gestärkt; und da dieser Blitz einen noch stärkeren Lichtschimmer zurückließ als der frühere, so thut das meinem Herzen und meinen Augen um so mehr wohl, wie auch, daß ich darf, sicher gegen Abend, wie es mir vorkommt, eine Art sehr dunstiger Gegend erschauen, was mich um so mehr überzeugt, daß ich vollernstlich in der freiesten Luft schwebe! Auch kann ich nun meine Füße, Hände, und siehe da, auch meine Kleidung, wie ich sie am Richtplatze anhatte, vollkommen gut ausnehmen!

08. O — wer auf der Erde würde nicht über Hals und Kopf zu lachen anfangen, so man ihm sagete, daß nach dem Abfalle des Leibes nicht nur die Seele unter der früheren irdischen Menschengestalt, sondern auch im vollsten Ernste des Leibes Kleidung unsterblich ist!?

09. Der große Shakespear hatte wahrlich recht, da er sagte: Zwischen dem Monde und der Sonne geschehen Dinge, von denen sich die menschliche Weisheit noch nie hatte etwas träumen lasten, — und o Shakespear, zu diesen Dingen gehört die Unsterblichkeit irdischer Leibsbekleidungen! — Und, — da scheint eine ganz sonderbare Fügung dabei obzuwalten; — gerade mein Siegeskleid, das Kleid der höchsten Schande in den Augen meiner Feinde, ist mit mir erhöhet zur höchsten Freiheit! — Ja — das kann nur ein liebevollster und gerechtester Gott also fügen! — nun glaube ich aber auch, zur Beschämung Hegels und Strauß's, daß es einen wahrhaftigsten Gott giebt, der es ewig nicht nöthig hat, erst bei Hegel und Strauß anzufragen, ob Er da sein darf und kann, auch ohne Hegel und Strauß!?

10. Etwas sonderbar aber kommt es mir doch vor, daß es, so oft ich den Namen des großen Morgenländers nannte, auch eben so oft geblitzet hat! — Sollte etwa auch an seiner mehr als menschlichen Gottessohnschaft doch im Ernste etwas daran sein?

11. Wenn Röcke sogar unsterblich sind! da kann es mit Jesus — Aha, aha, hat richtig wieder geblitzt, und das stärker nun als die früheren Male; sonderbar! Sonderbar!"

11. Kapitel. Weitere Ehrfuchts— und Sehnsuchtsgedanken Roberts für Jesus. Die Lichtgegend rückt näher und näher.

01. (Robert Bl.:) „Sollte auch er etwa mir gleich irgend wo in dieser Freie sich befinden, und korrespondirt nun mit mir, als einem Manne ungefähr seinesgleichen, auf diese ganz unschädliche elektrische Art und Weise, die ihm für diese Welt noch eigen geblieben ist? — Ja, ja! Denn er solle besonders im Fache der egyptischen natürlichen Magie, und das hauptsächlich durch die Kenntniß der innersten Naturkräfte einer der erfahrensten Männer gewesen sein, daraus auch seine durch die Zeit freilich schon sehr entstellten sogenannten Wunderthaten sehr wohl zu erklären sein dürften, besonders so die über alles Vieh dümmsten Osmanen die große Bibliothek zu Alexandria nicht verbrannt hätten!?

02. Ja, ja, wie mir meine Hegelsche und Rongeanische Weisheit unbeschadet geblieben ist, so ist auch ihm sein großer Weisheitsschatz geblieben, aus dem heraus, und mit dessen unschätzbarer Hülfe er mir nun durch Blitze kund thut, daß er sich irgend in meiner Nähe befindet, und vielleicht eben so den Wunsch hat, in dieser Leere irgend ein Wesen zu treffen, dem er sich mittheilen könnte!? Es muß kein Spaß sein, mit dem gewecktesten Geiste von der Welt 1800 und dazu noch etliche 40 Jahre sich blos mit seiner höchst eigenen Gesellschaft begnügen zu müssen, und das als einer der größten Menschenfreunde! O edelster, bester und größter Menschenfreund! wohl bin ich deiner Größe gegenüber nicht werth, dir die Schuhriemen aufzulösen; aber was nützt hier alle irdische Größe! Da verschwindet wahrlich aller irdische Glanz, und alle irdische Berühmtheit!

03. Dein Name, wie für die Folge irdischer Zeiten auch der meinige, werden wohl noch lange auf der Erde fortklingen, und werden gelobt und gerühmt und bewundert werden; aber was haben wir Beide davon?! Wir können uns hier in der endlosen Wesenleere blos durch eine eigene Art elektrischer Blitztelegraphen andeuten, daß wir Beide uns hier, vielleicht nicht gar zu ferne abstehend von einander befinden.

04. O wenn es doch möglich wäre, daß wir uns einander nahen könnten, wahrlich unsere Gesellschaft genügte uns für ewig! — Zwei große sich in allem höchst verwandt fühlende Seelen würden wohl für ewig nie des herrlichsten Besprechungsstoffes ermangeln, und sich dadurch auf die herrlichste und alleranziehendste Weise die Zeit, oder auch die Ewigkeit sehr verkürzen und köstlichst würzen!? — Aber was nützt da auch der beste Wunsch?! — Wer soll, wer kann ihn realisiren?!

05. So wie wir Beide, schweben auch vielleicht noch zahllose andere Wesen? Die Weltkörper sind vielleicht ursprünglich auch das gewesen, was wir nun sind?! — Nach Trillionen von Erdjahren haben sich zahllose Atome um sie angesammelt, und so sind aus ihnen am Ende ganze Weltkörper entstanden, in deren Mitte noch dieselben Geister und Seelen wohnen, um die sich durch die Ansammlung der Aetheratome ganze Welten gestaltet haben!

06. Vielleicht bist Du, mein großer Freund, auch seit nahe 2000 Jahren schon so ein kleines Kometchen geworden, und kannst aus deiner eigenen Dunstsfäre schon Blitze erwecken?! Es wird bei mir noch sicher sehr viel Geduld brauchen, bis ich nur einmal einige Meter Dunstatmossfäre um mich angesammelt haben werde? Vielleicht bist du gar dort, wo ich nun gegen Abend hin wie eine Art sehr dunstiger Gegend ausnehme?! Vielleicht werde ich einmal, wenn Du schon ein reifer Planet sein wirst, ein Trabant von Dir sein? Oder so du etwa gar zu einer Sonne wirst, freilich erst nach endlos vielen Dezillionen Erdjahren, da kann ich vielleicht auch dein allernächster Planet wie Merkur werden!?

07. Das sind wohl freilich sehr weit hinausgeschobene Hoffnungen; aber was kann man dagegen thun? Nichts, als alles in der Geduld abwarten. Auf der Erde mußten Einen zeitliche Hoffnungen aufrichten, so es Jemanden zu schlecht ging; hier im Reiche der Ewigkeit muß man sich dagegen denn auch mit ewigen Hoffnungen trösten, so man vor der entsetzlichsten Langeweile nicht in die barste Verzweiflung übergehen will!

08. Aber da sieh, da sieh, mein Auge! Jene dunstige, tief unter mir ersichtliche sonderbare Gegend wird nun etwas heller, und es scheint auch, als so sie mir näher käme!? O das wäre sehr scharmant! — Das ist schon so, wie ich es mir früher gedacht habe!

09. Mein großer Freund Jesus — aha, aha — hat schon wieder geblitzt; allein das macht nichts; was habe ich denn früher sagen wollen? Ja, ja, jetzt habe ich es schon wieder; Mein großer Freund, der nun schon wahrscheinlich so zu einer kleinen Kometwelt angewachsen ist, hat meinen sehnlichsten Wunsch vernommen, und bietet nun alles auf, um zu mir zu kommen; und so er zu mir kommen kann, da wird er mich sicher zu ihm in seine junge Weltmitte ziehen, wird auf diese Art die Anziehungskraft der äußern Aetheratome verstärken, und somit desto eher und leichter zu einer Vollwelt anwachsen!? Ja vielleicht hat er auch schon eine größere Menge ihm verwandter Wesen bei und um sich?! Das kann sehr leicht sein; denn Wesen, wie ich, hat es schon so manche gegeben!

10. Kann Er mich nun anziehen, so hat Er auch alle seine Nachfolger, die vor mir den wahren Kreuzweg durchgemacht haben, auf eine gleiche Weise angezogen! und so könnte ich nun auch schon eine ganz große Gesellschaft um ihn antreffen?! und so das der Fall wäre, o welch ein Vergnügen wäre das für mich!

11. Und siehe, siehe, aus dieser Sache scheint einmal endlich doch ernstlich etwas werden zu wollen!? Die sonderbare Gegend kommt mir richtig stets näher und näher, und wird dabei auch stets um etwas heller, und wie es mir vorkommt, auch etwas deutlicher!? Ich nehme nun schon wirklich etwas aus, das so ungefähr einem kleinen Berge gleich sieht, umgeben mit mehreren kleinen Hügelchen! — Gott Lob, Gott Lob! auf diese Art komme ich vielleicht doch mit der Weile und mit der rechten Geduld endlich einmal auf irgend einen festeren Grund!?

12. Kapitel. Ein Mensch erscheint in der Lichtgegend. Ist es Jesus Selbst? Roberts große Freude in Erwartung des Ersehnten. Jesus als Retter

01. (Robert Bl.:) „Aha, aha, sieh einmal, sieh einmal, mein Auge, und du mein Herz freue dich auch; denn die Gegend ist schon recht nahe an mich herangekommen, und, so mich das Sehvermögen nicht täuscht, da sehe ich ja auch etwas wie einen Menschen auf dem kleinen Berge stehen, der mir zu winken scheint!

02. Am Ende ist das gar der gute Jesus selbst?! — Ja, ja, ja, er ist es leibhaftig; denn nun sah ich's klar, wie bei der Nennung seines Namens gerade von Ihm ein gar starker Blitz in der Richtung gegen mich her fuhr! O, o, das wird endlos scharmant sein, mich in der Gesellschaft desjenigen Geistes zu befinden, dessen Größe und unübertreffliche Weisheitstiefe ich gar so oft über Alles bewundert habe!

03. O ihr armen und dummen Menschen auf der Erde, die ihr euch wegen eitler irdischer Güter, und wegen einer dümmsten sogenannten höheren Geburt für besser haltet, als da sind viele Tausende der armen Brüder und Schwestern, die ihr nur unter den Cannaillen kennet, ich rufe euch Allen zu, daß ihr Alle zusammen nicht werth seid, statt eures Gehirnes den Dreck eines der armen Brüder in eurem edlen Kopfe herum zu tragen; hättet ihr so einen Dreck in eurem schalsten Gehirnkasten, da wüßtet ihr doch wenigstens einen Dreck von dem, wie es hier ist; aber da ihr nicht einmal den edlen Dreck in euren Köpfen habet, so seid ihr auch eben so endlos dumm — zu wähnen, als seiet ihr was Außerordentliches, während ihr doch um sehr vieles weniger als vollkommen nichts seid! Was für ein Gesicht wohl möchte ein so eingebildeter Geburts— oder Geldesel machen, so irgend ein sonst recht braver Arbeiter sich erdreistete, um die Hand seiner edlen Tochter anzuhalten, oder so er etwa doch einen vernünftigen Sohn hätte, der, sich über den Eigendünkel der Geburt, oder des elenden Geldes erhebend, sich so weit vergäße, etwa gar die Tochter eines armen Taglöhners zum Weibe zu nehmen?! O, das würde ein wahres Crimen sacri legi abgeben!

04. Aber daher, daher kommet, ihr Großen, mehr als zur Halbscheid todten Esel! Da werdet Ihr es erst kennen lernen, was ihr seid, was eure Geburt, was eure Ahnen, was euer Gold!? Wahrlich, kein Teufel wird euch aus eurer ewigen finstersten Verbannung befreien! Denn die, welche die Gottheit euch zu Rettern sandte, habt ihr vom Abel angefangen allzeit gefangen genommen, und habt sie grausamst ermordet; aber nun rufe ich es vielleicht aus aller Weltenmitte laut über euch aus, und sage:

05. Eure Zeit, eure arge Zeit ist am Rande! — Bald werdet ihr Alle hier sein, und vielleicht nach euren stolzen Ahnen fragen?! Aber der ewige leere finsterste Raum um euch her wird für euch auch ewig antwortleer verbleiben! Aus euch wird die Gottheit wohl schwerlich je ein Schneckenhaus, geschweige eine Welt bauen?! Aber Gott thue, was Er will; ich aber bin nun über die Maaßen froh, daß mir mein allerliebster Freund samt der stets helleren Gegend schon so nahe ist, daß ich Ihn schon beinahe anreden könnte! O Gott Lob, Gott Lob für diese Bescheerung!"

13. Kapitel. Roberts Anruf. Jesu Kommen. Zum ersten Male findet die abgeschiedene Seele wieder festen Grund beim Herrn.

01. (Rob. Bl.:) „Stets näher und näher kommt diese sonderbare Gegend zu mir heran! Der eine Berg, auf dem der Groß—Meister der herrlichsten Moral stehet, ist ziemlich von Bedeutung; er möchte doch einige hundert Fuß Höhe haben, und ist auf der einen Seite recht felsig und schroff; aber die andern Hügelchen um ihn herum heißen wohl nicht viel; denn man könnte sie sehr leicht blos nur für etwas bedeutendere Sandhäufen halten, von denen die größten wohl kaum 30 Fuß Höhe haben dürften? Es ist aber auch die Beleuchtung dieser Hügelgegend sehr sonderbar, man ersieht eigentlich nur die Hügel erleuchtet, und das auf eine Art, als wären sie mit Phosphor überzogen, aber ihre Füße, und die dazwischen doch nothwendig vorkommenden Thäler und allfälligen Ebenen ersieht man durchaus nicht, sondern man gewahrt blos nur einen Dunst, der ein sonderbares dunkel—graugrünes Aussehen hat, und man kann es durchaus nicht ausnehmen, wie weit über diese kleine Hügelgegend er sich etwa hinaus erstreckt?!

02. Ich meine, so werden wohl alle sich neugestaltenden Weltkörper aussehen, bevor sie als unscheinbare Kometen ihre Laufbahn um eine Sonne beginnen?! Diese Hügel werden tiefer unten wohl irgend eine Verbindung haben; aber wie? Das wird der einzige Bewohner, der einstige Groß—Meister der reinsten und besten Moral wohl vielleicht am allerbesten wissen?! Er ist nun schon ganz nahe; er würde mich vielleicht wohl vernehmen, so ich an ihn einen recht kräftigen Ruf richtete? Es kommt ja nur auf eine Probe an; gelingt es mir, so wird es natürlich sehr gut für mich und vielleicht auch für ihn sein; und habe ich vergeblich gerufen, no, so wird das wohl nicht mein erster, wie auch sicher nicht mein letzter vergeblicher Ruf sein! Also, es werde gerufen!"

03. Nach diesen Worten macht unser Mann sich mittelst beider Hände ein sogenanntes Faustsprachrohr an den Mund, holt darnach den Athem so tief als nur immer möglich, und schreiet darauf nach allen seinen Kräften:

04. (Rob. Bl.:) „Jesus! Du großer Meisterlehrer aller Völker der dummen Erde, so Du Der bist, als Den ich Dich von dieser Ferne nun erkenne, und so Du meine Stimme vernimmst, so komme! so es Dir möglich ist, zu mir her, mit Deiner jungen Erde! fürwahr, an mir sollst Du Deinen größten und heißesten Verehrer finden! — denn für's Erste schätze ich Dich wegen Deiner an sich schlichten, und dabei aber dennoch größten Weisheit, mit der Du alle Deine Vorgänger, wie auch alle Nachfolger himmelhoch überragtest; für's Zweite schätze ich Dich, weil unser Beider irdisches Loos nahe ein ganz gleiches war; und endlich für's Dritte schätze ich Dich für jetzt deswegen überaus hoch, da Du der Erste warst und noch bist, der mir in diese meine unausstehliche Finsterniß das erste Licht entweder zufällig, oder aber, was auch leicht möglich sein könnte, auch wissentlich und geflissentlich gebracht hat; deßhalb ich Dir aber auch ewig allerdankbarst verbleiben werde.

05. Wenn Du Der mir so übertheure Jesus bist, und zu mir hierher kommen kannst und willst, und so Du diesen meinen Ruf vernommen hast, da komme! O komme zu mir! und laß uns einander gegenseitig trösten! An mir solle es nicht fehlen, Dich nach Möglichkeit zu trösten; deßgleichen bin ich aber auch von Dir gewiß, und bin schon im Voraus allerfestest überzeugt, daß Du mit Deiner großen Weisheit mir sicher den größten und allerberuhigendsten Trost geben wirst!? O komme, komme, komme, Du mein geehrtester und auch geliebtester Freund und Leidensgefährte!

06. Du Meister der Liebe, Der Du die Liebe zum einzigen und allumfassendsten Gesetze machtest! so Dir diese Deine große Liebe noch geblieben ist, wie sie mir nach meinem Gefühle bis jetzt auch noch ganz ungeschmälert geblieben ist, so sei solcher Deiner Liebe eingedenk, und komme mir mit der Liebe entgegen, die Du Selbst gelehret hast, und mit welcher Liebe ich Dir auch für ewig entgegen kommen will!"

07. Nach dieser sehr kräftigen Exclamation (Zurufe) bewegt sich diese kleine schimmernde Hügelwelt schnell unter die Füße unseres Mannes hin, und zwar so, daß er gerade an Jesu rechter Seite auf dem höchsten Berge zum ersten Male nach seinem gewaltsamen Uebertritte wieder festen Grund mit seinen Füßen fasset.

14. Kapitel. Anrede Roberts an den Herrn. Jesu Antwort. Eine wichtige Lebensfrage.

01. Als er nun da fest vor Mir stehet, betrachtet er Mich vom Kopfe bis zu den Zehenspitzen, und findet in Mir richtig und ganz unverkennbar den Jesus, Den er da zu finden glaubte, und zwar im selben dürftigen Anzuge, und auch mit den Wundenmalen, wie er sich seinen Jesus gar oft in seiner Fantasie ausgemalt hatte.

02. Nachdem er Mich eine Weile ganz stumm betrachtet, fangen ihm Thränen aus seinen Augen zu rollen an, und er spricht nach einiger Fassung voll des innigsten Mitleids:

03. (Rob. Bl.:) „O Du lieber, Du größter Menschenfreund, der Du Herz genug hattest, sogar Deinen grausamsten Henkern und ihren Knechten die schändlichste Unbill, die sie an Dir begingen, von ganzem Herzen zu vergeben, und das blos darum, da Du aus Deiner Menschengröße ihre sicher totalste Blindheit als den gültigen Entschuldigungsgrund annahmst.

04. Aber wie hart muß dabei die Gottheit, Dein so oft gerühmter und über alles gelobter und angebetetster Vater sein, so Er irgend wo ist, daß Er Dich, den edelsten, den vollkommensten und besten aller Menschen nun nahe schon 2000 Jahre also in dieser ewigen finstern Leere herumschweben läßt, in derselben dürftigsten Armseligkeit, in der Du von Deiner Kindheit an zum reinsten und alleredelsten Menschenfreunde heranwuchsest!?

05. O Du, mein allerbester, und aller Liebe würdigster Meister Jesus! — Wie sehr bedauere ich Dich einerseits, und wie sehr liebe ich Dich darum aber auch andererseits, ebendieser Deiner bis jetzt noch gleichen Armseligkeit wegen; denn sieh, wärest Du mir in einem nur einigermaaßen seligeren Zustande entgegen gekommen, so hätte es mich wahrlich geärgert, daß ein Geist, wie Du, nach dem Abfalle des Leibes nicht sogleich zur höchsten Auszeichnung gelangen solle, wenn es irgend eine höchste und allgerechte vergeltende Gottheit giebt!

06. Aber, da ich Dich hier gerade so noch antreffe, als wie Du die Erde verließest, so scheint die Sache der Wesen und ihrer Verhältnisse eine ganz andere zu sein, als wie wir sie uns vorstellen?! Und weil diese Sache sicher eine ganz andere ist, und auch sein muß, so erscheint dieser unser Zustand nach der Ablegung des Leibes als eine in und aus sich bedingte Nothwendigkeit, durch die wir freilich erst nach weit hinaus gedehnten Zeitläufen das an uns werden realisiren können, was in unserem Erkenntniß— und Begehrungs—Vermögen als Basis unseres Seins durch sich selbst gegeben ist.

07. Von diesem Standpunkte aus Dein und mein gegenwärtiges Sein betrachtet, erscheint es dann freilich in so ferne noch immer bedauernswürdig, weil die Realisirungsfähigkeit dessen, was wir in uns aus den erworbenen Erkenntnissen zur klaren Vorstellung gebracht haben, unberechenbar weit hinter der Macht unseres Willens liegt; allein, um die werden sollende Realisirung unserer klaren Vorstellungen mit der Schwäche unseres Willens, oder vielmehr mit der Schwäche der Macht desselben in einige erträgliche Ausgleichung zu bringen, besitzen wir in unserem Gemüthe freilich zum größten Glücke eine Art Lethargie, die wir im bürgerlichen Leben Geduld nennen; diese macht uns unseren Zustand wohl erträglich; aber freilich wird sie manchmal auf eine Probe gestellt, von der wir Beide uns sicher so manches für ewig werden zu erzählen wissen!

08. Liebster Freund, ich hätte Dir nun so gut, als es mir in diesem Zustande nur immer möglich ist, mein treues und wahres Bekenntniß abgelegt; so Du mich dagegen auch für würdig hältst, da gebe auch Du mir kund, was Du nun von diesem unserem, in jedem Falle noch sehr mißlichen, Zustande hältst und denkst? Nur durch unsere gegenseitige Mittheilung, wie es mir vorkommt, werden wir uns eine lang gedachte Zeitenfolge angenehmer und erträglicher machen, als sie sonst selbst an unserer diamantenen Geduld vorübergleiten würde! Sei liebster, edelster Menschenfreund demnach so gut, und eröffne vor mir Deinen, für mich wenigstens ganz gewiß heiligsten Mund!"

09. Rede Ich (Jesus), dem Robert die Hand reichend: „Sei mir recht vielmal gegrüßt, du Mein lieber theuerer Leidensgefährte! Ich sage dir, sei du froh, daß du Mich gefunden hast, und kümmere dich um's Weitere gar nicht; es ist genug, daß Du Mich liebst, und nach deinen Erkenntnissen für den edelsten und möglichst weisesten Menschen hältst; alles Andere lasse von nun an aber nur ganz Mir über, und Ich gebe dir die heiligste Versicherung, daß am Ende Alles, und mögen uns noch was immer für Begebnisse entgegen kommen, gewiß überaus gut ausgehen wird! Denn Ich habe nun hier in dieser Einsamkeit alles durchdacht und durchgemacht, und kann dir auch mit der größten Bestimmtheit sagen, daß Ich eben im Gebrauche der dir am schwächsten vorkommenden Willensmacht es so weit gebracht habe, daß Ich nun, so Ich's will, Alles in's Werk setzen kann, was Ich nur immer mir denke und vorstelle; — daß ich aber dessenungeachtet hier dir so wie verlassen und sehr einsam vorkomme, davon liegt der Grund blos in deiner, für diese Welt noch etwas unvollkommenen Sehe; wird diese mit der Weile mehr und mehr gestärkt, durch deine Liebe zu Mir, so wirst du auch bald einsehen, wie weit Meine Willenskraft zu reichen im Stande ist.

(Am 20. Dez. 1848)

10. Aber abgesehen nun von allem dem, was du ehedem zu Mir gesprochen hast, und was Ich nun zu dir geredet habe, richte Ich blos eine ganz ernste und bedeutungsvollste Frage an dein Gemüth, die du Mir aber auch ohne Rückhalt ganz getreu zu beantworten hast, und zwar gerade also, wie es dir um's Herz ist! —

11. Die Frage aber lautet also: Siehe, liebster Freund und Bruder, du hast auf der Erde einen ganz redlichen Sinn gehabt — deine Brüder nehmlich von dem zu übermäßigen Drucke von Seite ihrer harten und herzlosen Regenten zu befreien; obschon du dazu eben nicht die tauglichsten Mittel dir erwählet hast! Allein Ich sehe da wohl nur allein auf den Zweck, und sehe weniger auf's Mittel; wenn dieses nur wenigstens so geartet ist, daß es kein grausames genannt werden kann, dann ist es vor Mir wenigstens auch schon recht und billig! Aber so viel es Mir bekannt ist, so bist du auf halbem Wege zur Realisirung deines guten Zweckes von deinen Feinden ergriffen, und bald darauf durch Pulver und Blei hingerichtet worden. Daß dich dieses traurige Begebniß bis in dein Innerstes allerzornsprühendst muß ergriffen, und mit einer billigen Rachegier dein Herz erfüllet haben, das finde Ich so ganz natürlich, daß sich darob geradewegs gar nichts einwenden läßt! Wenn du aber nun jenen östreichischen Feldherrn, der dich ergreifen ließ, und selbst zum Tode verurtheilte, unter deine nun etwa schon sehr mächtig gewordenen Hände bekämest, und nebst ihm auch alle seine Helfershelfer, sage Mir so ganz getreu! was wohl würdest du mit ihnen thun?"

15. Kapitel. Gute Antwort Roberts. Fromme Wünsche.

01. Spr. Robert: „Edelster Freund! — daß ich im Augenblicke, als dieser aller Menschenliebe ledige Wütherich, oder Feldherr — was er sein mag, mich dem abgefeimtesten Verbrecher gleich behandelte, in eine mir eben nicht ungerecht vorkommende Zorn— und Rachewuth gerieth, das, glaube ich, ist wohl so verzeihlich, als es ein jeder billig denkende Geist an und für sich selbst auch gerecht finden und fühlen muß; aber nun ist bei mir das Tempora mutantur, et nos mutamur in illis (die Zeiten ändern sich, und wir auch) schon lange eingetreten, und ich wünsche daher für diesen Blinden wahrlich nichts anderes, als daß er sehend werden, und erkennen möchte, ob er an mir recht oder unrecht gehandelt hat?!

02. Hätte er mich wahrhaft todt machen können, da hätte ich wohl ohnehin nie auf eine Rache sinnen können; da er mich aber eigentlich nicht todt, sondern buchstäblich nur lebendig geschossen hat, und kann mir fürder wohl kein Leids mehr thun, und da ich ferners betrachtet eigentlich nun schon glücklicher bin um zahllose Male, als er es ist, in allem seinem herrschsüchtigsten Wahne, so kann ich ihm umso leichter alles vergeben, indem er so ganz eigentlich der äußeren Erscheinlichkeit nach doch beiweitem mehr Grund hatte, mich als ein ihm allergefährlichst vorkommendes Objekt aus seinem Wege zu räumen, als einst zu Deinen tragischen Zeiten die überargen Hohenpriester Jerusalems Grund hatten, Dich, meinen edelsten und liebenswürdigsten Freund, gar so schändlichst und über alle Maaßen grausamst aus der Welt zu schaffen!

03. Konntest Du, mein alleredelster Freund, sogar mit der vollen Empfindung aller der gräßlichsten Marterschmerzen, Deinen Peinigern und Mördern vergeben, um wie viel mehr ich, der ich von einer leiblichen Marter bis auf die paar Stunden oder Minuten, was sie eigentlich sein mochten, doch im Grunde nichts empfunden habe, das ich als einen wirklichen Marterschmerz bezeichnen könnte.

04. Daher könnte dieser mein irdischer Großfeind auch nun vor mir erscheinen, und ich würde zu ihm nichts sagen, als was Du, edelster Freund, bei Deiner Gefangennehmung im Garten Gethsemani dem Dich vertheidigen wollenden Petro sagtest, als er einem Knechte Malcho ein Ohr abhieb.

05. Aber es sei auch das nur blos ein frommer Wunsch von mir; wenn es irgend im ewig unermeßlichen Raume ein allgerechtes Gottwesen giebt, so wird dieses ihn schon ohnehin den Lohn finden lassen, den er um mich, und noch um viele Andere verdient hat; solle es aber jedoch, was ich nun kaum mehr glaube, kein solches Gottwesen geben, so wird ihn die Zeit und die spätere Geschichte richten, ohne daß ich so was nur im Geringsten zu wünschen brauche!

06. Wenn ich Dir aber schon so einen kleinen Wunsch meines Herzens vortragen kann und darf, und es in Deiner Macht steht, selben zu realisiren, so empfehle ich Dir zuerst meine arme Familie, d. i. mein liebes Weib und vier Kinder, und dann aber alle guten Menschen, die eines redlichen Herzens und Sinnes sind; die reinen Selbstsüchtler, die alles gethan zu haben wähnen, so sie nur für sich, und für ihre Nachkommen auf Unkosten der gesamten andern Menschheit auf wenigstens 1000 Jahre vorhinein gesorgt haben, aber lasse, so es Dir möglich sein solle, dahin gelangen, daß sie auch noch auf der Erde es schmecken sollen, wie es denen geht, die meist von solchen Reichen abhängend, wie man zu sagen pflegt, von heute bis morgen leben! — Doch sei auch das alles durchaus als kein Begehren, sondern blos nur als ein frommer Wunsch von mir an Dich betrachtet! Denn ich für mich finde an Dir für alles auf Erden Erlittene und Verlorene die hinlänglichste Entschädigung!"

16. Kapitel. Jesus verheißt Erfüllung gerechter Wünsche, macht aber triftigen Vorhalt. Roberts feurige Rede gegen die Tyrannen.

01. Rede Ich: „Ganz über die Maaßen gut hast du Mir auf Meine an dich gerichtete überaus wichtige Lebensfrage geantwortet, und es ist deine Antwort um so mehr zu schätzen, weil sie nicht gesucht, sondern gerade so gegeben ist, wie sie sich in dir lebendig und wahr finden läßt; — Ich kann dir dagegen nur das sagen, daß Ich ganz sicher und bestimmt jedem deiner hier ausgesprochenen Wünsche nachkommen werde, so viel es nur immer in Meiner Macht und Kraft steht.

02. Aber nur Etwas, lieber Freund und Bruder, kann Ich mit deiner sonst übergerechten und menschenfreundlichen Denk— und Handlungsweise nicht vereinbaren, und das besteht darin, daß du auf der Erde denn doch ein gewisses Wohlgefallen daran hattest, wenn so irgend ein recht riesenfest bornirter Aristokrat von dem sogenannten Proletariate um einen Kopf kürzer gemacht wurde!

03. So weiß ich Mich auch zu erinnern, daß du selbst eben in Wien in einer Versammlung laut und unter vielem Beifalle ausgerufen habest: Daß es in Oestreich wie auch noch in manch andern deutschen Landen nicht eher besser wird, bevor nicht wenigstens einige hundert Großköpfe latourisirt werden würden! *) Sage es Mir auch ganz ernstlich, ob das wohl so ganz vollkommen aus deinem Willen hervorgegangen ist; oder war das nur so hingeworfen, um deiner Rede einen desto größeren Nachdruck zu geben?" [*) Latour (spr. Latuhr), östr. General und Kriegsminister 48, wurde in Wien ermordet, wie Fürst Lobkowitz in Frankfurt a. M., u.a.*]

04. Spricht unser Robert: „Freund! als ich noch auf der Erde Mich befand, und auf ihrem sehr schwankenden Boden mein Dasein blos dem Glücke, oder doch wenigstens möglich besseren Fortkommen, der armen vielfach bedrückten Menschheit zum Opfer bringen wollte, dabei aber durch vielfache Erfahrungen an mir, und nur zu oft mit meinen Augen gesehen habe auch an Andern, wie die aristokratischen reichen Menschenbestien sich mit dem Schweiße und Blute der Armen mästen, und wie die meisten Throne und königlichen Burgen und Paläste aus dem Blute der armen Menschheit erbauet und befestiget sind; als ich aus allen Bewegungen Oestreichs nur zu deutlich entnehmen mußte, daß man von der dortigen irdisch hohen dynastischen Seite wieder alles aufzubieten begonnen hatte, um den alten eisernen Absolutismus wieder einzuführen, und die arme Menschheit mit dreifachen Sklavenketten zu belegen. Freund, edler Freund! das war auf einmal zu viel für einen Menschenfreund, wie ich aus allen meinen Kräften einer zu sein die Ehre habe; wahrlich sage ich Dir's, so ich einmalhunderttausend Leben hätte, so gäbe ich sie alle her, wenn ich damit den Menschen helfen könnte; — diese Weltgroßen aber lassen sich auch nicht ein Härchen grau werden, wenn auch Hunderttausende hingeschlachtet werden, damit sie dadurch nur an Ansehen und Glanz gewinnen!

05. O sage Freund! wenn ein von wahrer Nächsten— und Bruderliebe erfülltes Herz solche kalten Gräuel an den armen Brüdern schauen und mitfühlen muß, ist es ihm da zu verargen, so es von dem gerechtesten Aerger von der Welt ergriffen, und zu so manchem Ausrufe getrieben wird, an den es beim gerechten Sachgange wohl ewig nie gedenken würde!

06. Es mag wohl das Alles im unerforschlichen Plane irgend einer mir freilich unbekannten ewigen Vorsehung liegen, und daher auch Alles so kommen und geschehen müssen, wie es geschieht; aber was hat ein Erdenbürger davon für einen Begriff!? Oder was gehen ihn irgend allergeheimste unerforschliche Gesetze an, die ein Gottwesen irgendwo in der ewigen Halle der Unendlichkeit beschließt!

07. Wir Erdenbürger kennen nur Deine erhabensten Gesetze der Liebe, die zu halten und treu zu befolgen wir sogar um den Preis unseres eigenen Lebens verpflichtet sind! was darunter und was darüber ist, das geht uns wahrlich wenig oder gar nichts an! Es können wohl irgend in einer Sonnenwelt ganz andere Gesetze gang und gäbe sein, die vielleicht weiser, aber leicht auch dummer sind, als die Du, liebster und für uns weisester Menschenfreund, uns gegeben hast?! Aber es wäre sicher für jeden Erdenbürger toll zu nennen, so er sein Leben nach irgend seienden Solargesetzen einrichten wollte, die ihm wahrscheinlich durch die ganze Ewigkeit de facto unbekannt bleiben werden! Wir haben und erkennen nur Ein Gesetz für göttlich wahr und gültig, unter dem nach dem Urtheile jeder unbefangen reinen Vernunft jede menschliche Gesellschaft bestmöglichst existirbar gedacht werden kann; was aber irgend ein Fatum dazwischen streut, das erkenne ich für nichts als schlechtes Unkraut zwischen dem herrlichen Waizen, den Du, edelster Menschenfreund, auf die undankbarste Erde gestreuet hast! — Und dieses Unkraut verdient nichts anderes, als latourisirt zu werden im Feuerofen gerechten Aergers, und vollkommen gerechten Gerichtes!

08. Ich sage es Dir ganz frei heraus, so lange der Mensch nach Deinen Gesetzen Mensch ist und bleibt, so lange ist er auch jeder menschlichen Hochachtung werth; erhebt er sich aber de facto über Dein Gesetz und will auf Unkosten seiner Brüder viel mehr sein als sie (d. h. ein Uebermensch), und will sie zu seinen höchst eigenen Vortheilen nur unterjochen und beherrschen, so erklärt er Nr. 1 dadurch Dein Gesetz für null und nichtig, und Nr. 2 ist er dann kein Bruder, sondern ein Herr den Brüdern, mit deren Leben er schalten und walten kann, wie ein jeder Lauskerl mit seinen Läusen, und noch sonstigen Schmarotzerthierchen, die seines Leibes kitzliche Haut manchmal zu sehr in den Anspruch nehmen! In diesem Punkte werde ich ewig Robert Blum verbleiben, und werde den Völkerbeherrschern nie ein Loblied singen! und das darum nicht, weil sie schon gar lange nicht mehr das sind, was sie eigentlich sein sollen, nehmlich: Weise und liebevolle Führer ihrer armen Brüder!

09. Wohl weiß ich, daß besonders in der Jetztzeit es auch in der armen Klasse gar außerordentlich Viele giebt, die mehr Vieh als Menschen sind, und daher auch nur mittelst einer eisernen Zuchtruthe können in der Ordnung erhalten werden; aber ich frage da, und sage: Wer trägt daran die Schuld?! Die, die, die eben solche Völker unterjochten, und sie darauf nicht nur in der ursprünglichen Lebensnacht erhielten, sondern diese noch vielfach vermehrten, um auf den elendsten Pfeilern gänzlicher Unintelligenz ihrer Völker ihre Herrschergrenze desto mehr zu festen! Freund! edelster Freund!, wer solchen Herrschern ein Lebehoch bringen kann, der muß freilich kein Robert Blum und noch weniger ein Jesus von Nazareth sein!

10. Ah, es giebt schon noch Herrscher, die es mit ihrem Herrschen ganz gerecht und ernstlich nehmen; diese sind ihren Untergebenen die wahrsten Engelfreunde; solchen Herrschern für ewig ein tausendfaches Lebehoch! Aber Völkerbezwingern und Geistesmördern! Freund! für diese fehlt mir wahrlich der passende Ausdruck; so es Teufel giebt, da sind diese es leibhaftig!

11. Ich glaube — auf Deine Frage nun so ziemlich offen und deutsch geantwortet zu haben, und habe Dir meine Meinung ganz unumwunden herausgesagt. — Nun bitte ich aber auch Dich, mir über diese meine Meinung die Deinige kund zu geben! — Ich bin übrigens wohl so ziemlich fest in allem, was ich einmal als Recht erkenne; aber darum dennoch nicht starr und unbeugsam, so besonders Du mir etwas Besseres dafür geben magst und kannst!"

17. Kapitel. Jesus wendet ein: "Seid untertan der Obrigkeit!" Robert bezweifelt dieses Gebot und vermutet darin menschliche Rücksichten. Er wünscht Ausschluß über die gottmenschliche Natur Jesu.

01. Rede Ich (Jesus): „Höre du Mein lieber Freund und Bruder, Ich kann deine Denk— und Handlungsweise durchaus nicht tadeln; und wo zwischen Herrscher und ihren beherrschten Völkern Verhältnisse obwalten, wie du sie soeben Mir vorgezählet hast, da freilich hast du ganz vollkommen Recht — so zu reden und zu handeln, wie du geredet und gehandelt hast nach deiner Anschauung und nach deiner Ueberzeugung; aber so sich die Sachen aber dennoch ganz anders verhielten, als wie du sie nach deinen Ansichten und Begriffen wahrgenommen und aufgefasset hast; wie würdest du dann urtheilen über die mannichfachen Verhältnisse der Herrscher zu ihren ihnen untergeordneten Völkern?!

02. Wohl sagtest du Mir ganz treu und offen, daß du alle Verhältnisse der Menschen zu den Menschen nur nach Meinem Gesetze der Liebe beurtheilest, und dich überirdische Einfließungen nichts angehen; aber siehe, in diesem Punkte kann Ich dir aus gar vielen Gründen nicht beipflichten.

03. Ein Grund wäre z. B. schon das, nehmlich auch ein Gebot von Mir Selbst, laut dem Ich Selbst Mich pro primo jeder weltlichen Gewalt als unterwürfig bezeigte, da Ich doch Macht genug gehabt hätte, einer jeden den waidlichsten Trotz bieten zu können; und wo Ich Selbst im Tempel bei der Vorweisung des Zinsgroschens eigens gebot, dem Kaiser zu geben, was sein ist, und Gott, was Dessen ist! Also sagte Ich auch durch Paulum, jeder Obrigkeit zu gehorchen, ob sie mild oder strenge ist; denn keine habe eine Gewalt, außer die von Oben! Was wohl sagst du zu diesen ebenfalls Meinen Geboten?"

04. Spr. Robert: „Edelster Menschenfreund! weißt Du, aus rein menschlich klugen Rücksichten diese Sache näher betrachtet, scheint die damalige Nothwendigkeit Dir — zur größeren Sicherung Deiner Lehre — wie auch mitunter Deiner Person selbst, und ebenso der Person Pauli diese Gebote abgedrungen zu haben; denn hättest Du, wie im alten Judentestamente ein Jehova durch den Mund Samuels wider die Könige geeifert, so hätte Deine an sich selbst noch so erhabene und makelloseste Moral unter der allerstolzesten Weltherrschaft Roms wohl schwerlich die nahe 2000 Jahre erlebt, außer auf einem rein übernatürlichen Wege, von dem wohl die finstern Römlinge eine große Menge zu erzählen wissen; wie viel aber daran Wahres sein mag, darüber wirst du hoffentlich besser zu urtheilen verstehen als ich, der ich nicht Dir gleich von all den Gräueln dieses neuen Babels Zeuge habe sein können!

05. Denn siehe, alleredelster Freund! Ich beurtheile die Sache also, und sage: Wenn es Dir mit dem Gebote, allen weltlichen Obrigkeiten zu gehorchen, ob sie gut oder böse seien, vollends Ernst gewesen wäre, da hättest Du ja schon im Voraus wegen der sichern Präpotenz dieses Gebotes auf Deine ganze andere im höchsten Grade liberale Lehre und deren Ausbreitung ja doch so nothwendig als 2 mal 2 = 4 ist, rein Verzicht leisten müssen, und zugeben, daß man auch für alle Zeiten ein finsterer Heide sein und bleiben müßte, sobald es Einem Menschen oder Volke eine wenn gerade nicht böse heidnische Obrigkeit geboten hätte — bei der Lehre der Väter zu verbleiben, die alten Götter zu verehren, und ja um alles in der Welt nicht Deiner damals aufkeimenden Lehre Gehör zu geben?!

06. Freilich wohl sagtest Du nur: Gebet dem Kaiser, was sein ist, und Gott, was Gottes ist; aber Du bestimmtest damals zu wenig die Grenzen, was eigentlich im Gesamtkomplexe des Kaisers, und was daneben Gottes ist, daher es dann dem Kaiser ein gewisserart gewissenlos Leichtes war, und noch ist, sich Prärogative (Vorrechte) anzueignen, die rein nur einem Gott gebühren sollen, und wieder jene ganz unbeachtet zu lassen, in denen er sich so ganz eigentlich bewegen sollte.

07. Dessen ungeachtet aber läßt Dein damaliger durch die Zeitumstände gebotener Tempelausdruck sich noch viel eher begrenzen, als jenes gar nach einer zu großen Weltfürstenfurcht riechende Paulische Gebot, laut dem man streng genommen sogar ein Christ zu sein aufhören muß, sobald einem solchen Weltfürsten aus gewissen seinen Thron gefährdenden Rücksichten für nöthig dünken möchte, Deine Lehre, wie sie in ihrer Reinheit ist, als seinen herrscherischen Absichten gefährlich und nicht zusagend zu betrachten, wie solches die allerderbst veratheisirte Roms Lehre auch mehr als himmelschreiend durch viele 100 Jahre gezeigt hat, und noch gegenwärtig zeigt!

08. Es müßten nur ganz andere, jeder meiner Vernunft bisher noch unauszumittelnde höhere Rücksichten, besonders den guten und sonst überaus weisen Paulus, dazu veranlaßt haben, ein solches Mandat ergehen zu lassen, was allerdings auch möglich ist; aber die Sache mit ganz natürlichen gesunden Sinnen betrachtet, erscheint es streng genommen offenbar als ein Unsinn; denn auf der einen Seite heißt es: ihr alle (Menschen nehmlich) seid Brüder, und Einer (Gott nehmlich) ist euer Herr! Auf der andern aber ein Gebot, weltlichen Obrigkeiten, bei denen da facto das Brüderthum eine reine Chimäre (Wahn) ist, streng — sage in Allem zu gehorchen!

09. Freund! das muß sich ja gegenseitig nothwendig aufheben! Entweder kann nur das eine bestehen, und das andere nicht?! — Ist man aber beides zu befolgen genöthigt, so ist das im Grunde nichts anderes, als entweder Zweien Herren dienen; ein Dienst, den Du selbst als unmöglich bezeichnet hast! Oder man müßte sich darauf eigens einstudieren, eine Doppelnatur bei sich zu bewerkstelligen, welcher eben nicht gar zu löblichen im wahrsten Sinne heuchlerischen Eigenschaft zufolge man dann blos äußerlich thäte, was die Fürsten wollen, innerlich aber müßte man es dennoch verfluchen, und im Geheimen thun, was Dein liberaler Theil Deiner Hauptlehre verlangt; was natürlich nicht nur sehr schwer, manchmal sogar unmöglich, oder doch wenigstens äußerst gefährlich wäre!?

10. Glaube es mir, edelster Freund, ich habe, wie vielleicht Wenige, jeden Punkt Deiner Lehre genau erwogen, und glaube so ziemlich im Klaren zu sein darüber, was Du frei gelehret hast, und was Dein eigentlicher Hauptsinn war, und was dagegen Du, wie auch Deine Jünger durch die damals drohenden Zeitumstände gedrungen, einzuflechten genöthigt wardst! Aber alles dessen ungeachtet bin ich doch Dein glühendster Verehrer, und weiß, was ich von Dir und Deiner reinsten Lehre zu halten habe! Freilich sagtest Du ehedem auch, daß Du, trotzdem Dir eine alle Weltregenten bezwingende Macht eigen war, dennoch auch den weltlichen Obrigkeiten gehorsam warst; das will ich Dir schon dadurch und darum nicht streitig machen, da Du selbst Dich durch das Gesetz der Welt mußtest ans Kreuz hängen lassen!

11. Ob Du, mein allerwerthester Freund, Dich aber auch durch eine in Dir verborgene übersinnliche Macht den Weltgesetzen hättest widersetzen können, als Dich diese einmal ernstlich gefangen nahmen, das zu beurtheilen ist wohl zu hoch über meinen bisher noch sehr natürlichen Erkenntnißhorizont! Es ist möglich, und so Deine Thaten Deiner Lehre nicht als heidnische Halbgötterfabeln untergeschoben sind (?) sogar sicher und gewiß, daß Dir, als einem größten Weisen, der Du mit den innersten Kräften der Natur sicher sehr vertraut warst, auch außerordentliche Kräfte zu Gebote standen; aber wie gesagt, Deine letzte Gefangennehmung und endliche Hinrichtung hat bei sehr vielen Helldenkern dies, Dein wunderbares Kraftvermögen, in ein sehr schiefes Licht gestellt, und es haben sich Viele daran gestoßen und gewaltig geärgert. Aber wie gesagt, ich und noch eine Menge Andere haben am Ende blos nur Deine reinste Lehre excerpirt (ausgezogen), und haben alles daraus verbannt, was uns blos nur als eine in der spätern Zeit eingeschobene heidnische Fabel zu sein schien.

12. Ob wir recht oder nicht recht gehandelt haben, das hoffe ich nun von Dir, Du mein edelster Freund, als dem Urheber solcher Lehre in der Fülle der Wahrheit zu erfahren! Wie auch, ob an Deiner, besonders dermal noch in der römischen Kirche gelehrten, und ganz besonders durch einen gewissen Schwedenburg im 18] Jahrhunderte sogar mathematisch erwiesen sein sollenden, Gottheit etwas und wie daran sei?! — Was freilich a priori schwerlich ein rein gebildeter Denker annehmen wird, weil diese Sache allem natürlichen Anscheine nach denn doch etwas zu burlesk aussieht!

13. Denke Dir nur selbst ein endloses unbegrenztes Gottwesen, dessen Intelligenz, Weisheit und Macht nothwendig die allerausgedehntest allgemeinste sein muß, und es daher auch sogar logisch unmöglich ist, daß dies Endlose und Allumfassendste sich je verendlichen und auf die Person eines Menschen einschränken und einzwängen könnte, ob man es nur bei einigem weiseren Nachdenken überzeugend annehmen kann, daß Du und die endlose allumfassende Gottheit logisch richtig identisch sein könnet? — Ja als ‚Sohn Gottes'! da habe ich wenig oder nichts dawider; denn das kann ein jeder bessere Mensch von sich mit gleichem Rechte behaupten; aber Gott und Mensch zugleich!? das geht denn doch offenbar etwas zu weit hinaus!

14. Uebrigens habe ich auch da nichts entgegen, wenn mir die Sache evident bewiesen werden kann; denn wie ich schon früher einmal bei mir selbst erwähnt habe, daß es zwischen der Sonne und dem Monde noch Dinge geben könne, von denen sich keine menschliche Weisheit noch je etwas hatte träumen lassen! Warum solle zu solchen außerordentlichen Dingen nicht auch das gehören, daß Du im Ernste das allerhöchste Gottwesen gar leicht sein kannst!? Ich wenigstens würde ewig nichts dagegen haben! Vielleicht ist nach Hegel bei und in Dir die früher gewisserart schlafende Gottheit zum ersten Male erwacht, und ins klare Bewußtsein ihrer selbst übergegangen?!

15. Oder vielleicht hat sie in sich selbst die alte Nothwendigkeit gefühlt, Sich Selbst als ein Mensch seinen geschaffenen Menschen gegenüber zu manifestiren, um von den Menschen begriffen und erschaut werden zu können, ohne dadurch von ihrer allumfassenden, allerhöchsten Willenskraft etwas zu vergeben!? Wie gesagt, das ist alles möglich! besonders hier, wo überhaupt das Sein einen so höchst rätselhaften Charakter annimmt.

16. Aber wie sich dann, und warum, die in Dir als Gottmensch manifestirende Gottheit hatte von einem Häuflein böser und wahnwitziger Juden zum Tode, und das zum schmählichsten am Schandpfahle können verurtheilen lassen, und das auf einem der unansehnlichsten Planeten noch dazu?! Freund! So was kommt zwischen Sonne und Mond wohl schwerlich vor! Solch ein Wunderding müßte man schon zwischen Nebelsternen zu suchen anfangen!

17. Ich glaube aber auch, daß Du im Ernste so was von Dir wohl auch sogar nicht einmal in einem Traume behauptet hast?! Denn ich weiß es nur zu gut, was Du darauf erwidertest, als man Dich fragte, ob Du im Ernste Gottes Sohn seist? Siehe, da war Deine Antwort, wie sie von einem Weisen Deines Gleichen zu erwarten war, nehmlich: Nicht ich, sondern ihr selbst saget es! Wer aber im entscheidenden Momente so spricht, der weiß auch, was er spricht, und warum?! Ich aber glaube diese Deine Antwort gehörig gewürdiget, und soweit es menschlichen Kräften gestattet ist, auch verstanden zu haben, und daraus entnommen, daß Du in allem ein wahrster Agatodaimon (guter Geist) als reinster Mensch, aber durchaus kein heidnischer Halbgott seist.

18. Daß aber zu Deiner Zeit, wo man noch an ein Orakel zu Delphi glaubte, und mit der Apotheosis (Vergötterung) bei nur etwas ungewöhnlich praktisch weisen Männern nur zu leicht fertig war, wo der Thumim und Urim weissagten, und des Arons nahe über 1000 Jahre alter Stab in der Lade grünte, u. dergl. mehr, man auch einem ersten Weisen, wie Du Einer warst, und seit nahe 2000 Jahren noch von keinem andern übertroffen wurdest, eine Vergöttlichung beilegte, das finde ich überaus begreiflich! — Denn schon die sonst weisen Römer, die heimlich auf ihre Götter eben nicht gar zu große Stücke hielten, behaupteten und sagten: non existit vir magnus sine aflatu divino! So sie aber jeden großen Mann, als von Gottes—Geiste angehaucht betrachteten, um wie viel mehr Deine beinahe noch wundersüchtigeren Landsleute Dich, der Du vor ihren blitzdummen Augen mitunter doch Dinge wirktest, von deren sicher höchst natürlichem Grunde sie noch seit Abraham nicht die allerleiseste Ahnung hatten! Was würden sie zu einer Lokomotive gesagt haben — exempli gratia?

19. Freund! ich meine, Deine Fragen nun hinreichend erschöpft beantwortet zu haben!? Nun käme wieder die Reihe an Dich; ich werde mit der gespanntesten Aufmerksamkeit jedes Deiner Worte anhören und tiefst würdigen!"

18. Kapitel. Aufklärungsrede Jesu über die Notwendigkeit irdischer Obrigkeit. — Keine menschliche Gesellschaft ist denkbar ohne Leitung, Ordnung und Gehorsam.

01. Rede Ich (Jesus): „Mein geliebter Bruder! Siehe, mit rein weltlichen Augen, und mit einem eben so weltlichen Verstande diese deine Sache nun in der ziemlich gedehnten Antwort aus dir betrachtet, und sich dabei aber auch mit jeder noch so freien, und dabei nur zu oft alles gesunden Sinnes mangelnden Uebersetzung, sowohl der Evangelisten, als auch der Briefe Paulus sich begnügend, zu dem Allein aber noch den Geist der Weltfilosofie mehrerer deutschen Atheisten mit großen Zügen in sich geschlürft zu haben, da kann es wohl nicht anders sein, als so, wie es mit dir ist und steht, und — wie du denkst und handelst.

02. Ich sage dir, lieber Freund, hättest du je selbst dir die volle Mühe gegeben, die Schrift des Alten, und auch die des Neuen Testamentes von A bis Z genau durchzugehen; und zwar nach einer guten Uebersetzung, wie da ist die des Martin Luther, oder auch die sogenannte Vulgata, und auch die griechische Urbibel in dieser Zeit, so würdest du sicher zu ganz andern Urtheilen gekommen sein, als du auf deinem sogenannten ‚radikalen' Wege gekommen bist; der aber durchaus kein radikaler ist, da er außer Hegel, Strauß, Ronge und Czerski wenig — oder gar keine Wurzeln hat! welche Wurzeln aber so gut wie gar keine sind, da sie nur — nebst mehreren Andern — als blose Schmarotzer—Pflanzen auf dem großen Baume der Erkenntniß vorkommen; du aber als ein irdischer ‚Pomologe' wirst es wohl wissen, wie die Wurzeln der Schmarotzerpflanzen beschaffen sind?! — Da du das weißt, so wirst du auch wissen, wie viel an deinen Vorleitsmännern gelegen ist in Meinen Augen!

03. Siehe, wenn man die Bibel erstens übersetzt, wie man sie für seine Grundsätze gerade haben will, und dann nur gerade jene Texte heraushebt, die bei einer beliebigen Übersetzung am ersten einen Doppelsinn zulassen, dann ist es auch gar keine Kunst, so zu argumentiren, wie du von Mir nun argumentirt hast.

04. Aber siehe, es ist dem nicht also! denn für's Erste lauten die angeführten Texte, als da ist Mein bekannter Tempelspruch bezüglich des Zinsgroschens, und besonders der des Paulus aus dem Briefe an die Römer 13. Kapitel, und im Briefe an Titum, wohl nicht so, wie du sie Mir vorgeführt hast; und für's Zweite — kann weder bei Mir, und ebenso wenig auch beim Paulus schon darum nie von einer Fürstenfurcht die Rede gewesen sein, da Ich es hoffentlich wohl mehr als handgreiflich vor Pilato und Herode, wie zuvor vor dem Kaiphas bewiesen habe, wie gar nicht Ich Mich vor allen diesen damaligen Weltmachtträgern gefürchtet habe?! Denn wer den Tod nicht fürchtet, da Er sein Herr ist und ewig bleibt, der hat wohl doch noch weniger beiweitem Grund, die eitlen Geber des blos leiblichen Todes zu fürchten!

05. Ebensowenig aber wie Ich nur den leisesten Grund hatte, Mich vor den Machthabern der Erde zu fürchten, eben so wenig hatte auch Mein Paulus irgend einen Grund dazu! — Nero war unter allen Machthabern Roms doch bekanntlich der grausamste; und siehe — Paulus suchte Schutz wider die ihn verfolgenden finstern und geistig bösen Juden bei ihm, und fand ihn auch, so lange er desselben irdisch vonnöthen hatte. Hatte er darum aber etwa eine Furcht vor den Juden? O nein; auch vor diesen hatte er keine Furcht; denn obschon er gar wohl wußte, wie sehr sie ihn anfeinden, so ging er dennoch, trotz allen Widerrathens einiger seiner intimsten Freunde, nach Jerusalem.

06. Daraus kannst du aber schon einigermaßen entnehmen, daß weder Ich, und eben so wenig auch der Paulus aus irgend einer Fürstenfurcht unsere gleichen obrigkeitlichen Gebote, eigentlich vielmehr ‚Räthe' von uns gegeben haben, sondern blos nur rein der nothwendigsten Weltordnung der Menschen wegen; denn das mußt du denn doch einsehen, daß gar keine menschliche Gesellschaft ohne Leiter bestehen kann, und es daher denn doch auch nöthig ist, als Lehrer den Menschen die Nothwendigkeit zu zeigen, auch diesen Leitern zu gehorsamen!?

07. Oder bist du wohl der Meinung, daß da auf der Erde auch ganze große menschliche Gesellschaften ohne aller Leitung bestehen könnten? — Siehe, das wäre die größte Unmöglichkeit von der Welt, und wäre sogar wider die natürlichste Ordnung, nicht nur allein des Menschen, sondern auch wider die Ordnung aller irdischen Dinge!

08. Damit du aber das etwas tiefer einsiehst, so will Ich dich ein wenig nur durch die verschiedenen Reiche der ganz natürlichen Dinge mit meinem Munde führen, und so höre Mich weiter!"

19. Kapitel. Fortsetzung der Rede Jesu über den Gehorsam. Beispiele aus verschiedenen Reichen der Naturwelt.

01. (Jesus:) „Stelle dir's vor, daß alle Weltkörper auch mit der für ihre Bestimmung nöthigen Intelligenz und freier Einsicht ausgestattet sind; — siehe, diese großen und sehr kräftigen Körper schweben alle im für deine bisherigen Begriffe sicher freiesten Aetherraume; — warum sind sie denn so eigensinnig, und bewegen sich seit vielen Jahrtausenden stets in gleichen Kreisen um eine bestimmte Sonne, die sie gewisserart um keinen Preis verlassen wollen oder mögen?

02. Gewiß ist manche ihrer Umlaufzeiten für sie auch schlimmer, als manche andere, was schon die guten und schlechten Jahre eines Planeten so ziemlich handgreiflich zu beweisen scheinen; besonders in solchen Perioden, wo es auf dem Sonnenkörper manchmal auch etwas stürmischer zugeht, als es sonst gewöhnlich der Fall ist! Ich will von einer Umlaufszeit gar nichts Erhebliches — als einen davonlauferischen Grund — für einen gequälten Planeten anführen; denn solch ein Körper, wie da ein Planet ist, kann sich schon so einen kurzen Puff von Seite der Sonne gefallen lassen! Aber es geschehen oft solche für einen Weltkörper qualvolle mehrere Umläufe ununterbrochen, freilich hie und da örtlich mehr oder minder.

03. Wenn denn so ein großer Wanderer durch den freiesten Aetherraum etwa nach manchmal zehn und mehr — von seiner Sonne wie stiefmütterlich behandelten — gleich fleißigen Umläufen am Ende doch überdrüssig würde, und sich ernstlich vornähme, die ihn regierende Sonne zu verlassen, und möchte dann so einen absoluten ‚Freischwärmer' durch den endlosesten Weltenraum machen! — Was wohl würde von solch' einer planetarischen, nach der absolutesten Freiheit schwindelnden Idee die unvermeidlichste Folge sein?

04. Siehe, zuerst ein völliges Erstarren ob des nur zu bald eingetretenen Lichts— und somit auch Wärme—Mangels; darauf nothwendig ein völlig inneres Entzünden, ob des zu mächtigen Druckes von Außen nach Innen, und endlich eine dadurch bewirkte völlige Auflösung aller seiner Theile, und mit dieser aber auch sein vollkommener Tod!

05. Die Planeten aber fühlen das in ihrem Innersten; ihr Dasein ist ihnen das höchste fühlbare Bedürfniß, und so bleiben sie gleichfort unter dem Regimente ihrer über sie gesetzten Sonne, und bleiben in Hinsicht ihrer Bewegung stets in der unverrückbarsten Ordnung, und machen sich nichts daraus, ob sie bei mancher Umlaufszeit von ihrer sie beherrschenden Sonne auch karger gehalten werden, als irgend andere Male.

06. Aber da könnte doch mancher dir gleichgesinnte Planetenfreund ganz unpartheiisch sagen: — Ich lobe mir wohl solche willige und gehorsame Planeten; aber so eine launen—volle Sonne, als den nothwendigen Regenten der armen Planeten, so ich der Schöpfer wäre, möchte ich denn doch auf die gehörige Art züchtigen, für ihre Regentenlaunen!

07. Aber da steht die Sonne auf und spricht: Was faselst du kurzsichtiger Kosmopolit!? — Siehst du denn nicht, daß ich nicht nur einen, sondern gar viele, größere und kleinere Planeten zugleich zu übersehen und zu versorgen habe? Weißt du denn nicht, daß ihre Bahnen ungleich sind, daß mir manchmal die großen wie die kleinen Planeten näher, manchmal ferner zu stehen kommen; daß sie manchmal gerade auf dieser einen Seite sich befinden, und mich gar sehr in den Anspruch nehmen, und daher irgend ein einzelner Planet, besonders so er sich auf einem entgegengesetzten Standpunkte befindet, nothwendig etwas karger zum Theile kommt, an meinen sonst reichen Gaben! — Wird ein solcher Planet aber auf einer Umlaufzeit auch etwas nothwendig karger betheilt, so bekommt er aber dennoch immer so viel, daß er bestehen kann, und ich kann es seit Trillionen von meinen eigenen Wanderungen um eine noch andere und größere Regentensonne bezeugen, daß darum noch nie ein Planet, so er sich an meine Ordnung angeschlossen hatte, verhungert und zu Grunde gegangen ist! Wenn aber frei herumschweifende Kometen, denen ihre Freiwandlerschaft lieber als meine feste Ordnung ist, irgend wo im endlosen Raume, in den sie ihre wahnwitzige absolute Freiheitslust getrieben hat, zu Grunde gehen, dafür kann wohl ich nicht; denn einem Wesen aber, das sich rein nur selbst bestimmen will, ohne von einer andern und mächtigeren Leitung abhängen zu wollen, geschieht auch kein Unrecht; denn es hat sich ja selbst gerichtet! — So du freisinnigster Kosmopolit mich als die Planetenregentin aber schon durchaus wegen meinem nothwendig veränderlichen Verhalten gegen die mir untergeordneten Planeten gestraft haben willst, da nehme mir mein Licht und meinen Glanz, und auch meine Größe und Macht; — sehe aber dann zu, wie die nach deiner Meinung von mir so sehr gedrückten und an den Sklavenketten gehaltenen Planeten dann ohne mich bestehen und fortkommen werden!

08. Siehe Freund, so spricht sich die ganz natürliche Ordnung schon bei den ersten, größten, stärksten und freien Weltkörpern aus, ohne welcher kein Planet als bestandbar gedacht werden könnte; — so aber diese ganz frei schwebenden großen Wesen eines Direktors bedürfen, um wie viel mehr jene dem Körper nach kleinen, und in ihrer Bewegung schon durch allerlei Verhältnisse mehr und mehr gebundenen und gehinderten Wesen, als da sind die Thiere, und besonders die mit einem ganz vollkommen freien Geiste begabten Menschen!

09. Thiere einer und derselben Art haben eines unter ihnen, das gewisserart ihr Leiter und Führer ist; wenn dieser sich rührt, da sind alle wie durch einen elektrischen Schlag zur gleichen Bewegung angefacht. Siehe an eine Rinderherde; sie hat einen Leiter unter sich; der Hirte, der solches aus der Erfahrung weiß, und auch bald merkt, welchem Stücke aus seiner Herde die andern nachgehen, hängt solchem Thiere eine Schelle an den Hals; und so er Abends die Herde heimführen will, da horcht er blos, wo die Schelle läutet; da er sie vernimmt, dahin auch begiebt er sich, und findet seine ganze Herde daselbst versammelt; will er sie heimführen, da braucht er blos den beschellten Direktor zu führen, so gehen da alle andern von selbst dahin der Direktor geht. — Der gleiche Fall ist es sogar mit den sehr dummen Schweinen, besonders wo sie in der freien Natur naturzuständig leben; eben so bei den Ziegen, Schafen, Pferden, Eseln und hundert andern Thiergattungen! — Das gleiche kannst du sogar an den verschiedenartigsten Insekten nur zu sprechend entdecken, an den Vögeln, und nicht minder sogar an den stumpfsinnigen Fischen, und anderartigen Wasserthieren.

10. Aber Ich will dir die Sache ganz zeigen, und will dich sogar auf die noch viel stummer scheinende Natur leiten.

11. Betrachten wir das in sich selbst überaus lockere Wasser, das sich doch ohne allen fühlbaren Widerstand in zahllose kleinste Tröpfchen zertheilen läßt; dieses höchstwichtige Naturelement, das in sich alle Urkeime des animalen wie des planetaren Lebens birgt, und zugleich von dir nie berechenbaren Kräften geschwängert ist, gehorcht im freien Zustande ganz unbedingt dem ihm innewohnenden Gesetze der Schwere; laut diesem Gesetze, dessen es durch ein eigenes Wahrnehmungsvermögen gewahr wird, empfindet es die leiseste Abdachung irgend eines Territoriums, fängt da sogleich an, nach einer größern Niederung hin sich fort zu bewegen, und hat so lange keine Rast und Ruhe, als bis es des Meeres größte Territorialniederung vollends erreicht hat. Auch hat dieses Element noch diese sonderbare Eigenschaft, daß es sich erst dann vollends klärt, wann es des Meeres Niederung erreicht hat, gewisserart dadurch andeutend, daß der Mensch auch erst dann zum klaren Bewußtsein seiner wahren ewigen Bestimmung komme, so er irdisch nicht nach den höchsten Würden, sondern nur nach alle dem strebt, wo er den niedersten Standpunkt, d. ist: die wahre — von Mir so oft anempfohlene — Demuth erreicht, die aber nie durchs Gebieten, sondern nur durch's Gehorchen erreicht werden kann!"

20. Kapitel. Die Hochgebirge und ihre Notwendigkeit als weiteres Beispiel Jesu.

01. (Jesus:) „Also wäre dir durchs Wasser nun ein Beleg gegeben, daß auch dieses, dir sicher sehr stumm vorkommende Element, eine eigenthümliche Intelligenz in sich enthält, durch die es dem in ihm zu Grunde liegenden rein göttlichen Ordnungsgesetze den allerpünktlichsten Gehorsam leistet bis zum letzten Tropfen, trotzdem ein jeder Tropfe eine Masse von Trillionen Leben in sich birgt!

02. Aber wir wollen die Sache nicht bei dem alleinigen Wasser schon zur Genüge betrachtet haben, sondern wollen uns zunächst auf die Geburtsstätte des Wassers, also auf die Berge nehmlich wenden, und wollen sehen, ob an ihnen nicht auch irgend eine besondere ganz eigenthümliche Intelligenz, und dieser zufolge auch eine genaue Beobachtung der in sie gelegten Gesetze gar wunderbar zu bemerken ist?!

03. Siehe Freund, auf der Erde findest du allerlei Berge; darunter sind sehr hohe, oder Urgebirge, dann mittlere, das heißt: mittelhohe, oder sogenannte Gebirge der sekundären Formation; und endlich ganz niedere, das heißt mehr Hügel als Berge, die sämtlich nach der irdisch gelehrten Analogie einer tertiären Formation angehören!? Du lächelst nun gewisserart freudig, weil du an Mir auch einen Geologen neuerer Art entdeckst! O da sei du ganz getröstet; denn in der Geologie, wie in der höheren Kosmologie bin Ich so ziemlich bewandert!

04. Aber nun weiter: Wir haben also dreierlei Berge; von diesen drei Arten wollen wir zuerst der höchsten unsere Betrachtung zukommen lassen.

05. Warum sind wohl die Berge auf der Erde? und hier meine Ich ganz besonders — die erste Art. Siehe, ihre Zwecke sind verschieden; für's Erste — sind sie die Regulatoren der freien elektromagnetischen Strömungen, auf daß diese über den ganzen Erdboden gehörig vertheilt werden; für's Zweite — verhindern sie, daß die Luft um die Erde, so diese ihre tägliche schnelle Rotation um ihre Axe macht, nicht stehen bleibe, während die Oberfläche der Erde sich fortbewegt, und dadurch eine über alle Orkane heftigste Gegenströmung hervorbringe, durch die wohl kein Wesen auf der Oberfläche der Erde als bestehend gedacht werden könnte; für's Dritte — ziehen sie die zu mächtigen, durch den Sauerstoff und Wasserstoff bewerkstelligten Feuchttheilchen aus der allgemeinen Luft an sich, (deßhalb ihre höchsten Kanten und Spitzen auch meistens umdünstet, und somit selten sichtbar erscheinen), und diese vereinen sich hier durch die stets mächtig vorhandene Elektrizität, und fallen dann zumeist als Schnee und Eis auf die steilen Abhänge der Berge nieder, von denen sie nach größeren Anhäufungen als mächtige Lawinen in die Gräben, Schluchten, und in die Hochgebirgsthäler stürzen, und daselbst durch ihre starke Anhäufung die sogenannten Gletscher bilden, die dann wieder die besondere Eigenschaft haben, die Kältetheilchen aus der gesamten Luft anzuziehen, und dadurch die niedriger gelegenen Fruchtgegenden vor den alles erstarrenden und zerstörenden Frösten zu bewahren, zugleich aber auch die manchmal zu stark angesammelte Luftelektrizität sehr mächtig zu schwächen, und dazu auch den Kreislauf des Wassers durch die Athmosphäre zu ordnen, ohne welche Thätigkeit die Ebenen der Erde nahe unausgesetzte allerheftigste Wolkenbrüche auszustehen hätten!

06. Du siehst nun aus diesem Wenigen die große Nothwendigkeit der Hochgebirge, und sprichst auch bei dir: Ja, das ist klar, und unwiderruflich wahr; denn wo nur die Menschen es zu rücksichtslos wagten, etwas an der Ureinrichtung der Berge zu ändern, da sind sie auch nur zu bald durch früher nie dagewesene Elementarschäden für ihren Frevel auf das empfindlichste gezüchtigt worden! Siehst du, Freund, also ist es auch! Aber nun kommen wir eigentlich erst aufs Rechte; daher habe nun ganz hauptsächlich wohl Acht!

07. Siehe, damit aber eben die Hochgebirge die wichtige Bestimmung zur Erhaltung eines ganzen Weltkörpers, und alles dessen, was auf seiner weiten Oberfläche sich befindet, erfüllen können, so ist es zunächst durchaus nicht gleichgültig, wo sie sich befinden, und müssen für's zweite durch die gewisserart in ihnen und über ihnen wohnenden Geister, oder (nach deiner Art zu reden,) Kräfte allernothwendigst jene eigenthümliche Intelligenz besitzen, durch die sie in den Stand gesetzt werden, das zu bewirken, wozu sie bestimmt sind.

08. Die ihnen, oder vielmehr ihrer unläugbaren bestimmten Intelligenz, anheimgestellte Wirkungssphäre ist für sie so gut das, als was für unser Einen ein positives Gesetz ist, das sie durch ihre Intelligenz ganz genau wahrnehmen; was du Mir um so mehr glauben kannst, du du doch ehedem selbst von Mir behauptetest, Ich sei durch die Schule der Egypter in die innern Kräfte der Natur sicher eingeweihter gewesen, als alle Gelehrten der Jetztzeit!

09. Da du solches nun einsiehst, so sehe auch ein, daß nur durch die höchst genauste Befolgung der Gesetze, die der Intelligenz dieser großen Auswüchse der Erde anheimgestellt sind, die Erhaltung eines ganzen Weltkörpers bewerkstelligt werden kann; würden aber diese Hochgebirge einmal sich auch gegen die sie bestimmenden Gesetze auflehnen, und gewisserart sagen: Wir wollen keine hohen Erdbeherrscher mehr sein, sondern auch wir wollen nun zu kleinen Fruchthügeln uns erniedrigen! Sage, was würde aus solch einem Gebirgsungehorsam endlich für die ganze Erde für ein namenlosestes Unheil erwachsen?!

10. Siehe nun, obschon diese Hochgebirge keine Früchte tragen, und viele hundert Quadratmeilen unfruchtbares Land ausmachen, und so dem gemeinen Menschenverstande als ‚unnütz' (?) erscheinen; wäre es aber darum wohl wünschenswerth — diese Bergfürsten zu entthronen, und sie zu vermeintlichen Fruchtebenen zu umstalten?

11. Du sagst: Das wolle der Himmel nur verhüten! — Nun — sage auch dazu, daß es der Himmel verhüten wolle, daß die Hochgebirge in der menschlichen Gesellschaft nicht verwüstet werden, sonst wird es auf der politischen Erde nur zu bald also aussehen, als wie es auf der natürlichen aussehen würde, so die natürlichen Hochgebirge zerstöret würden!

12. Siehe, so die Könige der Erde wahrhaft ihrer Bestimmung entsprechen sollen, da müssen sie sein gleich den Hochgebirgen! Verstehst du das? — Du sprichst: »Ja, ich verstehe es nun ganz, und sehe es auch ein, daß Du ein wahrer Urweiser bist!«

13. „Gut, sage Ich dir; die Sache ist aber noch nicht zu Ende; wir haben noch zwei Gebirgsarten vor uns; diese müssen uns auch noch etwas erzählen! — Höre daher weiter an, und sehe, wozu sie da sind."

21. Kapitel. Jesus über die Entstehung und Notwendigkeit der Mittel— und Kleingebirge für die ganze Erde.

01. (Jesus fährt fort:) „Als die Erde nur erst ein wüster Weltkörper war, und weder Pflanzen noch Thiere zu ernähren und zu erhalten hatte, außer jenen Urtypen zu allen spätern Formen in den Gewässern (um mit dir als einem deutschen Gelehrten auch gelehrt zu reden); da freilich genügten die Urgebirge allein, dem noch gewisserart ganz rohen, also unausgebackenen Erdballe die nöthigen, schon früher erwähnten Dienste zu leisten; als aber nach einer gehörigen Anzahl von Jahrtausenden der Erdball sich mehr und mehr gesetzt hatte, und über den Meeresspiegel schon ganz bedeutende Inselgruppen sich zu erheben anfingen, und die in das Wasser gelegten Urkeime über demselben in allerlei Gras— und Pflanzenarten sich auszuprägen begannen, da war es nöthig, damit die in die Gewässer gelegten Urkeime ob ihrer Reife auch ehestens zu ihrer Entwicklung ein größeres Territorium bekämen, dafür zu sorgen, daß durch unterirdische Feuerkräfte neue Erhöhungen bewerkstelligt würden, durch die dann mit der Zeit die werdenden neuen Produkte mehr Raum, Nahrung und Schutz bekommen sollten; und da fing es über den ganzen Erdkreis gar gewaltig zu toben und zu wüthen an; die unterwässerlichen Festlagen wurden zersprengt, und durch die großen Kräfte zu vielen Millionen weit über den Wasserspiegel emporgehoben!

02. Es gehörten wohl viele Jahrhunderte dazu, bis diese große Arbeit beendet werden konnte; aber das macht bei Gott, weißt du Freund, gerade keinen merklichen Unterschied; denn Tausend oder eine Million Jahre dieser Erde sind vor Ihm gleich wie Ein Tag! Kurz, also — und darum wurden die zweitartigen Berge gebildet, wie Ich es dir soeben dargethan habe;

03. diese Berge aber waren anfangs auch viel höher und schroffer als sie nun sind; aber die Zeit und ihre natürlichen Stürme haben ihre Häupter sehr erniedrigt, und haben damit die großen Vertiefungen neben ihnen mehr und mehr ausgefüllt, und dadurch engere und breitere Thäler gebildet. Da aber diese Thäler hie und da höher und niederer ausfielen, und daher dem Wasser keinen freien Durchzug gestatteten, so blieb dasselbe in den größeren Vertiefungen nothwendig sitzen, wodurch sich dann auch ganz natürlich größere und kleinere Seeen bilden mußten.

04. Da ferner aber diese Seeen durch den beständigen Kreislauf des Gewässers sowohl durch die Erdporen, wie auch durch die Luft auf dem Wege des Regens, Schnees, Hagels, wie auch des Thaues einen beständigen Zuwachs erhielten, so mußten sie auch nothwendig über ihre Ufer zu fließen und zu stürzen anfangen; dadurch haben sie mit der Zeit auch ganz natürlich durch ihr Strömen kleinere und größere Theile ihrer natürlichen Ufer oder Dämme abgelöst, und haben damit zum Theile die ungleichen Vertiefungen der Thäler nach und nach mehr und mehr ausgefüllt, und zum Theile — besonders zu Zeiten größerer Ueberfluthungen — auch förmliche Hügel und Hügelreihen gebildet, was heut zu Tage sogar noch hie und da auf der Erde zu geschehen pflegt, so wie, daß auch hie und da Berge der zweiten Art durch's Feuer entstehen.

05. Diese nun zuletzt berührte Hügelbildung auf dem Wege der Anschwemmung ist die sogenannte tertiäre Formation (jüngste Bergbildung), die natürlich durch die sekundäre bedingt ist.

06. So hätten wir nun die Entstehung der beiden letzten Bergarten ganz naturrichtig hergeleitet, und den Grund oder die Ursache der zweiten auch schon angegeben. Warum aber die dritte Art entstand, und hie und da noch entsteht, ist wohl sehr leicht einzusehen, wenn man nur den Grundsatz nicht aus dem Auge verliert, daß nehmlich zur ferneren Hervorbringung, Erhaltung und Beschützung von neueren Wesen — und zur Fortpflanzung der schon Daseienden, vor allem ein guter und geräumiger Boden nöthig ist!

07. Der Boden der Erde ist nun so bestellt und hergerichtet, daß auf demselben allerlei Wesen entstehen, sich fortpflanzen, leben und wohnen können; und diese Einrichtung wurde und wird noch bewirkt durch die drei verschiedenen Bergarten!

08. Die zwei letzten Bergbildungen scheinen dem ersten Anscheine nach freilich wohl keine Aehnlichkeit in der Bestimmung der ersten Gebirgsgattung zu haben; denn es ist ihre Entstehungsart eine ganz andere, und so auch ihre eigentliche Bestimmung; aber da sie einmal in die Reihe der Urgebirge, also der Bergfürsten, getreten sind, so müssen sie sich ohne alles Sträuben — trotz ihrer noch ganz eigenen Bestimmung — auch jenen Gesetzen fügen, die ihnen die Urgebirge wie aus sich heraus vorzeichnen! — d. h.: „Es ist nicht genug, daß ihr niederen und jüngeren Berge mit eurem Ueberflusse die Thäler und Gräben ausfüllet, und dort ein fruchtbares Land erzeuget, und kleine Berglein mit schönen Lustwäldchen anleget; sondern ihr müsset vom Anbeginn eures Seins an auch einen großen Theil unserer Lasten übernehmen, und uns in Allem unterstützen, sonst erfüllet ihr eure Bestimmung durchaus nicht, und könnet sie auch nicht erfüllen, da durch euer Entstehen unsere Kraft zu sehr in den Anspruch genommen wurde, so wir nun ganz so wie früher, da ihr noch nicht waret, Alles ordnen und lenken sollen!" Und siehe, diese neuen Berge thun es genau, zufolge der in ihnen ebenfalls zugrunde liegenden Intelligenz, was ihnen die Bergfürsten auferlegen.

09. Es giebt aber im Ernste auch welche unter ihnen, die den Höchsten gewisserart nicht gehorchen wollen; solche Berge aber werden durch die gewaltigsten Stürme so lange gehetzt, bis sie sich die Ordnung der Hohen entweder gefallen lassen, oder im Gegensatze auch ganz zu Grunde gerichtet werden! Bei den alten Weisen hießen solche Berge ‚Widerspenstige', auch bisweilen ‚Verfluchte'; in der neuern Zeit heißt man solche Helden von Bergen: Lockere, Unbeständige, (Faule,) Verwitterte. Beispiele von solchen bestraften (eingestürzten und gänzlich vernichteten) Bergen gibt es eine große Menge, sowohl in der alten, als auch in der neuen Zeit."

22. Kapitel. Eine rangmäßige Unterordnung ist auch unter den Menschen notwendig.

01. (Jesus fährt fort:) „Lieber Freund und Bruder, Ich meine, du wirst aus dieser ganz aus der Natur genommenen Darstellung der Unterwürfigkeitsverhältnisse, sogar an den für dich leb— und somit intelligenzlosen Dingen, sie eben so wohl begriffen und eingesehen haben, als du sie ehedem bei den Thieren und Weltkörpern, wie auch bei den Gewässern begriffen hast — und es daher kaum von nöthen sein dürfte, dir noch mehrere Belege aus der für dich stummen und gewisserart todten Natur vorzuführen, was Ich wohl noch gar sehr könnte, besonders so Ich dich auf andere Planeten hinführete, wo die Ordnung in allem viel genauer und strenger abgemessen erscheint, als auf dem geflissentlich nahe in der größtmöglich (anscheinlichen) Unordnung belassenen Erdplaneten, was den Grund hat — auf daß auf ihm eben die freiesten Geister, als wahrhafte ‚Gotteskinder', desto freier und für ihr Wesen ersprießlicher könnten groß gezogen werden. Du siehst das also nach deiner innersten Bejahung ein, und Ich sage dir, daß Ich damit völlig zufrieden bin.

02. Weil du aber nun sogar an der für dich stummen Natur das einsiehst, daß in ihrem Gefüge eine gewisse stufenmäßige Unterwürfigkeits—Ordnung ganz unerläßlich nothwendig ist, damit sie (die Natur) bestehe, und dauernd erhalten werde; nun denn — denke dir den Menschen, der da begabt ist mit einem absolutest freiesten Geiste, der in seinem Denk—, Beschluß— und Begehrungsvermögen sich in der höchsten Unbeschränktheit befindet! — Stelle dir das so recht kernfest vor, was da am Ende herauskäme, so jeder Mensch zufolge seiner inneren absolutesten Freiheit, ohne alle Beschränkung thun dürfte, was sein inneres Geistwesen aus seinem gottähnlichen unendlichen Ideenreichthume nur immer in seiner unversiegbarsten fantastischen Lebenskammer als geordnet unter zahllosen Formen schöpft!?

03. Ich sage dir, da wäre Erstens — kein Mensch vor dem andern sicher, denn es gibt die [*dir*] Geister, deren innere Fantasien oder Schöpfungen sich hauptsächlich damit beschäftigen und eine eigene Wohllust darinnen finden, alles Bestehende zu vernichten! Einige möchten fort und fort Menschen auf die verschiedensten Arten tödten; Andere wieder möchten alle Berge zerstören; wieder Andere durch die Erde ein Loch graben, dasselbe mit Pulver, so weit als möglich anfüllen, um dadurch möglicher Weise die ganze Erde zu zersprengen; wieder Andere möchten alles Wasser der Erde vertilgen; Andere wieder die ganze Erde ersäufen, noch Andere die ganze Erde verbrennen; Andere den Mond mit einem Stricke an die Erde anhängen und ihn herabziehen!

04. Zweitens — gibt es wieder eine große Menge ungeheuer sinnliche Geister, deren Fantasie aus lauter Genußideeen zusammengesetzt ist; so diese Geister keine Beschränkung durch Gesetz hätten, so würde vor ihrer großen Gailheit kein weibliches Wesen sicher sein, am Ende auch kein Knabe, und sogar kein Vieh mehr! Denn Ich kenne nur zu viele solche Naturfreunde à la Sodom und Gomorrha, die sich zu einem förmlichen Geschäfte macheten, sich für's Erste mit allen möglichen weiblichen Rassen zu begatten, um zu erfahren, was da überall für Früchte herauskämen? wenn dieß Zeugungsspiel ihrer Fantasie nicht genügete, da macheten sie fürs zweite Versuche auch an den verschiedensten Thieren, wodurch auch wirklich nicht selten die sonderbarsten und unordentlichsten Gestalten zum Vorscheine kämen, was besonders bei den raffinirten Heiden gar nicht selten der Fall war.

05. Nun denke dir aber eine große Gesellschaft von solchen sinnlichen und gailen Genußmenschen im völlig sowohl moralisch als auch politisch gesetzlosen Zustande! — Von welch verschiedensten Kreaturen und barsten Scheusalen wird es unter ihnen wimmeln?! — Nach wenigen Hunderten von Jahren würde es auf der Erde wimmeln von Wesen, vor denen am Ende kein menschliches Leben mehr sicher wäre! Moses hat darum auch ein äußerst scharfes Gebot ergehen lassen, und sogar den Feuertod als Strafe darauf gesetzt für solch einen Gailer, der sich unterfienge, so was zu thun, was Moses, der als ein königlicher Adoptivsohn in alle die damaligen ägyptischen Scheußlichkeiten eingeweiht war, nur zu gut kannte, und wußte!

06. So hat es auch von den sinnlichen Geistern solche gegeben, und giebt es leider noch hie und da, die ihre, man kann sagen, echt teuflische Genußsucht nur dann befriedigten, so sie die Maid während und auch vor dem Akte auf das grausamste quälten und marterten! erst ihre letzten schmerzvollsten Lebensäußerungen gewährten ihnen die größte Wollust! (Lustmord.) — Ich brauche dir nicht eine Menge spezielle Thaten aufzuführen; denn es sind manche von der Art, daß du sie gar nicht anhören könntest! — Es ist genug, daß du weißt, welche Früchte daraus zum Vorscheine kommen, so irgend eine Menschengesellschaft sich in einem gesetzlosen Zustande befindet.

07. Drittens — giebt es wieder Geister, die von sich die außerordentlichsten Ideen fassen, und alles endlos tief unter ihrer Würde finden! Diese Geister sind stolz, und über die Maaßen herrschsüchtig; vor ihnen solle sich alles bis in den Staub verkriechen, und nur das thun, was sie wollen (sog. ‚Uebermenschen'.) Denke dir aber nun eine ganze große Gesellschaft von lauter solchen Menschen; wie würden sie mit einander leben?! — Ich sage dir, eine Welt voll Tiger, Löwen und Panther würden mit einander in einer beiweitem größeren Harmonie leben, als solche Menschen, so sie nicht durch moralische wie auch durch weise politische Gesetze beschränkt wären!

08. Und so giebt es noch eine Menge zahlloser Abarten von den verschiedensten Geistern (unter den Menschen), deren Grundfantasien und Hauptneigungen in ihrer Art natürlich gegen alle nothwendige positive Ordnung so höchst lasterhaft verschieden sind, daß du dir davon nicht die allerleiseste Idee machen kannst!

09. Wenn aber alle diese Geister von ihrer absolutesten innern Freiheit nur zum millionsten unbeschränkten Theile den Gebrauch machen dürften, denke, und sage es Mir, wie würde es dann nur zu bald auf einem Weltkörper aussehen?! Du sprichst: Freund! das wäre entsetzlich! das wäre die Hölle aller Höllen auf der Oberfläche der Erde! — Richtig, sage Ich dir, du hast wohl und richtig gedacht und gesprochen!

10. Ich aber frage dich weiter, und sage: Was aber ist demnach allerhöchst nothwendig, damit die vollste Hölle so viel als möglich von der Oberfläche der Erde hintan gehalten werde? Siehe, nun kommen wir Beide erst dorthin, von wo wir ausgegangen sind, und wo Ich dich eigentlich haben wollte!

11. Kennst du's nun, was Ich damit sagen wollte, so Ich, wie auch der Paulus, allen echten Bekennern Meiner Lehre den Gehorsam gegen eine rechtmäßige weltliche Obrigkeit anempfahl!

12. Siehst du nun, warum man dem Kaiser, was sein ist, und Gott, was Gottes ist, geben solle.

13. Sage Mir nun, wie du die Sachen jetzt einsiehst! kommen sie dir noch so widersinnig vor, als sie dir ehedem vorgekommen sind? findest du den gerechten Gehorsam, und die rechte Demuth immer noch als des freien Menschengeistes unwürdig?! — Rede nun; die Reihe ist wieder an dir; Ich will dich hören."

23. Kapitel. Roberts zustimmende Antwort und seine Gegenfrage über den Machtmißbrauch der Fürsten. Die Erde als Schulhaus.

01. Spricht Robert Bl.: „Was, liebster Freund, solle ich im Grunde nun noch reden? ich sehe, begreife und bekenne nun, daß Du, als Einer, der mir an aller Wissenschaft und Weisheit himmelhoch überlegen ist, in Allem Recht hast, weil sich die Dinge wirklich also verhalten, wie Du sie mir nun dargestellet hast; es läßt sich dem durchaus nichts entgegenstellen, da Du als ein in die innersten und geheimsten Kräfte der Natur eingeweihter Weiser Dich am gründlichsten, wenigstens viel gründlicher als ich, auskennen kannst und mußt! — Wie gesagt, Alles, was Du nun mir gütigst erläutert und erkläret hast, habe ich in allen seinen, wenn schon manchmal etwas barock klingenden Theilen völlig als wahr und unumgänglich nöthig eingesehen, und bin darum auch ganz mit Dir einverstanden; — aber nun kommt — was anderes!

02. Es ist alles wahr, was Du bis jetzt geredet hast; und ganz besonders tritt bei Deiner Darstellung des absolut freiesten menschlichen Geistes die gewisserart eiserne Nothwendigkeit eines eben diese Freiheit beschränkenden Gesetzes, und eines machthabenden Exekutors desselben nur zu klar ins Licht; aber es fragt sich dabei: „Dürfen gewisserart von Gottes Gnaden ernannte, bestimmte oder erwählte und machthabende Exekutoren des Gesetzes, das sie gewöhnlich selbst machen und herausgeben, wohl auch ‚von Gottes wegen' ausgenommen sein — das Gesetz zu beobachten, und — besonders in dieser Zeit — ganz willkürliche Despoten und Tyrannen abgeben, und wegen eines mißlichen Thrones die armen Menschen, die doch auch ihre Brüder sind, zu Tausenden hinschlachten lassen?! War z. B. mein Vergehen wohl von der Art, daß mich darum ein Alfred W. [* Windischgrätz, d. Ed.*] im Namen seines schwachen Kaisers, der ihn mit aller Macht eines Herrschers höchst unmenschenfreundlichster Weise betheilte, erschießen ließ, und mehrere Andere meiner Denkungs— und Handlungsweise desgleichen!?

03. Wenn solcher Machthaber sich schon von seinem eigenen Gesetze enthebt, so fragt sich aber, wer ihn denn dann von Deinem Liebesgesetze, das der ganzen Welt ohne Unterschied des Standes und Charakters gleich gelten solle, enthebt und dispensirt? Warum müssen Hundert Tausende in der größten Armuth dahin schmachten, und so sie nur irgend eine kleinste, gar oft durch die zu große Noth gezwungene, Veruntreuung sich zu Schulden kommen lassen, dann auch alle unnachsichtige Strenge des Gesetzes sich gefallen lassen, — während die Großen in der allerbehaglichsten Gewissenlosigkeit thun können, was sie wollen, und kein Richter darf sie zu einer Verantwortung fordern?!

04. Auch ich bin für weise und gute Regenten gewiß im höchsten Grade eingenommen, aber Regenten, die oft kaum wißen, was sie sind, und noch viel weniger, was sie so ganz eigentlich sein sollen; ich sage, Regenten, die nur consumendi gratia auf dem Throne sitzen, und ihren Untergebenen Vampyren gleich das armseligste Blut aussaugen, anstatt daß sie dieselben durch weise Gesetze leiten sollen! Sage mir, Freund, solle da ein armes gedrücktestes Volk nicht das Recht haben, solche glänzende Taugenichtse, und gewissen— und gefühllose Tagdiebe davon zu jagen, und an ihre Stelle weise und taugliche Männer, die Kopf und Herz am rechten Flecke haben, zu setzen?! Muß denn ein Regentenstuhl so glänzen, muß seine Wohnung ein ungeheuerster und prachtvollster Palast sein, und müssen sich seine Regentenbezüge auf viele Millionen belaufen?! was natürlich alles von den blutigen Schweißtropfen der Unterthanen hergeschafft werden muß! — ‚Der arme Teufel' hat auf der Erde nichts Gutes; von der Geburt bis zum Grabe bleibt er ein Spielball der Mächtigen, muß für sie Gut und Blut setzen, dafür aber wird er zum schuldigen Danke verachtet, eine Canaille gescholten, und so er sich nicht alle Niederträchtigkeiten der Großen auch nur heimlich möchte gefallen lassen, und käme zu einem Pfaffen in einen Beichtstuhl, um sich da sein Herz zu erleichtern, so wird er noch oben darauf mit der ewigen Verdammniß vertröstet! — Mit solchem Troste kehrt er dann heim, und macht dann Studien im Fache der Verzweiflung! Sage, ist das auch irgend wo in der Natur schon also geordnet und begründet?! — Freund! — Ich, Robert, meine da, und behaupte es fest: Das ist die Hölle, und ihr stets regsamstes Mühen — aus armen Engeln dieser Erde noch ärmere und elendere Teufel zu zeugen! —

05. Es ist übrigens wohl wahr, und wie ich's nun als ein nach des Leibes Tode Fortlebender einsehe, auch gewiß, daß das irdische Feuer ein pures Prüfungsleben ist, zur Erreichung rein geistiger höchster Vollkommenheiten, und daß man daher mit Recht von ihm auch keine zu glänzenden irdischen Glückseligkeiten erwarten kann; denn ein Studirender bleibt, so lange er ein Studirender ist, stets mehr oder weniger ein Sklave derer, die ihm als Meister vorgesetzt sind! Aber wenn von Seite der völkerbeherrschenden, erziehenden und gar zu grausam streng prüfenden Tyrannen die Erziehungs—Saiten zu stark gespannt werden, und auf diese Art statt aus den Völkern wahre Menschen, nur entweder barste Thiere, oder gar Teufel gebildet werden; — was sagt dann eine urgöttliche Weltordnung dazu?!

06. Ist da auch noch die Gottheit der alleinige Herr und Meister, und ihre gläubigen Bekenner und Anbeter pure Brüder? Heißt das auch noch — ‚Gott über alles, und seinen Nächsten wie sich selbst lieben?!'

07. Oder ist es selbst von einer allgerechten Gottheit wohl recht, Völker durch schlechte Regenten fisisch und moralisch unter den Hund herabsinken zu lassen? Und sind dann die Völker durch ihre unter aller Kritik schändlichst schlecht bestellten Regenten auf die unterste Stufe alles Elends fisisch und moralisch gesunken, so kommen dann noch von Oben, d. h. von der gerechtesten Gottheit alle erdenklichen Strafen und Geiseln, natürlich zumeist nur über die armen Völker, darum sie nothgedrungen haben schlecht werden müssen, und das zumeist von Gottes Gnaden! — denn auch die schändlichsten und gewissenlosesten Regenten führen den Titel: „Von Gottes Gnaden!" — Auf solche ‚Gottes Gnaden' kommen dann gewöhnlich Armuth, Hungersnoth, allerlei scheußlichste unheilbare Krankheiten, als Pest, Cholera und eine Menge anderer Seuchen, und Kriege, das versteht sich von selbst voraus, — alles ‚von Gottes Gnaden!'

08. Neben diesen schönsten Bescheerungen aber endlich auch noch die süßeste Verzweiflung, und als finis coronat opus — die angenehme — ewige Verdammniß im brennenden Pfuhle! — und siehe! — das alles ‚von Gottes Gnaden!' — Bravo! — nur zu! so in der Dicke hab' ich's gerne! O, das Leben ist wohl schön!!! hm, hm — wer es erfunden hat, wie es ist, muß selbsten eine närrische Freude — daran haben!?

09. Ich will aber damit eben kein höchstes irgendwo seiendes Gottwesen bekritteln, und es tadeln, weil das Leben der Erde so scheußlich sich zu gestalten genöthiget ist; denn ein solches Gottwesen hat sicher Größeres zu thun, als sich mit den Dreckwürmern dieses Erdstaubes abzugeben. Aber das Elendeste bei der Sache ist, daß diese irdischen Menschendreckwürmer denn doch auch Gefühl und leider auch einigen Verstand besitzen, und am Ende doch nicht völlig vernichtet werden können, wie figura bei mir de facto zeigt!

10. Sollen denn von der gnädigsten und liebevollsten Gottheit, von Deinem gewissen heiligen Vater, Der Dich auch an's Kreuz hängen ließ, wahrscheinlich auch aus Liebe? die Menschen dieser Erde, die seinsollenden 'Gotteskinder', etwa aus einer besondern Begünstigung die Ehre und das Glück haben, die Allerverfluchtesten zu sein?!

11. Wahrlich, je länger ich da nachdenke und rede, desto bedenklicher kommt mir die Sache vor; daher rede nur lieber wieder Du; vielleicht gelingt es Dir, diese Sache mit einem bessern Lichte zu beleuchten?! Ich denke hier nun einmal also."

24. Kapitel. Jesu trostvolle Antwort auf Roberts finstere Zweifel. Nicht Gott straft, sondern die Bosheit der freien Menschen und Geister straft sich selbst. Erfahrungslehren der Geschichte.

01. Rede Ich (Jesus): Lieber Freund! Diese deine Kritik nach der Beurtheilung deines kurzsichtigen Verstandes hat dem Außenscheine nach viel für sich, und so es sich mit all' dem wirklich also verhielte, wie du es nun vor Mir dargestellt und scharf beurtheilet hast, da sähe es wirklich äußerst, ja endlos schlecht mit der gesamten Menschheit aus; — aber, zum größten Glücke für die Menschheit, bist du da mit all' deinen Begriffen und Kenntnissen, und somit auch mit all' deinen noch so scharfen Urtheilen rein, wie Einige auf der Erde zu sagen pflegen, ‚auf dem allerdürrsten Holzwege!' —

02. Denn sieh', Erstens — sorgt die Gottheit eben für die Menschen dieser Erde so außerordentlich, als hätte Sie in der ganzen Unendlichkeit nahe keine Wesen mehr, die Ihrer Fürsorge bedürften, und führt sie unter allen Verhältnissen ihres Prüfungslebens so, daß fast Alle — trotz allen sich entgegenstellenden Schwierigkeiten — ihre hohe Bestimmung erreichen müssen, derentwegen sie von der Gottheit einzig und allein in's Dasein gerufen und gestellet sind!

03. Freilich giebt es wohl ziemlich Viele, die ihren Willen, trotz allen für sie angewendeten Willensbeugungsmitteln, dennoch nicht unter den besten der Gottheit beugen wollen! — Daß für solche Geister die Gottheit dann auch ernstere und schärfere Mittel gebrauchen muß, um sie unbeschadet ihres freien Willens am Ende dennoch auf den rechten Weg zu bringen; Ich meine, daß man darob die Gottheit von deiner Seite denn doch ein wenig zu seicht beurtheilt, und schiebt Ihr Ergebnisse Ihres Sorgewaltens unter, die ganz allein nur in dem freien (verkehrten) und hochmüthigen Willen der Menschen ganz leicht zu suchen und zu finden wären!?

04. Du sprachst wohl viel von der gewissen gnädigen Zulassung schlechter Regenten; aber davon sagtest du nichts, daß es auch schlechte Völker giebt, die nicht durch die etwaigen politischen Verfügungen schlechter Regenten, sondern lediglich durch sich selbst schlechter als sehr schlecht geworden sind, was Ich dir durch zahllose Beispiele mehr als handgreiflich darthun könnte, und später auch darthun werde.

05. Aber nun siehe — Zweitens zuvor, und zwar den Punkt deiner vermeinten ewigen Verdammniß, die den, von den von Gott zugelassenen schlechten Regenten verdorbenen, und also ohne eigenes Verschulden schlecht gewordenen Menschen, nach dem Tode des Leibes zu Theile werden solle! Da muß Ich dir, Der Ich doch, wie nicht leicht ein Anderer, alle Verhältnisse der Geisterwelt genauest kenne, offen gestehen, daß Mir dergleichen Begebnisse noch nie vorgekommen sind; ja — die ganze Ewigkeit kann dir auch nicht Einen Fall vorweisen, wo nur Ein Geist von Gott aus verdammt worden wäre, in der Wahrheit! Aber zahllose Fälle kann Ich dir vorführen, wo Geister zufolge ihrer vollsten Freiheit nur die Gottheit verabscheuen und verfluchen, und um keinen Preis von ihrer endlosesten Liebe abhängen wollen, indem sie selbst Herrn — sogar über die Gottheit — zu sein sich dünken!

06. Da aber die Gottheit nur Jenen Ihre endloseste Liebefülle in den vollsten Zügen zu genießen geben kann, die sie haben und genießen wollen, so wird es hoffentlich doch klar sein, daß Jene, die die Gottheit samt Ihrer endlosesten Liebe auf das Allerfesteste und Bestimmteste über alles hassen und verachten, und ein grobes Gespötte aus Ihr machen, dieser Liebe eben darum nicht theilhaftig werden können, weil sie auf das Allerentschiedenste Derselben nicht theilhaftig werden wollen!

07. Solche Wesen lieben nur sich selbst allein, und hassen alles, was sie nicht für ihr selbstsüchtiges Ich als vollkommen tauglich, und demselben tiefst ergeben finden; die Gottes— und Nächstenliebe ist ihnen ein Greuel der Verwüstung, ein Fluch in ihrem Herzen! — Gott ist ihnen nur pure Fadheit eines zelotisch verbildeten Gemüthes, eine Albernheit eines im höchsten Grade verdummten und verbildeten Verstandes, und der Nächste — eine Canaille, nicht werth, daß man ihn anpisse!

08. Wenn aber freieste Geister allerhartnäckigst bei dem thatsächlich verharren, und durch gar kein, ihrer Freiheit gegebenes, freies Mittel — also durchaus nicht durch sich selbst zu heilen sind — von ihrem eignen verderblichsten Wahne, und sich eher aller Bitterkeit und Herbe, die sie sich selbst bereiten, für ewig unterziehen wollen, denn sich auch nur Ein allersanftestes Gebot von der Gottheit gefallen zu lassen! — Sage, kann da wohl die Gottheit an solch einer (Selbst—) Verdammniß die Schuldträgerin sein?!

09. Wenn aber dann die Gottheit, aus purster Liebe, solche Abtrünnlinge durch Ihre Allmacht, Liebe und Weisheit von Ihren seligsten Freunden absondert, ihnen aber auf den abgesonderten Zustandsörtern dennoch die vollste Freiheit beläßt, kann Sie dann als unsorgsam, hart und lieblos gescholten werden?!

10. Aber du sagst: Dafür können Menschen und Völker ja nicht, wenn sie so arg werden! — Denn daran schulde die schlechte Erziehung, und ein schlechter Unterricht; daß aber Erziehung und Unterricht schlecht sind, daran schulden schlechte selbst— und herrschsüchtige Regenten, und endlich an den schlechten Regenten schulde die Gottheit Selbst! O, Ich will dir es gar nicht in irgend eine Abrede stellen, und sagen: Es gebe keine schlechten Regenten, und noch nie sei ein Volk durch schlechte Regenten verdorben worden! — O, das sei ferne von Mir, dir gegenüber so etwas behaupten zu wollen!

11. Aber eben so wenig wirst du auch Mir gegenüber behaupten können und wollen, daß die gerechteste Gottheit noch nie irgend einen schlechten Regenten gezüchtiget habe! Gehe die Weltgeschichte vom Anbeginn des Menschengeschlechtes durch, und sie wird dir viel Tausende von Regenten vorführen, die wegen ihrer schlechten Leitung der ihnen anvertrauten Völker auf das Allerempfindlichste gezüchtigt worden sind;

12. aber nichts desto weniger hat sich in allen Zeiträumen der Erde diese alte Erfahrung als stets bewährt erfunden, daß gerade unter harten und tyrannisch schlechten Regenten das Volk im Allgemeinen stets besser war, und fügiger und lenksamer, als unter guten und sanften Regenten. Daher denn die Gottheit dann auch zumeist schlechte Regenten über Völker aufstellen läßt, auf daß die Völker, so sie arg geworden, an ihren Regenten eine Zuchtruthe haben sollen, und dadurch genöthigt werden, ein rechtes Bußkleid anzuziehen, und sich zu bessern, wo ihnen dann die Gottheit schon wieder bessere Regenten ganz unfehlbar geben wird, und auch allzeit noch gegeben hat!

25. Kapitel. Jesus über Sinn und Zweck der irdischen Lebensschule. Zeitliche oder ewige Glückseligkeit? Was hast du hinübergebracht ins Jenseits?

01. (Jesus): „Aber so ein Volk unter guten und sanften Regenten, und unter friedevollen und gesegneten Jahren zu sehr laß, geil und vollends naturmäßig sinnlich wird, und auf nichts anderes mehr denkt, als wie es sich auf der Erde für sein Fleisch einen Himmel der Himmel schaffen könnte! — siehe, so was kann und darf die gute, nur für's rein geistige (und somit ewige) Wohl eines jeden Menschen über alles besorgte Gottheit nimmer dulden, noch also belassen, weil ein irdischer Fleischhimmel nach der ewigen nothwendigsten Urordnung Gottes stets den Tod des Geistes in sich führt und enthält. Gleich wie ein Knabe, der im größten Wohlleben sich schon von der Wiege an befindet, für jede geistige Entwicklung und Fortbildung entweder gar keinen oder nur sehr wenig Sinn haben wird, also auch ein Volk, dem es irdisch zu gut gienge.

02. Gehe in die Paläste der Reichen, und erkundige dich da nach der rechten von Gott angeordneten Bildung, und du wirst es zumeist finden, daß da selten eine zu Hause ist; gehe aber dann in die Hütte eines armen Landmannes, und du wirst ihn in der Mitte der Seinigen betend und das wenige Brod segnend antreffen! — Sage, was gefällt dir besser? — Du sagst, der arme Landmann in seiner armen Hütte. Ich sage dir, auch Mir! denn dieser betet aus seinem Geiste, erzieht dadurch seine Kinder geistig, und erhebet sie zu Gott; des Reichen Gott aber ist nur sein Fleisch, das er durch alle erdenklichen Wohlgenüsse anbetet und hochverehrt, und erzieht also auch seine Kinder auch nur fleischlich für's Fleisch, des Fleisches wegen; solch eine Erziehung aber kann doch Gott unmöglich gefallen, weil durch sie jener heilige Zweck, dessenwegen Gott die Menschen geschaffen hat, ewig nie erreicht werden kann!

03. Und siehe, derselbe Fall ist es auch mit einem ganzen Volke. Wird es irdisch zu wohlhabend, so wird es sinnlich, stets mehr und mehr, — und weil es ihm zu wohl gehet, so braucht es auch keinen Gott mehr, und vergißt am Ende des wahren Gottes ganz, und macht dafür sich selbst, oder was seinen Sinnen am meisten zusagt, zu einem Gotte, und das ist noch allzeit der Ursprung des Götzen— und somit Heiden—)thums gewesen! (wie auch nun vielfach wieder.)

04. Du sprichst freilich bei dir: Wozu sei denn die Gottheit dann höchst weise und allmächtig, wenn Sie so was nicht verhüten könne? Ich aber sage dir: Wenn die Gottheit die absolutest frei werden sollenden Geister mit Ihrer Allmacht richtete, da wäre es mit der Freiheit wohl auf ewig gar! Denn die Allmacht würde da anstatt der freiesten Geister ‚nur gerichtete Spielpuppen' darstellen, aber ewig nie sich frei von der Gottheit ganz unabhängig selbst bestimmende Geister, die in ihrer Vollendung selbst Götter werden sollen!

05. Was aber die Einwirkung der göttlichen Weisheit betrifft, so verfügt diese eben solche Zustände über entartete Menschen, durch die sie wieder auf den Weg zum rechten Ziele gebracht werden können. Es ist zwar das auch ein Gericht, und gewisserart eine Nöthigung, aber nur den Außenmenschen berührend, auf daß der innere desto eher und leichter erwache, und seine wahre Bestimmung wieder ergreifen möchte und könnte. Die Allmacht aber würde den ganzen Menschen richten und tödten!

06. Bedenke daher nun, ob du nun wohl noch ein Recht hast, die Gottheit zu beschuldigen — als thäte Sie entweder nichts für die Menschen, oder so Sie was thäte, blos nur Hartes, Liebloses — und somit auch allerbarst Schlechtes! — ?

07. Findest du nun immer noch das Erden—Leben so verächtlich? Ist der Erfinder desselben in deiner Kritik noch gewisser Art ein Wesen, das Sich solch einer Erfindung durchaus nicht zu rühmen hätte?

08. Ich meine, so du nur irgend einen Funken eigenen Lichtes und des Heglischen besitzest, so mußt du es ja doch einsehen, und zwar aus endlos vielen Erfahrungen, daß auf der Erde, wo alles vergänglich sein muß, denn doch unmöglich je eine wahre Glückseligkeit zu suchen und zu finden ist, und das, wie gesagt, eben darum, weil sie nach der natürlichsten Ordnung aller Dinge der Außenwelt — mit der Zeit nothwendig veränderlich, und am Ende ganz und gar vergänglich sein muß!

09. Wer sich aber nach Meiner Lehre Schätze sammelt, die kein Rost angreift, und die Motten nicht zerstören, der allein nur kann von einer wahren Glückseligkeit reden: denn was für ewig bleibet, wird doch offenbar besser sein, als was dem scharfen Zahne der Zeit unterliegt?

10. Was wohl hast du selbst nun von all' deinen rein irdischen Glückseligkeitsbestrebungen? Siehe, ein viertel Loth Pulver und eben so viel Blei hat allen deinen Mühen für die irdische Glückseligkeit ein vollkommenes Ende für ewig gemacht, — ob du das gerade verdient oder nicht verdient hast, das lassen wir nun dahingestellt sein; denn Ich habe das gleiche Loos ertragen müssen, nur mit dem Unterschiede, — Ich — für Gott und Geist, du aber — für die Welt und für ihre vermeintliche materielle Glückseligkeit; Ich — für's ewige, und du — für's zeitliche Wohl der Menschen;

11. wie Ich, so auch du kannst nun sagen: Herr vergebe ihnen; denn was sie thaten, das thaten sie in ihrem blinden Eifer, glaubend, was Rechtes zu thun! — Also darüber ist nicht viel mehr zu reden; aber — was hast du nun für die sichere Ewigkeit mit herübergebracht!? — Siehe Freund, das ist eine ganz andere Frage! — Wird dir die, für dich so gut wie für immer vergangene, Welt wohl was zu geben im Stande sein? — Denke nur einmal darüber nach, und sage Mir, wie du es nun hier anfangen wirst?!"

26. Kapitel. Roberts Antwort: Das nackte Leben, das ich empfing, gebe ich dem zurück, von welchem ich's erhielt. Gibt es einen Gott der Liebe — der seine Geschöpfe so hart behandelt?

01. Nach einigem Nachdenken spricht der Robert wieder, und sagt: (Rob. Bl.:) „Mein geachtetster allerliebster Freund und Bruder! Was da Deine überaus triftige Widerlegung meiner Anwürfe auf die Gottheit, und auf Ihre einmal aufgestellte Lebensordnung betrifft, so bin ich nun auch in diesem Punkte mit Dir ganz einverstanden, und sage und bekenne es laut vor Dir, daß ich der lieben Gottheit sehr Unrecht gethan habe, vorausgesetzt, daß es wirklich eine solche Gottheit giebt, so einen liebevollsten Vater? wie Du Ihn Deinen Jüngern wolltest kennen lehren, und sie Ihn aber dennoch nie ganz erkannt haben,

02. darum sie denn von Dir auch einmal verlangten, daß Du ihnen solchen Deinen Vater hättest zeigen sollen! und da Du solch einem Begehren nicht anders genügen konntest, als Deiner Jünger leichten Glauben benützend — Dich ihnen Selbst als Vater darzustellen, so wolltest Du, nach meinem Dafürhalten, damit nichts anderes sagen, als: — O ihr jüdischen—Dummköpfe! wisset ihr denn nicht, daß es außer dem Menschen nirgends einen Gott giebt?! So ihr Mich oder auch einen andern Menschen sehet, so sehet ihr ja auch, was zu sehen ihr verlanget; wisset ihr denn noch nicht, und könnet ihr es denn unmöglich fassen, daß der Vater in uns, und wir im Vater sind, oder mit andern Worten gesagt: Es giebt nirgends einen Gott, außer den im Menschen!?

03. Obschon ich aber dieses nothwendig so nur auffasse, und fast kaum anders auffassen kann; so bin ich aber deßwegen dennoch nicht hartnäckig darauf versessen, und will recht gerne irgend eine Gottheit annehmen, so Du sie mir erweisen und zeigen kannst? — Aber ich wollte, so ichs hätte, auch hier eine ganze Welt voll der größten Kostbarkeiten Dir zum Pfande bringen, so Du es im Stande bist, mir außer der ‚Hegelischen' Gottheit in Dir noch eine andere irgend wo zu erweisen und zu zeigen! So ich demnach aber einer nicht und nirgends als nur in uns seienden Gottheit solche Anwürfe machte, die Sie wohl beleidigen könnten, so Sie irgend wo wäre, da kann ich Deine wirklich allertriftigste Widerlegung auch um so leichter und allerwahrst annehmen, weil sie sich lediglich nur auf unsere eigenste innere Ordnung bezieht, die vorher ganz begriffen und verstanden sein will, bevor Sie Sich wohl begründet einer zu seicht gefaßten kritischen Beurtheilung preisgeben kann! oder mit andern Worten gesagt: — ‚Mensch! erkenne dich zuvor ganz, dann erst beurtheile dein Sein, und alle die verschiedenen nothwendigen Verhältnisse, die die feste Bestimmtheit deines Seins mit sich führt!'

04. Ich kann Dir für diese Deine nunmalige wahrhaft große Belehrung nur danken aus allen meinen Kräften; denn auf meinem überaus nichtigen und magersten Boden dürften solche Früchte wohl noch sehr lange nicht zum Vorscheine kommen.

05. Aber, trotzdem ich nun die weisen Beschränkungen der im menschlichen Geiste zu Grunde liegenden absoluten Freiheit als überaus nothwendig, und der Natur der menschlichen Ordnung und ihrer zum wahren Leben erforderlichen Dinge höchst angemessen finde; so muß ich aber daneben denn doch noch immer leider das offen bekennen, daß ich die Lehre, der zufolge Gott die purste Liebe ist, und daß man diese Liebe über alles, den Nächsten aber gleich wie sich selbst lieben solle, durchaus nicht mit alle dem, was Du mir bis jetzt gesagt hattest, vereinigen kann, und eher schon gar nicht, als bis Du mich vom Dasein einer wirklichen Gottheit überführen wirst!

06. Gott muß zuerst definitiv da sein, und Seine Natur und Sein Wille vollkommen erkannt, dann erst läßt sich von Nothwendigkeiten reden; ist aber Gott nur ein vom blinden Glauben wohl angenommenes, nie aber der reinen Vernunft qualitativ erweisbares Wesen, da muß nothwendig früher oder später jede auf Gott Bezug habende Lehre, und möchte sie auch noch so ominös methaphysisch und ultra theosophisch klingen, in ein barstes Nichts sich von selbst auflösen.

07. Ich widerspreche hiemit Deiner nun an mich gerichteten Belehrung gar nicht; denn ich sehe ihre Realität nur zu klar ein; aber es versteht sich auch nur in dem Falle, so es eine Gottheit giebt, die solche Ordnung zur Heranbildung des Menschen zu einem höheren freiesten Wesen für unausweislich nöthig gestellet hat. Giebt es aber keine Gottheit, dann brauche ich Dir gar nicht zu widersprechen, denn da widerspricht sich die Sache von selbst, und wären ihre Prinzipien auch noch so richtig gestellet.

08. In der Beantwortung oder vielmehr Darlegung meiner an Dich gerichteten Frage: „Mit welchem Rechte mich ein Windischgrätz erschießen ließ?" gingst Du ganz kurz zu dem Entschuldigungsgrunde über, daß es nun gewisserart gar nicht an der Zeit sei, darüber viel zu reden, ob solches mit Recht oder Unrecht geschehen sei; denn auch Dir sei ein ähnliches Loos zu Theile geworden, nur mit dem Unterschiede: Dir — für Gott und der Menschen ewiges und geistiges Wohl; mir aber — für die Welt und ihre vergängliche Glückseligkeit! Und ich solle Dir nun kund geben, was ich aus der für mich für ewig vergangenen Welt für die Ewigkeit mit herüber genommen habe? Freund! ich meine, diese Frage zu beantworten wird mir eben nicht zu viel Kopfbrechens machen!?

09. So es denn doch irgend eine liebevollste Gottheit geben solle, so lehrt uns die mehrere tausend Jahre alte Erfahrung, daß eben diese Gottheit den Menschen, so Sie dieselben zur Welt in die seinsollende Freiheitsschule schickt, absolut nichts, als blos nur das allernackteste, unbehülflichste, begriffloseste, und somit auch allervollendetst dummste Leben mitgiebt. Also ein allerreinstes und barstes Nichts bringt der Mensch auf die elende Welt; von all den Weltschätzen gehört streng genommen nichts ihm, da er sie am Ende seines Lebens ex officio aeterno et naturali für ewig wieder verlassen muß!

10. Was wohl hätte ich da für die Ewigkeit mit herüber nehmen sollen oder können, außer — ohne mein Verlangen, und ohne meinen Willen — mich ganz allein! Nur mit dem geringen Unterschiede, daß ich nun in diese Welt als ein denkendes und somit etwas mehr geistig gebildetes Wesen eintrat, während mein Eintritt in die materielle Welt ein höchst allerunbehülflichst elender war; welchen Eintritt ich aber dennoch diesem zweiten in diese unweltliche Welt sehr vorziehen möchte; denn in der Materienwelt fühlte ich als Säugling nichts, außer etwa wie ein Polyp einen stummen Hunger, oder einen ebenso stummen Schmerz; aber diese beiden Martern waren für mich so gut wie gar nicht da; denn ich hatte damals ja kein Bewußtsein, und keine Beurtheilung; hätte meine arme irdische Mutter mir in dieser Zeit die kärglichste Pflege nicht gegeben, so hätten mich zufolge irgend einer göttlichen Liebsorge wohl alle Mäuse und Ratten zusammenfressen können; die Gottheit hätte es sicher nicht abgewehret!?

11. Ja die Gottheit in der Brust meiner Mutter wohl sorgte für mich; aber die Große, allmächtige, irgend über allen Sternen, die weiß vielleicht noch diesen Augenblick nichts von einem armen Teufel, von einem Robert Blum!

12. So ich aber dennoch ein miserables Produkt dieser großen Gottheit sein solle, die aus purster Liebe mich so reichlichst ausgestattet in die Prüfungswelt sandte, kann Sie nun wohl mehr von mir zurückverlangen, als Sie mir auf die Weltreise mitgegeben hat?! Ich meine, wo nichts ist, da hört wohl von selbst jedes Recht auf!? Oder giebt es hier in der Geisterwelt wohl irgend eine solche Rechtsverfassung, nach der man auch für ein barstes Nichts jemandem zum Schuldner werden kann?!

13. Das nackte Leben ja, das ist nicht mein, da ich mirs nicht gegeben habe; dieses Leben mit einiger Intelligenz sogar bereichert, und mit einem schlechten Rocke auch noch dazu, habe ich wieder hierher gebracht, und stelle es mit dem größten Vergnügen Dem wieder zurück, Der es mir gegeben hat, aber mit der Bitte, daß ich, als der elende Robert, für alle Ewigkeit vollends zu sein aufhöre! — Denn ich ersehe nun auch sogar aus Deinen — wenn schon sehr weisen — Reden, daß dem Leben überhaupt, und ganz besonders dem meinen, für ewig keine glückliche Seite abzugewinnen sein dürfte; und so ist es ja endlos besser, ewig nicht mehr zu sein, als zu sein so elend, wie ich es noch stets zu sein die große Ehre hatte!

14. Es ginge nun zur Vollendung meines dießgeistigen Glückes nur noch das ab, daß Du — lieber Freund — also zu mir sprächest: Weiche von Mir, du Verfluchter, in das ewige Zornfeuer Gottes, und brenne dort ewig unter den gräßlichsten Qualen und Schmerzen, so wäre dadurch dem Leben und seiner Herrlichkeit wahrlich die Krone aller Kronen der urgöttlichen Liebe aufgesetzt! Freund! Wenn solch eine unbegreiflich härteste und aller Liebe ledigste Sentenz auch Dein liebevollster Vater Dir eingegeben hat!? wahrlich, da wäre von Seiner endlosen Liebe nicht viel Gutes zu erwarten!? Aber ich meine, solch eine scheußlichst grausamste Sentenz dürfte wohl kaum je über Deine Lippen gekommen sein? sondern wurde höchst wahrscheinlich in der späteren Zeit von den liebevollsten Römlingen eingeschoben? Das Warum dürfte nicht schwer zu errathen sein! — Rede nun wieder Du, denn ich bin mit meiner Antwort zu Ende."

27. Kapitel. Jesus über die Erziehung des Menschen zur Selbständigkeit. In der scheinbar harten Erziehungsschule bekundet sich allerhöchste göttliche Liebesweisheit.

01. Rede Ich (Der HErr Jesus): „Höre du Mein lieber Freund, mit dir wird es noch einige Anstände haben, bis du zu klareren geistigen Begriffen gelangen wirst! — Du hängst noch viel zu sehr an der Materie und ihren Verhältnissen, und daraus hervorgehenden Erscheinlichkeiten; deßhalb beurtheilst du auch alles nach der Materie, die gerichtet und daher vergänglich ist, und magst das rein göttlich Geistige nicht erfassen.

02. Begreifst denn du, als ein Hauptfilosof, denn das noch immer nicht, daß, so die Gottheit ein Leben aus Sich frei giebt, so muß Sie dasselbe ja doch vollkommen frei geben, und nicht gerichtet, außer was im höchsten Grade vollends nöthig gerichtet sein muß, als da ist das eigentliche leibliche Leben, das da gerichtet ist, auf daß es eine Festigkeit habe zur Aufnahme des Lebensgeistes aus Gott heraus. Hat dieser einmal die rechte Festigkeit erreicht, oder will Gott einen an und für sich sehr schwachen Geist auf eine andere Art kräftigen zum ewigen Leben, ohne daß solch ein Geist es nöthig haben solle, die volle Fleischprobe durchzumachen, so nimmt Gott Selbst das Gerichtete vom freiesten Geiste, und der Geist ist dann auch ganz frei, und es geschieht ihm dann nichts anderes, und kann ihm auch nichts anderes geschehen, als was er absolut selbsten frei aus sich heraus will; was willst du da noch mehr?

03. Glaubst du denn, Gott wird dir gebieten etwa entweder in die Hölle zu fahren, oder in die Himmel einzugehen?! O — mit solchen Ideen brauchst du dich in Ewigkeit nicht abzugeben; denn Ich sage dir, da bist du ganz vollkommen frei; was deine eigene Liebe will, das solle dir auch werden! Gott kann und will dir auch zum bessern Theile behülflich sein, aber nur, so du es willst; willst du aber solche Hülfe nicht, so wird sie dir Gott auch nicht von selbst an den Rücken nachwerfen, und das darum nicht, weil du ein ganz freies, und von Gott ganz unabhängiges Leben hast, das sich ganz frei bestimmen kann, wie es will, und daher auch für seine Ernährung und Stärkung zu sorgen hat, ganz unabhängig von Gott, ansonst es wahrlich kein freies Leben wäre!

04. So aber Gott den Menschen auch zur Welt ganz nackt, und in jeder Hinsicht aus sich heraus völlig unbehülflich zur Welt geboren werden läßt, so geschieht das darum, um das Menschenleben schon da frei zu geben, damit dasselbe an das Sich—selbstüberlassen—sein sich schon von der Geburt aus angewöhnen solle. Dieser Lebens—Trennungs—Prozeß muß darum auch mit der Geburt seinen Anfang nehmen, wo das Kind noch keiner Vorstellung, keines Begriffes, und somit auch keines eigentlichen Schmerzes fähig ist; weil bei einer solchen Lebenstrennung, so sie dem Menschen in einem begriffsfähigen Zustande geschähe, er den Schmerz und die zu große Trauer gar nicht ertragen könnte! Trauert doch ein Mensch, so durch des Leibes Tod einer seiner besten Freunde gewisserart von seinem Lebensbande getrennt wird; um wie viel mehr würde der Mensch erst trauern, so er mit vollstem Bewußtsein sich von seinem eigensten Lebensvater trennen sollte, was denn am Ende dennoch geschehen müßte, weil ohne diesen an und für sich noch so schmerzlichen Akt kein Leben neben Gott frei gestellt werden könnte.

05. So aber des Herrn höchste Weisheit und Liebe solch eine nothwendigste Trennung in einen nahe ganz empfindungslosen Zustand des Menschen versetzet, ihm — zum Anfangs ganz gebundenen geistigen Leben — ein äußeres Naturleben giebt, das vor dem Geiste das ehemalige mit Gott vereinte Leben auf eine unbestimmte Zeit verberget, auf daß der Geist sich solche Trennung desto leichter angewöhne, und sich in sein künftiges absolutes freies Leben desto unbeirrter finden könne — sage — kann ein Mensch dann darum die Gottheit schmähen oder gar leugnen, so Sie thut, was Ihr Ihre eigene höchste Liebe, Weisheit und Ordnung gebietet?!

06. Glaube es Mir, so es einen andern möglichen Weg gäbe, der noch weniger schmerzlich wäre — zur Freigestaltung des Lebens aus sich, so hätte ihn die Gottheit auch sicher in Ihre Ordnung aufgenommen; aber bei den Verhältnissen der Lebensdinge, wie sie sind, und nothwendig sind, ist kein besserer und schmerzloserer Weg möglich, weil das schon der beste und schmerzloseste ist, und ist somit auch gut und ganz zweckmäßig; — und weil also und nicht anders, da ist ja doch an der Sache selbst schon der größte Beweis fürs sichtbar greifliche Dasein Gottes, ohne Den Nichts entstehen, sein und bestehen kann.

07. Ist aber dadurch das Dasein Gottes nur zu bestimmt und offenkundigst erwiesen, wie verdient es von so weisen Männern, wie du wenigstens Einer sein willst, geschmäht zu werden? —! — Sieh', sieh', lieber Freund, wie sehr Unrecht du dem großen heiligen Vater thust!"

[*Folgende 2 Verse sind in der LV—Neuauflage ins 28. Kapitel verschoben worden. Sie werden daher auch dort hin versetzt.*]

28. Kapitel. Auch der Leibestod ist ein Heilsmittel der Liebe Gottes. Vom Leiden beim Sterben in alter und jetziger Zeit.

01. „Siehe, das Sterben der Menschen auf der Erde ist auch für die äußern Sinne eine sehr traurige, und zumeist mit sehr verschiedenen Schmerzen verbundene Erscheinung; der bloße Weltverstand findet sie für sehr hart und grausam angeordnet, vonseite einer allmächtigen Gottheit, die noch dazu voll der höchsten Liebe und Erbarmung sein solle! Wie oft ist die gute Gottheit schon darob von Menschen und Geistern geschmähet, oder auch ganz geleugnet worden!?

02. Aber siehe, auch da tritt wieder dieselbe Nothwendigkeit, wie bei der Geburt ein, und der freie Geist im Menschen kann unmöglich anders eines jeden, seine wahre Freiheit hemmenden, Gerichtes ledig werden, als durch die Hinwegnahme seiner gerichteten zeitweiligen Umhüllung, die dem Geiste nur so lange belassen werden darf, als bis er von dem Einleben mit dem Urleben Gottes nach allen Theilen vollends isolirt worden ist, was freilich nur Gott, als der Gestalter des Lebens, wissen kann, wann solch ein Geist zur völligen Selbstständigkeit gediehen ist; wann solch eine Reife eingetreten, dann ist es auch an der Zeit, dem Geiste die Last abzunehmen, die ihn an seiner Freiheit hindert.

03. Freilich sagst du, wie Viele deinesgleichen: Warum geschieht denn diese Abnahme dann nicht schmerzlos?! Ich aber sage dir: würde ein jeder Mensch nach der Lehre Gottes leben, so würde seines Leibes Tod ihm auch nur eine Wollust sein, oder doch wenigstens wäre er völlig schmerzlos; aber da die Menschen zufolge ihrer Freiheit sich zu sehr in die Ordnung der Materie begeben, und ihren Geist mit eisernen Ketten daran befestigen, und ihn zur Weltliebe ziehen, da freilich muß solche Trennung, so sie erfolgen muß, mit um so mehr Schmerzen verbunden sein, je fester ein freier Geist sich an die gerichtete Welt angeklebet hat.

04. Aber — auch dieser Schmerz ist dennoch keine Härte, sondern nur die purste Liebe Gottes; denn würde Sie da nicht eine kleine Gewalt anwenden, die freilich nie wohl thun kann, da ginge der Geist dann ganz in's vollkommene Gericht über, und somit in den ewigen qualvollsten Tod, der da ist die eigentliche Hölle; — aber um den edelsten Geist davon möglicherweise zu retten, muß die Gottheit ein solches nothwendiges Gewaltstreichlein ausführen, und da Sie das thut,— sage, verdient Sie darum wieder geschmähet oder gar geleugnet zu werden?! Leider giebt es nun eine zu große Menge Geister, die von Gott nichts mehr hören wollen, so sie ihre Freiheit erlangt haben; aber Gott unterläßt es dennoch nie, sie auf den besten Wegen zum wahren und vollkommensten Ziele zu führen und zu leiten.

05. Siehe, in der Urzeit wurden die Menschen im allgemeinen dem Leibe nach viel älter, und starben endlich auch eines gar sehr gelinden und schmerzlosen Todes; das geschah aber darum, weil sie in ihrem Geiste von Gott nicht so leicht, als die Menschen dieser Zeit abgelöst werden konnten, — und das darum nicht, weil die Erde für sie viel zu wenig Reize aufzubringen hatte, und sie dadurch mehr in sich gekehrt, und auch mit Gott in einem schwerer zu trennenden Verbande standen.

06. Aber, als mit der Zeit die Menschen stets mehr Reize der Erde abzugewinnen begannen, und die Trennung vom Gottesleben daher auch eher sich gab, da wurde auch die irdische Lebensperiode stets kürzer und kürzer.

07. Als aber endlich die Menschen vor lauter Weltthum und seinen Reizen ganz und gar ihres Urhebers zu vergessen anfingen, da erreichten sie dann aber auch das entgegengesetzte Extrem wider alle Gottes—Ordnung, in welchem der ewige Tod ihnen zu theile werden müßte; siehe, da war es dann göttlicherseits nöthig, Sich ihnen wieder mehr zu nähern, und Sich zu offenbaren — hie und da, um die dem ewigen Untergange nahen Menschen zu retten. Viele ließen sich retten, Viele aber nicht — aus eigenem freiestem Willen. Hätte sie die Gottheit da mit Ihrer Allmacht ergreifen sollen, so sie Ihrer Liebe kein Gehör schenken wollten? Siehe, das hieße alle solchen Geister dann für ewig verderben!

08. Was kann da die ewige Liebe anderes thun, als aus Ihrer Liebe und Weisheit zu sagen, d. h. thatsächlich: Weichet von Mir, die ihr euch zu gänzlich von Mir abgefluchet, oder abgelöst habt, und gehet in eine andere Erhaltungsschule, die euch und allen eures Gleichen bereitet ist, zu eurer möglichen Wiederlöse; es ist ein Feuer des Gerichtes der Welt; das muß euch los trennen von ihr, ansonst es um euch geschehen ist!

09. Wenn die Gottheit, um solche Uebel so viel als möglich zu verhüten, nun äußere Plagen über die Erde kommen läßt, sage! — ist Sie da nicht? oder so Sie ist, ist Sie da hart und lieblos? wenn Sie thut, was zu thun Sie für allernöthigst findet! Wie kannst du dir aber auch nur in einem Traume beikommen lassen, daß die Gottheit Ihre Geschöpfe, die Sie aus Sich heraus zeuget und schaffet, verfluchen und verdammen solle, und elend machen für ewig! was wohl hätte Sie davon?!

10. Aber so Sie die Geschöpfe frei darstellen will für ewig, muß da nicht Ihre größte Sorge dahin gerichtet sein, daß diese Geschöpfe ja nicht irgend wieder in die Arme Ihrer Allmacht hineingerathen, wo es mit der Freiheit in jedem Falle geschehen sein müßte; gerade — als so du Kinder hättest, und möchtest sie aber in ihrer Zartheit nach aller deiner Mannskraft an deine Brust drücken, was ihnen natürlich das zarte Leben kostete; so du sie aber zu Tode erdrücket hättest mit deiner Kraft, und hättest noch andere Kinder, sage, würdest du diese nicht warnen vor deiner unbändigen Kraft, oder würdest du diese Kraft noch an mehreren versuchen? dich würde wohl die Erfahrung davor warnen;

11. die Gottheit aber bedarf freilich der Erfahrung nicht, da Sie im Besitze der unendlichsten Weisheit ist; — Sie ist der alleinige wahre gute Hirte aller Ihrer Schäflein, und kann sie am besten schützen vor Ihrer Allmacht, die Sie nur zur Gestaltung der gerichteten Dinge aller Körperwelt gebraucht, nie aber zur freien Gestaltung und Bildung freier Geister aus Ihr! Diese müssen allein aus Ihrer Liebe und Weisheit hervorgehen, ansonst an ihnen ewig keine Freiheit, und somit auch kein Leben zu bewerkstelligen ist! denn Gottes Allmacht zeuget nichts als Gericht über Gericht!"

29. Kapitel. Wahrer Sinn des Textes: 'Weichet von Mir, ihr Verfluchten!' Nicht die Gottheit verflucht, sondern jeder böswillige Geist sich selbst. — Jesus über die 'Sünde wider den Heiligen Geist'.

01. (Jesus:) „Wenn du jene dir so schauderhaft vorkommende Sentenz aus dem Evangelio nur einmal als ein kritischer Denker blos grammatikalisch durchgegangen hättest, so müßtest du schon aus der alleinigen Wortfügung auf den ersten Blick erkannt und eingesehen haben, daß die Gottheit damit ein wirkliches richterliches Verdammungsurtheil über die sogenannten verstockten Todsünder nie habe für ewig wirkend aus der Allmacht heraus aussprechen können, und noch weniger wollen!

02. denn sieh, es heißt da: ‚Weichet von Mir, ihr Verfluchten!' — Also sind die schon verflucht, an die das Gebot ergeht, denn sonst müßte es heißen: Darum ihr vor Mir allzeit so gröblichst und unverbesserlich gesündigt habt, so verfluche Ich als Gott euch nun für ewig zur Hölle ins ewige Qualfeuer!

03. So aber die schon verflucht sind, an die die Gottheit solche Sentenz ergehen läßt, so folgt fürs Erste — schon daraus, daß die Gottheit hier durchaus nicht als Richter, sondern nur als ein alles ordnender Hirte auftritt, und denen von Ihr leider aus eigener Willensmacht ganz abgetrennten Geistern einen andern Weg strenge erweisen muß, weil sie sonst alles Verbandes mit der Liebe der Gottheit ledig, unmittelbar in die Arme der Allmacht gerathen müßten, wo es dann um sie wahrlich geschehen sein müßte!

04. fürs Zweite aber — fragt es sich: da solche aber schon verflucht sind, wer sie dann verflucht hat? Die Gottheit unmöglich; denn so die Gottheit Jemanden verfluchete, da wäre keine Liebe in Ihr, und auch keine Weisheit; denn jeder Geist ist ja aus der Gottheit, wie alles andere; so die Gottheit aber also gegen Ihre Werke, die aus Ihr sind, zu Felde zöge, zöge Sie da nicht so ganz eigentlich gegen Sich selbst, um Sich zu verderben, anstatt stets mehr und mehr von Ewigkeit zu Ewigkeit Sich aufzurichten, durch die stets wachsende Vollendung Ihrer Werke, Ihrer Kinder!

05. So aber die Gottheit da unmöglich als ein Richter erscheinen kann, außer allein aus Ihrer Liebe und Weisheit heraus, so ist es ja klar, daß solche Geister zuvor durch Jemand andern mußten gerichtet worden sein! Durch wen aber? Diese Frage ist gar leicht zu beantworten, so man nur so viel Selbstkenntniß besitzt, um einzusehen, daß ein Wesen, das einerseits einen vollends freien Geist und Willen hat, der eigentlich allein der Liebe und Weisheit Gottes entstammt, anderseits aber, auf daß es von der Allmacht isolirt werden könne, um ein wahrhaft vollkommen freies Wesen zu werden, dennoch auch eine Zeitlange einen (wohl verstanden) von der Allmacht gerichteten Leib, und eine äußere gerichtete Welt, mit eigenen ebenfalls gerichteten Reizen haben muß, durch Niemand andern, als lediglich nur durch sich selbst gerichtet und bestimmt werden kann; oder was dasselbe ist: Es kann sich (ein solch freies Wesen) nur selbst verfluchen, oder — gänzlich von aller Gottheit absondern und ablösen! —

06. Die Gottheit aber, die auch solch einem Wesen darum dennoch die Freiheit nicht nehmen kann und will, kann da doch nichts anderes thun, als ein oder mehrere solche verirrte Wesen bei ihrer Beschaffenheit anrufen, und ihnen den Weg aus Ihrem weisesten Liebernste anzeigen, auf dem für sie die Rettung möglich ist, und sie wieder in den Verband der Liebe und Weisheit Gottes treten können, außer welchem Verbande keine absolute Freiheit, und somit auch kein geistiges ewiges Leben denkbar ist, da gewisserart außer diesem Verbande allein nur die Allmacht der Gottheit wirkt, in der nur die Kraft, Gottes Liebe und Weisheit, als ein Wesen mit der Allmacht, als das Urleben alles Lebens bestehen und sie leiten kann; jedes andere von diesem Urleben abgelöste Leben aber muß in ihr zugrunde gehen und ewig erstarren, weil es für sich doch unmöglich der endlosesten Kraftschwere nur den allerleisesten Widerstand leisten kann!

07. Darum heißt es auch: Gott wohne im ewig unzugänglichen Lichte! Was so viel sagen will als: Gottes Allmacht, als der eigentliche Machtgeist Gottes, der die Unendlichkeit erfüllet, ist für das Sein jedes geschaffenen Wesens, so es bestehen solle, für ewig unzugänglich; denn jeder Conflikt mit der ledigen Allmacht Gottes ist der Tod des Wesens! Also wird auch eine Sünde gegen diesen Machtgeist als höchst verderblich bezeichnet; weil ein Wesen, das von der Gottes—Liebe sich zuvor völlig trennend, mit dieser Macht sich messen will, doch nothwendig von solcher Allkraft gänzlich verschlungen werden muß, und nur höchst schwer, oder auch wohl gar nicht mehr von ihr loszuwinden ist, gleich als so eine Milbe unter dem Schutte eines Himmelaja begraben wäre, wie würdest du sie aus dem Schutte befreien?!"

30. Kapitel. Vom reichen Prasser und armen Lazarus im Jenseits. Wer hat die Hölle gemacht? — Die Bosheit der Geister nur! Aufklärung über Gott und Christus.

01. „Du sprichst nun bei dir: (Robert:) „Ja, ja, das ist alles richtig, so die Gottheit zu Jenen also spricht, die sich zufolge ihrer vollsten Freiheit von Ihr ganz abgelöst haben, wie sie durch sich selbst in sich beschaffen sind, so kann in dieser scheinbaren Schreckens—Sentenz unmöglich das unmenschlichst Schaudervollste auf keinen Fall vorhanden sein, als wie man es auf den ersten Augenblick doch nothwendig vermuthen solle; aber was hat es dann mit der Parabel vom armen Lazarus und dem reichen Prasser für ein Bewandniß, der ohne alle Gnade und Pardon im heftigsten und schrecklichsten Feuer der Hölle gesehen wird; der da bittet, und keine Erhörung seiner Bitten findet! zwischen dem — und der Liebe und Gottes Gnade — eine ewig unübersteigliche Kluft angezeiget wird, über die für ewig keine Uebergangsbrücke sich befindet! — Was sagt denn da die göttliche Liebe, Weisheit, Erbarmung und Gnade dazu?"

02. Spricht Jesus weiter: „Lieber Freund! Ich wußte es wohl, daß du mit dieser Frage kommen wirst; dagegen frage Ich dich aber auch, ob du Mir sagen kannst, — wer denn diesen Prasser so ganz eigentlich in die Hölle geworfen hat? Hat das etwa die Gottheit gethan? Mir ist so was wahrlich nicht bekannt!

03. Oder hat dieser in seiner nothwendigen Qual sich etwa an die Gottheit und Ihre Liebe und Gnade gewendet, um von seiner Qual befreit zu werden? — Ich weiß nur, daß er sich an den Geist Abrahams, und nicht an die Gottheit gewendet hat! Der Geist Abrahams ist aber, obschon als ein geschaffener Geist überaus vollkommen, doch ewig die Gottheit nicht, die allein nur helfen kann; und ist auch in solchen Fällen die alleinige unübersteigliche Kluft, über die sich die Geister heterogenster Art nie die Hände reichen können und dürfen, denn da wirkt allein Gottes geheimste und tiefste Weisheit und Liebe!

04. Wenn dieser Prasser sich aber im großen Elende befindet, kann da die Gottheit darum, so er sich allgewaltigst selbst hineingestürzet hat? — Was meinst du nun wieder zu diesem Punkte? — Kann dem Selbstwollenden ein Unrecht geschehen, so ihm geschieht, was er will? Sage Mir nun wieder deine Meinung!"(Am 14. Jan. 1849)

05. (Rob. Bl.:) „Ja, ja, das ist wieder ganz richtig; volenti non fit injuria; aber so die Gottheit voll der höchsten Liebe ist, was Sie auch sein wird, wie ichs nun mehr und mehr einsehe, da fragt es sich von selbst: — Wie wohl konnte diese Gottheit einen so qualvollen Ort oder Zustand statuiren, in welchem ein Geist zuvor unbeschreibliche Schmerzen auszustehen hat, bis er möglicherweise irgend einer Vollendung sich nähern, und durch diese in einen etwas gelinderen Zustand übergehen kann? Muß denn eine Hölle sein? und müssen solche Geister schmerzfähig sein? Könnte denn das alles nicht auf eine andere weniger grausame Art eingerichtet sein?"

06. Rede Ich (Jesus): „Höre, Mein lieber Freund! meinst du denn, daß da die Gottheit die Hölle also eingerichtet habe??? — O, da bist du in einer großen Irre! Siehe, das haben von alten Urzeiten her die argen Geister selbst gethan; die Gottheit hat es ihnen nur zugelassen, um sie ja nicht im Geringsten zu beirren in ihrer Freiheit, aber daß Sie eine Hölle je erschaffen hätte, das kann in allen Himmeln kein Wesen sich auch nur im allerentferntesten Sinne denken; denn so die Gottheit eine Hölle erschaffen könnte, da müßte in Ihr auch die Sünde, und somit Böses sein, was für die Gottheit eine eigentliche Unmöglichkeit wäre; denn es ist nicht möglich, daß die Gottheit wider Ihre ewige Ordnung handeln könnte, — und so ist es auch unmöglich zu denken, daß die Gottheit aus Sich im eigentlichsten Sinn des Wortes und der Bedeutung nach eine Hölle erschaffen könnte; aber zulassen kann und muß Sie es — den freiesten Geistern, so sie aus ihrer ganz verkehrten ursprünglichen Gottesordnung heraus sich selbst Zustände bereiten, die allerdings sehr arg und schlimm sind!

07. In der ganzen Unendlichkeit aber wirst du nirgends einen Ort finden, der da schon von der Gottheit aus als eine barste Hölle gestaltet wäre; denn es giebt nirgends eine Hölle, außer im Menschen selbst nur; so aber der Mensch ganz freiwillig in sich die Hölle in einem fort durch die gänzliche Nichtbeachtung des Gotteswortes gestaltet und ausbildet, und kehret sich nimmer an die leichte Beachtung der Gottesgebote, was kann da die Gottheit dann dafür, so ein Geist Sie freiwillig flieht, verspottet und lästert!?

08. Da aber die Gottheit doch allein nur das wahre Leben und auch das Licht alles Lichtes ist, und sonach auch die alleinige wahre vollste Seligkeit aller Wesen, so ist es dann aber ja auch gar wohl erklärlich, daß ein gott—loser Zustand durchaus nichts Angenehmes an sich haben kann; da es ohne Gott kein wahres Leben, kein Licht, also kein Wahres und kein Gutes geben kann!

09. Ein Mensch aber, der die Gottheit verläßt, und Sie aus sich herausschaffet, und keine mehr annehmen will, muß dann ja in sich eine wahre Hölle gestalten, die in Allem böse und arg sein muß, weil er freiwillig die Gottheit aus sich schaffet! Wenn es dann solch einem gottlosen Menschengeiste nothwendig sehr schlecht ergehen muß, und je länger er in dem gottlosen Zustande beharret, desto schlechter, da kann die Gottheit nichts dafür; denn würde die Gottheit sich durch Ihre Macht eines Wesens trotzdem bemächtigen, obschon das Wesen aus seinem eigenen freiesten Willen Ihr auf das Hartnäckigste und Entschiedenste widerstrebt, so würde das solch ein Wesen augenblicklich gänzlich vernichten, was wider alle göttliche Ordnung wäre; —

10. denn so die Gottheit nur ein kleinstes Wesen, das einmal aus Ihr frei gestellet ward, vernichten möchte, so wäre das ein Anfang zur gänzlichen Vernichtung aller Wesen! So aber die Gottheit ihre Ordnung dahin für ewig also unwandelbarst feststellet, daß solcher Ordnung zufolge kein Wesen, möge es in der Folge sich gestalten, wie es wolle, unmöglich vernichtet werden kann, so ist dadurch allen Wesen die ewige Fortdauer gesichert, und zugleich auch für jedes Wesen die freie Möglichkeit gestellet, ein überglückliches werden zu können; — aber natürlich auch — so lange ein unglückliches zu verbleiben, als es selbst will!

11. So Jemand einen Weinberg besitzt, in den lauter edle Reben gepflanzet sind, von denen der Besitzer auch die besten Früchte zu erwarten berechtigt ist; dieser Besitzer aber dann freiwillig hergeht, und nicht nur die edlen Reben nicht pflegt, sondern sie sogar ausrottet, und an ihre Stelle Dornen und Disteln setzet, weil ihn derlei Wildgewächse mehr freuen, als der einfache Weinstock; sage, ist auch da die Gottheit schuld, so dieser dumme Weingartbesitzer keine Weinärnte machen wird, und wird darob zum Bettler, und zu einem mittellosen elenden Menschen?

12. Siehe, also ist es auch mit allen Geistern der Fall, die sich die Ordnung Gottes nicht wollen gefallen lassen, und wollen nicht pflegen den herrlichen Gottesweinberg in ihnen! — So sie dann Dornen und Disteln, anstatt der herrlichen Trauben ernten, und elend werden, sage Mir, kann da wohl die Gottheit dafür? Kann Sie als Schöpferin solches Unheiles angeschuldet werden? Sage Mir, was du darüber denkst?"

31. Kapitel. Roberts freudige Zustimmung. Seine weitere Hauptfrage an Jesus: Wo und wie gestaltet ist die wahre Gottheit?

01. Spricht Robert: „Höchstgeehrtester Freund! was solle ich da über diese Sache noch mehr denken, als was du nun gedacht und ausgesprochen hast; denn alles, was Du mir erläuterst, ist klar, wohlverständlich, und zugleich unwidersprechlich wahr! Es kann wahrlich die Gottheit nicht anders sein und handeln, als so, wie Du es Mir dargestellet hast; denn um ein Haar darüber, oder um ein Haar darunter müßte die Gottheit aufhören Gottheit zu sein, oder so Sie bliebe, da wäre es doch wenigstens mit allen Ihren Schöpfungen ehest völlig zu Ende!

02. Ich sehe es nun auch von selbst ein, daß ein jeder Geist, so er für die höchste Wonne und für alle Reize der Glückseligkeit Empfänglichkeit haben muß, und das zarteste Gefühl, und eine allerfeinste Empfindung und Wahrnehmung, daß ihm auch die allersubtilsten Eindrücke unmöglich entgehen können und dürfen, so er wahrhaft glückselig sein soll; und — so muß er im Gegentheile mit dergleichen Empfänglichkeit, als ein lebendiger Geist auch die schlimmen Eindrücke mit einer gleichen Gefühlsschärfe wahrzunehmen im Stande sein, ansonst er entweder halbtodt, oder geistiger Weise narkotisirt (hypnotisirt) sein müßte, was sich aber mit seiner stets gleich freiesten Willenskraft, und mit deren Thätigkeit doch unmöglich vertrüge!

03. Siehe, das sehe ich nun ganz klar ein, und es kann daher die Gottheit nur so, wie Du Sie mir im klarsten und besten Verhältnisse zu Ihren Geschöpfen darzustellen die Güte hattest, als für ewig beständig existirbar sich denken lassen; darum ich denn auch nicht weiter mehr darüber nachdenken kann, weil ich in der wahrsten Nothwendigkeit Deiner Gedanken mich vollends zurecht gefunden habe.

04. Aber nun kommt eine andere Hauptfrage, und zwar diese: Wo, wo, ist denn diese Gottheit? — Wo ist ihre ewige Burg? in welcher Region der Unendlichkeit hat Sie denn für ewig Ihre Wohnung aufgerichtet? Denn irgendwo muß Sie denn doch so ganz eigentlich in aller Ihrer Fülle zu Hause sein?! Hat Sie eine Gestalt? — Welche wohl? — Oder ist Sie gestaltlos, und Ihr Sein ist ein unendliches ohne Form, damit Sie eben darum der Inbegriff aller Formen sein kann? Siehe Freund, da wir nun die Nothwendigkeit eines obersten Gottseins klarst einsehen, so ist nun das Wo, und wie für uns von der größten Wichtigkeit!

05. Vor Allem aber muß ich Dir doch bekennen, daß es mir viel lieber wäre, so die Gottheit möglicher Weise doch unter einer Form vorhanden wäre, und zwar eben in der menschlichen; denn eine völlig Ihrem Wesen nach entweder unendliche Gottheit, oder eine Gottheit unter einer unserer menschlichen ganz fremden Form, könnte weder ich, und eben so wenig auch jemand Anderer aus allen seinen Kräften lieben!

06. Denn ein Wesen, das man entweder nie erfassen und beschauen kann, wie auch ein Wesen in einer unserer menschlichen ganz fremden Form, die für uns nur mehr oder weniger abschreckend sein kann, kann nie geliebt werden! Mathematisch ist freilich wohl die Gestalt einer vollkommenen Kugel die vollkommenste; aber moralisch sicher die unvollkommenste!? — Es nehmen sich wohl die großen himmlischen Leuchtkugeln sehr schön aus, aber das macht das Licht; ob man aber auch eine solche Leuchtkugel lieben könnte? Wahrlich, auf diese Frage würde mein Gefühl offenbar verstummen müssen!

07. Daher, mein liebwerthester Freund, da Du in allem Ernste mit der Gottheit um vieles näher vertraut zu sein scheinst, als ich es bin, so mache vor mir keinen Rückhalt, und rücke auch einmal mit der lieben Gottheit, und zwar mit dem wo, und wie vollernstlich heraus!

08. Denn von nun an brauchst Du mit mir nicht mehr gar so beweisgründlich zu reden, wie bisher; ich bin von Deiner tiefsten Weisheit vollkommenst überzeugt, und will, gerade herausgesagt, Dir aufs Wort glauben, was Du mir nur immer sagen wirst; daher bitte ich Dich, daß Du mich darüber nicht im Zweifel belassest, da ich doch schon in andern auf dieses Hauptthema Bezug habenden Dingen von Dir wahrlich die allergenügendste Aufklärung erhielt!"

32. Kapitel. Kannst du Gott nicht lieben, so liebe Mich, Jesus. In Christo wohnet die Fülle der Gottheit körperlich. — Robert bezweifelt die Gottheit Jesu, will aber schließlich blind daran glauben.

01. Rede Ich (Jesus): „Höre du Mein liebster Freund und Bruder! Bevor die Traube am Stocke nicht vollends reif wird, solle sie nicht von selbem gelöst werden; denn eine noch nicht reife Traube ist noch sauer, und ihr Lebenssaft würde dann einen noch sauren Wein geben, der sehr wenig Geist hätte; und hätte er schon einen, so doch einen sehr unedlen!

02. Siehe, du bist nun auch noch wie eine nicht vollreife Traube, und bist für deine verlangte Enthüllung noch nicht reif, warum aber, das wird dir die jüngste Folge zeigen!? So du aber reif wirst, dann wird es dir dein eigener Geist sagen, was du nun von Mir so ganz grade heraus haben möchtest.

03. Wir haben nun zuvor noch ein sehr wichtiges Kapitel mit einander zu verhandeln; wird diese Verhandlung wohl vonstatten gehen, so wirst du eher reif, als du dir's vorzustellen vermagst; wird aber diese Verhandlung nicht also ausfallen, als wie es die Ordnung Gottes verlangt, dann wirst du noch eine geraume Weile bis zu deiner Vollendung vonnöthen haben!

04. Das aber sollst du dennoch im Voraus wissen, daß, wie die Traube nur durch die Wärme der Sonne zur Reife kommt, also auch ein jeglicher Menschengeist durch die rechte Liebe zu Gott! Kannst du aber schon Gott nicht lieben, darum du noch fragst, wo und wie Er sei; so liebe denn Mich, und das aus allen deinen Kräften, da du doch über Mein Sein nunmehr sicher in keinem Zweifel sein kannst, da wirst du der erwünschten Reife schon näher kommen! denn — die Liebe des Nächsten ist gleich der Liebe zu Gott; daß Ich aber hier doch unfehlbar dein Nächster bin, daran wirst du nun wohl keinen Zweifel haben?

05. Und so thue das, so wirst du dich der Gottheit sehr zu nahen anfangen. — Aber nun gehen wir zu unserem zu verhandelnden Kapitel über!

06. Lieber Freund, sage Mir, da dir die Briefe Pauli nicht unbekannt sind, was wohl dieser Lehrer meinte mit den Worten, da er sagte: ‚In Christo wohne die Fülle der Gottheit leibhaftig.' Meinte er wohl, daß sich in Christo, also in Mir, die gesamte Gottheit befindet? oder wollte er mit diesen Mein Wesen vergötternden Worten blos nur die außerordentliche Vortrefflichkeit des Geistes Meiner Lehre bezeichnen? und zwar nach der damaligen Sitte, wo man, nach deinem eigenen Bekenntnisse, nur zu leichtfertig war, alles Außerordentliche zu vergöttern?! Sage du Mir darüber dein eigenes Urtheil; Ich möchte es von dir vernehmen!"

07. Spr. Robert: „Ja, mein geliebtester Freund! höre, das — ist — eine ganz kurios kitzliche Frage! denn — wie möglich wohl möchte sich hier errathen lassen, was der gute Paulus damit so ganz eigentlich gemeint habe?! — Es wäre äußerst gewagt — festweg zu behaupten, und zu sagen: Das — und nichts anderes hat damit dieser übrigens höchst respektable Lehrer der Heiden gemeint! — Ich finde das überhaupt für eine große Anmaßung so mancher Gelehrten, so sie festweg behaupten, den wahren Geist irgend eines genialen Autors vollauf erfaßt und begriffen zu haben! Ich bin da um sehr vieles bescheidener, und rufe mir in solchen Fällen sehr gerne das berühmte sutor ne ultra crepidam (Schuster, bleib bei deinem Leisten) zu, und lasse da Andere urtheilen! Gefällt mir ihr Urtheil, so pflichte ich ihnen bei; und gefällt es mir nicht, so höre ich darüber noch Andere urtheilen, und handle dadurch auch nach Paulus, der da spricht: ‚Prüfet alles, aber nur das Gute behaltet!' — Als gut aber kann ich nur das anerkennen und annehmen, was meiner innersten Ueberzeugung am nächsten kommt; alles andere gehört unter den Leisten des Schusters! — Hätte Paulus das erste gemeint, was auch möglich sein kann, so hat er unmöglich das zweite meinen können! — das ist mathematisch und logisch richtig. — Hätte er aber das zweite gemeint, was ich natürlich nicht wissen kann, was er wohl auch hat meinen können, so hat er unmöglich das erste meinen können, was wieder mathemathisch und logisch richtig ist!

08. Aus dieser meiner Definition aber wirst Du hoffentlich auch einsehen, daß ich Dir auf Deine mir sonst sehr theure Frage eine genügende Antwort schuldig bleiben muß, und von Dir erwarten, was Du von mir haben wolltest! Daß ich Dich mit der größten Aufmerksamkeit anhören werde, dessen kannst Du vollends versichert sein! Sei demnach gebeten, Selbst über dieses Kapitel nach Deiner Weisheit zu reden!"

09. Rede Ich (Jesus): „Deine Antwort, Freund, wie du sie Mir nun gegeben hast, habe Ich erwartet; sie mußte eben so natürlich klug ausfallen, als wie du in dir ein natürlich kluger Mann bist. Aber von einer übernatürlichen Klugheit ist darinnen noch nichts zu entdecken; nach dieser innersten übernatürlichen, also rein geistigen Klugheit aber kann Paulus nur ein Bestimmtes, und rein Ausgeprägtes gemeint haben, das sich aus der Stellung seiner Worte ganz genau also muß definiren lassen, daß man im Verfolge dieser wichtigsten Sache dann nimmer in einem Zweifel sein kann, ob er dieß oder jenes gemeint habe; sondern daß er ganz bestimmt nur, nehmen wir an, das Erste nothwendig hatte meinen müssen; wie aber das aus der innersten übernatürlichen Klugheit zu entnehmen, das kannst du freilich nicht wissen; denn Hegel und Strauß, wie auch der ältere Rousseau und Voltaire haben solches selbst noch nie begriffen, und daher auch unmöglich je gelehrt, und du, als einer der eifrigsten Verehrer dieser Weltweisen, kannst daher auch jene Wege unmöglich kennen, die deinen Lehrern und Führern noch unbekannter waren, als den alten Römern ein Amerika, ein Australien, und ein Neuseeland.

10. Hättest du, als ein Deutscher, an der Stelle deiner früher benannten Führer lieber die deutsche Bibel, den Swedenborg, (Jakob Böhme) und andere ähnliche Weise deutscher Abstammung mehr so recht tatsächlich fleißig durchstudiret, da wüßtest du nun ganz perfekt, wie der Paulus zu verstehen ist; aber natürlich als Hegelianer bist du davon wohl noch weit entfernt, und es wird noch ziemlich Vieles brauchen, bis du zu der innersten Klugheit gelangen wirst! — Habe aber nun Acht; Ich will dir nun etwas sagen; so du es annimmst, da sollst du dem Ziele um ein Bedeutendes näher gerückt werden.

11. Siehe, Paulus hielt Christum, also respektive Mich, für das höchste Gottwesen Selbst, obschon er zuvor Mein schroffster Gegner war; sage nun du Mir, was du von dem Glauben, und von der Weisheit des alten Paulus haltest?"

12. Spr. Robert: „Mein geliebtester Freund! auf diese Deine Frage ist wieder äußerst schwer irgend eine genügende Antwort zu geben; denn fürs Erste — gehörete da wohl auch eine übernatürliche Klugheit dazu, die mir aber mangelt; und fürs Zweite — kann man denn ohne alle näheren kritischen Beweise doch nicht so ganz als ausgemacht annehmen, daß ein sonst sehr weiser Paulus das im vollsten Ernste selbst geglaubet hat, was er den andern Menschen wollte glauben machen! denn alle ehrenhaft guten alten Weisen haben, vielleicht samt Paulus, sicher bei sich selbst gar wohl eingesehen, auf welch lockerem und unhaltbaren Boden alle methafisischen und theosofischen Theorien stehen, und berechneten es nach ihrer genauen Menschenkenntniß gar wohl, wie sehr unglücklich in kurzer Zeit das gesamte Menschengeschlecht werden müßte, so es aus dem Wege höherer Aufklärung über sein nichtiges und vergängliches Wesen ins vollends Klare gekommen wäre; daher suchten sie durch kräftige Reden und Denksprüche — manchmal à la Orakel zu Delfi — die Völker zu einem gewissen mystischen Glauben zurückzuführen, durch den wenigstens eine goldene Hoffnung auf ein künftiges Leben sich zuwegebringen, nähren, und für die Folge erhalten ließe; ob sie aber auch im Ernste selbst vollauf solcher Hoffnung lebten, oder gar von alledem, was sie lehrten, eine feste und somit vollends wahre Ueberzeugung hatten? das muß ich bis dahin wohl sehr in eine Frage gestellt sein lassen, bis ich entweder auf einem innersten Klugheitswege, oder durch eine unmittelbare Confrontation mit den Geistern, die so was gelehret haben, eines andern belehret werde!

13. Ich für meine Person, ganz abgesehen vom Paulus und Petrus, aber nehme übrigens nicht den geringsten Anstand, Dich, meinen allerliebsten Freund, so lange für einen Gott zu halten, bis ich nicht einen andern irgendwo finde! Solle sich aber für ewig kein anderer Gott finden lassen, so bleibst Du mein einziger Gott und Herr auch für ewig! Denn so es unter uns Einer ist, da bist es offenbar Du; denn an mir läßt sich trotz aller meiner hegelischen Weisheit auch nicht ein allerleisester Tropfen von irgend einer Gottheit verspüren. Aber um einen gründlichen Beweis, warum ich das sehr gerne glaube und annehme, darfst Du mich nicht fragen; denn da müßte ich Dir die Antwort wieder schuldig bleiben!

14. Denn was man glaubt, das glaubt man ohne Beweis, da der Glaube an sich selbst nichts ist, als entweder eine Trägheit, oder manchmal wohl auch ein gewisser Gehorsam des Verstandes. Fordert aber ein thätigerer Verstand Beweise für das Glaubensobjekt, und können solche genügend dem Verstande geliefert werden, so hört der Glaube ohnehin auf — ein Glaube zu sein; denn dann wird er zur anschaulichen Ueberzeugung!

15. Diese anschauliche Ueberzeugung aber kann ich mir hier von Deiner Gottheit durchaus nicht verschaffen; daher will ich's unterdessen nur glauben, daß Du vorderhand ein Gott seist; solle es in der Folge aber irgend möglich werden, diesen meinen Glauben bis zu einer bestimmten Evidenz beweislich zu steigern, da wird mein Glaube aufhören ein Glaube zu sein, sondern er wird beschauliche Wahrheit! — Ob aber denn dieser mein Glaube leicht zu einer beschaulichen Wahrheit wird umstaltet werden können? das gehört freilich wieder in ein anderes Kapitel!

16. Denn siehe, ich bin — besonders in diesem Punkte — ein sehr starker Thomas, und verlange zuvor ganz kuriose Beweise, bis ich (hier) etwas als eine bestimmte Wahrheit annehme.

17. Du hast mir wohl die Bibel, und den deutschen (germanischen) Theosophen Schwedenborg angerathen; aber was nützt hier ein solcher Behelf, wo man ihn nicht haben kann; und so man ihn auch hätte, so ließe sich sicher eben so viel dawider als dafür darüber sagen, und beweisen; daher bleiben wir nur bei dem ganz einfachen Glauben, und so es Dir möglich ist, da mache mich ein wenig dummer, als ich so von der Natur aus bin, auf daß ich im bloßen Glauben desto stärker werde; und ich sehe es schon zum Voraus ein, daß ich dann um Vieles glücklicher sein werde, als ich es so bin!

18. Denn ein so recht blitzdummer Kerl hat in Hinsicht auf ein glücklicheres Sein viel vor einem aufgeklärten Geiste voraus; während dieser gewisserart im Schweiße seines Angesichtes in einem fort forscht und forscht, um nur der großen und heiligen Wahrheit näher und näher zu kommen, und dadurch sich und viele Tausende möglichst glücklich zu machen! da betet der reine Glaubensmensch sein ‚Pater noster', und legt sich dann ganz behaglich — um nichts weiter sich mehr kümmernd — auf seine echte Bärenhaut nieder, und schläft wie ein Murmelthier sorglos, süß und ruhig! — kommt dann die letzte Stunde, so macht er sich eben nicht gar zu viel aus ihr; wenn ihm nur irgend ein Priester ob einiger gutbezahlter Messen die Dispens von der Hölle, und den Nachlaß der zeitlichen Strafen im Fegfeuer verschafft! Sein blinder Glaube nimmt das alles als bare Münze an, und er stirbt in der zuversichtlichsten Hoffnung, sogleich vom Munde aus in den Himmel aufzufahren! Das heiße ich doch ‚eine glückliche Dummheit!' und sage auch noch hinzu:

19. Ein großer Narr und Esel ist der, der sich durch sein ganzes Leben mit Denken und Forschen abgiebt; denn das vermehrt weder auf der Körperwelt, und noch viel weniger in dieser geistig dunstigen sein Glück; im Gegentheile macht es ihn nur um desto unglücklicher, je mehr er nach Licht und Wahrheit dürstet, aber dabei auch stets mehr und mehr zu der klarsten Einsicht gelangt, daß die irgendwo seiende Gottheit zur Stillung dieses Durstes nirgends eine erquickende Quelle erschaffen hat!

20. Also will ich nun diesen Weg ganz verlassen, und mich dafür in die weichen Arme des stumpfen und trägen Glaubens werfen; vielleicht komme ich da eher zu so etwas, das man mit Recht ein wahres Glück des menschlichen Wesens nennen kann?!

21. Wie glücklich ist z. B. so ein Stiftsprälat; er denkt nichts, er erfindet nichts; sondern er lebt blos seines echt römisch—katholischen Glaubens, in der süßen Ordnung seines epikuräisch—stoischen Ordensstifters, läßt sich täglich seine ausgesuchte Mahlzeit wohl schmecken, und so er Abends nach einigen zu sich genommenen besten Gläschen Weines vom süßen Schlafe die ersten Visiten bekommt, da murmelt er wieder ganz takt— und gedankenlos sein ‚Pater noster', und darauf ein stummes ‚Gloria in excelsis', und läßt sich dann von seinen Dienern in's weiche Bettlein bringen; kaum in dasselbe gefallen, kommen schon die lieben Engelein (natürlich ex spiritu vini), und drücken ihm die Aeuglein zu! — Da schläft er dann allerruhigst bis zum nächsten Morgen, wo ihn gewöhnlich die Morgenbetglocke weckt; so er noch ein Schläfchen verspürt, da kann er sich noch einmal umkehren; verspürt er aber kein Schläfchen, da läutet er an der Bedientenschelle, und diese dienstbaren Geister kommen darauf mit Sturmeseile, und kleiden den Mann Gottes an. Ist er angekleidet, dann werden auf einem weichgepolsterten Betschemel einige Praeces matutinae aus einem lateinischen Breviarium herabgemurmelt, darauf ein stilles und kurzes Meßchen verrichtet, und dann sogleich ein gutes Frühstückchen eingenommen, und das alles so fort bis zum letzten Athemzuge! Wahrlich, siehe Freund, das ist ein glückliches Leben! Und solch ein Leben giebt der blindeste und stupideste Glaube?!

22. Wie dumm ist da unser Einer dagegen! Daher will ich nun auch rein nur ganz ohne Gedanken mich dem Glauben in die Hände werfen; vielleicht werde ich dadurch glücklicher werden!? — Ich glaube daher nun an Deine Gottheit; sage mir, thue ich recht und wohl damit? — O rede Du, mein geliebtester Freund!"

33. Kapitel. Jesus über wahren und falschen Glauben. Gefahren des stumpfen Wohllebens. Gleichnis vom gemästeten Sklaven. Bittere Folgen der Liebe zur Materie.

01. Rede Ich (Jesus): „Höre du, mein liebster Freund! Zwischen dem, was du ‚Glauben' nennst, und was der rechte Glaube ist, waltet ein endloser Unterschied ob! Dein (vermeinter) Glaube wohl ist eine barste Trägheit des Verstandes, während der wahre Glaube alle Leibes—, Seelen— und Geisteskräfte in den vollsten Thätigkeitsanspruch nimmt; dein Glaube ist ein Froschglaube; denn wie ein Frosch sich mit jeder noch so schlechten Pfütze begnügt, so auch begnügt sich ein solcher Stumpfgläubiger mit allem Unflathe, und weiß am Ende nicht zu unterscheiden, was da ist Himmlisches oder Höllisches in der Lehre, der er stumpfgläubig blinde Folge leistet.

02. Wie kannst du einen Prälaten darum als glücklich bezeichnen, so er durch seinen Stumpfglauben unter dem privilegirten Protektorate Roms sich in seinem Stifte auf Kosten der Dummheit seiner Unterthanen mästet, und ganz außerordentlich wohl geschehen läßt?! Ist denn das irdisch glückliche Leben auch also gleich ein glückliches in dieser Welt der Geister? — O mit Nichten, sage Ich es dir!

03. denn je mehr Jemand auf der Welt seinem Fleische, das da ist des Geistes Kerker, gedienet hat, je mehr er dasselbe pflegte und nährte, und je mehr er diesem Kerker willigst gewährte, darnach es diesen gelüstete, desto mehr und desto fester hat er sich auch mit demselben verbunden.

04. So es dann aber zu der endlichen Ablösung von diesem Kerker kommen wird, wie hart, wie schwer und schmerzlich wird diese sein?! — wird man nicht, wie bei einer schlechten Geburt, wo die Leibesfrucht mit der Gebärmutter an mehreren Stellen förmlich verwachsen ist, die Seele und den Geist auch mit aller Gewalt förmlich stückweise dem zu sehr gemästeten Fleischkerker entreißen müssen, um diese ineinander verwachsenen Wesenheiten nothwendigst trennen zu können!? Wird solch eine Operation dem Fleische, der Seele und dem Geiste wohl ein angenehmes Gefühl verursachen?! O siehe, das setzt schon zuerst eine Marter ab, die mit keiner rein irdischen zu vergleichen, was ich nur zu sehr und zu gut kenne! — „Da aber diese bittere Folge auf solch ein irdisch glückliches Leben nur nahe allzeit zu bestimmt zu erwarten, und zu bestehen ist, sage — kann man solch ein Leben ein wahrhaft glückliches nennen? Siehe, es gab in Asien, als Mohamed seine Lehre und sein irdisches Reich gründete, eine sonderbare grausame Art vom Aberglauben, namentlich unter den Mohamedanern, der zumeist aus einem Christenhasse entspringend, darin bestand: Die Weiber der Osmanen mußten getrocknetes und pulverisirtes Blut von jungen und sehr fetten Christen einnehmen, so sie sehr schöne Mädchen zur Welt bringen wollten; zufolge dieses krassesten Aberglaubens wurden dann nicht selten junge Christenmänner von den Osmanen gefangen genommen, natürlich keine Ahnung habend, zu welchem Zwecke?! Diese Gefangenen wurden mit der größten Freundlichkeit behandelt, und hatten das beste Leben einige Jahre hindurch; sie bekamen die besten und nahrhaftesten Speisen und Getränke, und wurden sonach förmlich gemästet; hatten sie aber einmal die rechte Fette, da kamen dann die Schlächter, zogen dem wohl gemästeteten Christen alle Kleider aus, und hoben ihn dann in ein Bad, wo er ganz rein von allem Schmutze gewaschen wurde; als er also gewaschen ward, und noch nicht wußte, was mit ihm nun weiter geschehen wird, da ward er an Händen und Füßen festgebunden, und also auf ein durchlöchertes starkes, breites, hohles Brett, das über eine reine Wanne gelegt und befestigt war, gelegt, und abermals fest an dasselbe gebunden; als diese Vorkehrungen getroffen waren, da zogen die Schlächter feine und scharfe Dolche aus den früher versteckten Scheiden, und fingen an, Stiche in das fette Fleisch des gemästeten Christen zu machen, auf daß das schöne und fette Blut dann aus tausend Wunden in die Wanne floß; und damit das Blut desto reichlicher floß, wurde nach und nach der Leib des also Geschlachteten mit schweren Gewichten belegt! — Welche verzweifelten Schmerzen aber der arme Geschlachtete dabei empfand, und das manchmal mehrere Stunden lang, bevor er starb, das kannst du dir ohne eine weitere Beschreibung leicht vorstellen! Ich frage dich aber und sage: War sein früheres allerbestes Leben mit Bezug auf ein solch elendestes Ende wohl ein glückliches zu nennen? Hätte ein solcher Christ sich nicht so blind und sorglos mästen lassen, da wäre er fein mager geblieben, und die Osmanen hätten ihn gar bald wieder laufen lassen, da er nimmer fett werden wollte; aber da er ganz sorglos gleich einem Schwein sich den Speck hinaufmästen ließ, so mußte er sich aber dann auch die Folgen seines Fettwerdens leider nur gar zu bitter gefallen lassen. Aber es bedarf zu solcher endlichen Bitterkeit wahrlich keine abergläubigen Osmanen; sondern der Speck selbst giebt und vollziehet noch viel Aergeres!

05. Glaube es Mir, solche sorglose und egoistische Fettwänste, so wie alle die durch ihr eigenes Fleisch gerichteten und verfluchten Unzüchtler, Gailer und Hurer werden sich vollauf zu verwundern haben, welche merkwürdige Schmerzen ihnen der Leibestod bereiten wird! Wahrlich, der osmanische wäre kaum ein kühles Lüftchen dagegen. —

06. Mit diesen Schmerzen nimmt das eigentliche Glück eines Stumpfgläubers dort erst so recht seinen Anfang! Kommt ein solch glückliches Wesen aber dann erst wie ganz zerrissen und zerstochen in dieser (Geister—)Welt an, wo die Empfindsamkeit für jeden Eindruck bis in ein förmliches Indefinitum gesteigert sein muß, weil die früher durch den groben Leib geschützte Seele hier ganz blos gestellet ist, da fängt dann erst das eigentliche Schmerzglück an, das dein Stumpfglaube bereitet!

07. So du aber ein solches Glück im Ernste willst, so thue, wodurch du also glücklich zu werden wähnest, und Ich stehe dir dafür, daß du nur zu bald ganz anders denken und urtheilen wirst!?

08. So Ich aber Selbst gelehret habe: Werdet vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist; — und der Paulus verlangte, daß man alles genau prüfen solle, und das Gute daraus behalten; sage! Wurde dadurch ein Stumpfglaube, der kein Glaube ist, oder ein wahrer lebendiger Glaube, der über alles Wissen himmelhoch erhaben ist, geboten?! Urtheile nun selbst, ob das, was du Glauben nennst, wohl Glaube ist!? sodann erst werde ich dir sagen, und genau erläutern, was so ganz eigentlich wahrhaft glauben heißt! Rede nun, denn es ist die Reihe wieder an dir!"

34. Kapitel. Roberts Begriff von Glauben und rechter Gottesverehrung. Vorraussetzungen und Hindernisse der wahren Gotteserkenntnis

01. Spricht Robert: „Freund! wahrhaftig wahr, du machst mich ganz perplex, oder mit andern Worten gesagt, ganz dumm! Hör' einmal, wenn das nicht Glauben heißt, was ich für den Glauben halte, da kannst du mir gleich den Kopf vom Rumpfe reißen, und ich werd' es dir dennoch nicht zu definiren im Stande sein, was man denn so ganz eigenthümlich für den Wahrglauben halten solle?

02. Das reine Wissen kann doch kein Glauben sein, das Schauen und Vernehmen, und gar das Betasten noch weniger!? Außer dem Wissen, und außer dem truglosen Wahrnehmen durch unsere Sinneswerkzeuge, kenne ich aber wahrlich nichts, das der Mensch in sein Erkenntniß— und Beurtheilungsvermögen aufnehmen könnte; und so das Wissen und das Schauen, Hören, Schmecken und Fühlen Glauben heißt, was ist denn hernach das, was ich bisher Glauben nannte? —

03. Glauben heißt bei mir ein für alle Male etwas für wahr halten, das an sich auch wahr sein kann, so es nicht mit den Gesetzen der reinen Vernunft im Widerspruche steht, wenn die Lehrsätze auch nicht wie ein mathematischer Grundsatz bewiesen werden können; können sie aber einmal also mathematisch erwiesen werden, so hat es dann ja auch nothwendig mit dem Glauben ein Ende, so wie die Hoffnung, die eine Tochter des Glaubens ist, eben da ihr erwünschtes Ende erreichen muß, so man das Erhoffte endlich einmal in aller Wirklichkeit erreichet hat!?

04. Ich kann mir unter Glauben demnach nichts anderes vorstellen, als eine willige Annahme von Lehrsätzen und geschichtlichen Daten auf so lange, bis sie für den menschlichen Verstand erwiesen werden können; solle jedoch das nicht Glauben heißen, da möchte ich doch wissen, was sonst noch Glauben heißen solle!

05. Du hast wohl zu Deinen Jüngern ein paar Male von der Wunderkraft des Glaubens gesprochen, weißt, wo Du vom Berge versetzen etwas sagtest, das sie aber wahrscheinlich auch um kein Haar besser verstanden haben als ich!? Du müßtest alsonach nur diesen fabelhaften Glauben meinen? Da freilich wäre mein Glaube alles eher, denn ein Glaube; denn vor meinem Glauben wäre nicht einmal ein kleinstes Sandkörnchen, geschweige ein Berg gewichen!

06. Ja, hör' einmal, Freundchen! wenn ich solch eines Glaubens irgendwo auf der Erde hätte theilhaftig werden können, da wäre es dem guten Alfred ganz verzweifelt schlecht ergangen! No, den hätte ich doch ganz kurios versetzt! Wer, wo bin ich, — und wo solch ein Glaube? Ach Herr Je, blos mit dem Glauben Berge versetzen können? das ist ein sehr großer und schöner Gedanke! Aber leider nur blos ein großer, herrlicher Gedanke!

07. Den Lehrsatz Pauli über das Alles prüfen, und daraus nur das Beste annehmen, habe ich wohl auch allezeit mir zu meinem Leitsatz gewählet, so wie die große Idee, Gott ähnlich zu werden, wenn schon unmöglich je so vollkommen, wie Er Selbst es ist, war die mächtigste Triebfeder zu allen meinen Mühen; aber was habe ich dadurch erreicht?! Mein dießmaliger Zustand giebt dir von selbst die Antwort auf diese Frage!

08. Auch Du scheinst eben auch noch keine Sonne unter Deinen Füßen zu haben; — ich meine da, und sage: Dein Wunderglaube hat weder Dir, noch mir, bisher irgend goldene Berge getragen!? Aber wer weiß es, was da noch Nachkommen kann?! — (Am 205] Jan. 1949)

09. So ich es nun z. B. ganz willig ohne alle Widerrede annehme, daß Du der Sohn des lebendigen Gottes bist, oder gar ausschließlich das höchste Wesen Selbst, vorausgesetzt, daß Du solch eine Annahme von mir verlangest, so glaube ich, daß Du entweder Filius dei, oder das Lumen supremum Selbst seist; denn ich kann mir keinen Beweis verschaffen, daß Du das auch wirklich bist, was ich von Dir glaube, und so glaube ich es denn blos nur, und das darum, weil meine geläuterte Vernunft darinnen wenigstens keine logische Unmöglichkeit findet, und das hauptsächlich durch Deine triftigsten Erläuterungen, durch die ich recht helle einsehen lernte, daß die Gottheit noch ganz unbeirrt in allem Ihrem allmächtigen Thun und Lassen, als die wirkliche Gottheit verbleiben kann, wenn Sie auch Ihren Geschöpfen gegenüber die beschauliche geschöpfliche Form annimmt. Aber wenn ich etwa mit der Weile denn doch tastbare Beweise bekäme, daß Du wirklich das bist, was ich nun blos nur glaube, so hört denn ja doch der Glaube auf, ein Glaube zu sein, und an seine Stelle tritt dann ein helles Erfahrungswissen?

10. Freilich wohl könntest Du nun sagen: Siehe, alle wahrhaft Gläubigen beugen ihre Knie bei der Nennung Meines Namens, und beten Mich an; so du aber sagst, daß du glaubest, daß Ich die Gottheit Selbst bin, warum thust du denn nicht, was da thun alle wahrhaft Gläubigen?

11. Dieser Einwurf ist allerdings sehr beachtenswerth, und es ist etwas daran; aber ich halte diese der Gottheit geziemenden Ehrfurchtsbezeugungen für eine Art Verstandesschwäche; denn was dem Verstande mangelt, das ersetzt dann die gewisse fanatische Glaubensbegründung; wer aber sich in irgend einem Glauben eher begründen läßt, bevor er durch thatsächliche Beweise von der Wahrheit dessen, was er blind glaubt, hatte überführt werden können, der ist — wenigstens in meinen Augen — ein Narr!

12. Und Du, so Du auch wirklich die Gottheit Selbst wärest, müßtest das doch auch für etwas ganz Aehnliches ansehen, ansonst Du eine ehrsüchtige und somit überaus schwache Gottheit wärest, die eher auszulachen, als anzubeten wäre! — Aber ich weiß, daß Dich solche Schwächen nicht Plagen, und nie geplagt haben, ob Du schon Gott oder auch nicht Gott sein solltest! Daher liege ich auch noch nicht auf meinen Knien vor Dir! Denn, ich weiß es nur zu gut, daß Dich ein solcher Aktus menschlicher Verstandesschwäche von mir aus begangen nur ärgern müßte;

13. daher thäte ich so was auch sogar dann nicht, so ich auch die Ueberzeugung bekäme, daß Du wirklich Gott seiest! Denn so ich es durchaus nicht annehmen kann, daß eine allerweiseste Gottheit anbetungssüchtig sein könnte, da eine solche Frommkriecherei schon sogar mir, als einem nur ein wenig über die gewöhnliche Stupidität der Menschen hinausgerückten Denker, als absurd und im hohen Grade dumm vorkommen müßte, so sie mir erwiesen würde, wie solle so was die weiseste Gottheit annehmen können!?

14. Ich halte eine gewissenhafte Haltung der Gesetze Gottes für die rechte und der Gottheit allein wohlgefällige Anbetung; denn das verlangt die ewig unabänderliche Ordnung der Gottheit selbst, ohne der kein Wesen denkbar wäre; aber alles, was darüber hinausgehet, gehört in das Reich des blindesten Heidenthums, und ist somit auch die wahrhaftigste Narrheit!

15. Ich habe Deine Lehre besonders über die Schändlichkeit der langen jüdischen Lippengebete gar oft bewundert, und wahrlich hochgepriesen; wogegen ich wieder das Paulinische „Betet ohne Rast" für die größte Eselei ansehen mußte, vorausgesetzt, daß der sonst sehr weise und erleuchtete Paulus unter dem Gebete nichts als ein sogenanntes andächtiges Lippengemurmel verstanden hat?! was man von einem sonst so weisen Manne doch wohl kaum annehmen kann!?

16. Ich glaube demnach nun, daß Du Gott seist, oder wenigstens ein wahrer Sohn Gottes, ein Prädikat, das Du selbst allen Menschen zusagtest, die Gottes Gebote halten, und Ihn dadurch über alles lieben! Ich bin auch fest entschlossen, alles zu thun, was Du von mir weisermaßen verlangest; aber so Du von mir Kniebeugung und ein rosenkranzartiges Gebet verlangen möchtest, da sei Du im Voraus versichert, daß ich so was nie thun würde, und das darum, weil ich darinnen nur eine Verletzung, nie aber eine Verehrung Deines mir über alles theuren Namens finden müßte! Sage mir Du nun wieder gütigst, ob Du mit dieser meiner Definition zufrieden bist oder nicht?"

35. Kapitel. Jesus über das doppelte Erkenntnisvermögen des Menschen. Nur das Licht des Geistes verschafft wahren Glauben. Es erfordert aber Übung und Sittenreinheit.

01. Rede Ich (Jesus): „Mein Freund! So lange der Mensch blos aus seinem Verstande heraus Definitionen macht, kann er vom Glauben und vom Gebete auch keine andere Meinung haben, als du sie Mir nun gar sehr unumwunden kundgegeben hast; denn des Menschen Kopfverstand hat keinen andern Weg, als den der materiellen Anschauung, und sinnlichen Betastung, — und ein geistiger, lebensvoller Glaube kann in seinem sinnlichen Gemüthe eben so wenig Wurzeln fassen, als ein Waizenkorn auf einem Granitfelsen, allda es wohl eine feste Unterlage hat; aber da der harte Fels keine Feuchtigkeit hat, die das Waizenkorn auflöste, und den Keim frei machete, so bleibt das Korn wohl eine Zeit lang, was es war, auch auf dem harten Felsen; aber mit der Länge der Zeit stirbt es dann gänzlich, dieweil es keine Nahrung hat! — Was nützet dir all dein Wissen, und was deines Verstandes Gehorsam, den du „Glauben" heißest, so dein Geist daran keinen Theil nimmt?! —

02. Siehe, ein jeder Mensch hat ein doppeltes Erkenntnißvermögen, ein äußeres, das da ist der Kopf; auch der eigentliche äußere Seelenverstand; mit diesem Erkenntnißvermögen läßt sich nie das göttliche Wesen erfassen und begreifen, weil es der Seele gerade nur darum gegeben ward, um den Geist in ihr von der Gottheit vor der Hand zu trennen, und ihn Diese gewisserart auf eine zeitlang verlieren zu machen! Wenn nun ein Mensch, oder vielmehr eine Seele mit diesem alleinigen negativen Vermögen Gott suchen und finden will, da entfernt sie sich nur stets desto weiter vom Ziele, je hartnäckiger sie auf diesem Wege dasselbe verfolget!

03. Aber die Seele hat noch ein anderes Vermögen, das da nicht in ihrem Kopfe, sondern in ihrem Herzen Wohnung hat; dieses Vermögen heißet inneres Gemüth, und bestehet aus einem ganz eigenen Willen, aus der Liebe, und aus einer diesen beiden Gemüthselementen entsprechenden Vorstellungskraft. Hat diese einmal den Begriff vom Dasein Gottes in sich aufgenommen, so wird dann dieser Begriff sogleich von der Liebe umfasset, und durch ihren Willen festgehalten, welches Festhalten dann erst „glauben" heißt;

04. durch diesen Glauben, der lebendig ist, wird dann der wahre Geist erwecket, und der beschauet dann seinen Wecker, erkennt und ergreift Ihn dann auch sogleich, richtet sich darnach auf, wie ein mächtig Licht aus Gott, und durchdringt dann die Seele, und umwandelt in ihr Alles ins Licht, und dieses Licht ist dann der eigentliche Glaube, durch den jede Seele selig werden kann. —

05. Hast du je von diesem allein wahren Glauben etwas vernommen? Du sprichst in dir: „Nein, diese Art des Glaubens ist mir völlig fremd; denn ein Denken im Herzen kommt mir völlig unmöglich vor!"

06. Ja, ja, so ist es auch; es muß dir diese Sache unmöglich vorkommen; denn um im Herzen denken zu können, muß man eine eigene Uebung haben, und diese Uebung besteht in der stets erneuerten Erweckung der Liebe zu Gott; durch diese Erweckung wird das Herz gestärkt und erweitert, wodurch dann des Geistes Bande lockerer werden, so daß sein Licht (denn jeder Geist ist ein Licht aus Gott) sich nach und nach stets mehr und mehr, und freier und freier entwickeln kann. Fängt dann des Geistes Licht an, des Herzens eigentliche Lebenskammer zu erhellen, so werden auch die zahllosen Urtypen in rein geistigen Formen an den ebenfalls zahllosen Wänden der Lebenskämmerlein stets deutlicher und deutlicher ausgeprägt, und der Seele beschaulich gemacht; und siehe, diese Beschauung der Seele in ihrem Herzen ist dann ein neues Denken; die Seele gelangt da zu neuen Begriffen, zu großen und klaren Vorstellungen; ihr Sehkreis erweitert sich mit jedem Pulsschlage; die Steine des Anstoßes verschwinden, nach dem Maaße, wie da verstummet der Kopfverstand; — da ist dann kein Fragen nach Beweisen mehr; denn das Licht des Geistes erleuchtet die innern Formen, also daß sie nach keiner Seite hin einen Schatten werfen; somit auch alles, das einem Zweifel nur wie im leisesten Hauche ähnlich wäre, für ewig verbannet wird.

07. Und so ist denn auch ein Glaube, der also gestaltig im Herzen, und nicht im Kopfe seinen Sitz hat, ein wahrer und lebendiger Glaube zu nennen; „wahr", weil er dem untrüglichen Lichte des Geistes entstammt, und „lebendig", weil im Menschen nur der Geist im wahrsten Sinne lebendig ist!

08. In diesem Glauben aber liegt dann auch jene außerordentliche Kraft, von der in den Evangelien zweimal die Rede ist.

09. Um aber zu diesem alleinseligmachenden Glauben zu gelangen, muß man die vorerwähnte Uebung wohl angehen, und sich aufs ernsteste bestreben, darinnen so bald als möglich eine rechte Fertigkeit zu erlangen, und das so frühzeitig als nur immer möglich! Denn so der Mensch zu sehr und zu lange nur für die Ausbildung des Kopfverstandes (nach der heutigen Welt—unsitte) gesorget hat, und durch diesen rein nur für irdische Zwecke und Wohlfahrten, da freilich muß es dann einem solchen Menschen völlig unmöglich Vorkommen, auch im Herzen denken zu können! — besonders so man einen ganzen Hegel, Strauß und Ronge im Kopfe herumträgt, und dergl. Mehreres.

10. Ferner muß man sich auch der Reinheit der evangelischen Sitten zu erfreuen vollen Grund haben; man muß kein Schwelger, und hauptsächlich kein fleischlicher Unzüchtler und Gailer sein; denn die Unzucht und Hurerei tödtet entweder nahe ganz den Geist; oder so es schon den Geist auch nicht zu tödten vermag, so verhindert es doch für alle Zeiten die freie Entwicklung seines Lichtes, woher es denn auch kommt, daß solche Unzüchtler, besonders in vorgerückteren Jahren, ganz stumpfsinnig werden, und ihrem matten Leben nur dann noch ein heiteres Augenblickchen abkneipen, so sie ein wenig geschwelget, und irgend eine Maid angegafft und betastet haben;

11. war solches bei dir etwa gar nicht der Fall? in der spätern Zeit; indem du doch das weibliche Geschlecht ohnehin als dem alleinigen Lustzwecke nur bestimmt zu sein ansahst. Fandest du nach Ronge nicht auch in solchen unlautersten Genüssen die eigentliche irdische Glückseligkeit, für die du strittest und starbst? und so du nun zu einer rein geistigen übergehen sollest, da giebt es in dir nun nahe keinen Grund, auf dem man etwas bauen könnte; denn siehe, rings um dich herum ist alles leer, — so leer wie in deinem Herzen, und eben so wesenlos, wie in deines Herzens Lebenskammern!

12. Sage! woher werden wir nun Stoff nehmen, um in dir einen ganz neuen Menschen aufzubauen?! — Rede nun wieder und schaffe Rath!"

36. Kapitel. Robert ist ungehalten über die Erinnerung an irdische Schwächen. Er wünscht andere Gespräche an einem angenehmeren Plätzchen.

01. Spricht Robert: „Liebster und werthester Freund! So viel ich's merke, da wirst du so ein wenig anzüglich, und mitunter auch etwas beleidigend! Es ist das wohl so eine Eigenschaft, die nahe allen Lehrern, mögen sie groß oder klein sein, anklebet; denn alle durch die Bank sind bei gewisser Gelegenheit etwas grob, und deuten ihren Zöglingen wenigstens per cirumstantias varias ambagesque manchmal so ganz leise an, daß diese dem Geschlechte jener sanften und geduldigen Gattung der Thiere angehören, die mit den großen Weltweisen so manches Aehnliche haben sollen! Wenigstens weiß die Weltgeschichte kein Beispiel aufzuweisen, daß ein solches Thier je irgend ein Lamm zerrissen hätte! Nach Blut also lechzen diese Thiere niemals, wohl aber nach Heu und Stroh! — Diese sehr magere Kost soll zur Bildung des Gehirnes nur einen geringen Beitrag leisten, daher auch sollen diese Thiere durch die Bank im Kopfe verdammt wenig jenes breiartigen weißlichten Stoffes besitzen, an dem der Kopf des Sokrates einen überschwänglichen Reichthum gehabt haben solle?!

02. Und — da Du mir nun denn auch eben nicht gar zu schwer verständlich angedeutet hast, wie es da um mich her, wie an und in mir so — weißt Du, gewisser Art — leer ist, wie etwa in dem Haupte des Vierfüßlers, der seinen Lebensäther aus Heu und Stroh beziehet, so kann ich wirklich nicht umhin für die Folge zu bitten, daß Du, so ich schon durchaus ein Esel bin, mir das so ganz deutsch ohne vorhergehende Umschreibung glattweg heraussagest! Denn so Du in mir denn im Ernste nichts findest, das da zu irgend einem weiteren Ausbaue meiner Erkenntnisse taugete, — wenn in mir kein anderer Stoff vorhanden ist, als wie etwa in dem Haupte eines Esels, so sage es mir ohne Vorhalt heraus, und ich werde mich darob gar nicht kränken; denn wo nichts ist, da ist einmal nichts!

03. Ich sehe es wohl ein, daß der nun von Dir mir übergründlich erläuterte innere Glaube in mir nie zu Hause war, wie ich es Dir schon früher einmal bemerket habe; aber was kann denn ich dafür, so mir bis jetzt die Sache des wahren Glaubens von Niemanden ist erläutert worden?! Wäre da an der Stelle des Hegels Jemand aufgetreten, und hätte mir nach Deiner Art Belehrungen gegeben, da wäre auch ich sicher kein Hegelianer, und noch weniger ein Straußianer geworden, sondern ich stünde gleich einem Paulus vor Dir;

04. aber da das durchaus nicht der Fall war, und meines Wissens wohl Niemanden je ein Gedanke durch sein Gehirn gefahren ist, daß der Mensch auch im Herzen, ja am Ende vielleicht gar auch in den Knien und Fersen solle denken können, so mußte ich ja doch dort meine Gedanken fassen und regeln, wohin sie in mir die liebe Mutter Natur beschieden hatte. Auf der Welt dachte ich im Kopfe also: Jedes Glied und jeder Bestandtheil des menschlichen Wesens hat seine eigene Bestimmung, und zweckdienliche Verrichtung; die Füße können nicht die Hände ersetzen, der Hintere nicht den Kopf, der Inhalt des Magens nicht den des Kopfes, das Ohr nicht den Dienst des Auges, und das Herz nicht den der Zunge; daher dachte ich denn auch nur im Kopfe, und ließ dabei dem Herzen seine Verrichtung ganz unbeirret, und das darum, weil es mir auch nicht einmal in einem Traume eingefallen ist, daß der Mensch auch im Herzen solle denken können! So ich aber darum leer hierher gekommen bin, kann ich etwas darum ?

05. Wenn Du nun aber von mir Dinge verlangen möchtest, deren ich auf der Welt wohl niemals habe theilhaftig werden können, so bist Du ja doch offenbar — trotz aller Deiner Weisheit — um 1000 Male blöder als ich, und wirst mir für die Folge wenig oder nichts nützen können!

06. Es ist auch sogar läppisch von Dir, mir hier meine irdische, wahrlich nur seltene Schwelgerei und Venusdienerei vorzurupfen, und sie zugleich als einen Grund anzuführen, dessen wegen ich nun hier also leer, wie Du mich findest, vor Dir mich befinde. Wenn solche Genüsse, die in die Natur des Menschen also geleget sind, wie der Keim in das Samenkorn, vor Dir eine Sünde sind, warum sind sie denn dann in den Menschen geleget worden?

07. Man sagt doch von einem Löwen, daß er kein Mückenfänger ist; denn das Bewußtsein seiner großen Kraft sagt ihm: Meister, es ist nicht löblich, dich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben! — So Du aber nicht nur einer der größten Weisen bist, die die Erde je getragen hat, sondern sogar die große allmächtige Gottheit Selbst, wie Du mir im Verlaufe unseres dießfälligen Beisammenseins schon einige Male eben nicht zu undeutlich hast zu verstehen gegeben, da ist es mir wahrlich unbegreiflich, wie Du solcher Kleinigkeiten gedenken magst, die ich als ein bloßer Mensch, selbst zur Zeit kaum eines nähern Denkens würdigte, so ich mich auf Augenblicke in ihrem leidigen Genusse befand?!

08. Der Mensch ist seinem Leibe nach ein Thier, und hat da auch leider thierische Bedürfnisse, deren Befriedigung ihm elend genug die leidige Natur mit einer eisernen Hand diktirt; findet er in sich einen unwiderstehlichen Drang, gegen den alle geistigen Vorstellungen nichts auszurichten vermögen, so ist es ja des Geistes, der im Fleische wohnet, unerläßliche Pflicht, dem Fleische seinen Naturdrang befriedigen zu lassen, um sich dann in der eigenen rein geistigen Sfäre wieder freier bewegen zu können!

09. Wenn der Geist also dem Muß in seinem Fleische, und zwar in dessen Drangperioden nachkommt; wenn er den Koth durch den Darmkanal von sich treibt, wenn er den Leib uriniren läßt, wenn er Speise und Trank zu sich nimmt, wie sie dem Fleische schmecken, wenn er ferners den lästigen Geschlechtstrieb, so dieser sein Opfer verlangt, auch nach Möglichkeit befriedigt, um darnach wieder einige Stunden Ruhe vor ihm zu haben; sage — kann das wohl je als eine Sünde deklarirt werden?! und ganz besonders hier, wo wir Beide hoffentlich für ewig von solcher groben Naturlapalie verschont bleiben; denn ohne Fleisch werden wir im Dienste des Fleisches wohl sicher ein ganz verdammt schlechtes Gesicht machen!?

10. Reden wir daher von was anderem, und lassen all' die vergangenen Naturfetzen das und dort sein, was und wo sie sind! Reden wir z. B. einmal etwas vom gestirnten Himmel! Das wird mich mehr erbauen, als die Aufwärmung meiner weiland — Naturfetzerei! —

11. Schau, Du mein liebster und höchst werthester Freund und Gott, und Alles, was Du mir gegenüber nur immer sein willst! ich kann mich zwar über mein gegenwärtiges Befinden gar nicht beklagen; denn ich bin weder durstig noch hungrig; mein ganzes Wesen plaget kein Schmerz, uud an Deiner Gesellschaft habe ich für die Ewigkeit genug; aber — so wir zu unseren gegenseitigen Belehrungsdebatten nur ein ums kennen besseres Plätzchen irgendwo ausfindig machen könnten, so wäre das wirklich gar nicht übel! denn hier sieht es schon ein für alle Male etwas zu luftig, ja man könnte sogar sagen, zu nichtsisch aus! außer diesen Putterbergleins, auf denen wir nun schon eine geraume Zeit beisammenstehen, ist nirgends etwas von irgend einer Wesenheit zu entdecken. Wenn wir nur irgendwo so ein Rasenplätzchen mit etwa einem ganz schlichten Landhüttchen entdecken könnten, und dasselbe für bleibend in den Besitz nehmen, so könnten wir daselbst unsere für mich wenigstens äußerst interessante Debatten mit vielmehr Animo (Gemüthlichkeit) vornehmen und durchführen!?

12. Besonders interessant wären da Worte von großer Bedeutung über die Sonnen und verschiedenen andern Weltkörper zu wechseln!? Aber nur nichts mehr von den — Gott Lob weiland — irdischen Lebensverhältnissen! Denn diese könnten mich mit größtem Hasse und Widerwillen erfüllen, so zwar, daß ich am Ende sogar mit Dir ganz und gar über nichts mehr zu reden im Stande wäre! Wenn es Dir alsonach möglich wäre, für uns Beide ein solches Plätzchen ausfindig zu machen, da sei von mir über alle Maaßen gebeten — dafür Deine Sorge und Weisheit in die gehörige Thätigkeit zu versetzen!"

37. Kapitel. Jesus über die Gefahr des Lobes für die Seelenentwicklung. Selbst Engelsfürsten brauchen Demut zum Geistesfortschritt. Demütiges Schuldbekenntnis dient wahrem Heil!

01. Rede Ich (Jesus): „Höre, du Mein lieber Freund und Bruder! Das wird sich nun nicht thun lassen, indem hier in der Welt der Geister nur das in die wesenhafte Erscheinlichkeit treten kann, was eine Menschenseele in ihrem Herzen mit herüberbringt; ist das Herz aber geistig ganz leer, wie es bei dir leider der Fall ist, trotzdem, daß du dagegen protestirest, so kann daraus auch nicht das allerkleinste Rasenplätzchen zum Vorscheine kommen!

02. Du sprachst auch, daß Ich dir lieber etwas vom gestirnten Himmel kund thun solle, als daß Ich dir deine irdischen Fehler vorrupfe; das glaube Ich dir recht gerne, denn einer jeden Seele ist das schon vom Urbeginne ihres Seins lieber, so sie gelobt, als so sie wenn auch gegründetstermaßen getadelt wird!

03. Aber glaube es Mir, jedes, auch sogar verdiente, Lob ist ein Gift für die Seele, und daher auch schädlich für den Geist. Wenn ich dir Feind wäre, oder sein könnte, da würde Ich dich loben, um dich dadurch zu verderben; da Ich aber dir sicher ein größter Freund bin, so muß Ich ja schon darum offen und aufrichtig mit dir reden, weil Ich dir ein wahrer Freund bin! denn ein schändlicher Schmeichler ist Jedem ein barster und gefährlichster Feind darum, daß er unter der Maske der Freundschaft gewöhnlich nur einen reißenden Wolf birgt. Ja Ich sage dir, du kannst dir nichts Aergeres anthun, als so du dich selbst lobest, und eine rechte Freude an deiner eigenen Vortrefflichkeit hast; denn dadurch versetzest du dir selbst einen barsten Todesstoß in dein eigenes Herz;

04. Ich habe darum es auch allen Meinen Jüngern strenge aufgetragen, sich auch sogar dann nicht zu loben, oder loben zu lassen, so sie auch Alles gethan haben werden, was nur immer Gott von ihnen haben will; denn auch da sollen sie von sich dennoch stets ganz ernstlich sagen und behaupten, daß sie nichts als unnütze Knechte waren!

05. Warum aber forderte Ich solches von den Jüngern? Siehe darum, weil Ich allein es nur zu klar sehe, was die Seele thun muß, um sich selbst durch die Freimachung ihres Geistes wahrhaft frei zu machen. Es giebt in der ganzen Unendlichkeit nur ein wirksames Mittel zur Erreichung dieses Zweckes, und dieses einzige Mittel heißt die Demuth des Herzens, im ganzen Umfange ihrer Bedeutung!

06. Die rechte vollkommene Demuth aber, die allein der Seele wahrhaft nützen kann, schließt auch selbst das schwächste, stillste und bescheidenste Selbstlob aus, weil durch dasselbe die Selbstliebe, welche ist eine Abwendung von der Gottheit, und daher in sich der rechte Tod, eine Nahrung bekommt, das heißt: eine Nahrung zum Verderben des Geistes, welches ist ein rechter Tod der Seele.

07. So Ich dich nun dazu auch noch loben möchte, da fürs Erste — alle deine irdischen Handlungen im Grunde nur Meinen gerechten Tadel verdienen, und fürs Zweite — in dir noch dazu eine große Gier nach Lob vorhanden ist, aus der heraus du dich selbst nur zu gerne vor Mir erheben möchtest, oder Mich wenigstens dahin bringen, daß Ich deine Weisheit anerkennete, und vor der Schärfe deines Verstandes so einen recht massiven Respekt bekommen solle, was würde da aus dir werden?!

08. Ich aber setze den Fall, daß es möglich wäre — solches an Mir zu bewirken, was käme dann für dich heraus? Siehe, nichts anderes, als daß Ich von dir als Besiegter weichen müßte, da Mich deine größere Stärke unterjochete, was aber in der Geisterwelt so viel sagen will, als seinen Gegner verschlingen, und sogestaltig aus der Erscheinlichkeit treten machen; die Folge davon wäre, daß du fürs Erste — wieder ganz allein dastehen würdest, und fürs Zweite — es dann wohl äußerst schwer halten würde, daß du je wieder zu einer Gesellschaft kämest; denn so Ich Jemanden verlassen würde, der wäre dann auch für ewig verlassen, und der wahre Tod müßte der ewige Antheil seiner Seele sein und bleiben!

09. Aber es ist so etwas wohl rein unmöglich; Niemand kann es mit Meiner Weisheit aufnehmen; selbst der größte Weise aus allen Sternen muß sich vor Meiner Weisheit beugen bis zur innersten Faser seines Lebens, und das ist heilsam sogar für den größten und tiefsinnigsten Engelsgeist; denn auch die größten Engel müssen demüthig sein, so sie ganz selig sein wollen, obschon ihr Weisheitsglanz jede Sonne zum finstern Klumpen umstalten müßte, so diese in seines Lichtes Sphäre käme!

10. um wie viel nothwendiger ist dir sonach eine rechte Demüthigung, der du noch ganz leer bist von allem, das dich nur wenigstens mit dem leisesten Schimmer eines reellen Seins erfüllen möchte! Beurtheile daher künftig genauer alles, was Ich dir vorhalten werde, und werde darob nicht erbost, sondern — bekenne deine Schuld vor Mir! und demüthige dich! so wirst du in Augenblicken weiter kommen, als so in Jahrtausenden!

11. Bedenke das wohl, und sage Mir es genau, was du thun wirst? und Ich werde Mich darnach richten von nun an."

38. Kapitel. Robert wundert sich, daß er noch nicht genug gedemütigt sei. Rückschau auf seine Erdenschicksale. Alles ward mir genommen. Züchtige mich, Jesus, aber verlasse mich nicht!

01. Spr. Robert: „Freund! Deine Worte sind wohl voll Ernstes, und Du scheinst es mit mir ganz ernstlich nehmen zu wollen, wofür ich Dir nur aus allen meinen Lebenskräften dankbar sein muß; aber wie Du mich als noch viel zu wenig gedemüthigt ansehen kannst, das ist mir völlig unbegreiflich! Bin ich denn, schon von meiner elenden Geburt angefangen, nicht durch alle möglichen allerwidrigsten Erfahrungen ohnehin bis auf den letzten Blutstropfen gedemüthigt worden?

02. Als ich mich trotz allen Hemmnissen mit der Zeit aus meinem angebornen Staube denn doch ein wenig nur zusammenraffte, da brachen Unruhen in meinem Staate aus, und siehe, ich dämpfte sie durch meinen sicher redlichsten Willen und Verstand, ohne mich darauf dafür vom Staate erhöhen und verehren zu lassen! Als darauf so zu sagen ganz Europa rebellisch ward, da wurde ich als ein Deputirter meines Staates nach Frankfurt abgesendet, und vertrat dort meinen Staat nach meiner möglichst besten Ansicht und Kenntniß, geleitet von einem mir bewußten guten Willen; denn wahrlich, es war nie nur im entferntesten Sinne meine Absicht gewesen, Jemanden zu schaden, sondern allein nur zu nützen, d. h. freilich nur in der Art, als wie ich es für die Völker nach meiner damaligen Ueberzeugung als nützlich erachtete; ob es ihnen aber wirklich zum Nutzen geworden wäre, so für sie meine Projekte realisirt worden wären, das ist freilich eine andere Frage; aber ich konnte damalen dennoch unmöglich anders reden und handeln, als wie ich es redlichster Maßen mit meinem Wissen und Gewissen für billig, gut und recht fand! Und ich meine, daß eine jede Rede und Handlung, die einem ganz redlichen Gemüthe entstammt, vor Gott und vor aller Welt als redlich anerkannt werden muß! Denn ich glaube, daß Gott auch nur auf die Redlichkeit des Willens, und nicht auf den Erfolg sieht, der ohnehin allzeit in der Hand der rein göttlichen Macht liegt?!

03. Als in Oestreich die wüthendsten Unruhen ausbrachen, da dachte ich daran, wie es mir in meinem Staate gelungen ist, einen Volksaufstand gegenüber dem Könige zu dämpfen, und dachte darnach auch, daß mir so etwas auch in Oestreich gelingen dürfte?! Ich faßte den Entschluß, dahin zu eilen;

04. als ich aber allda ankam, fand ich die Sachen beiweitem anders stehen, als wie ich sie mir in Frankfurt vorstellte. Das Volk war bedrückt und klagte laut über die Wortbrüchigkeit seines Regenten; die schwärzeste und geldsüchtigste Reaktion war allen Dynasten, und allen Aristokraten, Kaufleuten und Gold— und Silberjuden ohne Brillen von der Nase herabzulesen, das arme Volk wurde nur Luder und Canaillée benannt und gescholten, und Jeder, der mit dem armen über alle Maßen geistig und körperlich bedrückten Volke hielt, und ihm mit Gut, Blut, Rath und That helfen wollte, wurde als ein Volksaufwiegler und Meuterer aufgegriffen, und wie bekannt, ohne Gnade und Pardon um's irdische Leben gebracht, welche Ehre auch mir allerschnödest widerfuhr, was aber doch Niemand für eine Ehre halten wird?! Denn so man als ein sonst aller besseren und gebildeten Welt achtbarer und angesehener Mann, wie ein gemeinster Verbrecher vor den Augen gar vieler Menschen auf den Richtplatz hinausgeschleppt, und dort wie eine gemeinste Bestie erschossen wird, so glaube ich doch damit zur Genüge für jede Ehre, die einem je irgendwo zu Theil geworden ist, gedemüthigt worden zu sein?! —

05. Oder ist dir das auch noch zu wenig Demuth? Solle ich wohl noch, oder kann ich wohl noch mehr gedemüthigt werden?! Ich finde besonders in dieser meiner Lage, daß so was geradewegs unmöglich ist; denn weniger zu sein, und elender zu sein, als ich es nun bin, wird wohl kaum irgendwo ein Wesen sein!

06. Nichts habe ich, als Dich, meinen allergeliebtesten Freund ganz allein; Du bist mir Alles, mein Trost, mein größter Reichthum, meine einzige Entschädigung für alle meine irdischen Leiden und großen Demüthigungen! und Du — statt mich zu trösten, erweckest durch Deine weisheitsvollen Reden in mir auch noch eine Menge neuer qualvoller Bedenklichkeiten, die mein großes Elend nur vermehren, nie aber verringern können! — O sieh, Du mein geliebtester Freund, das ist etwas hart von dir!

07. Es mag wohl sein, daß Du mit mir alles dessen ungeachtet die besten Absichten hast; und so es mir möglich ist, das zu thun, was Du mir rathest, so kann das auch leichtlich mein größtes und ewiges Glück sein; aber nur das Einzige bedenke dabei, daß ich ein elendstes, und über alle menschlichen Begriffe unglückliches Wesen bin, das allerwahrst von allem, was das Gemüth aufrichtet und aufrichten könnte, vollends blank und leer ist, sonst wirst Du Deine sonst allerweisesten Lehren wenigstens also stellen, daß sie mich nicht allzusehr erschrecken und beängstigen möchten!

08. Ich will mich fürderhin auch gar nicht mehr auch nur mit dem schwächsten Gedanken loben; alle meine Handlungen sollen für ewig mit dem unvertilgbarsten Stempel der vollsten Schlechtheit und Verachtlichkeit gebrandmarkt werden und bleiben; gerne will ich vor Dir, so Du es verlangst, das letzte und werthloseste Wesen der ganzen Unendlichkeit sein!

09. Aber nur verlasse Du mich nicht! und mache mich dadurch nicht gar zu unendlich elend! Drohe mir ja nicht mehr mit Deiner Entfernung, sondern stärke mich mit der Versicherung, daß Du mich ewig nie verlassen werdest, so gebe ich Dir die allergetreueste Versicherung, daß ich Alles thun werde, was Du nur immer von mir verlangst!

10. Habe ich auf der Welt je und wie immer gesündiget, so züchtige mich dafür, und demüthige mich, so tief es nur immer möglich ist, und ich werde nie aufhören, Dich zu lieben; aber nur vom Verlassen rede nichts mehr; denn das wäre das Schrecklichste, was Du mir nur immer anthun möchtest!"

39. Kapitel. Gute Wendung bei Robert. Weitere Belehrung durch Jesus, u.a. über den Täufer Johannes als Wegbereiter Jesu. Robert erkennt allmählich die Wahrheit über Jesus.

01. Rede Ich (Jesus): „Nun, nun, Mein liebster Freund und Bruder, das werde Ich auch nicht thun; wir bleiben schon beisammen; aber freilich in der Art, wie wir nun beisammen sind, könnte sich's für künftige Dauer wohl nicht gar zu leicht realisiren lassen! denn damit würde dir und Mir wenig geholfen sein.

02. Aber Ich entdecke nun in dir im Ernste eine gute Wendung, und kann dich daher auch im Voraus versichern, daß es mit dir ehestens besser gehen werde; aber nur mußt du das, was Ich dir nun sagen und eröffnen werde, ganz genau nach Meiner Vorschrift erfassen, und darnach handeln mit deinem Herzen, so wirst du sogleich heller zu sehen anfangen, und es werden dir Dinge, über deren Wesenheit du nun noch sehr im Dunkeln bist, ganz klar und helle werden; und so höre Mich denn!

03. Siehe, in den Evangelien, allda von Johannes dem Täufer die Rede ist, heißt es unter anderem: „Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste nur, und bereite den Weg des Herrn; nicht würdig bin ich — Dem die Schuhriemen aufzulösen, der nach mir kommt. Ich taufe nur mit dem Wasser; Er aber wird taufen mit dem Geiste der Wahrheit, mit dem Geiste Gottes zum ewigen Leben! Dieser mein erhabenster Nachfolger wird wachsen unter euch und in euch; ich Johannes aber werde abnehmen!" Was wohl meinest du, was dieser größte aller Profeten damit hat sagen wollen?"

04. Spr. Robert: „Ja, Du mein bester, mein allerliebenswürdigster Freund! wenn ich das verstünde, so wäre ich wahrlich nie auf diesen traurigen Punkt zu stehen gekommen, auf dem ich nun stehe!

05. Wahrlich, diese von mir nie verstandenen Texte waren ja eben (am meisten) Schuld, daß ich an Deiner Gottheit zu zweifeln begann, und konnte nimmer aus diesen Zweifeln kommen, was denn auch ein Hauptgrund war, daß ich ein Neukatholik wurde.

06. Daher sei Du nur gleich so gut, und erkläre mir diese höchst mystisch klingenden Texte; denn ich könnte mich wohl ganz vom A— Z umkehren, so würde ich die eigentliche Bedeutung dieser, wie noch gar mancher anderer Texte, nimmer herausbringen!"

07. Rede Ich (Jesus): „Nun, so höre denn! — Johannes (der Täufer) ist im Leibe der Kirche das, was da ist der äußere Weltverstand bei jeglichem Menschen; und eines jeden Menschen Verstand solle also beschaffen sein, wie da beschaffen war der Johannes. Wie der Johannes vor Mir den Weg bereitet hat, also solle auch ein rechter äußerer (Kopf—)Verstand den Weg zum Verstande des Herzens anbahnen; welcher Herzensverstand da gleich ist Mir Selbst, indem Ich Selbst diesen Verstand aus Meinem Geiste nehme, und ihn wie ein guter Säemann in das Erdreich des Herzens einlege, welches Erdreich aber da ist die rechte Liebe, die durch die Demuth und Sanftmuth bestens gedünget wird.

08. Johannes ist auch eines Rufers Stimme in der Wüste; das muß auch ein rechter äußerer Verstand sein; denn die Welt, aus der der Verstand seine ersten Begriffe schöpft, ist eine Wüste, und das darum nothwendig, weil sonst kein Mensch von der Gottheit völlig abgelöst und frei gestellet werden könnte, was Ich dir schon früher einmal gezeigt habe. Da aber die Welt nothwendig eine Wüste ist, so ist der äußere Verstand, der zum Theile aus eben dieser Wüste, zum Theile aber auch aus den Himmeln — entweder durch mittel— oder unmittelbare Offenbarungen seine Begriffe, Ideen, und daraus hervorgehenden Urtheile schöpft, aber auch eben durch die Aufnahme der geoffenbarten Wahrheiten aus den Himmeln die Stimme eines Rufers in der Wüste, — und bereitet durch den Glauben die Wege zum Verständnisse des Herzens.

09. Dieser rechte äußere Verstand tauft sonach die Seele mit dem Wasser der Demuth, und des willigen Gehorsams; während der Verstand des Herzens, in dem der ewige Geist aus Gott wohnet, durch die Erweckung eben dieses Geistes nothwendig mit diesem Geiste taufen muß, weil dieser Geist aus Gott das wahre Licht, die vollste und hellste Wahrheit, die Liebe und somit das ewige Leben selbst ist.

10. Es versteht sich demnach auch schon von selbst, daß der äußere Verstand da nothwendig abnehmen, ja endlich sogar gefangen genommen und enthauptet werden muß, so der wahre Herzens verstand, der Mich Selbst darstellet, in eines jeden Menschen Herzen zunimmt, und wächst zum herrlichsten Baume des wahren ewigen Lebens, in dem da ist alle vollkommene Erkenntniß; also daß demnach der äußere Verstand auch wahrlich nicht Werth ist, dem Verstande des Herzens die Schuhriemen zu lösen, das wird etwa doch auch eben so klar sein, als wie klar es dir selbst sein muß, daß das Licht einer Nachtlampe denn doch bei weitem unbedeutender ist, als das Licht der Sonne am hellsten Mittage!

11. Ich will nun auch nichts mehr von deinen irdischen Thaten erwähnen, ob sie recht oder nicht recht waren; denn sie flossen ja alle aus deinem äußersten Verstande, in dem die Stimme des Rufers gar nicht durchdringen konnte, weil das zu große Geräusch der Wüste, die da ist die eigentliche (Gott— und Johannes)lose Welt, den eigentlichen Johannes, der da ist Meine geoffenbarte Lehre, übertäuben mußte! Denn so durch eine Wüste große Orkane toben, und Donner rollen, und mächtige Sturzbäche rauschen, da geht des Rufers Stimme wohl nur zu leicht unter, und das Gericht und der Tod hält dann ungestört sein Erntefest!

12. Aber Ich komme dann auch zu retten, was noch zu retten ist; nur freilich nicht also, als wie auf einem vom Johannes bereiteten Wege, sondern — wie ein Blitz, der vom Aufgange bis zum Niedergange leuchtet, wie es eben bei dir nun der unverkennbare Fall ist! Wer da das Licht des Blitzes annimmt, der wird gerettet; wer aber dieses Licht nicht annimmt, der geht zu Grunde; d. h. er begiebt sich dann auf einen Weg, auf dem es sehr schwer wird, jenes Ziel zu erlangen, das ihm Gott gestellet hat!

13. Du aber hast das Licht des Blitzes wohl ergriffen, daher kam auch der Retter Selbst zu dir, und führet dich nun des rechten Weges. Aber du mußt nun auch dem Retter willig folgen, und mußt Ihm durch deinen äußern Verstand keine Hemmnisse in den Weg legen, sonst verzögerst du nur selbst die Erreichung jenes Zieles, das dir eben der Retter Selbst gestellet hat.

14. Was wirst du nun thun? auf diese dir gemachte Erläuterung jener Texte, die dir nach deinem eigenen Geständnisse Den verbargen, Den du am allerklarsten hättest erkennen und erschauen sollen?!" —

15. Spr. Robert nach einer nachdenkenden Weile: „O Freund! ja endlos mehr, als nur ein Freund! Nun erst fängt es in mir auf einmal an — ganz gewaltig zu tagen! O Herr, o HErr, o HERR! wie kannst Du bei mir verweilen? denn ich bin ja ein Sünder! —

16. Was wohl hielt meine Augen, daß ich Dich nicht erkannte?! — Wohl sagte mir meine starke Liebe zu Dir, daß Du mehr sein mußt, als für was Dich mein elender Verstand hielt; aber ein Teufel, oder wer schob mir stets eine Decke vor die Augen! — Aber nun, nun, nun, erkenne ich die endlose Kluft zwischen mir und Dir, und kann nun nichts anderes sagen, als: O Du mein großer Gott und Herr! sei gnädig und barmherzig mir ärmsten und zugleich dümmsten Sünder vor Dir!!"

40. Kapitel. Neues Leben aus dem göttlichen Geiste beginnt in Robert. Jesu Ankündigung einer neuen Freiheitsprobe auf höhrer Erkenntnisstufe. Verhaltungswinke dafür.

01. Rede Ich (der HErr Jesus): „Liebster Bruder und Freund! Ich sage dir, deine Sünden sind dir vergeben, dieweil du dich also gedemüthiget hast, daß du den Werth deines Außenverstandes gänzlich hintangabst, und nahmst dafür den Verstand des Herzens an; daher solle auch von nun an von allen deinen irdischen Gebrechen ewig keine Rede mehr sein!

02. Du hast daher von nun angefangen eine ganz neue Lebensepoche zu beginnen, in der du eine nochmalige Freiheitsprobe durchmachen mußt. In dieser Probe wird dir die Gelegenheit geboten werden, deinen alten und irdischen Menschen ganz auszuziehen, und dafür den innern, der aus Mir ist, vollends auftauchen zu machen.

03. Bis jetzt warst du ganz gesellschaftslos, und hattest auch keinen Grund und keinen Boden, auf den du deine Füße hättest stellen mögen; der magere Boden, auf dem wir Beide uns noch befinden, entspricht genau jenen von dir angenommenen, und auch nach deinem Geständnisse gehandhabten Lehrsätzen, die du als ein Neukatholik Meinem Evangelium entnommen hast, und Ich Selbst kam dir auch gerade also entgegen, als wie du Mich auf der Erde mit Hülfe deines Verstandes in deinem Gemüthe ausgebildet hast, nehmlich: als ein blos nur sehr weiser Lehrer der Vorzeit; aber also konnte Ich wohl nicht verbleiben, sondern mußte dich dahin leiten durch allerlei Lehre, daß du Mich denn endlich doch aus dir selbst als das erkennen mußtest, was Ich von Ewigkeit her bin, und auch hinfort ewig sein werde!

04. Aber mit dieser Erkenntniß allein ist es noch beiweitem nicht genug; sondern du mußt, um das wahre Himmelreich zu erlangen, dieses Erkenntniß auch mit der wahren Liebe zum Nächsten, und daraus mit aller Liebe zu Mir beleben!

05. Daher werde Ich dich nun sogleich an einen Ort hinbringen, wo es dir an Gesellschaften verschiedener Art durchaus nicht fehlen wird; du sollst einen ansehnlichen Grund mit einem großen und wohl eingerichteten Wohnhause überkommen, und das an einer Hauptstraße, und in einer sehr anmuthigen Gegend; auch für eine zahlreiche Dienerschaft wird gesorget sein, die dir auf den leisesten Wink gehorchen wird.

06. Viele Reisende von der Erde in diese Welt — werden an deiner Wohnung und Wirtschaft vorüberziehen, und Viele werden bei dir zusprechen; darunter werden sein Freunde und Feinde; aber da sehe du darauf, daß du sie Alle mit der rechten Liebe empfängst, und ihnen reichest, dessen sie bedürfen, und das alles darum, weil sie alle Meine Kinder, und somit auch deine Brüder sind, so wirst du dadurch das alles vielfach wieder gut machen, was du auf der Erde, freilich nicht mit deinem Willen, sondern lediglich nur mit deinem geistigen Unverstande verdorben hast; und Ich Selbst werde dann wieder zu dir kommen, und werde zu dir sagen: Weil du bei dieser kleinen Haushaltung so gut gewirthschaftet hast, so sollst du nun über Großes gesetzet werden!

07. Vor allem aber nehme dich in Acht vor Zorn, Rache, wie auch vor unreiner Liebe, wozu es dir an Gelegenheiten nicht fehlen wird, so wird diese deine neue Lebensaufgabe ehestens gelöst sein, und dein wahres, ewiges Lebensglück wird von da an erst seinen hellsten Anfang nehmen!

08. Also hüte dich auch vor der Neugierde; denn diese macht keinen Geist besser und heller, sondern nur gar zu leicht schlechter und finsterer! Wo deine Kräfte nicht auslangen sollen, das opfere nur allemale Mir auf, und es solle dir dann sobald eine rechte Hülfe werden.

09. Nun weißt du Alles; daher sage es Mir nun, wie du mit diesem Meinem Antrage zufrieden bist? — Worauf wir uns dann aber auch sogleich an dem bestimmten Orte befinden werden!"

41. Kapitel. Robert zu Jesus: "Dein Wille sei mein Leben — nur verlasse mich nicht!" Jesu Antwort.

01. Spr. Robert: „O Herr! o Du meine nun und ewig ganz alleinige Liebe! alles, alles ist mir ja unaussprechlich vollkommenst recht, was immer Du mit mir armen Sünder verfügen willst und wirst; denn ich kann das alles nur als Deine unermeßlichste Gnade und Erbarmung ansehen! — Was wohl bin ich vor dir?! — Was ist der Staub gegen Den, der den ewig endlosen Raum mit Seiner alleinigen Macht ausgespannet hat, und erfüllet mit den zahllosesten Wunderwerken Seiner ewigen Liebe und Weisheit?! — Ich bin nur ein durch Deine Gnade belebter Staub vor Dir; Dein heiliger Wille ist mein Leben! Wie solle mir da etwas etwa gar unrecht sein, was Du mit mir bestimmest?! O Herr! Dein Name werde geheiliget, und Dein Wille sei mein Leben!

02. Was ich nur immer vermag, das werde ich sicher auch mit dem freudigsten Herzen thun! Denn Du, Du, o mein Gott und mein Herr, und meine alleinige Liebe hast es mir nun ja Selbst geboten! Und wie solle mir das, was Du, o Herr, o Vater, mir gebietest, nicht über alles, alles, alles heilig, überwerth, und in aller meiner Liebe zu Dir im höchsten Grade angenehm sein!?

03. Nur, daß Du mich sichtlich wieder verlassen wirst, wie ichs aus Deiner heiligen Unterweisung entnahm, das wird mich freilich wohl überschmerzlich berühren! Aber es ist ja auch Dein heiliger Wille, und dieser wird Dich Selbst mir wiedergeben, wenn mein Herz Deiner vielleicht doch einmal würdiger sein wird als jetzt, wo es zu unheilig vor Deiner zu endlosen Heiligkeit nahe vergehen könnte, aus einer gerechten Schande, — darum es so lange gar so unbegreiflich blind und stumpf hatte sein mögen, Dich nicht nur nicht auf den ersten Augenblick zu erkennen; sondern Dir sogar spitzig und widerspänstig zu begegnen!

04. O Herr! O Herr! mein zu großer Unsinn lähmt mir nun wahrlich die allzeit dumme Zunge, daß ich nahe gänzlich unvermögend bin, noch länger Dir, o Du Heiligster, gegenüber Rede zu stehen; daher geschehe nur so bald als möglich Dein heiligster Wille!"

05. Rede Ich: „Nun, nun, Mein geliebtester Bruder!

06. (Bittet Robert inzwischen: O Herr! nenne mich Staub und nichts vor Dir, doch nicht einen Bruder! Denn wie solle, das nichts ist, Dir ein Bruder sein?")

07. (Der HErr): „Mache dir nichts daraus; denn Ich weiß es wohl am Besten, ob und wie du Mir auch ein rechter Bruder bist; daher mache dir nun nicht gar so viel daraus! denn Ich ersehe in dir so eben etwas, und zwar in deinem Herzen, das sich nun plötzlich gestaltet hat; und so werden wir Beide bei deiner nächsten Lebensfreiheitsprobe eben nicht so ferne von einander abstehen, als du es dir vorstellest! Denn so Jemand mit solcher Liebe aufzublühen anfängt, wie da nun die deinige sich nun plötzlich zu gestalten beginnt, Dessen Weg fürderhin wird mit sehr wenig Steinen zum Anstoße beleget sein!

08. Schau, schau, du Mein lieber Robert du, deine Sünden sind alle hinweg, und Ich liebe dich ja ganz unbeschreiblich, weil du Mich nun gar so sehr zu lieben anfängst; und da Ich dich so sehr liebe, wie solle Ich dich demnach verlassen können!? O nein! o nein! Fürchte dich nicht;

09. da du Mich so sehr liebst, so werde Ich dich nicht verlassen, sondern werde mit dir in dein Wohnhaus einziehen, und mit dir arbeiten; denn da du Mich gar so sehr zu lieben anfängst, so will Ich dir auch Vieles erlassen, was du sonst noch nothwendig zu bestehen haben müßtest! Denn — wer viel Liebe hat, dem wird auch viel vergeben werden!

10. du wirst zwar alles sehen und durchmachen, was Ich dir ehedem zugesagt habe; aber an Meiner Seite! Sage Mir nun, du Mein geliebtester Bruder, ob Dir dieser Antrag lieber ist, als der frühere?"

42. Kapitel. Jesus als wahrer Bruder. Gleichnis vom Scheibenschießen. Nach der Liebe zu Jesus bestimmt sich alles. Neue, geistige Wohnwelt Roberts und die ersten Gäste.

01. „O Herr," spricht Robert — nach einer Weile, „wenn Du mich Sünder vor Dir nur doch nicht „Bruder" nennen möchtest! denn solch einer zu ungeheuern Gnade bin ich ja doch ewig nicht Werth!"

02. Sage Ich: „Lasse das nur gut sein; es lebt ja nun Mein Ebenmaaß in dir; durch deine Liebe zu Mir bist du ja in Mir, wie Ich in dir, und so sind wir Eins in der Liebe; und siehe, diese Einheit ist ein rechter Bruder; sind wir auch ein jeder für sich ein vollkommenes Individuum, so beirret aber das dennoch die intimste Verbrüderung nicht, die da ist eine rechte Einung durch die Liebe; denn es giebt nur Eine wahre Liebe, und Ein wahres Gute, und diese Liebe und dieses Gute ist gleich und somit Eines in allen Engeln und andern seligen Geistern, und ist vollkommen gleich Meiner Liebe und all dem Guten aus ihr, und siehe, diese völlige Gleichheit heißet wahrhaft „ein Bruder!"

03. Und so bist du Mir — zufolge deiner nun wahren Liebe zu Mir in dir — auch ein wahrer Bruder, so wie Ich einst auf der Erde Alle, die Mir werkthätig nachfolgten, Brüder nannte, nicht etwa aus einer Art freundlicher Höflichkeit, sondern aus gegründetster, vollster Wahrheit heraus. Also mache dir nun künftig nichts mehr daraus, so Ich dich Bruder nenne; denn nun weißt du es schon, warum?

04. Nun aber sage Mir's auch, ob dir dieser zweite Antrag lieber ist, als der erste?"

05. Spricht Robert: „O Herr! Du zu überguter heiliger Vater aller Menschen und Engel, da ist ja gar nichts mehr zu sagen, und jeder Vergleich fällt da von selbst hinweg; denn was Du bestimmest, möge es so oder so gestaltet sein, so ist es schon allzeit das Allerbeste, darum, da Du als die endloseste Güte Selbst es also bestimmet hast; daß aber mir der zweite Antrag doch offenbarst lieber sein muß als der erste, das versteht sich schon von Ewigkeit von selbst; denn Dich, o Du liebevollster Vater, wenn auch nur der Erscheinlichkeit nach zu missen, wird doch sicher keinem Wesen, das Dich so unbeschreiblich liebt, wie ich nun, eben so angenehm und beseligend sein, als so es Dich, als sein Alles, Alles, Alles auch persönlich sichtbar an seiner Seite hat!

06. Aber, da Du mir nun gar so endlos gnädig und barmherzig bist, so bitte ich Dich aus aller Tiefe meines Herzens aber auch, daß Du mir gnädigst anzeigen möchtest, was ich wohl thun solle, damit ich solcher Deiner Gnade und Liebe denn doch wenigstens um ein Haar würdiger wäre, als ich es leider bis jetzt war? O Herr! zeige, zeige mir doch solches gnädigst an!

07. Rede Ich: „Höre, du Mein geliebtester Bruder! du hast auf der Erde wohl zu öftern Malen ein Spiel gesehen unter dem Namen: das Scheiben— oder Bestschießen? — du sprichst in dir: O ja, hab' öfter selbst mitgeschossen, und sogar manchmal ein Bestes gewonnen; — — da sage Mir, wie, und durch welches Verdienst gegenüber dem Bestgeber hast du dir wohl das Beste erworben? es mußten ja doch Alle, die durch die Schüsse gleich dir ums Beste sich bewarben, ein gleiches Leggeld geben, und dennoch gewannst du das Beste?

08. Du sprichst nun in dir: (Rob.:) „Weil ich das Zentrum der Scheibe glücklicher Weise getroffen habe! Es hatte der Bestgeber dadurch freilich wohl im Grunde keinen Nutzen, daß ich's Beste gewann; denn die Leggelder, oder vielmehr deren Bestabzüge von den Leggeldern wären dem Bestgeber noch zum Gewinne geblieben, so Niemand das Beste durch einen Zentralschuß gewonnen hätte; aber er hatte dennoch eine große Freude mit mir, darum ich einen Zentralschuß gemacht habe."

09. (Der HErr:) „Gut, Mein geliebtester Bruder; siehe, also geht es auch bei Mir; Ich bin ein ewiger Bestgeber allen Meinen Geschöpfen, und besonders den aus ihnen hervorgehenden Kindern; die Schießscheibe ist Mein Vaterherz, die Schützen sind Meine Kinder, ihre Schießgewehre sind ihre eigenen Herzen, und das Beste bin wieder Ich Selbst, und das vollkommenste ewige Leben mit Mir und aus Mir!

10. Was wohl haben demnach die Kinder zu thun, welches Verdienst haben sie sich zu erwerben, um das von Mir für sie bestimmte Beste zu gewinnen? Siehe, nichts anderes als recht scharf ihre Herzen zu laden, und damit auf das Zentrum Meines Herzens zu schießen; und so sie es gar leicht treffen, so haben sie dann auch schon das Beste in der Tasche ihres Lebens. Und bei Mir geht es um so leichter, weil Ich gar keine Leggelder brauche, da Ich jedem ein ganz vollkommenes Freischießen gebe.

11. Wie du aber nach deinem eignen Geständnisse auf der Erde manchmal ein Hauptschütze warst, so ist es dir auch hier gelungen, ebenfalls das Zentrum Meines Herzens mit dem deinen zu treffen, und so hast du nun auch schon Alles, was Ich von Dir verlange, nehmlich die wahre Liebe; diese allein macht dich aller Meiner Gegenliebe würdig, da sie vor Mir allein als ein wahres Verdienst angesehen und anerkannt wird; — was sollen da noch irgend andere Verdienste um Meine Gnade vonnöthen sein? Daher sei auch deshalb ruhig; denn so Ich mit dir zufrieden bin, was solltest du denn daneben wohl noch wollen? Siehe, Ich kenne nichts, und so Ich nichts weiteres kenne, so möchte Ich denn doch wissen, wie du da noch etwas Weiteres, Größeres und Meiner Würdigeres thun sollest!? —

12. Ah, — wie du aber diese Meine Liebe in dir auch Andern deiner verschiedenartigen Mitbrüder wirst mitzutheilen haben, das wirst du wohl noch durch deine künftige Stellung dir erst eigen zu machen bekommen, was dir aber auch zu keinem höheren Verdienste angerechnet wird; denn diese größere Vervollkommnung deines Wesens wird dir nur darum zu Theile, daß du dadurch selbst desto seliger werden wirst können, also nur ein lediges Bene für dich; aber von einem Meiner Gnade würdiger werden kann ewig keine Rede mehr sein, indem du unmöglich mehr thun kannst — als Mich über Alles lieben, was allein Ich auch von dir, wie von jedem Andern, verlange.

13. Sei also nun ganz unbesorgt wegen der größeren Verdienste, deren Ich ewig nicht benöthige, und habe nun Acht, was jetzt vor deinen Augen vor sich gehen wird.

14. Siehe, wir sind nun noch auf unserer dürftigsten kleinen Welt beisammen, und du erschauest noch nichts außer dieser Welt, die uns einen kärglichen Standpunkt bietet. Du hast gemeint, diese Welt ist so ein kleiner angehender Komet, aus dem sich etwa nach Trillionen von Erdjahren allenfalls ein Planet bilden könnte, und entstehe etwa zufolge der Anziehungskraft Meines Wesens, durch die sich Atome aus dem endlosen Aether um Mich her versammeln; — allein, dem ist nicht also, sondern ganz anders.

15. Siehe, diese kleine, sehr nackte und dürftige Welt ist aus dir, und entspricht völlig deinem bisherigen inneren Zustande, in und aus dem freilich Ich wohl das Allerbeste bin. So also, wie diese Welt, und wie du Mich auf ihr zuerst erschautest, war dein Inneres beschaffen; der Grund klein und schwach, und Ich auf diesem Grunde nur als ein purer Mensch!

16. Nun aber, als dein Herz Mich erkannte, und in aller Liebe zu Mir erbrannte, wird aus dieser kleinen und sehr dürftigen Welt sogleich eine größere und festere und reichere hervorgehen!

17. Ich halte nun noch die innere Blende in dir, daß sich das starke Licht deines Geistes noch nicht in die Seele ergießen kann; aber so Ich nun in dir diese Blende zerreißen werde, wie einst den Vorhang des Tempels, wodurch das Allerheiligste frei gegeben wurde, so wirst du sogleich eine ganz andere Welt erschauen, und dich verwundern über alles! — Und so habe denn nun recht Acht!"

43. Kapitel. Roberts neue, herrliche Welt. Worte staunenden Dankes und innigster Liebe. — "Beruhige dich, diese Welt ist aus dir!" Gleichnis vom Wunder der Kinderzeugung.

01. Robert schaut nun voll der größten Aufmerksamkeit um sich herum, um bald irgendwo eine bessere und größere Welt zu erschauen, aber es will sich dennoch keine so schnell zeigen, als er sie nun auf meine Worte erwartet. Er strengt seine Augen noch mehr an, und schaut nach aufwärts, ob nicht von Oben als aus den Himmeln, nach seiner Idee, die verheißene neue bessere Welt niedersteigen möchte?! — aber es kommt auch von da nichts!

02. Nach einer Weile gespanntester, und in einer Hinsicht vergeblicher Erwartung wendet er sich wieder an Mich, und spricht: (Robert:) „Allerhöchst Erhabenster, ewiger Meister und Schöpfer der Unendlichkeit, Du mein heiligster liebevollster Vater! — siehe, ich schaue mir schon fast die Augen aus, und es kommt denn doch noch keine andere Welt zum Vorscheine! Woran mag es nun da wohl liegen? — Es wird höchst wahrscheinlich da wohl bei mir noch irgend einen Haken haben; aber wo?! — das bringe ich durchaus nicht heraus; daher möchte ich Dich wohl bitten, mir diesen Grund zu zeigen!

03. O Herr, so es Dir wohlgefällig wäre, da ziehe Du mir endlich einmal die Decke von den Augen!"

04. Rede Ich: „Nun Bruder! Ich sage dir, thue dich auf!— — Was sagst denn du nun? Woher kam diese Gegend? und wie gefällt sie dir?" —

05. Robert blickt, vor Freuden sich kaum fassen könnend, nach allen Seiten über alle Maßen erstaunt um sich; denn er ersieht nun in größter Klarheit die herrlichsten Fluren rings um sich herum; auch die schönsten und kühnsten Gebirgsgruppen begrenzen den weitgedehnten Gesichtskreis; mitten aus den herrlichen Fluren ragen auch kleine hellgrüne Hügel empor, an deren Füßen gar niedliche Wohnhäuser angebauet — sich Roberts staunendem Auge zur Beschauung darbieten; und in der Nähe steht ein großes herrliches Gebäude, um das ein gar üppiger frucht— und blüthenreicher Garten sich ausbreitet. Ueber diese herrliche Gegend wölbet sich ein reinster hellblauer Himmel, an dem zwar noch keine Sonne zu erschauen ist, aber dafür desto mehr der schönsten Sterngruppen, von deren einzelnen Sternen der kleinste heller glänzet, als auf der Erde die Venus in ihrem hellsten Lichte; daher denn auch diese Gegend durch das schönste Licht dieser vielen tausend Sterne nahe stärker erleuchtet ist, als die Erde von der Mittagssonne.

06. Robert kann sich kaum satt schauen und sehen, an dieser für ihn mehr als zauberhaft schönsten Gegend. Nach einer geraumen Weile seines Schauens und Staunens fällt er vor Mir auf seine Knie nieder, starrt Mich eine Weile ganz liebetrunken an, und preßt dann förmlich aus seiner Brust folgende Worte:

07. (Robert:) „O Gott, o Vater! o Du allmächtigster Schöpfer nie geahnter Wunderwerke! wie solle denn ich reinstes Nichts vor Dir, Dich zu loben und zu preisen anfangen, und wo enden mit dem ewigsten Lobe?! Ach, ach, wie endlos groß muß Deine Weisheit und Macht sein, daß Du mit dem leisesten Winke solch eine Schöpfung zuwege bringen kannst?!

08. und doch stehest Du also bei mir da, wie ein anderer ganz gewöhnlicher Mensch! — Ja, das erst macht Dich noch endlos größer, liebens— und anbetungswürdiger, daß Du äußerlich nicht mehr zu sein scheinest, als wie da ist ein ganz gewöhnlicher Mensch; aber so Du sprichst und gebietest, so entströmen Deinem Munde zahllose Welten, Sonnen, Engel und Myriaden anderer Wesen von nie geahnter Wunderpracht und Herrlichkeit!

09. O Herr! wer kann Dich je fassen! und wer begreifen Deine Liebe, Weisheit und Allmacht—Größe! — O mein Gott, o mein Gott! ich bin wohl nur ein ärmster Sünder vor Dir, und kann nichts als Dich lieben, lieben und lieben! Ich bin so verliebt nun in Dich, daß ich mir vor lauter Liebe gar nicht zu helfen weiß! O Du liebster, herrlichster Jesu Du! Wer auf der Erde begreift es, daß Du, und gerade Du, und sonst ewig nirgends wo ein anderes Wesen, das allerhöchste urewigste Gottwesen Selbst bist!?

10. Und Du, Du, Du! bist hier bei mir armen Sünder, bei mir, als Einem, den die Welt verflucht und gerichtet hat!? O Du Liebe der Liebe! Ach, ach! O Herr, o Vater, o Gott! und Du nennst mich, den von der Welt Verfluchten — einen Bruder! Nein, nein! Du bist zu groß, und Deine Liebe ist zu furchtbar groß! — wie kann ein Verfluchter neben Dir sein?! Wie nennst Du ihn einen Bruder!? O schaffe, schaffe in mir Kräfte, daß ich Dich für solche Deine zu endlose Güte und Herablassung mit der Gluth aller Sonnen, die der endloseste Raum fasset, lieben kann!"

11. Rede Ich: „Mein liebster Bruder! Es erfreut Mein Herz wohl gar sehr, daß du Mich also preisest in deinem Herzen darum, daß Ich dir nun gewisserart die Decke von deinen Augen nahm, und du nun wieder schauest eine Gegend, die herrlicher ist, als die schönste auf Erden, und heller als ein reinster Mittag des gelobten Landes!

12. Mit Recht lobest du Meine Liebe, Weisheit, Macht und Thatengröße; denn wahrlich, ob du Mich auch lobetest mit der Zunge aller Engel, so würdest du dennoch ewig nicht den kleinsten Theil Meiner göttlichen Größe und Vollkommenheit geziemend durchzupreisen im Stande sein!

13. Daß du Mich aus allen deinen Kräften liebst, das wohl ist Mir das angenehmste Lob; denn nur durch die alleinige Liebe bin Ich als Vater für jene Geschöpfe, die Meine Kinder sind, erreichbar; durch die Weisheit aber ewig nicht; denn alle Weisheit aller Meiner ohne Zahl und Ende vorhandenseienden Engel und Geister ist gegen Meine ewige Weisheit kaum das, was da ist ein Thautröpfchen gegen das ewige Aethermeer, das da erfüllet den unendlichen Raum!

14. Da du Mich aber also liebst, wie es Meine Ordnung will, und aus dieser Liebe heraus Mich lobst, so ist auch dein Lob gerecht, obschon hier gerade nicht nöthig; denn siehe, alles das, was du nun siehst, ist eigentlich dein Werk; es ist insoweit freilich wohl auch Mein Werk, als du selbst Mein Werk bist, aber sonderheitlich ist das alles gerade also nur dein Werk, als wie es auf der Erde dein Werk war, was du gemacht hast.

15. Freilich wohl fragst du nun in dir, und sagst: (Rob.:) O Herr! wie ist das möglich?! Wenn das mein Werk wäre, da müßte ich selbst denn doch in mir irgend ein Bewußtsein haben, das mir kund thäte, wie ich es doch angefangen habe, solche Herrlichkeiten und solche Größen zu erschaffen?! Aber ich habe in mir auch nicht eine allerleiseste Ahnung davon!"

16. (Der HErr:) „Das ist wohl vor der Hand wahr, daß du dessen noch nicht inne werden kannst, wie so etwas wohl möglich sein könnte! Aber es thut das nichts; zeugtest du doch auf der Erde auch Menschen, von denen jedes ein endlosmal größeres Wunderwerk ist, als alles was du hier siehst; — wußtest du wohl darum, daß du durch die ganz einfache und stumme Zeugung solche für dich noch lange nicht völlig begreiflichen Wunderdinge bewerkstelligtest, und wie, und nach welchem vorgefaßten Plane?

17. Und doch warst du es, und nicht Ich, der du mit deinem Weibe solche Wunder zeugetest. Freilich bin wohl Ich da wieder der Urheber, und der alleinige Plan— und Ordnungssteller, und habe die Sache also eingerichtet, daß durch den Akt der Zeugung ein Mensch werden muß; aber trotz all dem muß denn doch auch der willkürliche Akt der Zeugung von seite der Menschen hinzu kommen, so ein neuer Mensch gestaltet werden solle!

18. Darum staune nun auch nicht zu sehr, so Ich zu dir sage: Siehe, das alles ist dein eigen Werk, daher ist auch alles dein, was du hier anschauest! Denn siehst du diese Sache jetzt auch noch nicht völlig klar ein, so wird schon noch eine geistige Zeit kommen, in der du das einsehen wirst. Nun aber zu was anderem!

44. Kapitel. Roberts neue Aufgabe im neuen Heim. Erste Gesellschaft — die im Kampfe gefallenen politischen Freunde aus Wien. Roberts nachdrückliche Belehrung an die stürmischen Gäste.

01. (Der HErr:) „Du siehst hier vor uns in unserer nächsten Nähe ein recht großes und herrliches Wohngebäude! Sieh', das wirst du nun bewohnen, und Ich werde bei dir sein zeitweilig, woraus du dir aber eben nichts zu machen brauchst; denn Ich werde allezeit und allemale bei dir sein, und dir helfen, so oft du Mich nur immer in deinem Herzen berufen wirst; was aber eben so viel sagen will, als: Ich bleibe stets bei dir!

02. Du wirst auch keinesweges etwa allein sein, so Ich Mich auch dann und wann auf Momente sichtlich von dir entfernen werde; denn du wirst in diesem deinem Hause eine bei weitem größere Gesellschaft finden, als du sie je irgendwo zu finden vermeinen möchtest! Im gleichen Maaße ist auch diese ganze Gegend, so weit nur immer deine Augen reichen, vollauf bewohnt, daher es dir von nun an um eine Gesellschaft auch nimmer bange zu sein braucht.

03. Aber Ich sage dir, daß diese Gesellschaften zumeist sehr radikaler Art sind; es wird daher eine Hauptaufgabe von deiner Seite sein, alle diese Radikalen auf den gleichen Weg zu bringen, als auf welchen nun Ich dich gebracht habe; wird dir dieses Werk gelingen, so wirst du dann noch ganz andere Wunderdinge zu entdecken anfangen, als wie du sie nun bis jetzt an Meiner Seite entdecket hast! Denn eben dadurch wirst du erst so recht in deine eigene Schatz— und Wunderkammer eingehen, in der sich dir Dinge offenbaren werden, von denen dir bisher noch nie etwas geträumt hat!

04. Vor Allem aber mußt du das beobachten, daß du Mich an gar keinen aller derer, die dir hier bald entgegenkommen werden, verrathest! Denn sie Alle kennen Mich nicht, da es mit ihrem Glauben noch mangelhafter aussieht, als es mit dem deinigen ausgesehen hat! — Und so du Mich ihnen vor der Zeit verriethest, so würdest du ihnen dadurch um Vieles mehr schaden als nützen! Daher sei du da vorsichtig.

05. Nun aber folge Mir durch den Garten in dein Haus; an der Flur des Hauses wird uns eine große Gesellschaft empfangen."

06. Ich gehe nun voran, und der Robert folgt Mir, in der allergrößten Liebe, Ehrfurcht und Demuth auf dem Fuße nach.

07. Als wir durch den Garten vor eine gar herrlich geformte Hausflur gelangen, da strömen aus derselben Massen von Menschen beiderlei Geschlechtes, und schreien ein lautes „Vivat hoch! — Hoch lebe unser hochverehrtester Robert Blum, der größte Volksfreund Europas; Vivat — hoch — dir, du erster und größter Deutsche des 109] Jahrhunderts! Willkommen, 1000 Male willkommen, du unser größter Freund, und muthvollster Anführer deiner vielen 1000 Freunde gegen die starren Feinde der Freiheit der Menschen, komme, komme in deiner Brüder Mitte! Wie lange harrten wir hier schon deiner, und du wolltest nicht vorkommen, obschon wir gar wohl wissen, daß du gar Vielen aus uns vorangegangen bist! Wie sehr drängt uns die höchste und gerechteste Begierde, dein Blut und unser Blut an jenen hochmüthigen Barbaren zu rächen, die aus der pursten und absolutesten Herrschsucht uns haben gemeinsten Hunden gleich erschießen lassen! Aber es fehlte uns an einem Anführer. Nun aber bist du hier als derjenige Mann, der mit allen Gesetzen der Natur— und Geisterwelt gar wohl vertraut ist; daher ordne uns zuvor nach unsern Fähigkeiten, und führe uns dann dorthin, wo wir die Rache nehmen können! — und diese irdisch großglänzenden Raubthiere in menschlicher Gestalt sollen Wunder der schaurigsten Rache erleben, die wir an ihnen verüben werden und wollen!"

08. Spricht Robert: „Freunde! kommt Zeit, kommt Rath! vor Allem meinen Dank für euren herzlichsten Gruß, und Gott dem Herrn alles Lob, daß Er mich euch Alle hier beisammen hat treffen lassen. Vor der Hand sage ich euch blos nur das: Wie aus der Erde, also auch hier hat alles seine Zeit; bevor der Apfel nicht reif ist, fällt er nicht vom Baume; wann er aber reif ist, dann richtet ein kleines Lüftchen, das gar leise durch die Zweige säuselt, mehr aus, als ehedem ein Orkan. Was sollen wir uns hier nun vor der Zeit eine extra ordinäre Mühe machen, um uns an jenen Wüthrichen zu rächen, die auf der Erde nun die Herren über alle Menschen zu sein sich dünken?! Lassen wir ihnen nur diese elende Freude noch einige Wochen oder Monde; sie werden uns dann schon von selbst kommen; und haben wir sie einmal hier, dann, Freunde, werden wir mit ihnen so ein paar Wörtleins diskuriren! Ihr versteht mich hoffentlich, was ich damit sagen will?!"

09. Schreien Alle: „Ja, ja, wir verstehen dich! Du bist wohl doch stets ein grundgescheidter Mann gewesen, und bist es sicher auch noch hier in dieser Welt, in der wir uns eigentlich noch gar nicht auskennen, und auch gar nicht wissen, wie wir hieher gekommen, und wo wir nun so ganz eigentlich sind?

10. Es ist wohl diese Gegend sehr schön, ja, sie ist so schön wie ein wahrhaftiges Paradies; aber wir kennen uns hier weiter gar nicht aus, als was uns sogleich bei unserer Ankunft hier von ein Paar recht freundlich aussehenden Männern ist gesagt worden, und zwar sogestaltig: Dieß Haus gehöre dem Robert Blum samt Allem, was hier unsere Augen ersähen, also auch sogar die Sterne am Firmamente?" fragten wir. — „Ja, auch die Sterne", antworteten die zwei Männer; darauf beschieden sie uns, so lange hier ganz ruhig uns zu verhalten, bis du, als der alleinige Besitzer aller dieser Herrlichkeit, selbst kommen wirst, mit noch einem großen und guten Freunde; da werdest dann schon du selbst mit deinem Freunde uns bescheiden, was wir in dieser Gegend werden anzufangen haben.

11. Und so verhielten wir uns denn auch bisher in diesem deinem Hause und dessen Gemächern ganz mäuschenruhig und stille; nur als wir dich nun mit diesem deinem Freunde ankommen sahen, brachen wir die Ruhe, und eilten dir entgegen, und theilten dir auch sogleich unser Hauptanliegen mit; worauf du auch die Güte hattest, uns Allen sogleich einen rechten Bescheid zu geben, den wir auch Alle mit der größten Freude annahmen;

12. aber nur sei du nun so gut, und zeige uns Allen gütigst an, was wir denn unternehmen und thun sollen? Denn durch so ein ganz müssiges und sinnloses Herbrüten wird uns auch diese schönste Zeit und Gegend sehr langweilig! — Kurz und gut, wir hoffen von deiner weisen Einsicht und von deinem redlichsten Brudersinne alles Beste! denn einem Robert Blum soll künftighin nichts mehr mißglücken! — Vivat! hoch!!!"

13. Spricht Robert: „Ganz wohl und gut; es wird euch alles werden, was ihr wünschet, und es freut mich ganz außerordentlich, daß ihr Alle euch hier nicht minder folgsam zeiget, als wie ihr es auf der Erde wirklich wäret, was euch hier aber auch sicher bessere Früchte tragen wird, als weiland auf der Erde; aber nun lasset mich vor allem in dieß mein sein sollendes Haus ziehen, auf daß ich als der Eigenthümer es auch einmal in den Augenschein nehmen kann.

14. Vor allem aber muß ich euch darauf aufmerksam machen, mir von nun an ja kein „vivat hoch" mehr darzubringen, was hier auch eine reine Dummheit wäre, wo wir ein ewiges unverwüstliches Leben zu leben anfangen, dem ewig kein Tod mehr folgen wird; warum sollen wir sonach einander ein Lebehoch zurufen, wo wir ohnehin durch Gottes außerordentliche Güte und Gnade das eigentliche höchste Leben überkommen haben?!

15. Euer künftiger Ruf sei daher ganz ein anderer, und laute also: Hochgelobt, und über alles geliebt und gepriesen sei Gott der Herr in Christo Jesu, den wir für einen puren Menschen hielten; Der aber dennoch ist von Ewigkeit zu Ewigkeit der alleinige Gott, und somit Schöpfer der Unendlichkeit und alles dessen, was in ihr ist! So ihr also rufen werdet, da werdet ihr euch ehestens eines vollkommenen Lebens zu erfreuen den vollsten Grund haben, während euch Ehrenbezeugungen, die ihr mir erweiset, nicht um ein Haar weiter bringen werden!

16. Dieses merket euch auch und denket, daß der Blum kein Narr ist, und seinen guten Grund hat, euch Allen solches hier gleich Anfangs kund zu geben, was er auf der Erde leider selbst im hohen Grade bezweifelt hatte! Und das thut Blum hier, wie auf der Erde als euer alter, bester und aufrichtigster Freund, und so ihr das wohl erwäget, da wird es euch auch hoffentlich ein Leichtes sein, das auf das Wort eures Freundes anzunehmen, was euch sonst wohl ziemlich schwer ankommen dürfte; nicht wahr, Freunde! was ich euch sage, das wollet und werdet ihr auch glauben, da ihr es wohl wisset, daß ich nichts leichten Kaufs annehme, besonders, wo es sich um Sachen des Glaubens und der Religion handelt!?"

17. Schreien Alle: „Ja, ja, was du uns sagst und lehrst, das nehmen wir Alle unbedingt an; denn wir wissen es ja Alle, daß unser Robert eine weiße Kuh auch bei der stockfinstersten Nacht niemals für eine schwarze angeschaut hat. Was du uns sagst, das ist auch sicher wahr; denn du hast uns auch auf der Erde, und zwar in Wien, die Wahrheit gesagt, und riethest uns vom Gefechte abzustehen, da der Feind zu stark, und das Zusammenhalten und der Muth der Vertheidiger Wiens zu locker sei! Aber wir glaubten dir's nicht und sprachen: Ist denn nun auch Blum ein Feigling geworden?! — Da riefst du mit männlicher Stimme: „Blum, der das Leben nie für der Güter höchstes gehalten hat, fürchtet auch hunderttausend Teufel nicht, geschweige diese frechen Söldlinge! Daher zu den Waffen von Neuem, der Muth hat, an meiner Seite zu sterben!" — Da griffen wir zu den Waffen, und sahen es leider zu spät ein, daß du ehedem die Wahrheit geredet hast!

18. Nun aber wollen wir dir denn alles aufs Wort glauben, und dir nimmer in etwas Widerrede thun; aber nur bleibe du stets unser Führer und Lehrer! denn du bist weiser in einem Finger, als wir Alle zusammen im ganzen Leibe! — Nun aber gehe ungestört in dein Haus und besehe es, und gebe uns bald irgend eine unsern Kräften angemessene Beschäftigung."

45. Kapitel. Roberts klares Bekenntnis zu Jesus und die Wiener Gesellschaft.

01. Spr. Robert: „Das freut mich, das freut mich sehr von euch, ihr meine lieben Freunde und wackeren Kampfgenossen, daß ihr nun so willig alles annehmet, was ich euch anrathe! Ich gebe euch Allen dagegen aber auch die treueste Versicherung, daß ich, so wahr mir dieser mein und auch euer größter Freund allzeit beistehen und helfen werde, euch auch nun die durchdachteste und bestimmteste Weisung geben werde, durch die ihr allerunfehlbarst zur wahresten Wohlfahrt des ewigen unzerstörbaren Lebens, in welchem ihr euch nun nach der Ablegung der schweren Leiber befindet, gelangen müsset.

02. Es wird freilich noch gar Manches erforderlich sein, und ihr werdet noch so manche Proben zu bestehen haben, bevor ihr für jene großen Zwecke vollends reif werdet, die der große, heilige, ewige Urheber aller Dinge und alles Seins uns Erdenmenschen, die Er Sich zu Kindern erkor, uns Allen gestellet hat!

03. Aber nur Muth und Ausharrung, und eine wahre vollkommene Liebe zu Ihm, unserem ewigen heiligen Vater! dadurch werden wir alle uns beirren wollenden Vorkommnisse leicht besiegen, und diejenige Reife ehestens erreichen, durch die wir uns Ihm wahrhaftigst im Geiste und in der vollsten Wahrheit werden nahen können!

04. O Brüder! ich, euer getreu'ster Freund Robert sage es euch: was ich selbst auf der Erde nicht einmal zu ahnen vermochte, das entfaltet sich hier vor meinen, wie auch vor euren Augen nun schon so wundersam herrlich, daß auch die gebildetste Zunge nicht darzustellen vermöchte, was Gott denen bereitet, die Ihn lieben! Aber alles, was ihr nun sehet, ist nicht einmal ein Thautröpfchen gegen das Meer! Denn Unaussprechliches erwartet uns!

05. Höret, ein Weiser auf Erden, der das Reich der menschlichen Ideen und Fantasien mit einer tiefdurchdachten Würdigung jahrelang durchprüfte, sprach in großer Entzückung: Welch ein Reichthum, welch ein unversiegbarer Born von zahllosen Himmeln der Himmel ist in dessen kleines Herz gelegt, der auf der Erde auf zwei gebrechlichen Füßen einhergehet, und unter allen Thieren aufrecht gehend, sich Mensch nennt! Könnte dieser Mensch alle seine Ideen durch ein göttlich Werde! realisiren, o! was Großes wäre es da, ein Mensch zu sein! und doch ist aller dieser Ideen— und Fantasienreichthum eines Menschen kaum nur ein gebrochenster und leisester Schimmer jener endlosen Fülle, Tiefe und Klarheit, die in Gott zu sein jedes tiefdenkenden Menschen Erkenntniß annehmen muß!"

06. So aber dieser Weise, der meines Wissens ein Heide war, schon eine so erhabene Idee vom Menschen, und durch die untrüglichsten Symptome im Menschen eine noch endlos erhabenere von der Gottheit faßte, da er noch auf der Erde mit dem Staube der Vergänglichkeit bekleidet war, um wie viel mehr haben wir nun das vollste Recht, uns ganz diesen großen Ideen hinzugeben, da wir für's Erste — durch des großen Gottes Gnade über dem Staube der Verwesung uns befinden, und fürs Zweite — wir uns auch „Christen" nennen, die berufen sind, in des großen Gottes Reich einzugehen!

07. Freilich, und leider sind wir nur kaum dem Namen nach Christen, und Viele aus uns haben sich sogar geschämt, Christen zu heißen, woran aber freilich Rom und unsere eigene Dummheit die Hauptschuld trägt; aber von nun an soll es nimmer also sein; die größte Ehre unseres Herzens wird es nun sein, Christo völlig anzugehören! —

08. Ich sage es euch: Christus ist alles in Allem; Er ist das ewige Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende; Er allein ist das Leben, die Wahrheit und der Weg — allen Wesen, Menschen, Geistern und Engeln; in Seinen Händen ruhen alle Himmel, alle Welten, und Alles, was auf und in ihnen ist, athmet, lebet, webet und strebet! Durch Ihn, und durch Sein heiliges ewiges Wort können wir Kinder Seines ewigen Vaterherzens werden, und sein mit und in Ihm alles in Allem; ohne Ihn aber giebt es ewig kein Sein, kein Leben, und somit auch keine Seligkeit! Glaubet ihr, meine lieben Freunde, mir das?!"

09. Schreien Alle: „Ja, ja, wir glauben es! sehen wir es nun auch noch nicht vollends ein, was du uns nun gar so herrlich verkündet hast, so glauben wir es aber dennoch unerschütterlich fest: denn wir wissen es ja, daß du uns nichts verkünden kannst, und auch nichts verkünden willst, was du zuvor nicht selbst allerklarst einsiehst! Was du aber einmal einsiehst, das siehst du mit allem Grunde ein, und so glauben wir dir aber auch Alles, was du uns nur immer verkünden magst und kannst! Ehre sei darum Gott in der Höhe, Der dich mit soviel Verständniß und tiefer Einsicht begabet hat! —

10. Das, was du uns nun von Christo gar so schön vorgesagt hast, hat uns Alle ganz besonders erfreut! Denn weißt du, wir hielten heimlich auf Ihn stets große Stücke; aber freilich, wie Ihn die römischen Pfaffen, besonders die gewissen Mönche, nur zu oft entstellten, und Ihn nichts anderes thun ließen, als alle Menschen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen möchten, ohne allen Pardon schnurgerade zur Hölle zu verdammen, da freilich mußte man sich ja am Ende denn doch dieses sonst so allererhabensten Namens förmlich — wenigstens öffentlich — zu schämen anfangen! denn einen Gott von so kaprizirter, zorniger und eigensinnigster Art, wie diese Mönche einen aus dem sonst so unmenschlich guten, guten Christus Jesus gemacht haben, konnte denn doch wohl kein nur mit einiger Vernunft begabter Mensch annehmen: Das Rosenkranzbeten, die höchst fade Litanei, alle die Heiligen—Gebete, die Exerzitien, die Verehrung der Reliquien, das Beichten ohne Maaß und Ziel, das Messenzahlen ditto, und noch zahllose ähnliche Dummheiten mehr fordere Christus für die Gewinnung des Himmels!" Weißt, Bruder, das konnte man denn im 109] Jahrhunderte doch nicht mehr annehmen, besonders wenn man als ein armer Tagwerker nur zu oft Gelegenheit zu sehen hatte, wie diese Gottesdiener sicher aus lauter strenger Buße sich beim Altare, wo sie ihre Messen herunter leierten, vor lauter Speck beim Dominus vobiscum kaum umdrehen konnten!

11. Aber den Christus, von Dem du nun gesprochen hast, nehmen wir wohl mit der größten Bereitwilligkeit an, und haben eine große Freude an Ihm! Der kann auch gar wohl Gott Selbst sein; denn Er ist nach unserem Verstande gut, weise und mächtig genug dazu, besonders so Seine Wunderthaten keine Märchen sind? Was aber auch nicht sein wird, und sein kann; denn der rechte Christus muß gewiß ein ganz anderer gewesen sein, als wie Ihn die schwarzen Pfaffen Roms ums Geld den armen Sündern verkündeten?!

12. Ah, was meinst du, Bruder? und was meint etwa dein uns gar liebvoll vorkommender Freund, Der bis jetzt noch nichts geredet hat, werden wir wohl auch einmal der Gnade für werth befunden werden, diesen Christus, Den du uns nun verkündet hast, also den Wahren, wohl irgend wann einmal, so wir etwa doch einmal würdiger sein werden, nur so von ferne hin zu sehen zu bekommen?! Bruder! wann das möglich wäre, wenn wir Christum allenfalls so wie eine Magdalena, oder wie die Zwei nach Emahus wandelnden Jünger einst könnten zu sehen bekommen, o da wären wir schon über alle Begriffe selig! Denn das könnten wir wohl nimmer verlangen, daß ein Christus, wie du Ihn nun uns verkündet hast, sich so hundsgemeinen Menschen, wie wir dahier fast ohne Ausnahme sind, männlich und weiblich durcheinander, gar öfter zeigen sollte! Bruder! wenn so was möglich wäre, so leisten wir auf jede andere Seligkeit auf ewig Verzicht! Viel wissen, und viel einsehen und verstehen — ist wohl sehr schön, aber wir haben darnach wahrlich keine so große Sehnsucht, als so es möglich wäre? weißt schon was?!"

13. Spricht Robert: „Lieben Freunde! ich versichere euch auf alles, was ihr nur immer wollt, der wahre Christus, obschon das allerhöchste und heiligste Gottwesen Selbst, ist noch immer Derselbe, wie Er als Mensch auf Erden war; Er sieht nur das an, was aus der Welt niedrig und verachtet war, und die von der Welt Verfolgten sind Seine Freunde und Brüder! Alles aber, was die Welt groß und herrlich nennt, und was sie bevorzugt, ist vor Ihm ein Greuel!

14. Daher freuet euch, ihr meine lieben Freunde und Brüder, ihr werdet den wahren Christus nicht nur einmal, sondern für immer sehen und lieben — ohne Maaß und Ende! Denn ich sage es euch, und glaubet es Mir auf's Wort, Christus ist euch jetzt schon näher, als ihr es je glauben möchtet! ja so ich dürfte, so könnte ich euch Alle beim Schopf nehmen, und eure Köpfe dorthin drehen, wo Er Sich befindet, und ihr würdet Ihn da auch ohne weiteres ersehen müssen; aber ich darf es nun noch nicht, eures Heiles willen; daher geduldet euch nur noch eine gerechte Weile, bis ihr so ums kennen reifer werdet; dann wird auch das geschehen, das glaubet mir aufs Wort! Ich will vor euch ewig als der allerverachtetste Lump erscheinen, so nur eine Silbe von alledem unwahr ist, was ich euch nun gesagt habe! Seid ihr damit zufrieden?!"

15. Schreien Alle: „Ja, ja, wir sind Alle damit vollkommenst zufrieden! Jetzt verlangeten wir Ihn auch noch nicht zu sehen; denn wir wissen wohl nur zu gut, daß wir Seines Anblicks noch gar lange nicht werth sind, aber wir wollen darum auch Alles thun, um uns Seines Anblickes nur einigermaßen würdiger zu machen!

16. Denn weißt du, wir waren in Wien halt doch schöne Lumpen! ah, wir wollen gar nicht daran denken, was wir besonders in der letzten Zeit alles angestellet haben; und so können wirs wohl unmöglich etwa bald verlangen, du weißt schon was? denn wenn die römischen Pfaffen nur ein Hundertstel Wahrheit in ihren Höllenpredigten den Zuhörern auftischten, da wären wir halt gerade reif fürs Zentrum der Hölle! Wenn aber Gottes Christi Gnade dennoch größer ist, als die Prediger uns sie verkündet hatten, da dürfen wir wohl auch noch hoffen — zu der Gnade zu kommen, deren du uns versichert hast! Aber da gehört noch gar viel Zeit und Geduld dazu! Also sind wir aber nun dennoch sehr zufrieden, und danken dir und deinem Freunde für diese Zusage, und so magst du nun wohl in dein Haus ziehen, und es besehen!"

46. Kapitel. Frage Roberts nach drei führenden irdischen Kampfgenossen. Ein Seelenbild dieser 'Volksfreunde'. Roberts Mahnung zu friedlichem Vergeben.

01. Spricht Robert: „Ich wußte es ja, daß es mit euch leicht zu handeln ist, und das macht mir wahrlich wahr eine große Freude; bleibet stets also, wie ihr nun seid, und Habet ein weiches und beugsames Herz, so wird euch die Erreichung des von Gott gestellten Zieles eine leichte Mühe machen.

02. Aber nun noch Etwas, lieben Freunde: Saget ihr mir, so ihr es könnet, wo sind denn die drei irdischen Kampfgenossen, als Messenhauser, Jellinek und Dr. Becher hingekommen? — Ich habe euch nun schon einigemale Mann für Mann durchgemustert, und fand schon recht viele mir von Wien aus wohlbekannte und wohlehrenwerthe Freunde; aber von den Dreien kann ich leider niemanden entdecken! Sind sie in dieser Welt von euch auch noch nicht gesehen worden? oder habt ihr sie vielleicht irgendwo zurückgelassen? Saget mir darüber etwas, so ihr's könnet! — Darnach will ich sogleich in dieß Haus einziehen mit diesem meinem liebsten Freunde."

03. Sprechen Einige aus der Menge: „O Freund! wie fragst du um diese drei Erzlumpen?! Die sind nicht unter uns; wir wollten's ihnen auch gar nicht rathen — sich unter uns irgendwo blicken zu lassen; No, hörst du! Denen wollten wir's gar kurios beschreiben, wie es hier in der Geisterwelt aussieht!

04. Glaubst du denn, diese haben es auch so redlich mit uns gemeint, wie du?! O! da wärest du in einer sehr großen Irre! Siehe, diese Drei, die sich so wichtig machten, und sich nicht selten also gebärdeten, als könnten sie mit dem kleinen Finger die ganze Erde bezwingen, thaten das nur des irdischen Gewinnes halber; so sie ihre Säckel vollgestopft hätten, und hätten dann mit diesen, ihren alleinigen Lieblingen, so ganz unbemerkt etwa in die liebe Schweiz oder sonst wohin entwischen können, so hätten uns dann in Wien alle Katzen, Hunde und Schweine, auffressen können, da hätten sie sich sicher sehr wenig daraus gemacht! Aber es ist ihnen ihr sauberes Plänchen nicht gelungen, und so hieß es denn am Ende: Mit g'stohl'n, mit g'hängt!

05. Wir wollen gerade von den letzten Zweien das nicht ganz bestimmt behaupten; aber der M., das war dir ein 16löthiger, und verstand es aus der Kunst viel blinden Lärm zu machen, und sich dafür seine Säckel zu füllen! Hat er uns nicht die Munition verleugnet, und hat die tapfern Vertheidiger Wiens gerade dorthin zu beordern gewußt, wo die Gefahr am geringsten war; wo aber die Feinde herkamen, da ließ er ihnen das Thürl offen! O das war ein feiner Lump! Wahrscheinlich dachte er sich dabei heimlich: — Die dummen Wiener habe ich nun am Bandl; die halten mich für ihren Retter, und lassen darum die Haare! Nun mache ich an ihnen einen Verräther, und liefere sie Alle in die Hände des Windischgrätz, so wird mir dieser wohl auch so ein allerliebstes Denunziantensümchen zukommen lassen?! — Aber oha! nix da! — fehl g'schossen Herr M., Andere waren geschwinder, und haben eher als M. den Weg zum Feldmarschall gefunden! Dieser verstand gleich Anfangs schon gar keinen Spaß, machte mit M. nicht viel Umstände, und sandte ihn mit einer Extra—Schnellpost in diese Welt. Nun ist er sicher auch irgendwo hier in dieser Welt angestellt, wo aber? Das werden die Engel Gottes sicher besser wissen, als wir! Gott Lob, unter uns ist er nicht.

06. Und eben so sind auch der Jellineck und Dr. Becher nicht unter uns; Gott hab' sie selig, wo sie sind; aber wir sind sehr froh, daß sie nicht unter uns sind! Wir wissen von ihnen zwar gradewegs nichts Besonderes, außer daß sie mit den Gänsekielen noch ärger herumfuchtelten, als der Feldmarschall mit allen seinen Kanonen, und daß Beide wahre Zungenkünstler waren, wodurch sie Viele dahin brachten, sich mit ihnen am Ende auch ex officio odioso auf die Entdeckungsreise in diese Geisterwelt begeben zu müssen; das ist ungefähr alles, was wir von ihnen wissen! Einige, die durch den sozialen Eifer des J. und B. die Reise in die Geisterwelt unternehmen mußten, sind wohl unter uns hier; aber sie wissen von ihren Cooks und Perings eben so viel wie wir.

07. Nun macht es uns zwar wenig mehr, da wir denn doch im Ernste nach dem Tode fort leben, und das, aufrichtig gesagt, geradewegs gar kein schlechtes Leben; aber so wir mit dem lumpigen Kleeblatte irgendwo zusammen kämen, so würden wir ihnen blos so einige ganz unschuldige Leviten auf echt wienerisch vorlesen! Jetzt ist freilich gut, und wir sind nun sehr froh, das dumme irdische Schmeiß— und Hurenleben für alle Ewigkeiten überstanden zu haben, um welches Leben wirklich keinem ehrlichen Kerl leid sein darf! Aber weißt du, so kitzeln macht es uns dennoch manchmal, so wir der Gewissenlosigkeit jener Lumpen gedenken, die unser gutes Vertrauen so schmählich mißbraucht haben!

08. Aber in Gott's Namen, jetzt ist uns schon völlig alles Eins; Gott wird's ihnen schon geben, wie sie sich's verdient haben! Nun weißt du so viel als wir über die Drei, wo sie in dieser Welt; wie sie aber auf der Erde waren, das wirst du ohnehin besser wissen als wir, weil du besonders mit M. öfter die Gelegenheit hattest, Worte zu tauschen, als wir armen Teufel, die wir blos als ein Kanonenfutter betrachtet wurden! Und so haben wir dir nun alles gesagt, was wir wußten."

09. Spricht Robert: „Meine lieben Freunde! fürs Erste — thut es mir wahrlich leid, daß jene Drei, um die ich euch fragte, sich nicht unter euch befinden; fürs Andere — aber sage ich euch: Enthaltet euch hier im Reiche des ewigen Friedens, der Sanftmuth und der Liebe alles Urtheiles, und gelte dasselbe, wem immer es wolle; denn wir haben nie Jemanden je etwas gegeben und geben können, was wir zuvor nicht selbst empfangen hätten; haben wir's aber selbst alles empfangen, was wir nur immer hergegeben haben, sei's Gut oder Blut oder Leben, so können wir auch nicht die Nehmer also beurtheilen, als wenn sie uns unseres baren Eigenthums entblödet hätten, sondern also nur, als so sie es von uns entliehen hätten, was wir selbst nur als ein zeitweiliges Darlehen besaßen! Ob es gefehlt war oder nicht, daß sie uns des Darlehens beraubten, das lassen wir dem großen Eigenthümer, der der alleinige wahre Richter über alles ist, das allein Ihm angehört, über; der wird das richtigste Urtheil fällen!

10. Wir aber wollen von nun an also handeln, wie Christus der Herr es gelehret hat; nehmlich: Unseren Feinden wollen wir Gutes thun, und die uns fluchen, die wollen wir segnen, und denen, die uns hassen, wollen wir mit Liebe entgegen kommen, so werden wir vor Gott dem Herrn als Ihm wohlgefällige Kinder erscheinen, und Seine Gnade wird mit uns sein ewiglich!

11. Denn wir beten ja oft: Herr! Vergieb uns unsere Schulden, so wie wir unsern Schuldigern vergeben! thun wir also das, so wird uns auch der Herr vergeben, wie oft, und wiegestaltig wir auch immer gesündiget haben! Wann wir Allen alles werden vergeben haben, dann wird auch uns Alles vergeben sein. — Seid ihr mit diesem meinem Antrage einverstanden und zufrieden?"

12. Schreien Alle: „Ja, ja, ja! wir sind mit dir ganz einverstanden!"

13. Spricht Robert: „Nun, so lasset uns ins Haus ziehen!"

47. Kapitel. Eintritt in das Haus Roberts. Geistige Entsprechung seiner Stockwerke. Mahnung zur Vorsicht mit der Wiener Gästeschar. Stiller Herzensverkehr mit Jesus.

01. Darauf begiebt sich Robert mit Mir ins Haus, das da drei hohe Stockwerke nebst dem sehr majestätisch schönen Erdgeschosse hat; jedes Stockwerk aber eine andere Farbe, und das Erdgeschoß ebenfalls eine andere, und zwar in der Ordnung und Art: Das Erdgeschoß ist hell saftgrün, und ist mit weiß und roth mannigfach verziert; das erste Stockwerk ist vollends weiß, und ist mit lichtgelb und blau verziert; das zweite Stockwerk ist hellblau, und ist mit violett und rosenroth verziert; und das dritte Stockwerk ist roth, gleich dem Morgenroth, und hat durchaus keine Verzierungen.

02. Dem Robert fallen diese verschiedenen Färbungen und Legierungen des gesamten Hauses auf, und er fragt Mich heimlich bei Seits: „O Herr! müssen diese Färbungen und Verzierungen also sein, wie sie sind, oder ist das eine bloße Geschmackssache der hiesigen Bauleute? Denn auf der Erde, etwa in Wien, oder in Dresden, oder in Berlin, oder in Frankfurt und noch in gar vielen Orten Europas würde man so einen Baustyl, der sich hier zwar wunderherrlich ausnimmt, für entweder chinesisch oder auch wohl gar für närrisch halten! Ich möchte daher wohl von Dir darüber eine Aufklärung bekommen! So es Dein heiliger Wille wäre, da könntest Du mir ein paar Wörtchen aus Deinem heiligsten Munde allergnädigst zukommen lassen!"

03. Rede Ich: „Fürs Erste — liebster Bruder, mußt du, so du mit Mir sprichst in Gegenwart dieser deiner vielen Freunde und Gäste, blos nur in deinem Herzen sprechen, auf daß du Mich nicht vor der Zeit an ihnen verräthst! Denn so Alle diese Mich nun dir gleich erkenneten, da müßte ich dann offenbar weichen, weil sie Alle noch viel zu wenig Festigkeit haben, um Meine Gegenwart vollends ertragen zu können. So du aber schon mit Mir in Gegenwart aller dieser etwas reden willst, um sie dadurch auf eine höhere Erkenntnißstufe zu setzen, so heiße Mich nur gleichweg Freund und Bruder, aber ja nicht Herr, so wirst du mit diesen deinen Gästen und Freunden in einer kurzen Zeit recht sehr weit kommen, was eben Mein sehnlichster Wunsch ist!

04. Für's Zweite aber — was deine eigentliche Frage betrifft, bist du ja ohnehin in der Farben— und Blumensprache bewandert, und weißt daher genau, was diese verschiedenen Färbungen dieses deines Hauses besagen; so du aber das weißt, siehe da ist ja eitel dein Fragen, besonders hier, in der Gegenwart dieser Vielen, die noch hübsch lange nicht wissen dürfen, wer Ich bin!

05. Nehme dich alsonach nur in der Zukunft recht in Acht, besonders wo es sich um Reden über Mich handelt; sonst könntest du bei deinem wahrlich allerbesten Willen dennoch mehr Schaden als Nutzen stiften! Denn du mußt dich nicht auf die Reden und Bejahungen dieser deiner Freunde stützen, und glauben, so ihnen Alles recht ist, was du ihnen sagst, daß sie dadurch der Vollendung schon sehr nahe sind; Ich sage es dir: da ist oft gerade das Gegentheil von dem, was du meinst, vorhanden.

06. Siehe, Ich kenne dir Menschen hier, und noch eine Menge auf der Erde, die Mich beiweitem besser kennen von allen Seiten, als du nun; und Ich sage es dir, daß Ich ihnen so schön gleichgiltig bin, wie ein alter abgetragener Rock, und ihre Liebe zu Mir ist so stark, daß sie ein Mädchen mit nur einigen sinnlichen Reizen ausgestattet, bis auf den letzten Tropfen aufzehren kann! Und Ich habe dann zu thun, um bei solchen Meinen Bekennern nicht ganz in die schönste Vergessenheit überzugehen!

07. Und siehe, gerade das könnte auch bei diesen deinen Freunden der Fall sein; sie sind sämtlich „Wiener", also Genußmenschen und Spektakelhelden; so wir ihnen stets eine Menge Wunderchen etwa in der Art eines Eskamotörs vormacheten, sie dabei recht gut bewirtheten, und ihnen auch eine Menge recht sauberer, rundgesichteter und dickschenklicher Jungferchen zuführeten, mit denen sie sich ganz ungenirt vergnügen könnten, wie es nur ihrer noch starken Sinnlichkeit am meisten zusagen möchte, da würden sie auch stets unsere besten Freunde sein, und wir möchten ihnen sogar unentbehrlich werden; aber so wir mit der Zeit nöthigster Weise denn doch etwas ernster zu reden würden anfangen, da würdest du dich hoch verwundern, wie sie uns Einer nach dem Andern gar schön möchten den Rücken zuwenden! Es giebt dir unter diesen Wesen einige so gaile Böcke, daß sie allen Himmeln entsageten, so sie so einer recht üppigen Dirne sinnlich beiwohnen könnten; wir werden sie schon noch näher kennen lernen, und werden mit ihnen auch noch eine recht schwere Noth bekommen! aber durch eine recht weise Leitung können sie dennoch gewonnen werden! Ja Ich sage dir insgeheim: Einige werden sogar den ersten Grad der Hölle zu verkosten bekommen müssen, um von ihrer zu großen Weibergier los zu werden! Wir werden zwar wohl alles eher noch versuchen, was sich nur immer mit ihrer Freiheit verträgt; aber so etwa am Ende dennoch alles das nichts fruchten möchte, da freilich wird leider zu dem äußersten Mittel geschritten werden! Sei daher und darum ja recht vorsichtig, und verrathe Mich durch gar keine Miene, und suche sie vor allem auf ihre Sinnlichkeit und auf deren Folgen aufmerksam zu machen, so werden wir mit ihnen noch am leichtesten über Ort kommen. Ich werde sie schon auch bearbeiten; aber nur dürfen sie es, wie gesagt, noch lange nicht erfahren, Wer Ich bin.

08. Nun höre denn aber auch noch ganz kurz, was die verschieden gefärbten Stockwerke dieses deines Hauses bedeuten. Siehe, das saftgrüne Erdgeschoß stellt den geistig naturmäßigen Zustand dar, dessen Hauptlebenszug sich im Hoffen ausspricht, welches Hoffen mit Glauben und Liebe umkleidet ist. Der erste Stock stellet den reinen und wahren Glauben dar, der mit sanfter Ruhe und Beständigkeit umkleidet ist. Der zweite Stock stellet die Liebthätigkeit dar, die aus dem reinen Glauben entspringt, entsprechend der irdischen Himmelsfarbe, durch die ebenfalls die beständigste Liebthätigkeit des Lichtes sprechend und wohlerkenntlich verkündet wird Allen, die eines verständigen Herzens sind; dieser Stock ist darum auch geziert oder bekleidet mit tiefer himmlischer Weisheit (violet) und reinster Nächstenliebe (rosenroth). Das dritte Stockwerk endlich bezeichnet durch sein jungfräuliches hehrstes Morgenroth den allerhöchsten Unschulds— und pursten Liebehimmel, der eigentlich der vollends wahre Himmel ist, in dem Ich mit allen Jenen zu wohnen pflege, die Mich über alles lieben; dieser Himmel ist daher auch ohne Verzierung, weil er in dem Wesen seiner Färbung schon ohnehin alle erdenklichen Vollkommenheiten in sich faßt, und Mich ganz allein zu seiner Zierde hat.

09. Nun hast du ganz kurz die richtige Bedeutung der sondersfärbigen Gestaltung deines Hauses; frage aber nun um nichts weiter; denn wie du in diesem deinem Stockwerkhause selbst von Stock zu Stock höher kommen wirst, da wird dir auch ohnehin Alles klar werden, was du jetzt noch nicht einsehen und begreifen könntest.

10. Wir werden nun aber ins Erdgeschoß einziehen, allwo wir uns fürs erste Stockwerk vorbereiten werden. Und so denn gehen wir voran hinein, und lassen dann auch alle Andern nach uns hineingehen, so sie es wollen; die aber nicht wollen, die sollen aber auch thun, was sie wollen! — Hast du wohl alles verstanden?"

11. Spricht Robert: „Ja Bruder! und werde es auch getreust beobachten! — Aber sonderbar ist es denn doch, daß es unter diesen gutmüthigen Wesen so verstockte und leichtfertige Wesen geben solle; wahrlich, das ist mir ein Räthsel der Räthsel!"

12. Rede Ich: „Ja du Mein geliebtester Bruder! du wirst dich noch ganz absonderlich zu wundern anfangen, wenn du mit mehreren Charakteren der Geister dieser Welt wirst zu thun bekommen! Du wirst die Schönsten können finden mit schneeweißer Wolle äußerlich angethan, und innerlich werden sie lauter reißende Wölfe, Löwen, Hyänen, Bären und Tiger sein!

13. Aber siehe da, nun sind wir schon in deines Hauses, und zwar dessen Erdgeschosses ersten Eintrittsgemächern; wie gefallen sie dir?"

48. Kapitel. Das wundervolle Innere des Hauses. Roberts Ärger beim Ausblick in den Garten. Skandalszenen der Wiener Gesellschaft. Jesus übt geduldige Seelenkur an den Argen.

01. Spricht Robert: „O Freund, o Bruder! wunderherrlich, wunderherrlich! man sieht es von außen diesem Hause wahrlich nicht an, daß es innerlich so herrliche, und so geräumige Gemächer enthalten solle! und wie herrlich ist die Aussicht durch die schönsten hohen Fenster! Ach wie herrlich nimmt sich nur der Garten aus, und die schönsten Gebirgsgruppen in der Ferne; und wie lieb die vielen netten Häuschen, die die umliegenden kleinen Hügel zieren! Ach Freund, ach Bruder! das ist ja mehr als himmlisch!

02. Aber da sieh, da sieh bei dem ersten Fenster hinaus; was ist denn das für ein wahrstes Lumpenpack?! a, a, nein, so was von einem allerechtesten Lumpengesindel ist mir noch nie vorgekommen! da, da, o der frechsten Unverschämtheit! sieh, sieh! ein Schöckchen lustiger Dirnen ziehen die lumpigsten Mannsbilder,— — a, a, das ist zu arg! — Die müssen wir denn doch aus dem Garten schaffen!?"

03. Rede Ich (Jesus): „Siehe, das sind schon so einige Wiener Früchteln, es sind dieselben, die dir draußen alles bejahten; da wir nun aber ins Haus gegangen sind, da sind sie lieber draußen geblieben, als daß sie dir gefolget wären, und unterhalten sich nun nach ihrer Lieblingsweise! — Seh' dich nur um, und zähle sie, die uns ins Haus gefolget sind; und du wirst auch nicht Einen finden! denn die etlichen Buhldirnen sind ihnen mehr, als wir, und alle deine Lehren! und sie werden ihnen noch lange mehr sein, als wir Beide!

04. Gehe aber jetzt hinaus, und mache ihnen eine Predigt, da werden sie wieder ganz Ohr sein zum Scheine! Ich sage dir, es giebt dir kaum eine Gattung Sünder, die schwerer zu bekehren wären, als eben die fleischlichen Sündenböcke, und das darum, weil sie äußerlich ganz geschmeidig erscheinen und alles annehmen, wenn sie sich nur in ihrer inneren Lustgier nicht beeinträchtigt fühlen; versuche aber ihnen solche Lust ganz ernstlich zu untersagen, so wirst du Wunder von allen möglichen Widerspänstigkeiten und Grobheiten erleben. — Lassen wir sie nun aber nur ausremmeln, und befriedigen ihre Lust; dann wollen wir denn wieder hinaustreten und sie fragen, warum sie uns nicht ins Haus gefolget sind?! Und du wirst dich nicht genug verwundern können, mit welch allerlei Entschuldigungen sie uns entgegenkommen werden!

05. Bevor wir aber hinausgehen wollen, werde Ich es zulassen, daß da einige recht üppige „Dirnen" zu ihnen stoßen sollen; da erst wirst du Wunderdinge der g——— Unzucht zu schauen bekommen! Und so gebe denn Acht!"

06. In diesem Augenblicke kommen durch den Garten 12 recht saubere Dirnen zu der Gesellschaft. Sogleich geschieht ein feldgeschreiartiger Jubelruf, und alles, was nur Mann heißt, stürzt sich wie Tiger auf ihre Beuten auf diese Dirnen los!

07. Robert springt über diese Ungezogenheit nahe vor Aerger auseinander, und will mit Donner und Blitz hinauseilen; aber ich halte ihn weislich davon ab, und er bleibt voll gerechten Ingrimms in dem Hause bei Mir, und wirft nur manchmal einen Blick zum Fenster hinaus!(Am 15] Febr. 1849)

08. Nach einer Weile, als Robert sich über die Ohren an den verschiedenartigsten Unzuchts—Skandalen seiner Wiener Freunde satt geärgert hat, spricht er zu Mir: (Robert:) „O Herr! nun hätte ich mich doch wahrlich geärgert zur großen Uebergenüge; aber bei aller Deiner Heiligkeit, was wahr ist, ist wahr, diese echten Lumpen werden darum dennoch um kein Haar besser, und so sehe ich es nun wieder bei mir ein, daß es von mir selbst eine tüchtige Dummheit war, daß ich mich darüber geärgert habe!

09. Du könntest diese Sache freilich sogleich anders machen, so Du es wolltest, und so es Deine Weisheit für gut und recht fände; aber Du, Der Du nur zu handgreiflicher Weise die ungeheuerste Geduld, Liebe und Sanftmuth Selbst bist, siehst diesem echtesten Luderspektakel mit einer Ruhe zu, als könnte Dich so etwas ewig nimmer in einen auch nur scheinbaren Aerger versetzen; was solle aber ich da noch mich ärgern, wo Du so ruhig zuschauest?! O da werde ich mich für die Zukunft auch nicht ärgern, und sollen's diese Lumpen noch 1000 Male ärger treiben, als sie es nun schon getrieben haben, und noch treiben!

10. Nur das begreife ich nicht, wie einem sonst gebildeten Menschen solch eine Schweinerei aller Schweinereien zur Leidenschaft werden kann!? Ich war doch auch ein Mensch, von festem Fleische und sehr heißem Blute, und habe wohl auch dann und wann dem Fleische gedient; aber bei allem meinem Leben! bis zur Leidenschaft ist bei mir dieser actus bestialis nie gediehen! denn wahrlich wahr, ich habe mich dabei stets geschämt, wie ein ganz hundsgemeiner Bettpisser; denn ich dachte nur zu sehr dabei, und sagte mirs auch oft ganz tüchtig ins Ohr: „Robert! was bist du nun? du sollst in Allem ein rechter Mann sein, und siehe, du bist (zeitweilig) ein g— Thier! Schäme dich Robert, der du ein Mann sein sollest, durchaus ein Mann, und du bist (jetzt) ein g— Thier, und blöd wie ein Esel! Robert! du bist kein Mann, ein Weiberpoppel bist! ein rund's und glatt's Gesicht, ein Paar nach Unzucht glotzende feurige Augen einer dicken Dirne, ein voller Busen und dergleichen Dummheiten mehr können dich zum Thiere 'runter machen, du kannst drob schwach werden! Pfui, und noch tausendmal Pfui dir! denn so bist du kein Mann, sondern blos nur ein gailes Thier. Ein Thier aber kann nicht handeln, sondern blos nur wie ein Ochse, ein Esel oder ein Schwein, aller Gedanken ledig genießen, eine Beschäftigung, deren jeder Polyp fähig ist.

11. Siehe, eine solche, und oft noch ärgere Lektionen habe ich mir selbst gegeben, so ich dann und wann, besonders so ich manchmal bei gewissen festlichen Gelegenheiten zu tief ins Gläschen geguckt habe, schwach geworden bin; aber, bei meinem armen Leben, bis zur Leidenschaft ist es bei mir nie gekommen!

12. Aber diese hundsgemeinen Kerls betreiben diese Sachen mit einer so leidenschaftlichen Gier, daß sich wirklich alle Hunde, Affen, Spatzen und Fliegen vor ihnen allerwaidligst schämen müssen, so sie diese Lumpen in die Betrachtung nehmen! Was mich aber am meisten wundert, ist das, daß hier gerade die alten Schöpse und Esel es am ärgsten treiben! Da sieh einmal hinaus, dort unter einem Feigenbaume haben drei recht wunderalte Kerls eine Dirne, und machen Spektakel mit ihr! Ach Herr Je! — — das ist ja doch zum Donnerwetter dreinschlagen! — — Wird denn diese — Schweinerei kein Ende nehmen?!"

13. Rede Ich (Jesus): „Gedulde dich nur noch ein wenig, siehe, Ich will ihnen noch mehr Dirnen herbei ziehen, und wir werden dann sehen, was sie mit diesen thun werden? Die neu herbeigezogenen Dirnen sollen noch üppiger sein, als die früheren, aber dafür etwas spröder und züchtiger, und wir werden sehen, was deine Freunde mit diesen machen werden!?"

14. Spricht Robert: „O Herr! ich meine, um das im Voraus zu bestimmen, braucht man gar nicht allwissend zu sein! Da werden diese Kerle es noch Hunderttausendmal ärger treiben! Ach Herr Je— , das wird eine schöne Hetze abgeben!? Mag gar nicht einmal hinausschauen, so diese dumme Hetze angehen wird! — Aber sag' mir doch gnädigst einmal, Du Herr, Du einziger Herr über alle Himmel und Welten, was wird denn da am Ende herauskommen? Werden diese Lumpen die Sache nicht einmal satt bekommen? — Werden sie, statt Geister zu werden, sich nur zu echten Thieren umwandeln? Bei meinem armen Leben, das wird denn etwa doch eine saudumme Geschichte abgeben?!"

15. Rede Ich (Jesus): „Sei nur ruhig, du wirst in allem dem gar bald ein rechtes Licht bekommen; aber nur mußt du blos gleich Mir einen ganz ruhigen Zuschauer machen; wenn ich dir aber die Augen mehr und mehr öffnen werde, so wirst du dann erst vollends einsehen lernen, wie man hier zu Werke gehen muß, um womöglich solche Schweine — zu Menschen zu umstalten! Was aber hier die Liebe nicht vermag, das wird der Hölle, oder dem eigenen in jeder Seele wohnenden Strafgerichte anheimgestellet! Aber nun ruhig; denn sieh' — die Dirnen kommen schon."

16. Robert sieht nun zum Fenster hinaus, sieht sich nach den neu ankommenden Dirnen um, und spricht nach einer Weile: "Bei meinem armen Leben — wahrhaftig wahr, diese Dirnen, etlich zwanzig an der Zahl, sehen dir gar nicht übel aus, das heißt, so man sie mit einem rein irdischen Maaßstabe beurtheilet; Potz Tausend und alle Elemente, die vorderen Drei sind ja wie die ersten Pariser Ballettänzerinnen angekleidet! Die werden sicher diesen gailen Wiener Thiermenschen ein Pas de trois zum Besten geben, um sie desto lüsterner pro Actus bestialis zu machen?! Ich möchte es ihnen wohl sagen, daß sie sich deßhalb eben keine Mühe geben sollen; denn diese Thiermenscheu haben zu derlei Verrichtungen ohnehin nur zu viel Gier, ohne es vonnöthen zu haben, sich dazu extra durch allerlei weibliche Füßewacklereien reizen zu lassen!

17. Es wäre nach meiner freilich menschlich unvollkommenen Meinung wahrlich besser, so an der Stelle dieser schmucken Koreografinen (Tanzmeisterinnen) ein paar Dutzend Bären aufmarschieret wären; vielleicht würden diese sehr kräftigen und keinen Spaß verstehenden Wald— und Alpen—Choreografen auf diese meine thierischen Wienerfreunde eine bessere Wirkung üben, und heilsamer vielleicht auch, als diese dick— und rundfüßigen, vollbrüstigen und pausbackigen Tänzerinnen? —

18. Mich wundert es aber dennoch, daß die Wiener Geister sich nun beim Anblicke dieser Schönheiten noch so viel zurückhalten, daß sie diese neuen Schönheitskorifäen der Geisterwelt doch nicht so wie die früheren gleich beim ersten Erscheinen wüthenden Hunden gleich angefallen haben. Wahrscheinlich imponiren ihnen diese Schönheitssterne doch etwas zu stark, und sie trauen sich nicht an sie."

49. Kapitel. Eine Schar einstiger Balletttänzerinnen kommt ins Haus. Sie haben viel Not erfahren in der Geisterwelt und bitten demütig um Brot und Unterkommen.

01. Während Robert noch solches kaum ausgeredet hat, kommen diese zwei Dutzend weiblicher Schönheiten eine nach der andern in das Zimmer zu uns Beiden, machen vor uns eine tanzmeisterliche Referenz, und fragen uns dann, „ob in diesem Prachtpalaste nicht etwa auch ein Theater sei, auf dem sie etliche Vorstellungen in der hohen Koreografie geben könnten?"

02. Spricht Robert: „Da, neben mir steht der eigentliche Herr, Den fraget; ich bin erst seit einigen Augenblicken der ärgerliche Inwohner dieses Hauses, und kenne im selben außer diesem Gemache, in dem ihr euch nun befindet, noch kein anderes. Es kommt mir überhaupt sehr sonderbar vor, wie ihr euch hier in der Geisterwelt, wo man allein nur Gott den Herrn suchen, und sich in aller Liebe zu Ihm üben solle, um ein vollendeter Geist zu werden, mit solchen rein irdisch materiellsten Skandalkünsten abgeben könnet?! Aber — mir ist das gleich, so es dem Herrn dieses Hauses angenehm und zweckdienlich ist, da machet, was ihr wollet! Da neben mir aber, wie ich's euch schon angezeigt habe, ist eben der Herr Selbst!"

03. Sagen die drei Ersten: „Wie ist nun das?! Da draußen sagte uns Einer, der uns an die Thüre gefolget ist: Du wärest der Eigenthümer, und somit auch Herr dieses Palastes! — und du sagst nun, dieser, dein Freund, ist es!"

04. Spricht Robert: „Ja, und noch tausendmale Ja, Dieser ist der eigentliche Herr dieses Hauses! — und wer euch gesagt hat, daß ich der Herr sei, das war ein dummes Luder, und blinder als zehntausend Maulwürfe! fraget also Diesen, oder schauet, daß ihr bald zum Tempel hinaus kommet."

05. Darauf wenden sich die Drei an Mich und fragen Mich, „ob Ich alsonach wohl der Herr dieses Palastes wäre?" (Am 19. Febr. 1849)

06. Rede Ich: „In der Welt der Geister ist ein jeder Herr, das ist — Besitzer dessen, was sein ist, und so dieser da Mein Freund und Bruder ist, so besitze Ich ihn auch, als das, was er Mir ist, und bin sonach auch sein Herr, und auch der Herr dessen, was sein ist; wogegen er aber auch vor euch von Mir das Gleiche aussagen kann.

07. Daß Ich aber dieses Haus besser kenne, wie es beschaffen ist, als er, das hat seine gewissen Gründe, worunter auch der sich befindet, daß Ich schon um sehr viele Jahre länger nach irdischer Rechnung hier in der Welt der Geister Mich befinde, als der Freund da.

08. Mit der größten Gewißheit kann Ich euch daher sagen, daß sich in diesem ganzen großen Hause durchaus kein Theater, und ebenso wenig irgend ein Tanz— oder Springsaal befindet, außer an der ganz äußersten Nordseite eben dieses Hauses eine Art Rednerkammer mit einer Versenkung, durch die unlautere Geister, die sich Gottes Ordnung durchaus nimmer wollen gefallen lassen, ganz behaglich und wohlerhalten zur Hölle hinab können versenkt werden! So ihr dort eure Produktionen diesen Gästen da draußen wollet zum Besten geben, so kann euch diese Redner—, oder besser Haderkammer zur beliebigen Disposition gestellt werden! Aber ihr müsset da sehr Achtung geben, daß ihr bei eurer Koreografie nicht in eine solche Versenkung stürzet; denn so ihr da hineinkommet, da dürftet ihr schwer wieder den Weg zurück finden! Habt ihr das verstanden?"

09. Sprechen die drei ersten Korifäen: „Hörst du, lieber Freund, das ist etwas fatal! so ein Lokal können wir durchaus nicht brauchen! Kannst Du aber nicht gestatten, daß wir draußen im Garten unsere hohe Kunst produziren dürften?"

10. Rede Ich: „Ja, ja, draußen könnet ihr tanzen und springen, wie ihr nur immer wollt, da haben wir vor der Hand nichts dagegen. — Gehet sonach nur wieder hinaus, und machet draußen, was ihr wollt; denn hier im Hause thut es sich mit eurer Sache schon durchaus nicht."

11. Spricht die Eine aus den Dreien: „O lieber Freund! als wir noch auf der Erde waren, da ging es uns sehr gut; denn wir waren die Abgöttinnen der größten Städte; alles war entzückt, was uns zu bewundern Gelegenheit hatte; wir erwarben uns, nebst der Gunst der größten Kronenträger, auch sehr viel Geld und sonstige Schätze, womit wir uns auf 1000 Jahre best versorgt sahen; aber als wir uns in die Ruhe begaben, um die goldnen Früchte unserer Bemühungen zu genießen, da kam plötzlich eine fatale Krankheit über unsern schönsten Leib; wir zehrten ab und starben!

12. Nun sind wir schon bei 30 Jahre lang hier in dieser armseligsten Geisterwelt, oder was sie sonst sein mag, und es geht uns ganz entsetzlich schlecht! Nirgends giebt es für uns einen Verdienst; wo wir nur immer anklopfen, da werden wir wie hier bescheidet, und — o Freunde — der Hunger thut gar entsetzlich weh! Auf eine gar zu gemeine Weise wollen wir uns das Brod denn doch nicht verdienen, da wir dazu denn doch zu gut sind; besonders möchten wir mit einem so lumpigten Gesindel, wie das da draußen, schon gar nichts zu thun haben, da wir auf der Erde doch nicht selten Prinzen das nicht gewährten, was sie doch gar so oft bei uns suchten; und sonst giebt uns hier aber auch kein Mensch oder Geist nur einen Tropfen Wassers! Du siehst daraus, daß wir hier sehr elend und gar entsetzlich arm sind?!

13. Könntest oder wolltest Du uns denn nicht, gegen was immer für einen ödesten Dienst, hier in diesem Innern eine Unterkunft und nur so viel Brodes zukommen lassen, daß wir uns nur einmal den allerbrennendsten Hunger um ein Kleines stillen könnten?! — O, sei von uns Allen durch mich allerinbrünstigst darum gebeten!"

14. Rede Ich: „Ja, meine lieben Koreografinen, das hängt hier nicht von Mir ab; denn der eigentliche Eigenthümer dieses Hauses, wie auch alles dessen, was eure Augen erschauen in dieser weitgedehnten Gegend, ist dennoch dieser Mein Freund und Bruder; wenn er euch das geben will, was ihr möchtet, da werde Ich nichts dagegen haben, im Gegentheile — wird Mir das nur eine große Freude sein; aber dazu bereden, oder gar bei den Haaren dazu ziehen, werde Ich ihn nicht! Wendet euch daher an ihn!"

15. Die Sprecherin will sich nun in dieser Sache an den Robert wenden;

16. aber er kommt ihr zuvor und spricht: „Meine liebe Koreografin, und ihr alle zwei Dutzend desselben Gewerbes! Ich habe von eures Gleichen bisher nur das gewußt, daß eure Füße viel elastischer seien, als die Füße anderer ehrlicher Menschen; daß aber die Koreografinen auch fuchsfeine Nasen hätten, das wußte ich bisher noch nicht! wahrlich, eure Nasen machen euch nun mehr Ehre, als eure noch so feingebildeten Füße! So ich's allein mit euch zu thun hätte, da würde ich euch sogleich zur Thüre hinausweisen; aber da das diesem meinem Freunde eine Freude machet, so ich eure Bitte erhöre, so will ich euch denn in Gottes Namen auch aufnehmen! Und so bleibet denn; dort im Hintergrunde, und zwar in einer Ecke dieses Gemaches, befindet sich ein kleiner Tisch mit etwas Brod und Wein; gehet hin und stärket euch! sodann kommet wieder, und wir werden euch dann schon ein Geschäftchen anweisen, dem ihr recht emsig obzuliegen haben werdet. Nun gehet, wohin ich euch beschieden habe." Die Tänzerinnen folgen sogleich diesem Befehle.

50. Kapitel. Die Wiener Gesellschaft vor dem Hause verlangt einen Teil der Tänzerinnen. Roberts Donnerpredigt. Seelenrettung am Abgrund. 'Weingeistbrennen' auf geistigem Weg.

01. Diese 24 schönen Tänzerinnen aber bleiben für die lüsternen Wiener Freunde Roberts nun schon zu lange im Hause; daher kommen diese vor die Zimmerthüre Roberts, und sagen laut schreiend: „No, wie lang belieben denn diese Pariser und Londoner Schnellfüßlerinnen bei euch zu verweilen?! — Wir glauben gar, daß du sie für dich und deinen Freund da zurück behalten möchtest!? — Wäre nicht übel, du behieltest das Beste für dich, und wir als deine Freunde könnten uns draußen mit den mageren, braunen und häßlichen Fetzen begnügen! Schau, schau, du wärst uns ein rarer Freund, das Beste möcht'st du behalten, und das Schlechte uns zukommen lassen! — Wir bedanken uns ganz gehorsamst für solche deine saubere Freundschaft!— — Höre! wir wollen billig sein, weil du der Blum bist; ein Dutzend kannst du für dich behalten; aber ein Dutzend von diesen schönen Engländerinnen oder Französinnen mußt du uns sogleich ausliefern, sonst fangen wir ein Spektakel ums andere zu machen an, ja sogar mit der schönsten Katzenmusik sollst du sogar hier im Geisterreiche bedient werden! und wenn dich diese auch noch nicht für die Erfüllung unserer Wünsche stimmen solle, so schlagen wir hier alles quintelweis zusammen!"

02. Spricht Blum: „Aber oha! sagt auch eine gewisse Gattung der Bewohner Wiens; ich sage euch: So wahr ein ewiger Gott lebt, und so wahr ich bis jetzt noch den Erdnamen Robert Blum führe, so wahr auch kommt keine von diesen Tänzerinnen zu eurem schändlichsten Vergnügen aus dieser Burg, in der Gott der Wahrhaftige wohnt, und Jedem giebt, wie er sichs verdienet hat!

03. Ich habe sie als hungrige und elende Wesen in dieß mein Haus aufgenommen; sie sind meine Gäste nun, und genießen als solche auch alle jene Sicherheit, und jenen Respekt, den mein Haus von jedem gut— und ehrlichgesinnten Geiste zu fordern das vollste Recht hat; seid ihr aber etwa ernstlich gesonnen, dieses heilige Recht jedes Hauses an diesem meinem Hause zu schänden, so versuchet es, und wir wollen sehen, wer da das Kürzere ziehen wird?!

04. Ich glaube, und bin der Meinung, nach dem was ich von euch gesehen habe durch dieß Fenster, daß ihr euch draußen in meinem Garten doch zur Vollgenüge müßtet ausgebuhlet haben!? Denn wahrlich, ich kenne kein Thier auf der Erde, das einen solch' schändlichen Instinktstrieb je irgendwo verriethe, wie ihr als vernünftige Menschengeister hier im Gottesreiche sogar allerthätigst an den Tag geleget habt! Aber nicht genug, daß ihr euch ohnehin schon bis ins Zentrum der untersten Hölle hinein gesündiget habt, und den Teufeln gleich geworden seid, nicht genug, daß eure schändliche Gier jene ärmsten weiblichen Wesen, statt ihnen zu helfen, noch 1000 Male elender gemacht hat, als sie ehedem waren; nicht genug, sage ich, daß ihr diese reine geistige Gotteserde mit dem schändlichsten Geifer der echt höllischen Unzucht und Hurerei auf das Schmählichste beflecket habt! Nein, das alles ist eurer unersättlichen Gailgier noch viel zu wenig!

05. Auch diese armen Wesen, die 30 lange Jahre, nach irdischer Rechnung, Hunger, Durst und 1000faches anderes Elend zu erdulden hatten, nach dem Rathschlusse des Allerhöchsten, die Gott Selbst nun aufgenommen hat, und die dort in jener Ecke dieses Gemaches vielleicht seit 30 langen Jahren das erste Stückchen nährenden Brodes genießen, und dafür Gott, Den sie leider noch kaum kennen, mit Thränen danken, diese wollet ihr auch noch mit euch zur Hölle hinabziehen! O eurer grenzenlosen Verruchtheit!

06. Die armen Wesen da draußen, die ihr soeben auf das gewissenloseste und unbarmherzigste geschändet habt, die nun voll Schmerzen jammern und weheklagen, und dahin liegen wie halbtodt, wisset ihr, wer sie sind? Sehet, das sind eure eigenen Töchter auf Erden gewesen; sie kamen zum Theile durch natürliche Krankheiten, wie sie im lustigen Wien leider nur zu häufig vorkommen, und zum Theile durch die Beschießung Wiens um ihr irdisches Leben; aller geistigen Bildung bar und ledig kamen sie in dieser geistigen Welt an, und wußten nicht wohin, wo aus, und wo ein; da erfuhren sie durch eine gütige Fügung Gottes, daß ihr, als ihre irdischen Väter, euch in dieser Gegend befindet, die ihnen angezeiget ward. Voll Freuden, in der Hoffnung, ihr traurig aussehendes Loos zu verbessern, eilten sie hierher; als sie hier anlangten, und euch erblickten und erkannten, und euch mit dem kindlichen Rufe: Vater! an ihr kindliches Herz ziehen wollten, — da spranget ihr gleich wüthenden Hyänen über sie, und finget sogleich an — als Väter mit den eigenen Töchtern — die allerg— und schmählichste Unzucht und Hurerei zu treiben. Umsonst schrieen die Armen: „um Gottes willen! wir sind ja eure Töchter! was thut ihr mit uns!? Jesus, Jesus! was thut ihr?!" Aber das hörtet ihr gar nicht; denn eure verfluchte Gailgier und teuflische Brunst hat euch blinder und stummer gemacht, als da blind und stumm ist ein Auerhahn in seiner Balzzeit! ihr zerrisset förmlich die Armen in eurer Gailwuth! o ihr verruchten Thäter des Uebels! Da sehet hinaus euer schönes Werk! Mit welchem Namen solle man es bezeichnen?! wahrlich meine Zunge findet keinen Ausdruck dafür!

07. Als ich mit diesem meinem großen Freunde hier ankam, und euch Alle eben hier in meinem Hause antraf, da hatte ich eine rechte Freude an euch, und besonders freute es mich, als ich von euch nach Verlauf einiger Worte, die ich an euch gerichtet habe, das herrliche Verlangen vernahm, demnach es eure dießweltliche größte Freude wäre, Christum den Herrn nur einmal von ferne zu Gesichte zu bekommen! Ich gab euch darauf die Versicherung, daß ihr, so ihr Ihn recht innigst liebend in euer Herz werdet aufgenommen haben, und durch solche Liebe reiner machet eure Herzen, Ihn, den Herrn der Ewigkeit, nicht nur einmal, sondern immer und ewig sehen werdet! Worauf ihr sehr froh ergriffen waret, und recht demüthigst bekanntet, daß ihr solcher zu großen Gnade noch gar lange nicht werth seid! Das gefiel mir so gut, daß ich vor Freude hätte weinen mögen.

08. Aber incredibile dictu (unglaublich scheints) als ich in dieß, mein Haus, mit diesem meinem Freunde trat, und Ihm darob meine Freude äußerte, da sprach Sein weisester Mund: „Traue ihnen nicht zu viel; das sind lauter grobsinnliche Genußmenschen! Ich sage es dir, es werden von ihnen etliche zur Hölle hinab müssen, und es wird ihrer Aller Besserung ein hartes Werk sein. O der großen Wahrheit! ich sage es euch, ihr brauchet nun nicht mehr zur Hölle hinab zu kommen, denn ihr seid schon vollends in ihr! Denn die böse unersättliche Gailgier eurer unrathvollsten und stinkendsten Herzen kann euch Gott nicht mehr bessern, außer durchs Gericht der Hölle, da ihr selbst ganz Hölle seid!

09. Nun habe ich euch's gesagt, wie es mir Gott in's Herz geleget hat; ihr wisset nun, was ihr gethan habt, und was ihr noch thun wollet, und was davon die unvermeidlichste Folge sein wird! Thuet nun, was ihr wollt! Noch seid ihr frei; aber bald, nur zu bald wird das Gericht Gottes euch ergreifen, und euch geben euren Lohn! Aber nicht nur euch, sondern auch Allen, die auf Erden in dieser Zeit noch im Leibe herumwandeln, und sich die Mahnungen Gottes, deren diese Zeit so voll ist, nicht wollen gefallen lassen!

10. Hätte ich selbst auf der Erde lieber so manchen unverkennbaren Gottesmahnungen mein Ohr und mein Herz geöffnet, so wäre ich auch in gar kein Gericht gekommen; aber weil ich nur dem folgte, was mein zu exaltirter und ruhmsüchtiger Verstand mir eingab, so mußte ich mir dann aber auch ein übles Gericht gefallen lassen! Ich aber wollte dennoch Gutes — nach meinem Urtheile, und habe mich dadurch dennoch eines Gerichtes schuldig gemacht, und ward auch gerichtet! Was wird aber mit euch, da ihr nur Arges wollt, das ihr gar wohl einsehet, daß es es ein Arges ist?!!" —

11. Auf diese sehr eindringliche Rede Roberts fangen die äußerst betroffenen Zuhörer ganz gewaltig zu stutzen an, und Einer zieht sich um den Andern zurück; Keiner hat den Muth, dem Robert auch nur ein Wörtlein zu erwidern. Nur unter einander murmeln sie, daß sie die Veränderung Roberts nicht begreifen, und sein Ernst sei wie ein großer Donner, und seine Rede wie eine alles verheerende Sturmfluth!

12. Einige unter ihnen aber fangen an sehr in sich zu gehen, und eine mächtige Furcht ergreift ihr ganzes Wesen, und sie bereuen sehr, was sie gethan haben.

Kapitel . Die folgenden Verse 13—18 sind in der aktuellen LV—Auflage noch im 50. Kapitel aufgeführt*]

——> 13] Darauf wendet sich Robert zu Mir, und spricht: „O Herr, Du mein allerheiligster und ewig wahrster und bester Vater! vergebe es mir, so ich nun an diese meine sogenannten „Wienerfreunde" eine vielleicht denn doch etwas zu harte und scharfe Mahnrede geführet habe!? Du siehst es ja in meinem Innersten, daß ich ihnen Allen nur das Beste wünsche, und möchte durch die Schärfe meiner Rede nichts Anderes bewerkstelligen, als so es möglich wäre, ihnen das sicher allerhöchst traurige Gericht der Hölle ersparen; denn ich meine, ein noch so scharfes Mahnwort ist dennoch unberechenbar milder, als das kleinste Fünklein höllischen Gerichtes!? Und so donnerte ich denn auch in diese aller höhern Bildung ledigen Brüder mit aller Kraft, die ich nur immer aus allen Winkeln und Ecken meines Wesens habe zusammen raffen können, hinein, und habe, wie es wenigstens scheint, bei Einigen einen recht wohl sichtbaren Effekt zu Wege gebracht!

14. O Vater! segne Du diese meine Worte in ihnen, wer weiß es, vielleicht werden sie bei ihnen doch das bewirken, was ich damit so ganz eigentlich habe bewirken wollen!?"

15. Rede Ich (Jesus): „Mein lieber Freund, Bruder und nun auch Sohn! Ich sage es dir: Nicht ein Wort mehr, und nicht ein Wort weniger hast du geredet, als was Ich Selbst in dein Herz geleget habe! Denn was du geredet hast, das habe Ich in deinem Herzen gedacht und gewollt; daher darfst du dir auch durchaus keine Vorwürfe machen, als wärest etwa du aus dir selbst gegen diese aller geistigen Lebensbildung ledigen Menschen zu hart gewesen; O deßhalb sei du nun ganz ruhig!

16. Denn siehe, solche Geister, die am Rande des Abgrundes stehen, und sich schon also vorneigen, um im nächsten Augenblicke in selben hineinzustürzen, müssen mit aller Kraft ergriffen, und so vom Rande des Abgrundes zurück gerissen werden; nur so ist es möglich — sie ohne Hölle auf einen bessern Weg zu bringen.

17. Du wirst dich nun bald überzeugen, welch eine gute Wirkung die Donnerrede deines Mundes bei ihnen hervorgebracht hat! Alle werden freilich noch allerlei Ausflüchte suchen, und werden sich schöner machen wollen, als sie sind; aber das macht nichts, wenn nur nahe der größere Theil in sich geht, so ist das schon gut; der mindere Theil wird dann als der ganz natürlich Schwächere mit der Weile sich denn am Ende dennoch willig also und dahin zu fügen bemüßigt sein, da er nach sonst irgend wohin keinen Ausweg finden wird.

18. Doch lassen wir sie nun ein wenig ruhen, und in dieser Ruhe gleicher Weise ein wenig durchgähren; so sie nach rechtem Maaße also werden durchsäuert sein, wie da auf Erden durchsäuert ist die Maische, bevor sie in den Destillierkessel gethan wird zur Gewinnung des Spiritus, da werden wir sie dann auch in den Destillierkessel thun, unter dem ein stets gleich mächtiges Feuer unserer Liebe brennet; und es wird dann ein Leichtes sein — ihr wahres Geistige von den groben irdischen Trebern zu scheiden. — Nun aber unterdessen von etwas anderem.

51. Kapitel. Die drei Kampfgenossen Roberts vor Jesus. Auch sie sollen gebessert werden. Die dankbaren Tänzerinnen als willige Werkzeuge.

01. „Es war schon ehedem einmal die Rede von deinen dreien andern Freunden, nehmlich vom M., J. und B.; es ward gefragt, wo diese, die mit dir das Loos theilten, wären? Deine Freunde gaben ihnen ein eben nicht zu glänzendes Zeugniß; Ich sage dir, so plump und grob zwar dieses Zeugniß an und für sich auch immer war, so war aber dennoch im Ernst etwas daran; denn alle Drei waren heimlich von einem ganz andern Geiste getrieben als du; du hattest nach deinem Verstande und Erkenntnisse nur einen irdisch genommen guten Zweck vor dir, den du eben also zu erreichen strebtest, wie du einen gleichen in deinem Lande auch wirklich erreichet hast; aber nach solch einem irdisch allerdings achtbaren Zwecke und Ziele trachteten deine drei vorbenannten Freunde nicht. Während du als ein echter Filantrop handeltest und wirktest, handelten und wirkten die Drei, mit geringen Gesinnungsunterschieden, blos nur für die Erreichung entweder des losesten Volksabsolutismus; oder, so dieß fehl schlüge, doch wenigstens einer reich bespickten Börse, mit der sie sich dann bei einer günstigen Gelegenheit in nächtlicher und nebliger Dunkelheit hätten empfehlen können!

02. Aber die schlüpfrige Fortuna war ihnen nicht günstig; sie stellte wohl auf eine Zeit lang ein tüchtiges Füllhorn dem Ersten vor die Füße; aber er merkte es nicht, daß sich unter dem Füllhorne jene fatale Rollkugel befand, die an das Unbeständige alles irdischen Glückes gar so trefflich mahnt! und so geschah es denn auch leicht, daß das irdische Glück des M. nur zur bald umschlug.

03. Den Andern zweien war diese Fortuna freilich sichtlich nicht so günstig, obschon sie mit Hülfe der Gänsekiele alles aufboten, um ihnen diese Göttin der Heiden geneigt zu machen; sie fochten mit den Waffen, die ihnen die Gänse gaben, gleich einem Simson herum, und schlugen damit eine Zeit lang gar sehr wacker, und ohne alle Schonung auf den Köpfen der sogenannten reaktionären Filister herum; aber es wollte an diesen Wunden, die sie ihren Feinden mit den Gänseschwertern beibrachten, Niemand sterben, und die Fortuna war auch so trotzig und eigensinnig, und wollte ihnen kein freundlichs Gesicht zeigen; das ärgerte sie sehr mächtig, daß sie darob die erste Waffengattung von sich warfen, und borgten sich dafür andere beim Mars aus, mit denen sie im Ernste Simsonische Filisterniedermachungseffekte zu bewerkstelligen vermeinten, und zwar aus dem Grunde, daß ihnen dadurch die für sie einzig göttlichste Fortuna geneigter werden möchte, als sie es früher war, wo sie blos die leichtere Waffengattung gebrauchten?! Aber da stand es bald noch ärger um die Beiden; die Fortuna wurde erbost, und warf ihnen am Ende so viele Kugeln unter die Füße, und machte den Boden, auf dem sie fest stehen wollten, so glatt und schlüpfrig, daß es für sie unmöglich ward, sich noch fernerhin aufrecht zu erhalten, sondern gleich jenen sonst gutmüthigen Thieren, die manchmal auch einen Tanz am Eise versuchen sollen, zu fallen; und ihr Liedchen an die Fortuna ist damit auch vollends zum Ende gekommen!

04. Mit diesem Falle traten diese drei Helden aber auch von dem Schau— und Prüfungsplatze der Außenwelt ab, und sind nun dir gleich in diese ewig gleich fortdauernde neue Welt herüber gewandert, natürlich unter zahllosen Verwünschungen jener Weltmächtigen, die sie mit einer wahren Extraschnellpost hierher befördert haben. Sie sind nun alsonach auch ohne allen Zweifel hier in der Geisterwelt, und das sicher nicht gar zu weit von hier.

05. Du sprichst in dir: (Rob.:) „Das ist sicher und wahr; aber wo so ganz eigentlich? Schweben sie etwa auch mir gleich noch irgendwo zwischen Himmel und Erde im Aether? oder sind sie etwa gar hier in der Nähe dieses Hauses irgendwo in einem Winkel verborgen?"

06. Ich sage es dir: nicht im Aether und nicht in irgend einem Verstecke, etwa in der Nähe dieses deines Hauses, das da gleich ist dem Innern deines Herzens; sondern wie sie in deinem Herzen durch dein liebvolles Gedenken an sie gegenwärtig sind, so sind sie auch in der Wirklichkeit in diesem Hause gegenwärtig! Eine einzige Thüre scheidet sie noch von dir und Mir; so wir diese Thüre öffnen, da wirst du sie noch ganz so, wie sie die Erde verlassen hatten, antreffen.

07. Aber so Ich dir die Thüre öffnen werde, da darfst du sie nicht sogleich anreden, sondern sie eine Zeit lange an Meiner Seite belauschen, was alles sie unter einander abmachen und beschließen werden; so sie erst einen Vollbeschluß werden gefaßt haben, alsdann erst wird es an der rechten Zeit sein, sie anzureden, und sich ihnen zu zeigen; das also zu deiner Darnachrichtung!

08. Vor der Hand aber wollen wir noch mit unseren Tänzerinnen ein paar Wörtleins wechseln, und sie für unsere kommenden Operationen ein wenig vorbereiten; denn diese werden wir in der Folge so gut brauchen können, daß du dirs nun noch gar nicht vorzustellen vermagst! Daher nun an dieß nöthige Vorwerk."

09. Nach dieser kurzen Vorunterweisung begeben wir uns aber auch sogleich zu unseren Tänzerinnen, die uns Beide gar liebfreundlichst empfangen, und fürs Erste — gar herzlich danken, für die so überaus gute Bewirthung, und fürs Zweite — aber auch für den energischen Schutz gegen Jene, die üble Absichten auf ihre ohnehin sehr unglücklichen und elenden Personen hatten! Auch bitten sie den Robert tausendmale um Vergebung, daß sie, was er wohl merken hatte können, ihn für ein hartes Wesen hielten, während er nun in der That bewiesen habe, was für ein überaus liebevoller und rechtlicher Mann er sei! —

10. Robert, solches Lob zwar gerade nicht ungerne anhörend, aber ermahnt sich doch gleich, und spricht in seinem gewöhnlichen etwas rauhernstlichen Tone: „Höret ihr, meine lieben armen Schwestern! seid nicht zu voreilig mit eurem Lobe und Danke; denn ihr wisset es ja noch lange nicht, Wer hier der eigentliche Geber aller guten Gaben ist!?

11. Das sage ich euch, und ihr könnet mir es aufs Wort glauben, daß ich durchaus nicht der Geber bin, sondern Jemand ganz Anderer; ich aber bin hier nur so zu sagen ein recht derber und grober Hausknecht, aber dabei Gott Lob kreuzehrlich! Aber das ist nun alles eins, ob ihr mir oder dem eigentlichen Herrn dieses Hauses danket; denn was mir nicht gebührt, das nehme ich auch nicht an, sondern gebe es ganz getreu meinem einzigen Herrn wieder!

12. Doch nun von etwas Anderem: Saget ihr uns Beiden, ob ihr nun noch darauf bestehet, eine Tanzproduktion in diesem Hause zu veranstalten? oder seid ihr nun etwa gar von dieser tollen Idee im Ernste abgekommen?" —

13. Sprechen die Tänzerinnen: „O ihr allerbesten und liebvollsten Freunde der armen Menschheit! so ein Verlangen wäre nun wahrlich die größte Tollheit von unserer Seite! Denn wir wollten ja nur darum allhier unsere armseligste Kunst in die Ausübung bringen, um uns durch sie möglicherweise so viel zu verdienen, daß wir mit dem Verdienste doch den brennendsten Hunger hätten stillen können! Da wir aber nun, Dank euch Beiden, bei euch auch ohne unserer beabsichteten Produktion die herzlichste Aufnahme fanden, da wäre es ja doch eine der größten Thorheiten von unserer Seite, so wir nur an so was gedenken möchten, davon wir nun nur zu sehr überzeugt sind, daß unsere genug elende irdische Kunst in euren sicher himmlisch reinen Augen ein Greuel ist! O, so ihr Beide uns nur stets so gnädig seid, wie ihr es bis jetzt waret, da wollen wir von unserer Kunst auch ewig nichts mehr hören und wissen! Dessen könnet ihr vollends versichert sein."

14. Spricht Robert: „Das freut uns, und das ist schön und gut von euch. Aber so wir Beide später eines gewissen guten Zweckes wegen von euch verlangen möchten, daß ihr bei einer bald kommenden Gelegenheit denn doch so ein Tänzchen produziren möchtet, — würdet ihr auch dann dem sehr löblichen Entschlusse, nimmer zu tanzen, getreu verbleiben?"

15. Sprechen die Tänzerinnen: „O Freunde! Was immer ihr wollet, das werden wir auch thun, da wir nur zu gut wissen, daß ihr nur etwas Gutes wollen könnet, und so wollen wir auch tanzen, so ihr es verlanget; denn euer Wille soll fortan stets auch der unsrige sein!"

16. Spricht Robert: „Nun gut, so haltet euch dazu bereit; denn es wird die Gelegenheit sich in kurzer Frist ergeben."

52. Kapitel. Das gute Werk des Geistes in Robert. Die Herablassung Jesu erschüttert sein Herz. Sein Mitleid kommt durch Jesu Gnade den Tänzerinnen zugute. Drei Kampf— und Leidensgenossen Roberts.

01. Rede Ich (Jesus) zum Robert: „Mein liebster Freund, Bruder und Sohn! Du hast wahrlich ein sehr geschmeidiges Herz, und das ist für Mich eine große Freude; denn siehe, du redest wie aus dir selbst, und dennoch redest nicht du aus dir, sondern Ich; und das ist eine rechte Sache hier im Reiche der Geister, daß des Freundes Mund das laut kündet, was da Rechtliches und Wahres vorgeht im Herzen seines Nächsten; — dein Herz vernimmt genau Meine Gedanken, und Mein Wille bleibt ihm nicht fremd! und siehe, das alles ist das Werk Meines schon stark wach gewordenen Geistes in dir.

02. Dieser Geist, weil er ganz rein aus Mir ist, kann daher auch in Meine Tiefen dringen, und allda erschauen und erforschen Meine Gedanken und Meinen Willen, und das ist nun bei dir schon sehr stark der Fall; daher du nun schon also fertig in deinem Herzen wahrnimmst, was Ich denke und will, als wärest du schon 1000 Jahre hier in die heiligen Geschäfte vollständig eingeweiht! Fahre du nur so fort, da wirst du Mir in aller Kürze ein ganz tüchtiges Rüstzeug werden.

03. Und nun, da unsere Tänzerinnen schon unterrichtet sind, und wissen, was sie zu thun haben, so wollen wir uns sogleich an die Eröffnung der Thüre machen, hinter der wir sogleich das „Wienerheldenkleeblatt" mit einander debattirend antreffen werden.

04. Nur muß Ich dich noch vorher fragen, ob die Tänzerinnen also schön genug sind, wie du sie nun siehst, oder sollen wir sie etwa so recht „non plus ultra" schön machen?"

05. Spricht Robert etwas lächelnd: „O Herr! wie doch gar so über alle Begriffe gut, mild und herablassend bist Du!? Du sprichst mit mir wahrlich nicht als ein ewiger Herr der Unendlichkeit; sondern gerade wie ein irdischer Freund zum andern, und als ob Du im Ernste meines Rathes bedürftest! Ja, das, das erst macht Dich noch unendlich größer in meinem Gemüthe, als so Du ganze Heere neuer Welten und Himmel vor meinen Augen erschaffen möchtest. — Daß Du als Gott und Herr unendlich mächtig in Dir Selbst auch Unendliches gestalten kannst, siehe, das findet mein Herz nun ganz natürlich; aber daß Du mit mir, Deinem Geschöpfe, so ganz familiär redest und handelst, wie ein rechter Bruder mit dem andern, das macht mein Herz völlig erstarren vor Deiner Größe!

06. Aber sei ihm nun, wie es ihm wolle, was die noch größere Verschönerung dieser Tänzerinnen betrifft, so stelle ich es, so wie alles andere, natürlich ganz nur Dir anheim! Die Ersteren sehen nach meiner Beurtheilung wohl ohnehin gar nicht übel aus; denn sie sind, wie man auf der Erde zu sagen pflegt, so recht fest und nett beisammen; ihr Anzug ist recht, wie man sagt „gewählt", und ihre Gesichter, Brüste, Arme und Füße suchen ihres Gleichen; aber die Anderen sehen wohl, besonders einige dort im Hintergrunde, sehr spitzig aus, und ihr Anzug erinnert mich sehr lebhaft an den Anzug jener sogenannten fliegenden Komödianten—Trupps, die sich als eben nie zu reiche und geniale Trambulin—Springer, Purzelbaummacher und Seiltänzer in den Märkten und Dörfern herumtreiben! So Du diese in ein bischen besseres Licht stellen möchtest, das — meine ich — könnte grade nicht schaden, vorausgesetzt, daß sie dadurch etwa doch nicht eitler werden, als sie nun zu sein scheinen; denn jetzt scheint sie die Eitelkeit eben nicht gar zu sehr zu plagen, darum sie auch wahrscheinlich sich mehr in dem Hintergrunde befinden!"

07. Rede Ich (Jesus): „Ganz gut, Mein allerliebster Robert, wie du es gewünscht hast, so solle es auch geschehen! — Siehe, dort an der Wand, gerade wo die Spitzigeren stehen, befindet sich ein Schrank; gehe hin, und eröffne ihn, und zeige es dann jenen Tänzerinnen, die du einer Verschönerung für nöthig erachtest. In diesem Schranke werden sich eine Menge Kleider vorfinden, die ihnen ganz gut stehen werden; diese sollen sie anziehen!"

08. Robert thut sogleich, wie Ich es ihm gerathen habe, und die Tänzerinnen haben eine große Freude daran, und kleiden sich gar hurtigst an.

09. Als sie nun in der kürzesten Zeit von wenigen Augenblicken gar sehr herrlich bekleidet dastehen, da kann sich der Robert nicht genug verwundern über die herrlichen Gestalten! Er kommt schnell wieder zu Mir, und spricht: (Robert:) „Aber das ist doch alles, was man nur immer denken und sagen kann! Siehe, nicht nur, daß ihnen diese rein himmlisch schönsten Kleider wie angegossen gut anstehen, sondern diese Kleider wirken auch auf ihre Gestalt ein; — was das nun für herrlich allerliebste Gesichter sind! eines in seiner Art interessanter als das andere; dann wie schön weiß und rund sind nun ihre früher sehr spitzeckigen Arme geworden; wie hochrund und wallend ihr Busen! und erst ihre Füße! Mord und Tausend Elementen! Nein, hörst Du, so was bekommt ein armer Sünder auf der Erde nie zu Gesichte! ist aber auch gut; denn so einem Fuße wäre ich auf der Erde selbst bis Kamtschatka nachgerennt! aber hier an Deiner Seite ist mir das eine Tinte!

10. Aber nun stechen sie aber dennoch etwas zu stark ab von diesen ehedem schönem Koreografinen! Du wirst nun schon diese Hascherinnen auch ein wenig besser ausstaffiren müssen!"

11. Rede Ich: „Ganz wohl und recht, gehe nur wieder hin, und eröffne den bewußten Schrank, und es werden sich auch für diese noch Kleider in gerechter Menge vorfinden."

12. Robert zeigt das den ersteren Tänzerinnen sogleich an, und diese hüpfen vor Freude hin, und ziehen sich auch in wenig Augenblicken ganz außerordentlich himmlisch brillant an.

13. Diese gefallen nun dem Robert noch besser, als die frühern, so daß er sich gar nicht genug satt sehen kann an diesen himmlisch schönen Gestalten, natürlich nach seinen Begriffen. — Er kommt sogleich wieder zu Mir zurück und spricht: (Robert) O Herr! was Dir doch Alles gar so leicht möglich ist, das ermißt wohl ewig keines noch so vollkommenen Geistes tiefster Sinn! Nein, wie schön aber diese Engelchen nun dastehen, und welch' eine echt himmlische Anmuth, Frische und Heiterkeit nun aus ihren schönsten Augen strahlt, das ist ja gar nicht zum Beschreiben! Bei meiner großen Seligkeit, die könnten, so sie mir gar zu freundlich kämen, sogar zu einem Ku— nein, nein, doch nicht; auch das muß für einen Blum eine und dieselbe Tinte sein! Aber schön sind sie, das ist wahr! No, gute Nacht, meine lieben „Wiener" draußen; wann ihr diese sehen werdet, dann wird der Teufel bei euch etwa doch ein Bischen los werden!? — Nun aber könnten wir etwa doch schon zu den drei Helden gehen?!"

14. Rede Ich: „Ja, jetzt komme nur mit Mir!"

53. Kapitel. Die Wiener Volksführer Messenhauser, Jellinek und Becher im Jenseits. Ihre Ansichten über Gott, Hölle und Fatum.

01. Wir Beide langen nun bei der Thüre an, und diese geht auch alsogleich wie von selbst auf.

02. Durch die geöffnete Thüre sieht man nun die Drei ganz vertieft um einen runden Tisch sitzend, in verschiedenen Schriften und Akten also herumwühlen, als sucheten sie irgend ein wichtiges Dokument;

03. nach einiger Weile dieses wie vergeblichen Suchens spricht Messenhauser ziemlich aufgeweckt: „Aber ich sage es ja immer, dieß wichtigste Dokument für unsere Unschuld ist bei den letzten unglücklichsten Affären rein verloren, oder wohl ganz und gar vernichtet worden! was nützt uns nun all unser Suchen; verloren ist verloren! Rettet uns sonst nicht ein guter Genius aus diesem unserem Gefängnisse, etwa bei Nacht und Uebel, so sind wir ohne weiteres verloren; denn bei diesen Rechtlern Gnade erwarten, wäre noch ein größerer Wahnwitz, als so man meinen würde: Eine ganze Heerde Tiger möchte einem Menschen nichts thun, der recht muthig mitten durch sie ginge! Wir sind nun schon einmal in den Händen der rechten Teufel, und da giebt es weder Gnade noch Erbarmen! Denn wo Minos, Eakus und Redamantus zu Gerichte sitzen, da steigen sogar dem Satan die Grausbirnen auf, geschweige uns dreien armen Sündern! Ihr werdet es sehen, es wird gar nicht lange hergehen, so wird ein sanfter Herr Auditor mit einem Profosen zu uns hereinkommen, und wird uns ein allerliebstes Todesurtheil vorlesen, und das mit einer so stoischen Gleichgültigkeit, als hätte er statt Menschen blos nur so ein paar Regenwürmchen vor sich, die zertreten werden sollen! Ich sage es euch, wir werden erschossen werden!"

04. Spricht darauf der Jellinek: „Freund M.! ich versichere dich um was du nur immer willst, daß das, was du noch immer befürchtest, an uns schon lange buchstäblich ist vollzogen worden. — Es sieht die Sache wohl nahe so aus wie ein Fiebertraum; aber es ist dennoch kein Traum! Denn ich weiß es nur zu gut, und es schwebt mir nur zu klar noch vor meinen Augen, wie ich hinausgeführt worden bin in den entsetzlichen Graben, und bin dort in optima forma erschossen worden! — daß ich darauf mich aber auch alsogleich in diesem zweiten, dem irdischen gar nicht unähnlichen, Kerker befand, und dich, M., schon hier antraf, und der Freund Becher auch solchergestalt hier eintraf; daß ich nur wahrlich nicht weiß, ob er oder ich früher da war, das ist mir das einzige Unerklärliche bei der ganzen Sache! — Wir leben also nun ganz bestimmt nach dem Tode unseres Leibes hier ein gewisser Art geistiges Seelenleben fort, und unsere Furcht vor einem nochmaligen Erschossenwerden ist eitel, das versichere ich auf alles, was ihr nur immer wollt!

05. Aber mich drückt hier in diesem sonderbaren Zustande etwas ganz Anderes, und das ist die große Ungewißheit — Erstens wo wir nun sind? Zweitens: — Was haben wir zu erwarten; und Drittens: Was wird in der Folge aus uns? — Wenn in dreiteufelsnamen denn am Ende an den vielen Höllenpredigten der Liguorianer und Consorten doch etwas daran wäre!? So wären wir mit unserem Loose wahrlich nicht zu beneiden! So ein ewiges Verdammungsurtheil von Seite irgend eines allmächtigen Wesens ginge zur Vervollständigung unseres Glückes grade noch ab! Aber ich tröste mich bis jetzt noch immer mit dem, daß das Gottwesen, so es irgendwo ist, doch sicher endlos besser sein muß, als alle die besten Menschen der Erde zusammengenommen; und solle es auch nicht gar so unmenschlich gut sein, so ist es doch sicher besser als der Feldmarschall Windischgräz, der uns mit einer so unbeschreiblichen Gemüthsruhe hat hinrichten lassen, als wie da ein Aar verzehret ein Aas. O, wenn es nur da irgend ein Mittel gäbe, sich an diesem Tiger rächen zu können, und das so ausgedacht grausam, als nur immer möglich, so wäre das für mich wenigstens die größte Seligkeit, die ich mir nur immer denken und wünschen könnte! Wäret ihr da nicht miteinverstanden?!"

06. Spricht der Becher: „Ja, ja, Bruder, du scheinst in Allem recht zu haben! Der Freund M. ist da noch in einer gewissen Hinsicht wie irdisch gefangen, und meint, daß er noch immer in Wien in einem Kerker schmachtend das Todesurtheil zu erwarten habe?! — allein in diesem Punkte stimme ich nun ganz dem Freund J. bei. Es ist im vollsten Ernste kein Traum, sondern leider die allernackteste Wahrheit, daß wir drei allesamt und sämtlich ganz vollkommen sind erschossen worden, und so ich mich nicht irre, zirka November oder Dezember herum?! könnte aber dennoch nicht mit Gewißheit bestimmen, an welchem Tage; denn ich bin hier, wo es weder ganz Tag noch ganz Nacht ist, ganz vollkommen aus aller Zeitrechnung heraus! es liegt hier aber auch nichts daran; wir sind irdisch genommen ein für alle Male todt, und da nützt kein Denken und kein Reden; aber ich frage hier auch, wie du Bruder J. ehedem ganz richtig gefraget hast!

07. Aber an eine Hölle glaube ich durchaus nicht; denn so es einen Gott giebt, da kann es keine Hölle geben; giebt es aber keinen Gott, da kann es wohl noch weniger eine Hölle geben! Denn der eigentliche Begriff Gott ist zu rein, zu heilig, zu erhaben groß und zu weise gut, als daß man sich neben Ihm, und eigentlich aus Ihm eine Hölle als dem Begriff der totalsten Unvollkommenheit in allem denken könnte; giebt es aber keinen Gott, sondern blos rein mechanische bewußtlose Kräfte, so fragt sich's, wie haben diese eine systematische Hölle zuwege bringen können?"

08. Spricht Jell.: „O, das kann ich mir recht leicht vorstellen, und das also: Giebt es einen Gott, was nicht zu bezweifeln ist, so fragt sich's: Wie hat dieß vollkommenste beste Wesen auch einen Windischgräz z. B. erschaffen? — Dieser Tiger—Mensch wird etwa doch die Hölle so ziemlich getreu auf der Erde vorstellen, und ist doch gleich wie eine jede Klapperschlange ein Werk der vollkommensten Gottheit?! Solle es aber keine Gottheit geben, so fragt sich's dann auch wieder, wie konnten die stummen Naturkräfte in eine so miserable Laune gerathen und einen Windischgräz gewisserart zufällig herausmodeln?! Ihr seht nun, daß unter einem Gotte, wie auch unter gar keinem Gotte das Böse sich eben so gut vorfindet wie das Gute, und zumeist noch reichlicher und stärker, woraus sich aber dann unter beiden Bedingungen die Hölle ganz gut herausfolgern läßt, und es ist daher auch gar sehr leicht möglich, in diese also ganz unschuldig zu gerathen, als wie wir weiland irdisch in die Hände des Windischgräz gerathen sind. Was meinet ihr in dieser Beziehung?"

09. Spricht Mess.: „Ja, ja, Bruder! du scheinst ganz recht zu haben; mir kommt es nun auch schon ganz evident vor, daß ich wirklich erschossen worden bin, und das bald nach dem armen gutherzigen Blum; ich habe nun schon so manche Beobachtungen nebenher gemacht, wollte euch aber dennoch nicht stören in euren Gesprächen. Aber da ihr nun damit zu Ende seid, so kann ich euch's wohl mittheilen.

10. Sehet auf den Tisch, an dem wir unsere wichtigen Papiere liegen hatten; die Papiere sind auf einmal rein unsichtbar geworden! Das ist schon ein frapant sonderbarer Umstand, den man sich ohne Döbler und Bosko nicht leicht erklären kann!? — so bemerke ich auch dort gegen Morgen zu auf ein Mal eine Thüre offen, wo wir noch kurz vorher alle Drei zusammen keine Spur hatten, an welcher Wandseite sich möglicher Weise etwa doch eine Art Thüre vorfinden ließe?! endlich bemerke ich mit nicht geringem Staunen, daß dieser unser Kerker sich nach Art der Döbler'schen Uebelbilder anfängt in ein ganz nett aussehendes Zimmer zu umstalten; also fange ich nun auch wirkliche Fenster in diesem Zimmer zu entdecken an, und nehme es ganz genau wahr, daß es nun lichter und lichter wird; es war zuvor zwar wohl auch so ein gewisses sonderbares Dämmerlicht in diesem unserem Kerker; aber wir konnten bei diesem Lichte nichts so recht bestimmt unterscheiden, ob wir von Wesen oder Gegenständen mechanischer Art umgeben sind? Nun aber nehme ich schon alles recht genau aus, und sehe allerlei recht zierliche Gegenstände!

11. Alle diese Erscheinungen bestärken mich immer mehr und mehr, daß wir uns nun richtig in einer Traum— oder Geisterwelt befinden müssen; aber was da in dieser sonderbaren Welt aus uns in der Folge wird, das ist freilich eine ganz andere Frage, die schier Keiner aus uns gar zu leicht beantworten wird!

12. Du Br. J. hast ehedem auch einmal etwas angezogen, wie du dich an dem Windischgräz rächen möchtest, und wie dir diese Rache zur größten Seligkeit gereichen würde. Siehe, in diesem Punkte stimme ich dir wieder nicht bei; denn sieh', ich bin durchaus ein Fatalist. Das Fatum hat auf die Erde Gift und Balsam in gleichem Maße ausgestreut. Was kann ein Tiger darum, daß er ein Tiger ist! — ist die Klapperschlange darum verdammlich, daß sie eine Klapperschlange ist?! Was kann die Tollkirsche dafür, daß ihre Frucht dem Leben des Menschen gefährlich ist!? Und eben so gut läßt sich das auch vom Windischgräz sagen; er ist ein blindes Werkzeug des Fatums, das ihn so gestaltet und eingerichtet hat, wie er ist, und ist in seiner Art eben so gut zu bedauern als wir, die wir ihm zu einem blutigen Opfer geworden sind.

13. Wir haben es gottlob, wie man so zu sagen pflegt, überstanden; er hat es noch zu überstehen; und wer weiß, ob er es am Ende besser haben wird, als wir es gehabt haben, die wir auch als arme Werkzeuge des Fatums eben darum gefallen sind, weil uns das leidige Fatum dazu auserkoren hat. Heute mir, morgen dir, und am Ende ist es eins, ob man 100, oder ob man 10 Jahre den Staub und den Koth der Erde flachgetreten hat, oder ob man am Galgen, oder im weichen Bette den Leib den Würmern zur Speise übergeben hat. Mir ist das nun ganz einerlei;

14. ein Leben habe ich wieder; der M. bin ich auch noch; ich habe keinen Schmerz, wie auch keinen Hunger und keinen Durst! — ihr meine lieben Freunde, seid mir auch geblieben, und unser Zimmer wird stets heller und schöner; was wollen wir da noch mehr?! Vom schlechter werden scheint es hier schon durchaus keine Rede zu sein; und wenn es so fortgeht, so können wir uns nur gegenseitig hoch zu gratuliren anfangen; denn besser und sorgenloser ist es uns auf der lieben Erde ja auch nie gegangen! Wer weiß es, wie es sich hier noch fürder gestalten wird? Ich glaube, stets besser und besser! und solle es mit der Weile wieder einmal schlechter werden, no, so wird uns das doch etwa auch nichts Neues sein? — denn wie gar oft hat das Fatum uns auf der Erde zwischen gut und schlecht hin und her geschoben! Also bleibt es wenigstens bei mir dabei, daß ich alles annehme, wie es nur immer kommen mag;

15. denn ändern kann ich die Sache nicht, und so ist es doch am klügsten, alle Sachen zu nehmen wie sie sind und wie sie kommen, und dabei alle seine Wünsche aber rein an den ersten besten Nagel zu hängen; denn diese haben uns noch nie Interessen getragen, und werden uns auch höchst wahrscheinlich nie einigen Nutzen bringen! Seid ihr darin mit mir nicht ganz vollkommen Eins?" —

54. Kapitel. Jellinek beweist seinen Freunden das Dasein und Walten Gottes aus dem Buche der Natur. Näheres über die Gottheit könne der Mensch aber niemals fassen und begreifen.

01. Spricht Jell.: „Bis auf dein Fatum, ganz vollkommen einverstanden, in Allem! Aber mit deinem Fatum scheint es, weißt du, wie es die Wiener sagen, einen Faden zu haben, und das einen sehr bedeutenden!"

02. Spricht Mess. fragend: „Wie so? erkläre dich darüber deutlicher!"

03. Spricht Jell.: „Nur eine kleine Geduld, mein lieber Bruder M.; denn weißt du, so was läßt sich nicht so gleich wie mir und dir nichts aus dem Aermel herausbeuteln! aber ich will es dennoch versuchen, dir dein leidiges Fatum ein wenig aus deinem Kopfe herauszutreiben.

04. Siehe, du warst dein ganzes Leben lang nur ein Mensch, der sich nie viel mit der höheren Sfäre der Wissenschaften abgegeben hat; du warst so zu sagen schon mit dem Ein—mal—Eins zufrieden, und kümmertest dich wenig oder nie um die höhere Mathematik! — du weißt schon, was ich mit dieser Anspielung sagen will? — kurz und gut, du warst ein Schalen— oder Hülsengelehrter, als Belletrist, und hast dich wenig um den Kern der Wissenschaften bekümmert; daher kam es denn auch, daß dir das innere Wesen der Dinge verschlossen bleiben mußte; weil dir aber dieses Wesen verschlossen blieb, so konntest du auch nie jene wohlbegründete Einsicht bekommen, in der sich dir eine gar wunderbar wohl berechnete Ordnung in all den Dingen und ihren Wirkungen und Gegenwirkungen beschaulich dargestellet hätte, — und so bliebst du nur an der äußeren Rinde kleben, die freilich wohl dem ersten Anscheine nach das Aussehen hat, als wäre sie blos nur des leidigen Zufalles Werk. Aber es ist dem nicht also, sondern ganz anders!

05. Sage mir Bruder, hast du schon einmal erlebt, daß so irgendwo aus bloßem Zufall ein Haus mit allen seinen Einrichtungen entstanden ist? Du sprichst: Nein, so was sei noch nie geschehen! — Gut, sage ich; wenn der Zufall aber nicht einmal ein dummes Haus zuwege bringen kann, wie solle er eine ganze Erde erschaffen können, auf der wir doch der wohlberechnetsten Wunderdinge in einer Unzahl antreffen, von denen das allereinfachste schon eine viel zu tief durchdachte und weiseste Konstruktion aufweiset, als daß man nur von ferne hin sogar mit verbundenen Augen auf die Muthmaßung kommen könnte, zu behaupten und zu sagen: Das ist ein Werk des stummen und so zu sagen des blindesten Fatums! — Bruder, du giebst mir recht, und das freut mich; aber höre mich nur noch ein wenig weiter an!

06. Betrachte du nun aber erst die wunderbarsten Einrichtungen der Pflanzen! Wie strenge und genau sie in ihrer einmal gestellten Form durch Jahrtausende als stets dieselben vorkommen, und ihr Geschlecht und ihre Tauglichkeit auch nicht um ein Atom ändern. Wie unberechenbar kunstvoll muß schon die blos nur mechanische Konstruktion eines Samenkornes sein, der zufolge es aus der Erde nur die ihm zusagenden Theile an sich zieht, durch die es sich dann wieder und zwar allzeit vervielfältigt regenerirt! — Von dem übersinnlichen Wesen eines Samenkornes will ich eigentlich gar nichts reden; denn wer begreift jene rein göttliche Berechnung, der zufolge ein einziges Samenkörnchen zahllose Myriaden seines Gleichen in sich faßt, und das nicht nur in der Form des Samenkornes, sondern auch in der Form der Pflanze, auf der das Samenkorn reift.

07. Nehme an nur eine Eichelnuß! setze sie ins Erdreich, so wird in Kürze ein ganzer Eichbaum zum Vorscheine kommen, und dieser wird dir dann durch viele Jahre hindurch eine unzählbare Menge Eichelnüsse abgeben; wenn du alle diese Nüsse wieder in die Erde legst, so wirst du schon einen Wald von vielen Millionen Eichbäumen haben, die dir alle die gleichen Früchte erzeugen werden, in einer dir nimmer berechenbaren Vielheit! Und siehe, das alles liegt wunderbarst in einer jeden Eichelnuß vor unseren Blicken verborgen, und ist doch unleugbar da! Wenn aber so, o sage mir dann, ob ein Fatum eine Eichelnuß wohl also einzurichten vermag?"

08. Spricht Mess.: „Bruder J., wahrlich, ich muß es dir sagen, daß du ein ganzer Theosof bist! Dein ganz schlichter Beweis mit der Eichelnuß hat mir mehr gesagt, als alle die gelehrten Frasen, mit denen ich je auf der Erde meinen Gehirnkasten belästiget habe! — Von der totalen Nichtigkeit eines Fatums bin ich nun total und geläutertsten Erkenntnisses überzeugt, und ich brauche wahrlich weiter gar nichts mehr; denn dein Beweis war ein schlagender für mich; aber nun kommt was Anderes.

09. Einen Gott voll der höchsten Urmacht und Weisheit muß es sonach geben; das kann mein Gemüth und all mein Verstand ewig nimmer in eine Abrede stellen! — aber wo und Wer ist dieses Gottwesen? Kann es von einem Geschöpfe je erschauet und begriffen werden?! — Ich kann mich noch gar wohl entsinnen, wie ich noch als Studirender in der fünften Gymnasialklasse die sogenannte biblische Geschichte habe zu studiren gehabt, und da einen Text gefunden habe, und so ich mich nicht irre, etwa wohl in einem der fünf Bücher Mosis; dieser Text lautete: Gott kann Niemand sehen, und leben zugleich! — Dieser ominöse Text solle dem Moses aus einer Feuerwolke zugerufen worden sein, als er an die mit ihm redende Gottheit das heißeste Verlangen stellte, Selbe nicht nur zu hören, sondern auch zu schauen. Ich muß dir aufrichtig bekennen, daß ich eben zufolge dieses Textes wohl noch immer einerseits so einen gewissen halben Glauben an die Gottheit behielt; aber was dann den Glauben betrifft, daß der gewisse Jesus die Fülle der Gottheit in sich fassen solle? da muß ich euch, meinen beiden liebsten Freunden, ganz offen bekennen, daß ich darin ein reinster Atheist war, und respektive es noch bin.

10. Es hat zwar die reine Lehre Jesu, natürlich getrennt von den ihr beigemischten Wundermärchen, wahrhaftig die alleredelsten und allerrichtigsten, mit der Natur der Menschen vollkommen übereinstimmenden Grundsätze, gegen die sich gar nichts einwenden läßt; es setzt wahrlich einen vollkommensten Antropologen (Menschenkenner und Lehrer) voraus, um solche allgemeinst praktiktable Grundsätze aufstellen zu können; aber daß der Erfinder solcher Grundsätze darum auch ein Gott sein solle, weil er aus dem klar vorliegenden Bedürfnisse der Menschen moralische Grundsätze, die sich mit der allgemeinen Natur der Menschheit am besten vertragen, abstrahirt, zusammengestellt, und endlich gelehret hat, das geht über allen Horizont meines Wissens und Glaubens! —

11. Die Lehre für sich kann also ganz gut blos nur menschlichen Ursprunges sein, und benöthigt keines Gottwesens; denn so jeder richtigen Lehre Urheber ein Gott sein müßte, da müßte es nun schon beinahe wimmeln vor lauter Göttern auf der Erde! Euklides, als der Erfinder der geometrischen Figuren, eine der wichtigsten Erfindungen, wäre ein Gott; der Erfinder der Ackergeräthschaften, die von unberechenbarer Wichtigkeit sind, wäre schon eine Art Gott Vater; der Erfinder der Zahlen ditto; der Erfinder der Schiffe ebenfalls ein Gott; und so noch zehntausend und mehr andere allerartige Erfinder von den verschiedensten nützlichsten Dingen! Wie aber das ganze Heer von allerlei Erfindern von gleich großen wichtigen und nützlichen Dingen nie noch auf eine Vergötterung Anspruch machten, also glaube ich, daß der Erfinder der besten und einfachsten Moral wohl auch darauf hatte Verzicht leisten können. Meines Wissens hat er auf die lächerliche Vergöttlichung wohl nie einen Anspruch gemacht; so aber in jener Zeit kurzsichtige und sehr abergläubige Menschen aus ihm einen Gott machten, weil er 1000 Male gescheidter war als sie, so solle uns das nun nicht mehr beirren, Jesum nicht mehr lächerlicherweise für einen Gott, sondern nur als das, was er wirklich war, zu halten! — denn ich glaube, daß die gegenwärtige Menschheit es endlich doch einmal einsehen solle, daß das Unendliche niemals endlich werden kann; daß Gott ewig Gott bleibt, und der beschränkte Mensch nur ein beschränkter Mensch.

12. Doch es lohnt sich hier wahrlich nicht der Mühe, viele Worte darüber zu machen, was gegenwärtig bei allen Grundgelehrten als eine ausgemachte Sache betrachtet wird; aber was ich früher bemerkt habe, nehmlich das: wo und wer (?) so ganz eigentlich die Gottheit ist, Deren Dasein ich nun durchaus nimmer bezweifeln kann, darüber saget mir etwas, ihr meine beiden lieben Freunde!"

13. Spricht Jell.: „Ja, du mein liebster Bruder M., das ist eine ganz verzweifelt kitzliche Sache! Das Wo und das Wer werden wir wohl wahrscheinlich eben so wenig herausbringen, als wie du soeben selbst recht trefflich als Gegenbeweis für die Gottheit Jesu gesagt hast, daß nehmlich das Unendliche niemals endlich werden kann! — denn so wir endliche Wesen das unendliche Wesen der Gottheit begreifen wollten, da müßten wir es zuvor endlich machen können, was natürlich ganz vollkommen unmöglich ist; und ebenso scheint es mir auch vollkommen unmöglich zu sein, von dem unendlichen Gottwesen mehr zu wissen und zu begreifen, als was ich dir früher durch das Beispiel der Eichelnuß gezeiget habe! — Ich bin nun der Meinung, wir sollen uns nun mit etwas Anderem abzugeben anfangen; denn im Punkte der Gottheit werden wir alle Drei ganz verzweifelt wenig herausbringen! — ?"

14. Spricht Becher: „Ja, ja, du hast ganz vollkommen recht; denn die Gottheit ergründen wollen, heißt wahrlich, wie eine alte aber recht gelungene Kirchenfabel sagt, das Meer in eine hohle Nuß einfassen wollen! Lassen wir daher dieses Feld, das kein Ende und kein Absehen hat, und fangen wir von etwas Anderem zu parliren an; z. B. was etwa unser Freund, der Blum, in dieser Welt, oder was etwa unser Erzfeind, der Windischgrätz, auf der Erde nun macht? und ob er nicht etwa auch bald zu uns herüber kommen wird? wo wir ihn ganz gebührend empfangen würden!"

15. Spricht Jell.: „Brüder, was unsern Freund, den samt uns armen Blum betrifft, ja, da bin ich gleich dabei; aber mit dem Alfredius W. verschonet mich; denn diesen Tiger wünsche ich wohl ewig nimmer zu Gesichte zu bekommen! Aber horchet! horchet! mir kommt es vor, als vernehme ich noch mehrere Menschenstimmen außer der Thüre, die nun offen stehet! Erheben wir uns einmal von diesem unserem Disputir—Tische, und begeben uns zur Thüre, um zu sehen, was es etwa außer derselben giebt."

55. Kapitel. Aufbruch der furchtsamen Helden zu Entdeckungsfahrten. Jellinek geht voran. Jesus und Robert treten auf.

01. Die Drei erheben sich nun endlich einmal von ihrem Tische, und begeben sich langsamen und sehr behutsamen Schrittes zur offen stehenden Thüre. Als sie an die Thüre kommen, so entdecken sie, als wie aus einem Schlafe erwachend, daß es außer ihrem Wohnzimmer noch ein viel größeres und viel herrlicheres Zimmer giebt; sie gucken einige Schritte vor der Thüre hin und her und auf und ab, um irgend etwas für sie Denkwürdiges zu entdecken; denn ganz an die Thüre getrauen sie sich doch noch nicht, weil sie nicht wissen, wer und was ihnen da etwa doch begegnen könnte.

02. Nachdem sie eine ziemliche Weile das Zimmer, in dem Ich mit dem Blum etwas von der Thüre zurückgezogen Mich befinde, wie auch die 24 Tänzerinnen, die noch mehr im Hintergrunde beisammen stecken, gehörig durchspionirten, soweit sie von ihrem Standpunkte dasselbe in den Augenschein nehmen können, und darinnen nichts Bedenkliches und Gefährliches wahrnehmen, da spricht der Jell. mit einer etwas leiseren Stimme:

03. „Lieben Freunde! Ich entdecke durchaus nichts Gefährliches in diesem unsern Antichambre (Vorzimmer), im Gegentheile ersehe ich gerade in der rechten Ecke dort einen Tisch, auf dem sich in einer sicher zwei Maaße hältigen Kristallflasche ein sehr gut aussehender Wein, und einige sehr einladende Stücke Brodes, sicher aus dem feinsten Waizenmehle gebacken, befinden. Wenn uns sonst keine Gefahr droht, als blos die nur, auch hier im Reiche der Geister eine Bekanntschaft mit Brode und sicher bestem Weine zu machen, da glaube ich, wir sollten da nicht so sehr zaghaftig und über alle Maßen zaudernd dem entgegen gehen, was offenbar nur dafür bestimmt zu sein scheint, um uns von diesem unserm geistigen Sein bessere Begriffe und Ideen beizubringen, als die da sind, auf denen wir bis jetzt ungefähr also herumgeritten, wie die donischen Kosaken auf ihren alles Fleisches und Fettes ledigen Reitpferden in einem Feldzuge gegen die Kaukasier! Es dürfte uns, meines Erachtens, daher ein bischen mehr Muth gar nicht schaden; was meinet ihr in dieser Hinsicht?"

04. Spricht Mess.: „Bruder J., da stimme ich ganz vollkommen dir bei; nur das muß ich dir wie auch dem Bruder B. gegenüber sogleich zu meiner eigenen Schande bekennen, daß ich bei solchen Naturforschungsgelegenheiten allzeit am liebsten der Letzte bin! Denn könnte es da am Ende doch wohl möglicher Weise zu einer Retirade kommen, so wäre ich da dann natürlich der Erste!" —

05. Spricht Jell.: „Aber lieber Bruder! schau, schau! wie es mir vorkommt, so bist du ja ein Haupthasenfuß! Wie aber hast du doch mit solch einem Muthe einen Armeekommandanten vorstellen können?! O Bruder! nun wird mir so manches klar! Schau, so du nicht von einer gar so hasenfußischen Begeisterung beseelt gewesen wärest, und hättest lieber im offenen Felde vor dem Feinde deine Heeresmacht, anstatt von deinem wohlbewachten Kommandantenbüro aus befehligt, wer weiß es — ob Wien nicht gesiegt hätte? Wenn allenfalls ein Napoleon an deiner Stelle gewesen wäre, da hätten die kaiserlichen Kanonen und Bomben sicher einen sehr bedeutend submisseren Ton angenommen. Aber nun all das bei Seite, Freund! ich bitte dich um deiner eigenen Ehre willen, sei mir nur jetzt kein Hasenfuß!" (Am 10. März 1849)

06. Spricht Mess.: „Aber biederster, liebster Freund und Bruder! weil du schon so ein förmlicher Napoleon von einem Helden bist, wie wäre es denn, so du mir und dem Br. B. eine muthigste Avantgarde machtest?! Denn ich sehe nun schon, daß du unter uns den meisten Muth hast; daher sei so gut, und mache uns einen Anführer! O, ich halte mich darüber gar nicht auf, daß du soeben meinen Muth ein wenig durch die Hechel spazieren ließest; denn wahrlich, ein wahrer Heldenmuth hat mein Gemüth nie belebet; aber was wahr ist, das ist wahr; ich hatte trotz meinem geringen Heldenmuthe dennoch nie eine große Furcht vor dem Tode, und so ist es auch jetzt; ich fürchte mich durchaus nicht davor, als ob mir etwas Arges widerfahren könnte oder möchte; aber es klebt mir so eine ganz eigene Scheue vor diesem unserem Vorzimmer an, allenfalls gleich jener, die gespensterscheue Kinder vor manchen Gemächern haben, die ihnen durch ihre Ammen als gespensterhaft bezeichnet worden sind. Es ist wirklich etwas ganz Eigenes an dieser meiner Furcht! — es kommt mir auch also vor, als Jemanden, der eine unverscheuchbare Ahnung hat von großen Ereignissen, die ihn sehr nahe berührend, bald und sicher eintreffen werden! — Wahrlich, ich kann für dieß mein sonderbares Vorgefühl nicht; aber es ist einmal da, und ihr werdet es sehen, ob mich mein Gefühl getäuschet hat, wenn wir unsere Füße über die Thürschwelle setzen werden, da kommt es mir denn gerade so vor, als daß wir da sogleich auf unerwartete große Dinge und Begebnisse stoßen werden, und das, hoffe ich, wird meine sonderbare Muthlosigkeit bei dir, mein liebster Bruder J., denn doch etwa ein wenig zu entschuldigen im Stande sein?"

07. Spricht Jell.: „Ja, ja, mein Freund; das ist aber auch etwas ganz anderes; denn siehe, auch mich foltert ein ähnliches Vorgefühl; aber weißt du, das darf nie einen großen Geist geniren. Wenn ich mir jene schöne Flasche Wein so recht von Angesicht zu Angesicht besehe, und das schöne Waizenbrod daneben, und mein zwar nun geistiger, aber dessen ungeachtet appetitvoller Magen auch eine sehr bedeutende Sehnsucht kund zu geben anfängt, und gewisser Art sagt: das könnte deinen Räumlichkeiten sicher bestens bekommen! o, da möchte ich schon lieber draußen an selbem Tische mich befinden, als hier in eurer Trema—vollen Gesellschaft! Was solle mich aber eigentlich hier auch noch länger zurück halten? — frisch gewagt, ist allzeit noch gewonnen gewesen! daher also vorwärts, Hurrah!"

08. Hier gehet Jellinek muthig auf die Thüre los, und will auch eben so muthig durch die Thüre an den gutbesetzten Tisch hinwandeln. Aber in dem Augenblicke, als er den Fuß über die Thürschwelle setzt, vertreten Blum und Ich ihm die Thüre, und der Blum spricht in seinem gewöhnlich etwas barschen Tone: Halt! wer da?! — Keinen Schritt eher weiter, als bevor du nebst deinen Zweien noch andern Begleitern dich legitimirend ausweisen wirst, wer ihr seid, und was ihr hier wollet?!

09. Jell. fährt Anfangs bei dieser unerwarteten Begegnung etwas zurück, ermannt sich aber bald, da er in dem Examinator sogleich den Blum erkennt und spricht ganz erstaunt: „O, o, o, Blum! — Robert! ja wo, wo bist denn du nun gewest?! — A, a, das ist denn doch etwas zu stark! Geh' und laß dich tausend Male umarmen und küssen ohne Ziel und Maß! Kennst du uns denn etwa doch im Ernste nicht? — den Messenhauser, den Becher und mich, deinen Jellinek — nicht?"

10. Spricht Blum: „Ja, richtig, richtig, ihr meine Leidens— und Schicksalsgenossen seid es ja so leibhaftig ganz dieselben, wie ihr es auf der Erde waret! Ich wußte das ja lange schon, daß ihr hier meine Gäste seid; aber ihr wußtet es nicht, daß ihr euch in meinem Hause befindet; — ihr habt euch aber von einer läppischen Furcht beschleichen lassen, daher trat ich euch denn nun auch also barsch entgegen, um euch eure närrische Furcht wie einen faulen Apfel mittelst eines kräftigen Schüttlers vom Baume zu nehmen. — Kommet nun nur Alle ganz wohlgemuth heraus, und lasset uns dort bei jenem Tische, auf den du Freund J. schon einige bedeutungsvolle Blicke geworfen hast, ganz guter und fröhlicher Dinge sein! Bruder Messenhauser und du Bruder Becher, trauet ihr euch nun auch noch nicht über die Thürschwelle?" —

11. Sprechen Mess. und Becher zugleich: „Sei uns tausend Male gegrüßt, als unser schätzbarster Bruder und Freund! mit dir gehen wir, wohin du uns nur immer führen willst, besonders aber zu jenem Tische hin, der für unsere nun sicher vollkommen leeren Mägen eine sehr reichliche Segnung trägt!"

12. Mit diesen Worten stürzen sie auch voll Freuden zum Blum heraus, umarmen und küssen ihn klein ab, und begeben sich dann zum Tische hin.

56. Kapitel. Jellineks gute Ahnung. Sein Herz erbrennt in Liebe zum 'Freunde' Roberts. Ein Himmelswein. Jellineks Trinkspruch. Jesu überwältigende Erwiderung.

01. Der Jell. aber schauet Mich so recht freundlich fest an, und fragt Mich sagend: „Lieber, holdester Freund unseres Freundes und Bruders Blum, dürfte ich Dich nicht bitten, daß Du Dich uns auch näher zu erkennen geben möchtest! Denn Du mußt sicher auch ein äußerst edler und guter Mensch sein, sonst Du Dich sicher nicht in der Gesellschaft unseres edelsten Freundes Blum befinden möchtest!"

02. Rede Ich: „Die Folge wird dir Alles enthüllen, was dir nun noch dunkel ist; gehe aber nun mit Mir nur auch zum Tische des Herrn hin, und stärke dich dort zuvor, alsdann wirst du viel geeigneter sein, so Manches zu begreifen anzufangen, was dir bis jetzt noch ein Räthsel sein mußte. Komme also, mein lieber Freund und Bruder Jellinek!"

03. Spricht Jell.: „O Freund! Deine Stimme klingt wunderbar freundlich; jedes Deiner Worte schwellte mir das Herz auf eine bisher noch nie empfundene Weise; so Du nicht ein Engel aus den Himmeln Gottes bist, so leiste ich auf meine Menschheit ewig Verzicht! Ja, ja, Du bist, Du mußt ein Engel sein! Weißt, ich werde bei Dir bleiben, und mich ganz besonders an Dich so recht ausschließend fest halten! denn ich muß Dir's offen bekennen, so lieb ich auch den guten Freund Blum habe, so habe ich Dich nun, seit Du mit mir geredet hast, aber dennoch ganz unbegreiflich um sehr Vieles lieber! — Aber jetzt also zum Tische, und ein Gläschen miteinander zur ewigen Freundschaft! denn ich glaube, hier wird es doch etwa keine W. G. und R. geben, die über dieß Haus ein Standrecht verhängen könnten?!"

04. Rede Ich: „O nein! diese Furcht lasse du für ewig bei Seite! Nun aber also nur zum Tische hin; denn die Andern trinken uns schon eine rechte Gesundheit entgegen."

05. Der Messenhauser geht dem J. sogleich mit einem sehr schönen Kristallpokale voll des besten Weines entgegen und spricht: „O Bruder J., das ist eine wahre Tausendessenz aller der besten Weine, die wir je irgend wann und wo auf der Erde verkostet haben! — da, trinke den Pokal aus, trinke ihn auf das Wohl aller unserer Freunde und Feinde! — Auch der W. soll leben, dieß blinde Werkzeug der irdischen Völkerbeherrscher wird vielleicht wohl einmal zu einer bessern Einsicht gelangen!"

06. Mess. nimmt erfreulichen Gemüthes den Pokal und spricht: „Lieben Freunde! so gefallet ihr mir besser, als ehedem im Verlaufe unserer nichtssagenden Debatten in jenem Haftkämmerchen dort, wo du Bruder M. noch immer aufs Todesurtheil in aller ersichtlichen Verzweiflung harretest!

07. Aber höret, ich habe mir hier den Freund unseres Bruders Blum zu meinem Herzensfreunde erwählet, und so müsset ihr mir's schon vergeben, daß ich von diesem göttlichst duftenden Safte eher keinen Tropfen auf meine Zunge geben will, als bis nicht Er zuvor aus diesem nun mir gereichten Pokale getrunken hat!" —

08. Alle stimmen überfröhlichen Muthes in den Wunsch des Jess.; dieser aber reicht sogleich Mir mit sichtlich intimster Freundschaftsliebe den Pokal und spricht: „O Du lieber göttlich erhabener Freund! verschmähe es nicht, aus der Hand eines armen Sünders, aus der Hand eines irdischen Staatsverräthers diesen Becher anzunehmen! — Wahrlich, hätte ich hier etwas Besseres, wie gerne würde ich Dir's als ein Zeichen meiner innigsten Verehrung und vollsten Hochachtung reichen! aber so muß ich denn hier auch wie einst der Apostel Petrus zum Lahmen an der Pforte des Tempels sagen: O Du lieber Freund! Sieh', Gold und Silber besitze ich nicht; aber was ich nun habe, nehmlich diesen mir dargereichten Becher, und dann ein warmes Dich als einen allerwerthesten Freund erfassendes und begrüßendes Herz, das gebe ich Dir! — O! nehme es also an, wie ich es Dir darreiche! Es ist wohl sicher eine große Keckheit von mir, daß ich als ein sicher in den Augen eines Engels für die Hölle ganz reifer Sünder es wage — Dir, der Du sicher so ein Engel bist, diesen Becher und mein schlechtes Herz als Freundschaftspfand anzubieten; aber ich liebe Dich einmal auch mit diesem meinem schlechten Herzen, weil ich ehedem in Deinen wenigen Worten, die Du an mich zu richten die Güte hattest, gar so viel Freundliches, Liebes und Weises fand! — Bin ich auch ein ganz unreiner Geist oder Mensch, da drücke Du ein wenig Deine gar so himmlisch milden Augen zu, und denke dir's: Der Kerl versteht's nicht besser! — Weißt, ich bin ganz irdisch verfaßt, und weiß die Manieren noch lange nicht, wie man mit Geistern Deiner Art umzugehen hat; aber das kannst Du versichert sein, daß bei mir Herz und Zunge fest an einander gewachsen sind! Gelt ja, Freundchen, Du nimmst mir diese meine kecke Freiheit nicht übel!?"

09. Ich nehme gar sehr freundlich den Becher aus der Hand des J., trinke daraus, und sage dann zu Blum: „Bruder, gehe hin, in dem Speiseschranke steht noch eine Flasche voll Meines eigentlichen Leibweines; diese trage her, auf daß Ich diesem Meinem neuen wärmsten Herzensfreunde zeige, wie gar sehr theuer Mir nun seine Freundschaft geworden ist!"

10. Blum springt geschwinde hin und bringt eine förmlich diamantene Flasche voll des allerköstlichsten Weines, und reicht sie Mir unter sichtlicher Rührung dar.

11. Ich aber nehme die Flasche, und schenke denselben Becher voll ein; darauf nehme Ich den Becher und sage: „Hier, lieber Freund und Bruder, nehme den Becher hin, und trinke dir daraus die vollste Ueberzeugung, wie gar überaus lieb, werth und theuer Mir deine Freundschaft ist! — Was sprichst du von deinen Sünden? — welcher Mensch wohl könnte je ein Herz, das so voll der uneigennützigsten Liebe, als ein mit Sünden behaftetes ansehen!? — Bruder! Ich sage es dir, vor Mir bist du rein; denn deine Liebe zu Mir bedecket die Menge deiner irdischen Sünden! Was du aber noch irgend der Welt schuldig warst, — weißt du, Ich müßte dir ein schlechter Freund sein, so Ich dir diese Schuld nicht abnähme, und sie an deiner Statt nicht berichtigte!? Also trinke nun Bruder J. auf unsere — ewige Freundschaft!"

12. Jellinek, ganz zu Thränen gerührt, spricht: „O Du göttlicher Freund, Du, wie gar so lieb und gut bist Du! O, wenn ich mir nur jetzt das Herz aus dem Leibe reißen könnte, und schieben in Deine Brust hinein! — aber gieb nun den Becher her! —

13. er nimmt den Kristall, trinkt daraus und spricht (Jell.): „Nein, o du himmlischer Engelbruder! so Deine Freundschaft diesem Safte gleicht, und Du natürlich zuerst selbst, dann, dann, dann bist Du kein Engel, sondern — ein reinster Gott Selbst! Denn etwas Göttlicheres von einem Geschmacke und Geiste kann die ganze Unendlichkeit unmöglich irgendwo mehr aufzuweisen haben! — Brüder! kostet auch ihr davon und saget, ob ich nun nicht ganz vollkommen richtig geurtheilet habe!"

57. Kapitel. Wirkung des Himmelsweines. Sehnsuchtsvolle Frage nach Jesus und Seiner Gottheit. Bedeutsame, kurze Antwort Roberts. Jellineks Liebeswahlspruch.

01. Blum, M. und B. trinken Alle daraus, und verwundern sich über alle Maßen über die unaussprechliche Güte dieses wahrhaft allerächtest himmlischen Weines.

02. Messenhauser nimmt das Wort und spricht: „Ja, wahrhaftig, ja wahrhaftig; Deine Anspielung ist wirklich nahe so trefflich wie dieser Wein hier! O Herr! ist das aber ein Wein?! — Bruder Blum, weißt du, in diesem Hause ist gut sein; ich glaube, wir sollen uns hier geradeaus für ewig einquartieren! — denn wo es in einem Hause, ob in der materiellen oder geistigen Welt, so ein Brod und so einen Wein giebt, da ist es schon ein für alle Male non plus ultra gut sein; daher bleiben wir hier in diesem Hause nur gleich für ewig, wenn es sein kann, beisammen! Sollte sich etwa dann und wann so uns gleich ein armer Sünder einfinden, d. h. wie wir, natürlich mit Ausnahme dieses unseres bisher namentlich noch unbekannten Freundes, es waren, und eigentlich noch sind, so wollen wir ihn aufnehmen, und ihm hier, wie man zu sagen pflegt, einen guten Tag angedeihen lassen, und wenn's auch einer unserer ärgsten irdischen Feinde wäre. — Was meinet ihr in dieser Sache?"

03. Spricht Blum: „Freund M., das war von dir sehr schön und würdig gesprochen, und das darum, weil du diese Worte wirklich aus deinem Herzen geholet hast, und nicht aus deinem Verstande. Ich sage es selbst: so jetzt der W. hierher käme, als ein dürftiger und nothleidender Geist, wahrlich, er solle bei uns sicher eine bessere Aufnahme finden, als wir sie auf der Erde bei ihm gefunden haben!"

04. Alle Drei schreien: „Bravo, so ist es recht! — um ein rechter Christ zu sein, muß man aus seinem tiefsten Lebensgrunde das Böse mit Gutem vergelten können! denn wer noch Rache in sich verspüret, der ist noch lange nicht ein vollkommener Geist, und hat einen noch sehr großen Mangel an jeder freien Lebensgröße; aber wer, wie einst der größte und weiseste Lehrer der Juden, am Galgen noch sagen kann: — Herr! vergieb es ihnen; denn sie sind voll Unverstandes und wissen nicht, was sie thun, — der hat in sich gewiß die höchste Lebensfreiheit! ja, wir möchten sogar behaupten und sagen: Der ist ein Gott! — und das spricht auch am meisten für die Annahme der sonst noch sehr in's Dunkel gestellten Gottheit Christi.

05. Wo etwa doch dieser einstige Jesus, an Dessen irdischer Existenz gar nicht zu zweifeln ist, sich nun in dieser Geisterwelt befindet? — Wahrlich, das war wohl ein allergrößter Freund der Menschen! — Freund Blum! hast du bisher noch nie eine Gelegenheit gehabt, hier über diesen höchst merkwürdigen Mann irgend Näheres in eine sehr erwünschte Erfahrung zu bringen?"

06. Spricht Blum: „O liebsten Freunde! Ich kann euch auf mein ganzes Leben versichern, daß gerade Er meine erste Bekanntschaft in dieser Welt war!"

07. Fragen Alle freudigst überraschet: „Wie so? — Wie ging das zu? In welcher Gegend ereignete sich das? Was hat Er zu dir geredet?! Geh' Bruder, geh' und gebe uns davon etwas zum Besten!"

08. Spricht Blum: „Lieben Freunde, da wir nun etwas ganz anderes zu thun haben, so wollen wir das auf irgend eine günstigere Gelegenheit verschieben. Aber das kann ich euch schon in aller Kürze zum Voraus versichern, daß Er mich gar bald wieder besuchen wird, bei welcher Gelegenheit dann auch ihr Ihn sicher werdet sehen und näher kennen lernen."

09. Spricht Jell.: „Aber das kannst du uns doch im Voraus auch noch dazu sagen, ob du mit Ihm nicht über seine von gar vielen Schwachgläubigen geglaubte Gottheit zu reden gekommen bist? und hat Er solchen Glauben gebilligt oder nicht?"

10. Spricht Bl.: „Ja, liebe Freunde! Ich sage euch ganz kurz, wir haben darüber sehr viel gesprochen, und ich muß euch nun das schon hinzu sagen, der für euch nun freilich kaum begreiflichen Wahrheit gemäß: Christus ist der alleinig wahreste Gott von Ewigkeit; Er ist der Schöpfer aller Himmel und aller Welten! Mehr kann ich euch nun nicht sagen; wenn Er aber kommen wird, da werdet ihr alles Nähere schon von Ihm Selbst erfahren!"

11. Spricht Jell.: „Freund Blum, das ist wegen des Beweises wahrlich nicht nöthig, wohl aber — wenigstens meines — Herzens wegen; denn ich muß euch's offen bekennen, daß so Er jetzt daher käme, und mir winkete Ihm zu folgen, so würde ich euch Allen augenblicklich untreu! Denn ich liebe Ihn schon als einen vollkommensten besten Menschen mehr als alle Menschen der Erde zusammen genommen; denn alle Menschen zusammen haben Ihm bisher aber auch nicht das Wasser reichen können; wie um sehr vieles mehr aber werde ich Ihn erst lieben, und liebe Ihn eigentlich schon, so Er auch wirklich Gott ist! Um das: wie Er ein Gott sein kann, will ich mich gar nicht kümmern; denn ich habe einen Wahlspruch einmal wo in einem Buche gelesen, und dieser lautet: Gott ist die Liebe; wenn dein Herz je irgend wo und wann von einer mächtigen Liebe ergriffen wird, so denke: Gott ist in dieser Liebe! und sehet, dieser Spruch ist mein Barometer für das Dasein Gottes auch in einem Menschen, wie gleicherweise in einem ganzen Volke! Wenn sonach ich aber nun zu Christo eine allermächtigste Liebe in meinem Herzen verspüre, da sagt mir eben diese Liebe dann: Christus, Den ich gar so überaus achte und liebe, ist und muß ein Gott sein; denn wie könnte ich Ihn sonst gar so mächtig lieben! Darum liebe ich auch diesen himmlischen Bruder gar so sehr nun, weil Er sicher gar viel Gottesliebe in sich berget! Habe ich recht oder nicht?"

12. Spricht Blum: „Ganz vollkommen! nur das Herz kann Gott begreifen, der Verstand ewig nie! — Aber nun lieben Freunde, zu etwas anderem! Da wir schon gerade bei dem Kapitel der Liebe sind, so können wir dieses vermeinte Andere gar leicht damit verbinden.

13. Höret! Wohl ist die Liebe der einzige Beweisbarometer für die Gottheit und Ihr unbestreitbares Dasein; aber wir wissen es auch, daß es neben uns ein weibliches zartes Geschlecht giebt, das nur gar zu oft unsere Herzen dergestalt in den Anspruch nahm, daß wir darob einer höhern und reinern Liebe für Gott gar nimmer fähig waren! Nun, meinet ihr wohl, daß auch in dieser — zumeist doch nur rein sinnlichen Liebe — Gott wohne?!"

14. Spricht Jell.: „Allerdings; wäre nicht Gottes Zartheit in dem Weibe, wer könnte sie lieben? Aber daß dessen ungeachtet diese Liebe auch ausarten kann, daran ist gar nicht zu zweifeln."

15. Spricht Blum: „Wenn zur Probe hier mehrere so ganz ausgezeichnete weibliche Schönheiten allenfalls im schönsten Balletkostüme auftreten und zwar mit der größten Freundlichkeit gegen uns, und daneben aber auch der strenge, wenn sonst auch übergute, Gottmensch Jesus! Sage mir, besonders du J., was würde dein Herz dazu für eine Miene machen? — denn ich weiß, daß dir die sogenannten Koreografinen stets am meisten gefährlich waren!"

16. Spricht Jell.: „Bruder, du hast zwar hier eine meiner leider schwächsten Seiten berührt; aber so viel kann ich dir dagegen doch als vollends von nur gewisserart rühmlich darthun, daß ich trotz allen meinen Schwächen dennoch für ein echtes Haar Christi, wenn es darauf ankäme, 10000 Koreografinen auf der Stelle kann sitzen oder tanzen lassen! — Denn weißt du, die Liebe zu Gott wird doch etwa ein Bischen mächtiger sein als die Liebe zu einer schmucken Tänzerin; die Liebe zu den Weibern kann nur dann die Liebe zu Gott schwächen, wenn man entweder an einen Gott kaum glaubt, oder auf einen Gott zu glauben bemüßigt ist, der irgend in einer Hostie gleich einem Buschklepper stecken solle!? Aber so die Gottheit wirklich und zwar in der Person Christi da ist, daß man Sie sieht, als solche erkennt, und mit Ihr sogar reden kann! — Bruder! da fahre du ab mit 10 000 Fanny Elslers und Cerittos! Aber natürlich ohne Christo könnten mir so einige gar sehr üppig bestellten Fannys in der Brust etwas mehr Wärme erzeugen, als so keine da sind."

17. Spricht Blum: „Bruder! möchtest du einige sehen?" —

18. Spricht Jell.: „Wenn du auch derlei Geister hier hast, so laß sie sehen, auf daß wir an uns erfahren, in wie weit sie uns gefährlich werden könnten! Experimentia docet."

58. Kapitel. Prüfung der Weiberliebe für die drei Freunde Roberts. Gute Erwiderungen Jellineks und Messenhausers.

01. Auf diese Rede des J. begiebt sich Blum sogleich in den schon bekannten hinteren Theil dieses Zimmers, wo sich die 24 Tänzerinnen nun hinter einem reichen Vorhange befinden, welcher Vorhang erst nach der Bekleidung dieser Tänzerinnen auf ihr bittend Verlangen ist hergestellt worden, und zwar auf die wohlfeilste Art von der Welt, nehmlich: blos durch Meinen Willen. Als er da anlangt, zieht er den Vorhang auseinander und spricht zu den hier ganz ruhig versammelten Tänzerinnen (R. Bl.): „Nun, meine Lieben, ist es an der Zeit; tretet sonach hervor, und machet vor jenen drei Gästen einige recht artige Bewegungen! Aber machet eure Sache gut, und machet diesem Hause auf keine Weise irgend eine Schande!" —

02. Die Tänzerinnen thun sogleich, was Blum von ihnen nun verlangt; sie treten hervor, und bevor sie noch einen sogenannten Pas machen, spricht die Erste zum Blum: „Nur das bitten wir dich, daß du es uns nicht zu irgend einem Fehler anrechnest, so wir durch unsere hier merkwürdig äußerst üppige Gestalt etwa gefährlich würden?! — denn dafür könnten wir wahrlich nicht! Kannst du aber so was im Voraus vermuthen, da wäre es uns Allen wohl lieber, du ließest uns nicht vor jene deine drei neuen Gäste treten! Denn es wäre uns Allen wahrlich sehr leid, so wir Böses anrichteten, da wir nur ganz vollernstlich Gutes wirken möchten!"

03. Spricht B.: „Meine lieben Schwestern, gar sehr erfreut diese eure Aeußerung mein Herz; denn ich entnehme daraus klar, daß ihr Alle vollkommen eines guten und reinen Sinnes seid! Aber es sei euch Allen darum nicht im Geringsten bange; denn dafür wird schon mein liebster Freund dort, und ich auch — die beste Sorge tragen, daß ihr jenen Gästen, und die Gäste euch — nicht den allergeringsten Schaden zufügen werden! Tretet sonach nur muthig und unerschrocken auf! denn nichts Böses, oder doch wenigstens Gefährliches, sondern nur Gutes und Ersprießliches sollet ihr durch euren Tanz an jenen drei Gästen bewirken!"

04. Als die Tänzerinnen solche Versicherung vernehmen, da treten sie dann ganz rasch in den sehr hellen Vordergrund des Zimmers, und beginnen sogleich mit den freundlichsten Mienen ihre Künste durch allerlei artige Bewegungen zu entfalten; — Blum, der nun schon wieder bei den drei Freunden sich befindet, fragt sogleich den J.: „Nun Brd. J., wie gefallen dir diese unsere Haustänzerinnen? Hast du auf der Erde je etwas Vollendeteres in diesem Genre gesehen?!" —

05. Jell. betrachtet diese Tänzerinnen eine Weile mit großer Aufmerksamkeit, und spricht darnach wie mit einem tiefen Seufzer: „Ach lieber Bruder! — Kann mir nicht helfen; aber mein Gefühl beim Anblicke solcher Produktionen bleibt sich stets gleich! Ich muß es dir ganz offenherzig sagen, daß ich daran nie ein wahres Vergnügen gehabt habe; im Gegentheile bin ich dabei stets nur mit einer gewissen Art von einer ganz sonderbaren Wehmuth erfüllet worden, und verließ ganz sonderbar das Komödienhaus! Ich dachte auf der Erde gar oft über diese seltsame Erscheinung, oder vielmehr über den sonderbaren Vorgang in meinem Gemüthe nach; aber ich war stets unfähig, mir darüber eine gegründete Rechenschaft zu geben! Nun aber fange ich darüber so ein recht tüchtiges Lichtlein zu bekommen an, und das freuet mich mehr, als alle diese wirklich allerausgezeichnetste Tanzkunstproduktion. Der Grund liegt in der totalen Zwecklosigkeit dieser künstlerischen Gliederverrenkungsproduktion. Sage mir, welchen Nutzen kann diese Kunst wohl je bezwecken?! Siehe, nach meinem Dafürhalten — nicht den allergeringsten für's Allgemeine! Alle andern Künste, als da ist die Tonkunst, die Dichtkunst, und die Maler— und Bildhauerkunst, können in ihrer wahren und würdigen Haltung dem menschlichen Gemüthe wohl von einem sehr wesentlichen Nutzen sein, indem sie das Herz sänftigen und veredeln, und so nicht selten aus einem ganz rauhen Menschen einen Sanften und Gemüthlichen ziehen, und nicht selten eine rechte Liebe in der Brust erwecken und beleben. Nun aber lassen wir diese Tanzkunst eine noch so reine und würdige Haltung nehmen, so werden durch sie stets nur die unlautersten Gefühle in der Seele wach, und die Natur fast eines jeden Mannes wird nach einer solchen Produktion stets ums vielfache sinnlicher und begehrender. Wer aus den Zuschauern ein Reicher ist, der sieht darauf Tausende nicht an, um das zu erreichen, darnach er schon während der Produktion so sehnlichst getrachtet hatte! Der ärmere Teufel aber, dessen Kasse zu beschränkt ist, als daß er sich nach einer solchen im höchsten Grade alle Sinne aufreizenden Produktion auch noch die bewußte Quintessenz des sinnlichen Genusses verschaffen könnte, zieht dann allezeit wehmüthig nach Hause, wenn es gut geht, und spielt einen Filosofen; geht es aber ein Bißchen schlechter, da sucht er sich die nächste und beste feile Dirne auf, und treibt dann gegen einige Groschen Genußtaxe das mit ihr, was er, so es möglich wäre, freilich um eine Million lieber mit der Tanzprimadonna treiben möchte!

06. Ich meine, liebster Bruder, daß dieser von mir nun ganz offenherzig angeführte Grund meines Mißbehagens beim Anblicke solcher Produktionen allerdings beachtenswerth zu nehmen ist, obschon er nicht so ganz eigentlich die Quelle meiner Wehmuth war, die, wie schon gesagt, stets meine Gefährtin nach solchen Produktionen war, — die ich zwar allezeit sehr eifrig besuchte, — aber allezeit den gleichen Lohn davon trug. Die eigentliche Quelle meiner ominösen Wehmuth bei und hauptsächlich nach solchen Produktionen war, wie ich's nun recht deutlich wahrnehme, der gute Gedanke, durch den ich so eine wohlgestaltete Tänzerin wie durch ein magisches Theaterperspektiv als einen gefallenen Engel ansah!

07. O wie oft dachte ich da nicht also, und sprach bei mir selbst: "Was könntest du meinem Herzen sein, wenn dein Herz je begreifen könnte, was dir mein Herz sein möchte! Aber du bist ein gefallener Engel, und erkennest nimmer den Werth eines Herzens, das dich gar so gerne aus dem eitlen Schlamme deiner Gesunkenheit wieder zu einem wirklichen Engel erheben möchte! — Der Welt Mammon ist nun dein Gott, und dein eigen Herz trittst du, Blinde, mit den Füßen, mit denen du, die du einen Sonnentempel bewohnen könntest, so du den Werth deines Herzens erkennetest, die frechste Unzucht der Gäuler stachelst, und manchen Armen seiner Natur bewußten Zuschauer für die etlichen Gulden, die er dir opferte, mit ein Paar Dutzend schlaflosen Nächten strafest, — ja, manchen mit noch etwas viel Aergerem! Aber, was kümmern dich tausend arme Teufel, die dich bezahlt, bewundert, beklatscht, und oft an deinem Wagen sogar Thierdienste verrichtet haben! Dein Herz ist stumm gegen sie, wie eine Marmorbüste; du kennst sie nicht, und willst sie auch nicht kennen lernen; denn du hast ja Tausende eingenommen, und hast dazu dir noch privatim die Säcke der reichen Wollüstlinge zinsbar gemacht; was kümmern dich die Herzen, in die deine zauberischen Füße mit jedem Pas giftige Pfeile geschleudert haben!? wenn sie gar schauerlich gewaltig etwa vor deinem Hotel par Excellence dich noch einmal zu sehen verlangen, da wirfst du ihnen dann höchst eigenhändig einen Pantoffel auf ihre Köpfe, womit sie zufrieden sein können! — und du kehrst darauf wieder in dein Prachtgemach zurück!

08. Siehe, Freund Blum, solche Gedanken waren stets meine Begleiter, und stimmten meine Seele ganz sonderbar schlecht. — Hatte ich aber nicht Recht, wenn ich so dachte, wie eigentlich ein bessres Herz seinem Mitmenschen gegenüber doch allzeit denken solle?! Weil ich aber aus gutem Grunde bei solchen Gelegenheiten stets so dachte, und nun eben also denke, so frage dich nun selbst, ob mir nach deinem allfälligen Dafürhalten diese Tänzerinnen, die nun glücklicher Weise ihre Produktionen beendet haben, und nun uns zu behorchen scheinen, je gefährlich werden könnten? Vielleicht meinen beiden lieben Brüdern, dem M. und dem B.? — was ich aber auch nicht behaupten möchte; mir sind sie in dieser Situation wohl am wenigsten gefährlich, so wie auch diesem meinem nun wohl allerliebsten Freunde, der diese meine Rede nun mit sichtlicher Rührung angehöret hat. Also muß ich dir, liebster Freund Blum, die vollste Versicherung geben, daß alle diese 24 Künstlerinnen sammt ihren 48 allerschönsten Füßen meiner Jesus—Liebe nicht den allerleisesten Eintrag gemacht haben! Im Gegentheile — nur erhöht haben sie diese meine nun heiligste Liebe, denn siehe, ich habe nun ein rechtes Mitleid mit diesen armen gefallenen Engeln, und so es mir möglich wäre, sie aus dieser ihrer Niedrigkeit zu wahren Menschen zu erheben, so gäbe ich mein halbes Leben darum; — aber lassen wir das; es sind auf der Erde gar manche meiner Wünsche zu Wasser, ja — am Ende sogar zu Blut geworden; warum solle das hier nicht auch der gleiche Fall sein können? — Wer nun saget auch ihr Beide (M., B.) wie euch dieses Spektakel gefallen hat?"

09. Sprechen die Beiden: „No, no, so, so; — gar nicht übel! Aber etwas komisch kommt uns die Sache offenbar vor! Auf der Erde kommen einem solche Exzentrizitäten menschlicher Dummheiten ganz erträglich vor; — aber hier im Geisterreiche, — muß ich dir offen gestehen, Br. Bl. — du wirst es uns nicht für übel nehmen, kommen uns solche Aberrationen des menschlichen Strebens wohl ein Bischen gar zu sonderbar vor! — Denke dir, so wir nun wieder zur Erde zurückkehren könnten, und dort erzählen unseren Freunden, daß wir soeben einem himmlischen Ballete beigewohnt hätten! No, das Gelächter möchte ich hören! — Aber sage mir nun das Einzige, wie du so ganz eigentlich zu diesem tollen Gedanken gekommen bist, dir hier im Reiche des Geistes ein förmliches Serail, gleich nur von so ein Paar Dutzend der saubersten Ballettänzerinnen zu halten? hast du sie denn förmlich in deinen Sold oder was genommen? — Oder ist das etwa der Himmel der Neukatholiken? Geh', fahr' ab mit diesen deinen neukatholischen Engelchen! und bringe uns dafür lieber noch so ein Butällerl von dem letzten; von dem ist ein Tropfen mehr werth, als alle die 48 schönen Füßlein!" — Bl. lächelt dazu, und holt die zweite Butällie.

59. Kapitel. Jesus über den oft mißbrauchten Satz: "Der Zweck heiligt die Mittel." — Beispiele hierzu.

01. Der J. aber wendet sich nun auch an Mich, und fragt — wie etwa doch Mir diese sonderbare Produktion gefallen hätte?

02. Ich aber sage zu ihm: „Lieber Freund, Ich muß dir hier offen bekennen, daß Ich bei solchen Gelegenheiten viel weniger auf das Mittel, als nur einzig und allein auf den Zweck Mein Augenmerk richte. Denn es kann an und für sich das Mittel oft noch so sonderbar aussehen, so macht das nichts, wenn damit nur ein in allen seinen Beziehungen edler und guter Zweck erreicht worden ist. Denn hier im Geisterreiche heiligt allzeit der erreichte beste Zweck jedes Mittel, durch das er einzig und allein nur hat erreicht werden können! Es liegt hier wahrlich gar nichts an dieser Tanzproduktion; aber in Verbindung mit der durch sie allein möglichen Erreichung eines edelsten und besten Zweckes liegt dann wieder unendlich viel an ihr!

03. Ich will dir diesen zwar jesuitisch klingenden Grundsatz aber zuvor irdisch beleuchten, auf daß dir dann sein geistiger Gehalt desto einleuchtender werden möge, und so höre Mich! Siehe, der Grundsatz lautet kurz also: Der gute Zweck heiliget jedes Mittel, durch das er möglich erreicht werden kann. — Ob dieser Grundsatz aber auch richtig ist, werden wir nun aus mehreren Beispielen ersehen; und so habe nur wohl Acht!

04. Siehe, ein Sohn auf der Erde hat einen Vater, der bei einer Arbeit das Unglück hatte, sich ein Bein dergestalt zu brechen, daß selbes nur durch eine geschickte Operation wieder geheilt, und dem jeweiligen Naturleben der andern Leibestheile unschädlich werden kann. Was würde der gute, seinen Vater über alles liebende Sohn wohl mit einem so bösen Menschen thun, der seinem Vater rein nur aus Zorn oder bösem Muthwillen einen Fuß mit einem scharfen Beile abhiebe? Siehe, dieser Sohn würde den Uebelthäter ergreifen, und ihn züchtigen sein Leben lang, und doch hatte sein Vater bei dieser Schnelloperation beiweitem weniger gelitten, da sie an einem ganz gesunden Fuße pfeilschnell wäre bewerkstelligt worden, als sie nun an einem im höchsten Grade leidenden Fuße mußte vollzogen werden. Siehe, das Mittel an und für sich, ohne Verbindung mit dem durch eben dieß Mittel erreichbaren Zwecke, allein genommen, wäre ein Gräuel; aber in der Verbindung mit dem guten Zwecke ist es ein Heil; und der Sohn wird dem geschickten Operateur sich gewiß im höchsten Grade dankbar erweisen, der seinem geliebtesten Vater das Leben rettete! denn ohne diesen wäre der Vater am Brande gestorben. Gehen wir aber weiter!

05. Was wohl würdest du Jemanden thun, der dir mit der Faust einen Zahn einschlüge? Siehe, du würdest diesen Wütherich vor's Gericht fordern, und von ihm kein kleines Schmerzgeld verlangen. — So du aber einen leidenden Zahn hast, der dir viel Schmerzen verursachet, da gehst du selbst zu einem Zahnarzte und zahlst ihm gerne dafür, so er dir geschickt den schlechten Zahn herausreißt. Wer könnte einen ledigen Zahnreißer loben, der blos zu seinem Vergnügen den Menschen, wo und wann er nur könnte, die Zähne einschlüge oder ausrisse!? — Aber ganz anders verhält sich die Sache in den Händen eines wirklichen Zahnarztes, und das darum, weil er mit seiner oft noch so schmerzlichen Operation einen guten Zweck erreichet, und du kannst es unmöglich in eine Abrede stellen, daß hier das an und für sich sehr grausame Mittel durch den erreichten guten Zweck geheiligt wird!? Aber darum nur weiter. Sieh', der Todtschlag ist eine der größten Sünden, die ein Mensch an seinem Nebenmenschen begehen kann. Es wandeln aber ein Vater und dessen Sohn durch einen Wald. Ein böser Mensch, der bei dem Vater viel Geld wittert, springt auf einmal gleich einem Tiger aus dem Dickicht hervor, packt den Vater an der Kehle, und will ihn erdrosseln; (eine — solchen Mördern liebste Hinrichtungsart, weil ihnen dabei die Absicht zum wirklich aus vollem Willen vollbrachten Morde, so sie vor's Gericht kämen, nicht so leicht erwiesen werden kann). Der Sohn ersieht die große Gefahr seines Vaters, greift sogleich nach seinem Gewehre, und tödtet den Raubmörder!

06. Siehe, der Todtschlag ist, wie bekannt, also eine der größten Sünden, die ein Mensch gegen seinen Nebenmenschen begehen kann; ist aber auch der Todtschlag, den der Sohn an dem Mörder, der seinen Vater erdrosseln wollte, beging, auch eine Sünde? — O nein! Schon der pure Verstand sagt es dir: Der Todtschlag ist nur an und für sich, wie auch um so mehr als Mittel zur Erreichung eines schlechten Zweckes eine der größten Sünden! Aber, wie hier in Verbindung mit dem besten Zwecke ist er eben so heilig als der Zweck selbst, und ganz besonders dann, wenn er als ein einzig möglich wirksames Mittel sich herausstellt.

07. Und siehe, wie mit diesen drei Beispielen, also verhält es sich auch mit jeder Handlung, deren nur immer ein Mensch oder ein Geist fähig ist; wenn sie nach genauer und weiser Ueberlegung als das einzig möglich wirksame Mittel zur Erreichung eines guten Zweckes erscheint, so ist sie auch gut, gerecht, und durch den erreichten guten Zweck geheiligt!

08. Und so wirst du, lieber Freund, bei diesen armen Tänzerinnen schon auch müssen ein Auge zudrücken; denn sie tanzten zur Erreichung eines mehrfach guten Zweckes, und dieser Zweck ist nun auch wirklich erreicht worden, wie du es gar bald einsehen wirst. Sage, sollen wir diesen Koreografinen dafür grollen, oder sollen wir ihnen dafür etwa auch vom zweiten Butällerl einige Gläschen verkosten lassen?"

09. Spricht J.: „O, wenn so! allerdings, allerdings! Kommet nur her, ihr lieben Herzerln, kommet nur her! Sollet auch einen guten Tag haben!"

60. Kapitel. Die Tänzerinnen wünschen Aufschluß über Gott. Robert belehrt sie: "Nicht außer, nur in dir suche Licht!" — Gefahr rein äußerlicher Forschung.

01. Die Tänzerinnen verneigen sich auf diesen Ruf gar ehrerbietigst, und die drei Ersten sagen: „O ihr lieben, herrlichen Freunde, ihr seid gar zu gut und nachsichtig gegen uns! denn unsere gar schlechte und elende Kunst ist wohl zu sehr die allerunterste aller Künste, als daß sie von Geistern, wie ihr es seid, nur die allergeringste Achtung verdienen könnte, und so sehen wir es gar nicht ein, und können es auch gar nicht begreifen, wie und warum ihr uns armen Sünderinnen gar so gut sein könnet!? Wahrlich, so wir auf der Erde noch im Fleische uns befänden, und möchten dort eben so herzlichst gute Menschen treffen, als wie ihr da nun seid, da könnten diese eine große Macht über uns bekommen; denn einer wahren Freundschaft, und einer echten uneigennützigen Liebe kann man wohl am leichtesten die größten Opfer bringen! Aber wir sind nun hier ganz vollkommen Arme im Geiste wie in unserem Gesamtwesen, und haben nichts, als was eure große Güte uns bescheeret; daher können wir auch für solche eure zu große Güte entgegen auch nichts anderes thun, als euch achten und lieben, so stark und mächtig es auch nur immer unsern Herzen möglich ist! Dürfen wir uns euch mit solcher unserer Liebe nahen, so wollen wir uns sämtlich auch übergerne zu euch hinbegeben, und mit euch fröhlich sein; ist aber diese unsere vielleicht zu wenig reine Liebe für euer Wesen euch nicht genehm, und sind wir leichtlich auch wohl gar nicht werth, euch zu lieben, O! dann lasset uns wieder fortziehen und beweinen unsere irdischen Sünden, die uns eurer Liebe vielleicht für ewig unwürdig gemacht haben?"

02. Spricht der Jell.: „Ich bitte euch, ihr allerliebsten Herzchen, seid nur nicht gar so römisch—katholisch schwach! Wo ist denn der Gott, Der je die Liebe für ein Verbrechen hielte!? Ich sage es euch, so ein Teufel mich wahrhaft zu lieben anfinge, da würde ich ihn dafür wieder lieben! Wie sollten dann wir euch wohl verachten können, daß ihr uns liebet, indem ihr doch sicher keine Teufel seid, und auch ewig keine werdet! Kommet also nur Alle her, und trinket von diesem wahren Lebensweine! Scheuet euch ja nicht vor uns; denn wir Alle tragen unsere Herzen auf der Zunge, und sind wenigstens für diese unsere Wirkungssfäre innerlich nicht um ein Haar anders gesinnt, als wie wir reden und äußerlich handeln. Wir alle Fünfe verlangen von euch nichts, als blos eure Liebe, die ihr uns auch gerne werdet zukommen lassen, — und so hoffe ich, daß ihr nun ganz im Klaren seid, was ihr an uns habet, und was wir von euch zu haben wünschen, nehmlich nichts, als eure reine Liebe und Freundschaft!"

03. Als die Tänzerinnen solches vom J. vernehmen, da machen sie eine noch freundlichere und tiefere Verbeugung, und begeben sich darauf gar liebfreundlichsten Angesichtes zu uns hin, begrüßen uns da wieder freundlichst und sagen: „Wir sind eure Mägde; euer reiner, guter und edelster Wille an uns sei ewig unser heiligstes Gesetz! Eine Bitte aber wagen wir euch dennoch vorzutragen, und diese besteht darin: Wir haben auf der dummen Welt wenig Gelegenheit gehabt, und haben sie im Grunde auch wenig gesucht, um das höchste Gottwesen näher und wahrhaft kennen zu lernen, und sind sonach in diesem allerersten Fache jedes menschlichen Wissens und Glaubens hier als rein Blinde angekommen.

04. Wohl waren wir sogenannte röm. Christinnen, und machten äußerlich wohl alles mit, was diese Kirche zu beobachten vorschrieb, obschon wir Tänzerinnen waren; aber was nützte uns das alles für diese Welt?! Alle unsere Fasten, Beichten und Communionen haben uns alle der wahren Erkenntniß Gottes auch nicht um ein Haar näher gebracht; wir starben etwa nach einem Verlaufe von 10—15 Jahren Alle, wie wir hier sind, und fanden uns hier wie zufällig wieder! Aber in welchem Zustande wir diese ernste Welt betraten, in demselben Zustande befinden wir uns noch, d. h., wir kannten Gott nie, wie man Ihn eigentlich kennen solle, und kennen Ihn noch nicht; und doch kann nur ein Gott, ja ein überaus guter, höchst weiser und allmächtiger Gott uns dieses Dasein gegeben haben!?

05. Wenn ihr, lieben Freunde, es nicht zu sehr unter eurer Würde fändet, auch uns armen weiblichen Kreaturen bei manchen Gelegenheiten von Gott nur eine etwas bessere Vorstellung zu geben, als wie sie uns auf der Erde gegeben ward, da würdet ihr uns eine überaus große Freude machen!

06. Man hat uns auf der Welt die Gottheit stets auf eine solche Weise vorgestellet, daß eben diese Vorstellung von Gott uns eben jede Vorstellung von Gott nahm; Ein Gott bestehe aus drei Personen, deren jede für sich ganz vollkommen Gott sei, was somit doch offenbar drei Götter geben müßte; aber diese drei Götter sind dennoch nicht drei Götter, sondern nur einzig und allein nur ein Gott! Jeder der drei Götter hat zwar seine eigene Verrichtung, und hängt, wie z. B. der Gott Sohn doch sehr vom Gott Vater ab, und darf nur das thun und lehren, was der Vater will; und doch heißt es wieder: Sohn und Vater sind vollends Eins! Mit dem heiligen Geiste weiß man eigentlich gar nichts zu machen! ist er mehr oder weniger als der Vater, oder als der Sohn? Er gehe aus Beiden hervor, und ist über Beiden als eine Taube dargestellet! Nun kommen aber noch die Milliarden Hostien, von denen jede auch vollkommen Gott sein solle! — Freunde! kann daraus ein Mensch über das Gottwesen je in's Klare kommen?! Daher lasset euch unsere Bitte nicht zuwider sein; denn ihre Erhörung thut uns noth, mehr denn dieser Wein nun!"

07. Spricht Blum, einen Pokal des besten Weines darreichend: „Liebe Schwestern, im Namen Gottes des Herrn und Schöpfers der Unendlichkeit, nehmet nur getrost hin diesen Wein und trinket ihn; denn dieses Weines Geist ist nicht wie der Geist der irdischen Weine, in denen nach Paulus, dem weisen Lehrer der Heiden, die Geister der Unzucht und Hurerei wohnen; sondern dieser Geist, der in diesem Weine wohnt, heißt der Geist der ewigen, reinsten Liebe in Gott; welcher Geist aber zugleich auch ist eine heilige Flamme voll Licht, Helle und Klarheit; in diesem Lichte werdet ihr gar bald von selbst in euch finden, das ihr von uns haben möchtet.

08. Erhaben ist zwar euer Wunsch, und kein Engel Gottes kann an ihm einen Makel entdecken; aber suchet seine Erfüllung ja nicht außer euch, sondern in euch, so wird sie euch frommen und nützen für ewig; geben wir sie aber euch, da habt ihr ein fremdes Eigenthum in euch, das euch wohl äußerlich hin einen zeitweiligen Vortheil gewähren kann, aber innerlich euch nie einen Nutzen, sondern mit der Zeit den barsten, nicht leicht zu verbessernden Schaden bringen müßte!

09. Denn sehet, eine blos äußere Lehre kann sich vorerst auch nur blos den äußern Geistern, deren Sinn ein materieller ist, mittheilen; er macht dann in diesen Geistern wohl eine Revolution, und nöthigt sie hie und da, solche Lehre anzunehmen; der innere Geist merkt solches auch gar bald, und macht sich auf, und geht hinaus unter die Naturgeister, oder die eigentliche Naturseele jedwedes Menschen, und gewahrt da die gute Saat, und hat große Freude daran, und freuet sich um so mehr der herrlichen Ernte, die aus dieser Saat hervorgehen möchte; aber sehet, eben da geschieht dann meistens das nahe unvermeidliche Unglück, daß sich eben, während der eigentliche Lebensgeist des Menschen die äußere Saat betrachtet, und sich außer seinem Gemache unter seinen Naturgeistern auf eine baldigste und reiche Ernte freut, die bösesten und unlautersten der Naturgeister, die noch in der Seele vorhanden waren, zusammenraffen, in das Gemach des wahren Geistes eindringen, und diesem dann den Rückzug verwehren, ja gar oft sogar unmöglich machen! So der wahre Geist aber dann diesen seinen wahren Sitz des Lebens verliert, da sucht er dann freilich Anfangs sich einen neuen Sitz unter den besten seiner seelischen Naturgeister aufzurichten, und wohnet da unter ihnen wie eine Wohnpartei im Hause eines andern Besitzers; aber da er alles seines Eigenthums beraubt, am Ende den Miethzins nicht entrichten kann, so pfändet ihn der eigentliche Hausherr, und nimmt alles, was er noch hatte, und macht ihn noch oben darauf zu einem Gefangenen, oder wohl gar zum Sklaven seiner Herrschsucht, in welchem Zustande dann der wahre innere Lebensgeist sich mit den unlautersten Naturgeistern verbinden, und in selbem Joche am Schandseile des Lasters ziehen muß, und das ist dann auch so viel als der geistige Tod des Menschen; denn in so einem Menschen hat dann der Satan seinen Thron aufgerichtet, und hat den eigentlichen Herrn des Lebens im Menschen zum Sklaven höllischer Gelüste und Triebe gemacht!

10. Daher lasset euch das für allzeit gerathen sein, daß ihr nicht zu gierig nach einer äußern Belehrung trachtet; denn diese taugt für nichts, wenn sie der Geist nicht in der größten Demuth aufnimmt, und alsogleich vollkommen sein ganzes Leben darnach einrichtet, was wohl für jeden Geist eine sehr schwere Aufgabe ist. — Sehet, Salomo, Israels weisester König, fiel trotz seiner Weisheit, weil sein innerer Geist, sich stark genug fühlend, es einmal wagte, seinen innersten Wohnsitz zu verlassen, dann hinauszutreten unter seine Naturgeister, und sie zu ordnen nach seiner Weisheit; aber da er das that vor der Zeit seiner Vollreife, die allzeit von innen heraus, und nie von außen nach innen erfolgen muß, so ward er von seinen unlautern Naturgeistern gefangen, und nicht mehr in sein Haus gelassen, welches nur zu bald zu einer Wohnung alles Lasters, der Hurerei, der Unzucht und der Abgötterei umstaltet wurde! Also auch verrieth ein Judas seinen Meister, seinen Herrn und Gott, weil er die Lehre des Heils nur in seine äußeren Geister, die im Verstande, und daraus in allerlei Begierlichkeiten ihren Sitz haben, aufnahm; dadurch den eigentlichen Lebensgeist aus seiner innersten Wohnung lockte, und sie dadurch dem Satan zum freien Einzuge öffnete! Die Folge davon ist zu bekannt, als daß ich sie euch hier wiedergeben solle!

11. Daher trinket nun diesen Wein! dieser wird in euch die rechte Liebe zu Gott erwecken, und diese Liebe wird euern Geist stärken, und wachsen machen. Wenn der Geist dann durch sein Wachstum alle seine äußern Naturgeister durchdringen wird, ohne seinen ursprünglichen Sitz zu verlassen, so wird er auch dann schon in sich alles finden, was er jetzt von außen her erhalten möchte. Habt ihr mich wohl verstanden?"

61. Kapitel. Dank und Verständnis der Tänzerinnen. Robert über den Kampf gegen unreine Naturgeister im Menschen. Die Stufenleiter der Vervollkommnung. Roberts Bescheidenheit. Der Allerhöchste. Wiener Volk in Roberts geistiger Welt.

01. Sprechen die Tänzerinnen: „O du lieber, weisester, wahrhaft in das innerste Wesen des menschlichen Lebens eingeweihtester Freund! Gar wohl haben wir dich verstanden! Du hast das, was wir oft dunkel geahnt haben, uns zur klaren Anschauung gestellet; — o — wie sollen wir dir dafür je genugsam danken können!?

02. Wie oft sahen wir auf der Welt Menschen, und hatten mit ihnen nicht selten zu thun bekommen, deren Geist alle erdenkliche beste Bildung hatte; wir sagen Dir, Menschen, die zufolge ihrer inneren Bildung und namentlich im Fache der Religion in einem Rufe der Heiligkeit standen, und jedermann sie ehrte und pries, ja noch mehr, Menschen, die unverkennbare Spuren höherer Erleuchtung durch Wort und That bekundeten. Solche Menschen kamen zu uns, und machten uns Anträge zu den allersäuischesten Vergnügungen, die wir ihnen leider zumeist aus dem Grunde nicht gewähren konnten, weil sie zu allermeist schon ganz bösartig angesteckt waren! Nein, dachten wir uns, wenn das die Folgen einer so ausgezeichneten christlichen Tugend sind, so schaffen wir von ihr nichts weiteres mehr! Damals waren uns solche Erscheinungen ein unerforschliches Räthsel; aber jetzt ist uns alles klar und helle! O, Dank Dir, Dank Dir für diese Aufklärung; denn nun wissen wir erst, woher die vielen Uebel rühren. Gieb nun den Wein des Lebens her, und wir Alle wollen diesen Becher der Demuth bis auf den letzten Tropfen in uns aufnehmen."

03. Blum reicht ihnen nun den Becher, und sie trinken alle daraus, und werden dabei voll Freude.

04. Der Jell. aber verwundert sich samt M. und B. Ganz gewaltig über die Weisheit Blums, und spricht nach einer kleinen Weile: „Bruder! Das ist zu viel auf einmal von dir zu vernehmen! Weißt du, daß ich Dich allzeit für einen sehr weisen Mann und Geist hielt; daran wirst du hoffentlich nicht zweifeln; aber, daß du ein gar so grundweiser Mann seiest, wahrlich, davon hatte ich wohl nie eine allerleiseste Ahnung! Bruder! mußt mir's aber nicht für übel nehmen, mir kommt es nun unwillkürlich so vor, als wenn das, was du nun zu diesen lieben Schwestern geredet hattest, nicht auf deinem höchst eigenen Grunde und Boden gewachsen wäre?! aber es macht das nichts; denn auch mir hast du damit ein so sonderbares Lichtlein angezündet, daß ich nun die Sachen und Erscheinungen, die mir je vorgekommen sind, ganz anders zu schauen und zu beurtheilen anfange, als das je wann früher der Fall war! Mir kommt es nun vor, als wenn alle die gegenwärtigen politischen Umtriebe auf der Erde eben auch darin ihren sehr zu bedauernden Ursprung hätten, und tausend andere Uebel mehr!?

05. Es wird mir nun auch ein wenig einleuchtend, warum diese Tänzerinnen vor uns getanzt haben? Haben sie etwa nicht dadurch unsere unreinen Geister aus der usurpirten Wohnung unseres wahren Ichs gelockt, und dieses hat dann schnell wieder seine rechte Wohnung eingenommen?! — "

06. Spricht Blum: „Ja, ja, Bruder J., beinahe hättest du die Sache des Tanzens der Wahrheit gemäß abgemacht und dargethan; aber in dem hast du ein wenig zu seicht noch in dich hineingeschaut, da du meinest, durch den Tanz seien deine die Wohnung deines wahren Geistes usurpirenden unreinen Naturgeister herausgelockt worden, und Du, oder dein wahres Ich, sei dann flugs in seine ursprüngliche rechte Wohnung, die im Herzen des Lebens sich befindet, gewisser Art hineingesprungen? Aber lieber Bruder, wie hast du so von dir und uns Allen denken können?

07. Ich sage dir, bei uns ist nur gerade der umgekehrte Fall vorhanden. Unsere, und nun ganz besonders eure Geister befinden sich glücklicherweise in ihrer rechten Lebenswohnung, ansonst ihr euch nicht hier in dieser Wohnung befindet würdet, sondern in einer solchen, in die ewig kein Licht und keine Wärme des Lebens kommt;

08. aber sie (die Geister) wurden nur zu sehr von den Naturgeistern umlagert, so daß sie sich kaum rühren, und durch diese Geister der Naturmäßigkeit schauen konnten, aus welchem Grunde ihr auch ehedem in jenem Gemache euch kaum rühren, und noch weniger irgend wohin sehen konntet; nur durch eine außerordentliche Hülfe von Oben sind die Umlagerer eures Geistes nach außen hinausgerückt worden; und sehet, euer Geist hat sich dann schon mehr rühren können, konnte auch sogleich aus sich mehr Licht entwickeln, und dadurch seinen ehedem äußerst beschränkten Gesichtskreis erweitern, wo ihr dann auch sogleich eine offenstehende Thüre entdecktet, und diesen Tisch mit dem Lebensweine;

09. aber dessen ungeachtet sind dennoch eine solche Menge Umlagerer aus den Naturgeistern um die rechte Wohnung eures Geistes geblieben, daß durch ihre noch immerhin große Anzahl euer Geist nicht in voller Klarheit, sondern wie durch einen leichten Uebel schauen mußte. Da aber diese Geister, die stets am hartnäckigsten den wahren Geist umlagern, und ihn in ihre Sfäre herauslocken wollen, zumeist der sogenannten sinnlichen Fleischliebe entstammen, so haben sie auch in einer Hinsicht die bedeutendste Aehnlichkeit mit dem wahren Geiste der reinen Liebe Gottes in unseren Herzen, und sind am schwersten von dieser Wohnung des Lebens hinweg zu bringen, weil sie, wie keine andere Art der Naturgeister, nur zu sehr am Leben hängen, und ihre größte Furcht es ist, das Leben zu verlieren, das ihnen so viele süße Genüsse darreicht.

10. Diese hartnäckigen Naturgeister können nur durch eine außerordentliche äußere Lockung ein wenig mehr der Wohnung des eigentlichen Geistes entrückt werden, bei welcher Gelegenheit dann der wahre Geist sein Territorium wieder ein wenig erweitern, und dadurch freier und heller werden kann; und siehe, eine solche äußere Lockung ward auch hier durch diese Tänzerinnen veranstaltet, und eure wahren Ich sind dadurch nun auch um vieles freier und heller geworden; daher hat auch ehedem dieser, mein erhabener Freund, zu dir, du Bruder Jellinek, gesagt, als du die Tanzerei allhier ein wenig sonderbar fandst, daß du hier nicht so sehr auf das Mittel, als vielmehr nur auf den guten Zweck sehen sollest! Du hast nun den klar beleuchteten besten Zweck vor dir, und so meine wenigstens ich, daß du gegen das Mittel nun auch nichts mehr einzuwenden haben wirst?

11. Daß aber diese Tänzerinnen darum auch noch keine reinen Engel sind, weil durch sie für euch ein guter Zweck erreicht worden, das brauche ich euch kaum näher darzustellen und zu beleuchten; aber wir wollen alles thun, daß sie das werden, was sie noch nicht sind, und wir auch noch nicht.

12. Ich habe nur eine einzige Stufe vor euch, und das ist mein einziger Vorteil vor euch; aber die Leiter unserer ewigen Bestimmung ist eine unendliche, und da wird es wohl ehestens gar leicht geschehen, daß sich diese unsere gegenwärtigen Unterschiede vollends also ausgleichen werden, daß von uns Niemand vor dem Andern etwas voraushaben wird, mit Ausnahme jenes Freundes und Bruders neben dir Brd. J., Der uns allen ganz natürlich zu ungeheuer weit voran ist, als daß wir Ihn je möglich einzuholen vermöchten! — Warum? das wird euch die Folge und eine nähere Bekanntschaft mit Ihm sehr klar zeigen und zur Uebergenüge treu beantworten.

13. Nun aber haben wir noch eine andere sehr bedeutende Arbeit vor uns, die ehestens in die Ordnung kommen muß, ansonst wir uns in diesem Hause nicht nach unserer freien und reinen Lust und Willkür bewegen könnten.

62. Kapitel. Bittere, aber heilsame Kur der Wiener Fleischeshelden. Robert ermuntert sie in weiser Rede zum Eintritt ins Haus.

01. R. Blum: „Sehet einmal zu diesem Fenster hinaus in den herrlichen Garten, der dieses Haus umgiebt, weit und breit, und saget mir, was ihr da sehet?"

02. Die Drei gehen sogleich ans Fenster und schauen hinaus; aber kaum einen Blick durch dasselbe gemacht, schaudern sie förmlich zurück, und der J. nimmt das Wort und spricht: „Aber Brüder! Um Gottes des Herrn Willen, was ist denn das? Sind das Menschen, Thiere oder Teufel!? Es scheint alles durch einander gemengt zu sein!? Nein, so was hätte ich in der Nähe dieses Hauses wohl ewig nicht vermuthet! Wahrlich, da sieht man ja auf einmal alle Scheußlichkeiten der alten, schmutzigsten heidnischen Mythologie auf einem Haufen beisammen — plastisch und tatsächlich!? Ich bitte dich, lieber Bruder, verschließe doch die Pforte des Hauses fest, und die Thüre dieses Zimmers, sonst laufen wir Gefahr, daß diese Bestien zu uns herein dringen, und uns Alle beim Butzen und Stängel rein auffressen!"

03. Spr. Bl.: „O, fürchtet euch dessen nicht; sie sehen im Grunde nicht gar so abschreckend aus, als wie sie auf den ersten Blick von hier euch Vorkommen; daß sie euch aber also abschreckend vorkommen, das rührt daher, weil sie euch noch von Wien aus darum in dem Zornmagen haben, weil sie meinen, ihr hättet sie an den Windischgrätz verrathen! Werden sie einmal vom Gegentheile überwiesen sein, so werden sie euch dann auch sogleich etwas menschlicher vorkommen; denn wisset, das sind allerlei Wiener Individuen, die in den ominösen Oktobertagen als Kämpfer für die irdische Freiheit gefallen sind, durch die Waffen der kaiserlichen Soldaten, und glauben nun, daß dieser Fall gar nie möglich gewesen wäre, so besonders der Bruder M. an ihnen nicht einen heimlichen Verräther gemacht hätte! Werden sie aber vom Gegentheile überführt, dann wird auch etwas Anderes mit der Hülfe Gottes mit ihnen zu machen sein! Und sollen unter ihnen auch Einige sein, die sich nimmer sollen eines Besseren belehren lassen, nun, so wird der Herr schon wissen, mit Seiner Macht solche Böcke von den besseren Schafen also abzuscheiden, daß sie weder uns, und ebenso wenig der andern bessern Heerde mehr gefährlich sein können!

04. Daher werden wir denn auch sie herein kommen lassen, und werden sie da nach dem Willen des Herrn in die Arbeit nehmen! Denn da wir doch auch sehr viel schuld daran waren, daß sie durch unsere Reden und Gesetze dahin gekommen sind, wo sie sich nun elend genug befinden, so ist es nun auch vor allem unsere Pflicht, sie auf einen besseren Weg zu bringen; und so folget mir nun hinaus zu ihnen, im Namen des Herrn.(Am 25. März 1849)

05. Blum begiebt sich nun in der Mitte des M. und B. hinaus in den Garten, allwo sich noch die schon bekannten Wiener befinden, nebst ihren ganz matt gewordenen Konkubinen, und ihren genothzüchtigten Töchtern; Ich aber folge den drei Vorgängern mit dem J. an Meiner Seite, sobald in den Garten, wo wir die Menge in einem ersichtlich sehr unbehaglichen Zustande antreffen,

06. und Bl. sie auch sogleich fragt, wie es ihnen nun ergehe? Da schreien sie nahe Alle zugleich auf: „Miserabel, elend und schlecht! Helfet uns, oder bringet uns um dieses elende Sauleben; das wird uns eine Leberwurst sein! Ist das nicht rein zum Teufels werden!? Jetzt stell dirs vor, was wir hier in diesem dreckigen, nach faulen Pomeranzen riechenden, Geisterreiche alles für schöne und merkwürdige Erfahrungen gemacht haben! Es ist wahr, wir haben es mit der Menscherei ein wenig zu arg getrieben; aber wir sind Viecher, und waren nie was anderes, weil wir nie zu etwas Besserem sind erzogen worden, woran natürlich nicht wir, sondern unsere weisen und milden Regenten die alleinige Schuld tragen, und so unterhielten wir uns denn auch hier auf jene beliebte Art, gleich dem Vater Adam mit der Eva, wodurch dann der erste Brudermörder Kain, dergleichen es jetzt zu Millionen giebt, das Dasein erhielt; aber nun höre, was an der Sache hier im Geisterreiche ganz besonders und zugleich auch ganz niederträchtig verflucht merkwürdig ist! Wir sind dir, was kaum glaublich, hier fast durch die Bank angesteckt worden! Oh, das ist ja doch verflucht, hier, im Geisterreiche angesteckt! und das wie!? Hörst Brüderl, das war so ein Paradieserl! wenn's hier nur irgend eine Hülfe gäbe! aber da ist überall nichts, wo man nur hinschaut! Du siehst also nun, wie es uns geht; daher sei doch so gut und verschaffe uns irgend eine Hülfe, oder bringe uns Alle um, wenn's dir möglich ist, denn es ist ja doch 10,000 Male besser, gar nicht zu sein, als zu sein unter gar so scheußlich bittern und schlechten Umständen!

07. Apropo, noch was; sage uns auch, wer deine Begleiter sind? Den Einen kennen wir schon; das ist der sogenannte eigentliche Hausherr dieses Hauses, ein recht rarer Mann Gottes! aber die andern Drei kennen wir nicht; geh' und sag' uns, wer sie sind?"

08. Spr. Blum: „Meine armen kranken Freunde, seid ihr denn gar so blind, daß ihr den M., B. und J. nicht mehr erkennen möget?" —

09. Schreien Mehrere: „Botz tausend und fix Laudon! was! die drei Hauptlumpen sind das! Na, hätt' mer uns a eher den Tod eingebild't, als daß wir besonders den Hauptspitzbuben M. nochmal zu Gesicht kriegen werd'n! Aber sein Glück, daß wir nun Alle so miserabel san! sonst hätten wir ihm hier wohl einen ganz kuriosen Dank für sein Oberkommando in Wien zukommen lassen! aber weil wir für eine handfeste Dankbezeugung zu schwach sein, so kann er sich unterdessen blos mit dem vertrösten, daß wir ihn allesammt für einen recht ausgepickten Lumpen und Spitzbuben ansehen, und in der Wahrheit anerkennen, und wünschen ihm, was er sich selbst sicher gar nicht wünscht! — Also — M., B. und J.; Na, so kommt da aber alles G'sindl zusammen! wirklich a schön's Paradieserl das!"

10. Spr. Bl.: „Saget ihr mir, geschieht es euch nun leichter, daß ihr diese meine Freunde also beschimpfet habt?" Sagen die Männer: „Na, das just am End nicht; aber wir haben's ihnen ja sagen müssen, weil sie es wirklich verdient haben! Du weißt es ja selbst, wie und warum?!"

11. Spr. Blum: „Höret, lassen wir das nun gut sein, was vorüber ist, das ist vorüber! Keiner aus uns allen, mit Ausnahme meines früheren Freundes, der nun mit J. sich bespricht, kann von sich sagen und behaupten, daß er nie gefehlet habe! Ich glaube vielmehr, daß wohl ein Jeder aus uns die Skala aller Todsünden nicht einmal, sondern zu sehr often Malen durchgemacht hat, nur mit dem Unterschiede, daß Einer bald in der einen, und ein Anderer in einer andern Todsünde als exzellent sich erwiesen hatte; und es wäre sehr dumm von mir, so ich nun diese Drei von euch Beschuldigten als unschuldig vor euch hinstellen wollte; sie haben ihre gehörige Portion Sünden begangen, aber wir haben es unsererseits auch durchaus nicht gespart. Wer aus uns vor Gottes Richterstuhle eigentlich für die Hölle reifer wäre, das dürfte dem ewigen Meister des Lebens wohl nicht viel Kopfbrechens und Nachdenkens kosten! Aber da meine ich, da wir schon Alle durch die Bank vor Gott kaum das werth sind, als wie hoch uns der gute — Fürst Windischgrätz in dem Stadtgraben und in der Au — taxirt hat, so sollen wir uns gegenseitig hier wohl gar nicht mehr anschuldigen und anklagen, sondern uns die Hände unter der allgemeinsten gegenseitigen Amnestie reichen, uns gegenseitig Alles vergeben, und also hier in diesem neuen Reiche und Leben auch eine neue Kolonie aus lauter Freunden und Brüdern gründen; und ich meine, daß uns das in der Folge viel bessere Früchte tragen wird, als so wir uns auch hier noch richten wollten, wo ohnehin ein Jeder aus uns ein ganz gehörig vollgemessenes Maß des Gerichtes auf seinen Schultern zu tragen hat!? — Was meinet ihr da, wie gefällt euch dieser mein sicher bestgemeinter Antrag?!"

12. Schreien Alle: „Ja, ja, du hast vollkommen recht, und dein Antrag gefällt uns außerordentlich wohl; aber nur die Gesundheit, die Gesundheit thut uns vor Allem noth; denn du weißt, daß ein leidender Mensch oder Geist nicht leicht zu einem gesunden Beschlusse kommen kann, und a Weaner schon gar nicht! denn ein kranker Weaner ist für die Sau zu schlecht!"

13. Spr. Bl.: „No, no, lasset das nur gut sein; erhebet euch! und kommet Alle zu mir ins Haus! dort werden sich schon Mittel finden — euch wieder gesund zu machen. Denn da Draußen habe ich weder einen Arzt, noch eine Apotheke; denn hier ist fürs äußerliche mit keinem Arzte was zu machen, weil hier alle Uebel von Innen aus geheilt werden müssen, so es einem Kranken geholfen werden solle, und dazu ist es auch nöthig, daß ihr euch in einem Hause befindet, und hier zwar in diesem meinem Hause, das mit allem möglichen reichlichst eingerichtet, und bestens versehen ist! — Erhebet euch daher nur, und folget mir!"

14. Auf diese Worte Blum's erheben sich Alle, auch die weiblichen Wesen, und hatschen, so gut es nur immer geht, uns nach ins Haus, und zwar in das schon bekannte Zimmer, das da groß genug ist, um viele Tausend Gäste aufzunehmen.

63. Kapitel. Die Gäste beim Anblick der Tänzerinnen. Volksgespräche in Wiener Mundart. Die Barrikadenheldin. Der Pathetikus.

01. Als sie Alle im Zimmer beisammen sind, da bemerkt Einer die Tänzerinnen, und spricht: „Na, die könnten uns nun auch Alle gestohlen werden! Unser Zustand und die da, das tauget' so hübsch für einander!" — Spricht ein Anderer neben ihm: „Aber potz Sepel Laudon fix Element! Sabbatmiezl! sauber wärn's! und nur die schön'n Föß, die sei hob'n! das wär so ein Extra—Speis'l auf'n Ostersonntag! Saprament, wann i nur g'sund wär, meiner Seel, der Mittern dort von den drei voranigen — saget i was!" —

02. Ermahnt ihn sein Nachbar: Aber ich bitt' dich Franz, sei nur itzt gescheidt! weißt denn nicht, daß wir nemmer auf der Welt san'?" — Spricht der Erste: „Das weiß i wohl! aber Welt hin, Welt her, schön sans holt doch! und mi müßt' goar kan G'fühl hob'n, wann ma do dabei gleichgülti bleib'n kunnt!"

03. Spricht ein Dritter: „Aber waon holt der Franz noher mit saner Ungleichgültigkeit in d' Höll kimmen thäte, wie wärs n' Franze nocher z' Mueth?" Spricht der Fr.: „Eh' hohls der Teufel; bist und bleibst holt a dumms Luder! Sain mir denn hietzt etwa in Himmel?! oder host du schon amol die Höll g'sehn, um sag'n zu können, daß du hietzt noch nicht in der Höll wärst; glabst du, mir zwa wär'n etwa zu gut für die Höll?" — Spricht der Angeredete: „Dös woaß i schun, aber do mieße wir erst früher verdammt werd'n, und nocher s' höllische Feuer seh'n! Und dös moan i, is hietzt mit uns denno nit der Fall! Es brennt mi wohl ganz fix sakrisch; du woaßt schun was, und warum! aber dös is denno ka Höll! Weil mer no nit san verdammt wurd'n, und weil mer auch ka Feuer sehen! Aber dös moan i holt, waon mer hietzt a no nit von de verdammte Menscher abloße thun, wo mer schun in der Geisterwelt san, da kunnt ma holt viel leichter in d' Höll kummen, als auf der Welt! Ha, wos moans du, hob i etwa Unrecht!" —

04. Spr. der Erste: „Ja, ja, hast wohl recht; aber denken kann i ja do, wie mir der Kopf gewachsen is?! — deßtwegen werd i denno nix thon!" — Spricht der Andere: „Jo, jo; nix than, nix than! — aber z'erst kummen an allzeit die Gedanken, noch die Gedonke kummen die Begirde, und noch die Begirde kummen die Thoten, und noch die Thoten kummt die Höll, und nocher is goar! versteast mi, nocher is gar?! I moan holt so hietzt: gstorbn warn wir, und san hietzt in de Geisterwelt; do hoaßts hietzt holt schön ruhlig und ghurscham sein, und nix oanders denken, redn und than, als wos uns der Blum sogen wird, und do koanns mit uns no besser werdn!" — Spricht der Ar.: „Nu ja, is a recht so; bist erst nit gar so dumm, als wie's du ausschaust."

05. Spricht an der Seite eine Barrikaden—Heldin: „Do schauts die zwa Lerchenfelder Schnipfer oan! dö wulln anander die Höll aus— oder einreden! hahaha! das is spaßi, woar do aner a größrer Schnipfer als der andre, und woarte no, bis sie möchte verdammt werdn, als woans etwa nit längst schun wärn, hahaha! das is do spaßi!" — Spricht der Franz: „Holtst mi dein golgenstinketn Brodlodn! Du Hauptmärzeflachxn von olli Weaner Studenten! Du krahschinketer Barikade—Schnepf! Na, woart du, dir meß i vorn Himmelreich Christi schun no a Paarl ober, daß dabei die allerseligste Jungfrau selber auweh schreien sull! Do schau aner dös kuguschäckigs Mistbradl oan! döi möcht uns schun olli mitanander verdammt in der Höll hobe! Schau, daß du mit deine Fleadermausflügeln von ani Händ mit z'erst hineinfliege wirst!" —

06. Kommt ein Anderer hinzu, und spricht in einem pathetischen Tone: „Freunde, bedenket, wo ihr seid! Das ist nicht etwa der Prater, oder die Brigittenau, in der die rohe Wienermenschheit noch zehnmal roher sich gebärdet als sonst; bedenket, hier ist das ernste Geisterreich, wo man ganz ordentlich und ernstlich sein muß, um nicht augenblicklich auf ewig verdammt zu werden; denn bei Gott ist keine Gnade und kein Pardon mehr in dieser Welt!" — Spricht die Heldin: „O, o, o! ereifern's Ihne neit goar so ollmächti, Sie bratschulteriger Tapschädl! Daß unser liebe Herrgott mit an solchenen Eimerbiersauflimmel ka Erbarmniß hobe kan, wie Sei Aner san, das wird do etwa gaonz natürli san!?" — Spricht der Pathetiker, seine Augen sehr weit aufthuend: „Waaas sagt diese Blocksbergshexe!? ohhh, für diese Hacke wird ja wohl auch sogar noch hier in der Geisterwelt sich ein Stiel finden lassen! Ist denn kein so gemeiner Kerl hier, dem es um seine Hände nicht leid sein dürfte, dieser unfläthigsten Dirne den Hals umzudrehen!?" — Spricht die Heldin: „Oh, deßtwegen moches Ihner ka Müh! denn waons auf die gemeinste Kerlschaft hier ankäme, um mir den Hals umz'drahn, da war zu dem Gschäftl ja so ka Tauglicherer wie Sei!? Aber da moan i, daß so an Oarbeit für sei wuhl no viel z'gut war! Was manens denn, wer Sei san, Sei lebendig täglichs 4 Eimer Bierfaßl, Sei!? Geltens, 's Birl, und Ihnre kropfete Mierl die gehn Ihne holt ob hier in der Geisterwelt, drum sans so ernstli!? aber tröstes Ihne nur, vielleicht kummt Ihre Mierl a bold nochi, und do wird dann der liebe Herrgott glei barmherziger sein als er hietzt ist!" —

07. Spricht der Pathetikus: „Freunde! Lassen wir ab von diesem stinkenden Aase! denn eine Kuh mit einem bedreckten Schweife macht alles unrein, was sie umgiebt!" — Spricht die Heldin: „No, war doch a Schaond, wann Sei nit reiner warn als i, hobns Ihne ja doch durch ihr ganzes Leben mit anige tausend Eimer Bier ausgwosche und ausgschmapet gnua!? und das wird etwa doch wuhl etwas gaonz wos aonderes sein als 100 Generalbeichten bei olli Jesuiter!? Wann i so a bißl von an lieben Herrgott war, i wißt schon wie Sei selig z'mache warn! Schan's, i mochet die Donau zu lauter Linsinger Doppelbier und manchmal zu a bißl Gmischts; und do setzet i ihne dann grod durt hin, wo die Donau in's schwarze Mier rinnt, und die kropfete Mirl neben Sein, und da warn Sei dann der seligste Mensch!"

64. Kapitel. Der stolze Pathetikus wird von Robert zurechtgewiesen. Die gutherzige Heldin redet ihm vergebens zu.

01. Der Pathetikus verläßt nun die Heldin, und begiebt sich zum Blum hin, und zeigt ihm ehrerbietigst an, was für zotige Wesen hier in der Geisterwelt sein erhabenstes Haus verunreinigen! Er möchte solche Wesen doch irgendwo anders hinbescheiden!

02. Spricht Blum: „Mein schätzbarer Freund, das geht hier wohl durchaus nicht an! Sehen Sie, wir wollten auf der Erde ja nichts anderes erreichen, als die volle Gleichheit unter den Menschen, und ihre vollste Gleichberechtigung in jeder Hinsicht und Beziehung! was aber jedoch auf der Erde nicht zu erreichen war, bietet sich nun uns Allen im vollsten Maße dar; und das ist ein wahres Geschenk, von Seite des allerhöchsten Beherrscher aller Himmel und aller Welten! Wollen Sie nun unter der allerfreiesten Constitution, die uns hier Gott Selbst giebt, aber wahrhaft glücklich sein, so überschätzen Sie nie Ihren Menschenwerth, und denken Sie ja gewissenhaft, daß alle Menschen beiderlei Geschlechtes, die Sie hier sehen, den ganz gleichen Gott zu ihrem Schöpfer und Vater haben, so werden Sie diese Menschen dann wahrhaft lieben, und werden dafür wieder eine rechte Liebe finden, die hier allein das Glück Aller bewirkt, so werden Sie in der Folge nimmer, wie auf der Welt, zu Ehrenrichtern Ihre Zuflucht zu nehmen brauchen, um vor den Beleidigern gerechtfertigt zu werden; sondern Ihr eigenes Herz wird Ihnen die allerbeste und allergültigste Rechtfertigung in den Herzen Ihrer Brüder und Schwestern verschaffen! Uebrigens haben Sie sich darum gar nicht zu sorgen, ob mein Haus durch diese armen Wesen verunreinigt werde oder nicht; denn dafür ist schon gesorgt! Uebrigens muß ich Ihnen offen bekennen, daß mir jene mundgeläufige Heldin lieber ist als Sie; sie ist, wie sie ist, eine Wienerin, und hat dabei ein gutes Herz; Sie aber sind ein sogenannter K. K. pensionirter Bomben— und Kartätschen—Filosof, der sich noch hier per Sie tituliren läßt, ohne zu bedenken, daß wir hier Alle Brüder und Schwestern sind! — sagen Sie selbst, wer mir hier theurer sein solle, Sie oder jene Wienerin, in ihrer vollen Echtheit?!"

03. Der Pathetikus verneigt sich vor dem Blum, und spricht: „Wenn man hier eine solche Sprache gegen Ehrenmänner führt, da bitte ich, mir erlauben zu wollen, daß ich mich wieder hinaus in die Freie begeben darf; denn hier stinkt es vor Gemeinheit und Gesindl!"

04. Spricht Blum: „Mein Freund, in diesem Hause befindet sich nirgends ein Kerker, noch irgend eine Fessel, außer die der Liebe; wollen Sie sich diese nicht gefallen lassen, so können Sie eben so frei wieder hinausgehen, als Sie hereingekommen sind! — nur das muß ich Ihnen leider hinzu bemerken, daß es Ihnen dann ein wenig schwer werden dürfte, so Sie doch etwa wieder einen Appetit bekämen, herein in dieß Haus der Liebe gehen zu wollen! denn es könnte sehr leicht sein, daß Sie dieß Haus sobald aus dem Gesichte verlören, als sie den ersten Schritt in die äußere Freie thäten! Sie wissen nun, woran Sie sind, und was Sie rechtens zu thun haben; aber Sie sind frei, und können thun, was Sie wollen!"

05. Der Pathetikus stutzt nun, und weiß nicht, was er thun solle? — Aber unsere Heldin kommt schnell herzu, und spricht: „Gängens, gängens, und bleibns do, und sans nur neit gar so hopertaschi! schans, i bin scho lang wieder gaonz guat! Mi hat holt a a bißl verdrossen, daß Sei ehenter den lieben Herrgott goar alli Gnad und Barmherzigkeit hobn abspreche wölln, und do hob i Ihne holt so meine Manung gsogt, woar aber gaonz gutherzi dabei; aber Sei hätten mi gleich gfraßn vor Zorn, waons Ihne war mögli gwest! Nocher sans mi a no klagen gangen, und hätte mi gerne gstrafft gsehen; aber der Herr Blum is holt a bißerl gscheider als wir Zwa, und so habn's holt nix ausgricht, und verdrießt's Ihner hietzt! aber lassens die Verdrießlichkeit; sans wieder guat, und bleibns do; nocher wird scho alls wieder guat werdn. Wir san ja lauter fehlerhaftige Menschen, und mieße deßwegn holt mitanaond a bißl a Geduld hobn; wos war denn dos, waon mir als Geister hier a noch hopertaschi warn! Gängens nur wieder zu uns her; der alte Franz, der lang enker Stiffelputzer war, wird Ihne schun wieder den Kopf zurecht bringen. No, sans no harb auf mi?"

06. Spricht der Pathetikus: „Nein, böse gerade bin ich nicht auf dich; denn wahrlich, das würde mir zu keiner Ehre gereichen, auf dich böse zu sein, weil du gegen mich denn doch sozusagen nichts bist! aber in eure Mitte, wo die größte Gemeinheit herrscht, kann ich mich auch nicht mehr begeben; sondern ich werde mich hier im Kreise der Honoratioren aufhalten, und so gehe sie zurück!" — Spricht die Heldin: „Aber gebns Ocht, daß den Honoratioren neben Ihnen nit übel wird, Sei eingebildeter Tapschädl Sei; was glaubn's denn, was Sei etwa da san?! I bin wuhl a recht lustigs Weaner Madl; aber schleacht bin i grod neit. Waon i aber für Sei'n z'schlecht bin, da such's Ihne holt a Beßri aus! Dort stangetn glei a Poar Dutzend; gehns hin, und probirns holt ehner Glück! Dei werde Ihne schun soge, wie viel's etwa werth san!"

07. Die Heldin begiebt sich wieder in die Mitte der Ihrigen; der Pathetikus aber rümpft seine Nase, und macht, als so er auf die mundläufige Heldin gar nicht geachtet hätte.

65. Kapitel. Die Wiener und der ungemütliche Böhme. Die Heldin wendet sich an Jellinek. Dieser verweist sie an Jesus.

01. Als unsere Heldin wieder in der Mitte der Ihrigen sich befindet, d. h. Jener, mit denen sie früher ein etwas beißendes Zwiegespräch hielt, da sagt der schon bekannte Franz zu ihr: „No, du odrati luxemburger Achazibaum—Mierl, wie is dir denn gaonge mit den bratschultrigen Kolifonifeuerhelden?! No, hast iehme so recht eine gsogt af ächt weanerisch?" — Spricht die Heldin: „Na, verstanden wird er's wuhl hobn! Hietzt mant der Tolkentipl, daß er do a no a gnädiger Herr is! Na, den werdns do glei anondri Wurst broden! Ober gsagt hob is iehma! hätts eis nur ghört, wie iehms der Herr Blum eini gsogt hot, weil er mi verkloge is gaongen! eis hätts a narische Fraid ghobt! I wünsch kan Menschen was Schlechts, a diesem Tapschädl nit; aber weil er holt goar a so a hochmiethiger Dinger is überanant, do hob i a rechti Fraid, won iehma die guaten Herrn dort a wengerl die Flügel stutzen than; o dös gschiacht iehme schun recht!" — Spricht der Franz: „Na, Mierl, hietzt gfohlst mi schon wieder, und i bin schon wieder guat af di; ober dos sog i di a, wons mi wieder a mohl so angreifst, wie's ehnter ton host, da mogst schaun, wie's weiter kummen mogst! Ober hietzt is olles wieder guat; vesteast mi? Olles wieder guat!"

02. Spricht die Heldin: „No, no, mir san ja kani Böhmen, doß af a nond 7 Johr sölle harbig san; die Weaner, wons no so than, als wulltes anonder fressen; Wons sie sich ober don a Mohl umdrahn, do sans noche glei wieder die beste Freund! Aber mit d' Böhmen ist do a Kreuz; i hob a mohl so an Dolken harbig gmocht, i glaub, der hätt mi vor lauter Lieb nach drei Jahrln no zrissen, wo er mi wo griegen hätt kinnen!" — Spricht der Franz: „Mierl! i sog dir, red neit so laut! denn mon koan net wisse, wer an do olles zuhört; waß denn net, daß d' Böhmen die längste Finger, und d' längste Uhrwaschl hobn, deßhalb se auch imme d'besten Spitzl und Bollizeidiener warn?!"

03. Auf diese Worte des Franz erhebt sich sogleich eine kräftige, dickbackige männliche Gestalt, holt einen tiefen Odem, und spricht dann hauptsächlich zum Franz (Böhme): „Hörte mi Kedl flukte! Wer hot de Hurwaschl lunge, un wer hot de Finge lunge? A, sog du mi nu a muhl a su, noche wart mi! wer bin a Krist, obe wer di noche schunt zoge, wer hot de Hurwaschl lunge! A, host di mi verstonde, Kedl flukte!" — Spricht die Heldin: „O jegrl, o jegrl! Fraonz! hietzt schau mer, daß mer weiter kummen! Won ma in Wulfe nennt, so kummt er grennt! Da war scho grad Anner, wie ma sich sei Lebtag ka beßre winsche kunnt! No, won der zurni wurd, i glaub, der bringet an no in 100 Jährln um! Mir scheint, der hot schun mit olli Russen d' Bruderschaft trunke!" — Spricht der Böhme: „Holt de Kusche deine fladerwaschete! ole, i schlag de ani eine, do wist de kenug hobn! ole manst di, de Böhme sei Teibl!? Du bis de ani Hur satrazena, obe de Böhme sein kude Leut! Verstehs mi, du fladerwaschete krußkuschete!?" — Spricht die Heldin: „Hörts meine lieben Weaner, do is Aner! won mer nit do in so an ehrsamen Haus warn, der mießt mi hinaus gwutzelt werde, und won das 's Lebn meiner Mudr koste tät! ober do is nix zu moche! Gea mer do nur glai weg, sunst gib's Spektakl!"

04. Auf diese Worte begiebt sich die Heldin mit mehrern Wienern schnell, und zwar gerade zum Jellinek und zu Mir hin, und fängt sogleich mit dem J. folgendes Gespräch an, sagend: „No, no, Herr Dokter, hietzt hätt i Jehna bold nit kennt! grieß Jehna Gott! wia gehts Jehna, und wos moche denn Sei do?"

05. Spricht Jell.: „Schau, mir geht es sehr gut, viel besser, als je auf der Welt. Mein sehnlichster Wunsch aber ist es, daß es euch Allen bald ebenso gut gehen möchte, wie mir nun, so werdet ihr miteinander nicht mehr also hadern, wie bis jetzt! Ihr müsset das hier ganz ablegen, sonst kann's mit euch Allen wohl schwerlich besser werden! Lernet es von uns, wie man mit den Schwächen seiner Brüder Geduld haben kann, und haben muß, so werdet ihr euch gleich leichter verstehen, und das wird euch goldne Früchte tragen; aber wenn ihr euch untereinander stets so bekrittelt, beschimpfet, und mit Schlägen bedrohet, da wird noch lange nicht jene christlich—himmlische Liebe unter euch sich aufzuhalten anfangen, die allein die wahre Seligkeit aller Menschen und Geister bedingt.

06. Daher werdet vernünftiger nun! lasset ab von eurem dummen Hader, und werdet sanft in eurem Herzen, so wird euch auch leicht und bald zu helfen sein; aber so ihr stets also untereinander forthadern werdet, da werdet ihr noch lange leiden müssen; und so es euch auch geholfen wird, da wird aber die Hülfe dennoch eben so karg bemessen sein, als wie karg da ist eure gegenseitige Liebe und Freundschaft. Denket doch, daß wir vor Gott Alle gleich sind, und Niemand einen andern Vorzug hat, außer allein, wie er am meisten demüthig ist, und die stärkste Liebe zu Gott und allen seinen Brüdern in seinem Herzen berget, da werdet ihr euch gleich leichter verstehen! Hast du die Worte wohl verstanden?"

07. Spricht die Heldin: „O ja, verstaonde hätt ich's wuhl, wia's nur glai recht war; ober unser Weaner Göscheln! De kinnen holt nit still sein, wons wo a Lüftl kriega! da war holt a so a Wunderkur guat! wär dos denn nit migli dohie in Geisterreich? Wisse's, unsre Herze warn grod so schleacht net; aber holt 's Göschl, 's Göschl, das hot holt 'n Teixel gsechn!"

08. Spricht Jell.: „Nun, nun, wir werden es schon sehen, was sich da wird thun lassen; aber ein Bischen müsset ihr euch denn doch auch selbst bestreben, eure Zungen im Zaume zu halten, dann wird sich wohl so Manches thun lassen. — Bitte diesen Herrn neben mir da, Der vermag sehr viel; wenn Der euch hilft, so wird euch wahrhaft geholfen sein! Hast mich verstanden, du Heldin?"

09. Spricht die Heldin: „Sie, Herr Jellinek, soges mi, versteht der Herr do a unser Weanerisch? A guats Gsichtl hot er wuhl, und goar so gmüthli sahet er aus! Den trauet i mi schun anz'redn; ober wann er nur Weanerisch verstehat?" —

10. Spricht Jell.: „O, und das wie, Der versteht und spricht ja alle erdenklichen Sprachen. Ja, ich sage es dir, daß Er sogar die Sprache des Herzens ganz genau versteht, und sozusagen von der Nase herabliest, was sich nur immer Jemand noch so geheim denken möchte! Versuch's nur einmal, und du wirst dich gleich überzeugen, daß ich recht habe!"

11. Spricht, die Heldin: „Ei der Tausend, was sogn Sö mir da! Wann Der dös kaon, da muß Er fast mit unsern liebe Herrgott a bißl verwaondt sein? 'S wird ober a a spaßigs Redn werdn, waon Der schun ehenter olles waß, wos mi iehma soge miecht! Aber aongeahn thu i jähn a Mol, und do möcht er schun soge, wos er nur glai immer wullt! Aber nur dos sogns mi no, wia er haaßt, nocher brauch i nix mehr?"

12. Spricht Jell.: „Ja, meine liebe Freundin, da klopfst du bei mir gerade auf dem Flecke an, unter dem es auch bei mir so ziemlich hohl ist! Ich ahne und vermuthe es, daß Er ein gar großer und mächtiger Engelsgeist Gottes ist, und ist zu uns gesandt, um uns zu belehren, und den rechten Weg zu Gott zu zeigen; das ist aber auch Alles, was ich dir sagen kann; wie Er aber so ganz eigentlich heißt, und welche hohe Stellung Er vor Gott bekleidet, das weiß ich eben so wenig als du! Aber das ist gewiß, daß Er hier ganz allein wahrhaft helfen kann, weil Er dazu die hinreichende Macht besitzt." —

13. Spricht die Heldin: „Aha, aha, hietzt geht mir schun so a Lichtl uf! Wissens Sei, Herr Jellinek, i man, das wird leicht wuhl goar so an Apostl san?! Vielleicht goar der Petrus oder der Paulus? He, was maanens denn Sei do, hob i recht oder nit?"

14. Spricht Jell.: „Meine Liebe! das kann alles gar leicht sein, wende dich daher nur schnurgerade zu Ihm hin, und du wirst es bald wissen, wie du mit Ihm daran bist. Nur ein wenig zu selbständig spricht Er mir für einen Petrus oder Paulus! und ich vermuthe daher, daß Er noch etwas Bedeutenderes sein müsse. Vielleicht so eine Art Erzengel!? Aber rede du nur selbst mit Ihm, da wirst du am ersten in's Klare kommen!"

66. Kapitel. Die Heldin wendet sich um Hilfe für sie und alle an den ihr unbekannten Jesus. Sein Rat: Bekenne offen, was dir fehlt! — Die Geschichte einer Gefallenen.

01. Auf diese Belehrung von Seite des Jell. schaut Mich die Heldin eine Weile an, geht darauf näher zu Mir hin, da Ich Mich während ihrer Unterredung mit dem Jell. ein wenig zurückgezogen habe, und spricht zu Mir: „Verzeihns mir, Sei mein allerbester Herr, waon i Aehne hietzt mit aner Bitt lästig falle thu! — schan Sei, der Herr Jellinek hat mich an Sei angewiesen, und hot mi gsogt, daß Sei holt goar so allmächti warn, und kunnte an holt überoll helfen, wo's an nur glai immi fahlen miecht. Schan Sei, bester, liebeswürdigster Herr! mir fahlet's holt so hübst tüchti! und do gab's denn holt a hübsch viel z'helfe! San 'S so guat, und helfens mie, und uns Weanern elle, waons Jähna nur glai miegli ist! Schans, mie san af der Welt holt aufg'wachse wie's liebi Vieh, und san so a ols Viechar doher kummen, und san kraonk hietzt do überall, wo's nur glai hinschaun miege, und dumm san mer a no dazu, wia a 30jähriger Riligionskriag! San's so guat, und machn 'S uns a bißl gsund, und a bißl gscheider, wie mir sunst san, und mir oli werde uns daon schun beßr aufführe, ols wia bis hietzt!"

02. RedeIch: „Ja, ja, helfen kann Ich euch wohl, und dir am ersten; aber du mußt Mir zuvor so ganz offen bekennen und gestehen, was dir nun so ganz besonders fehlt? Bist du krank, da mußt du Mir sagen, wo, wie und wodurch du dir die Krankheit zugezogen hast; und da du dich für dumm zu sein glaubst, da mußt du Mir denn auch recht getreu angeben, was dir an dir selbst so ganz eigentlich dumm vorkommt? Und Ich werde dann schon sehen, wie es dir, und auch deinen Landsleuten zu helfen sein wird! Denke nun nur so recht gewissenhaft über alle deine Zustände nach, und sage Mir's dann, wie du dich gefunden hast! — das andere werde dann natürlich schon Ich machen!"

03. Spr. die Heldin: „O jegrl, o jegrl! — da wird's bei mir an gewoltige Fode hob'n! — Sei warn ja no über an Ligerianer, waon i Jehna dos olles soge sull! Schans, i war a mol ban an sulchtenen beichten; na, höre Sei, um was mi der a olles ausg'frogt und ausg'fratschlt hot, da hobe Sei goar kan Begriff! — Na, an irgsti Stobskanallie mißt da af die Zeahn blitzschaondroth werd'n. Und schans, waon i Jähna holt hietzt do olles sog'n miaßt, wos i mei Lebtag olles thon hob! — o jegrl, na! — da möchte Sei Auge moche, als waon Sei so a rechts Golgebradl vor Jähne hätten! Wann net so viel Leut da wärn, do geangets no, aber vor so viel Leut mießt ie mi jo grod die Auge ausschaomen! Wos manens denn? Höre Sei, dos war so a Spaßl! — Kinnen denn Sei nit so erkennen, wos mir fehlt? — San S' so guat, und probirn's mit mir holt Seiner Glück, vielleicht geats do ohne Schaond ober?"

04. Rede Ich: „Aber hör du, Meine Liebe, wie kam es denn, daß du dich damals nicht geschämet hast, so du sündigtest? du warst ja bei deinen sündigenden Gelegenheiten auch zumeist in Gesellschaften, und schämtest dich wenig, so dich in nächtlichen Stunden ein Dutzend Jünglinge in Gesellschaft, vor denen du dich ganz entkleidet aufstelltest, und allerlei wollüstige Gesten machtest, angafften, betasteten, und dann — gewöhnlich noch was thaten; wie solltest du denn gerade jetzt gar so schamhaftig sein?! Schau, Ich weiß es, daß du einmal, als du etwas tief in's Gläschen geschauet, so ungeheuer die sogenannte „Sauglocke" hast zu läuten angefangen, daß es dabei sogar den ausgelassenst sinnlichen Hurenhelden vor dir zu ekeln anfing! Sage Mir, wo war denn damals deine Schamhaftigkeit?! Und so weiß ich noch eine Menge noch ärgerer Saufstückel von dir, die du wie eine wahre Heldin ohne der allergeringsten Schamhaftigkeit vollbracht hast, und so wird es dich auch hier, meine Ich, gar nicht zu sehr deine Keuschheitsehre angreifen, so du Mir es offenherzig sagst, wo es dir fehlt, und wie du zu solch deinem Fehlthum, Noth und Elend gekommen bist!?"

05. Spr. die Heldin etwas verdutzt: „No, Sei warn mir a der Rechte, wo man die Aondern damit faongt! — Gespührns wos!? — Sei kunnt'nan ins G'schra bringen, daß mi sei Lebtag gnua dron hät! — Schans, wons nit goar so guatmiti aussahten, i kinnt mei Seel harbi af Sei'ner werdn; ober weil i aus Sei'nern guaten Gsichtl erkennen thu, daß Sei mir's net schleacht manen, so will i mir glai wuhl nix draus moche! Aufrichti gsogt, schinire thu i mi eigentli nuar vor Sei'ner; wos do dieses Weaner Gfraß anbetrifft, do mohet i mi grod nit zviel draus! Waons mir aber derlaben a wengerl stater z'reden, da kinnt i Jehna schun a so monche Stückl zum besten gebn?!"

06. Sage Ich: „Das kannst du schon thun; aber nur nichts verheimlichen, verstehst du, — nur nichts verheimlichen!"

07. Spr. die Heldin, sich zuvor ein wenig räuspernd: „No, in Gottesnam, wons denn schon san muß, so höre Sei mi holt guatmiti an! Schans, mit 14 Jahrln hob i grod am Pfingstmonti meine Jungferschaft einbießt, und waon i mi net irre, so wars a gewisser Pratenhuber—Toni; dos woar Jähne holt schun a gaonz sakrisch sauberer Bua! und weil er mir holt goar so zugred und zugsetzt hot, do hob i holt gmant: Na ewi konst so ka Jungfer bleibn, und a mol muaßt do probirn, wie dös is? und so hob i ehn holt feschweg drübr lassn! — und weils mir holt do goar so guat gschmeckt hod und iähma a, so hamers nocher holt öfter probirt; und i wär nit goar so schleacht wurde, waon ich nur a mol hät kinne schwangr wern; aber do hob i schun than kinnen, wos i nur glai gwölt hon, so is holt denno nix draus wurde! Und schan S', do hot nocher der Toni mi heurote sulln, und weil er holt gemant hod, daß i unfruchtbar wär, so hot mi der Hauptschnipfer nocher sitze lossn, und hod iähma an aondri genuhma! und i wor holt do gaonz deschperadig, und hob mi denkt: Hiatzt is schon olls ans, um a Paar Dutzend Liebhaber uf oder o! die Höll is dir so gewiß, waons ani giebt; und do hob i holt recht fidel z'lebe aonfange, wos nur s' Zeig gholte hat! Vodern (Vater) hon i ehrnder nie an gsegn, und mei Mueder, Gott tröst sie, woar holt selbr nix bessr wie i! Und schans, bei so an Lebeswaondl bin i holt a öfter aongsteckt wurde, und Aondri nocher a von mir; und do hot mir nocher wuhl so a homipathischer Doktor ghulfe; no — daß er nocher mit mir a kan Rosenkranz beat hat, dos werdes Jahna wuhl denke kinnen, waons wos gschpühre!"

08. Wie nocher aber die Gschichten in Wean ausbroche san, do wor holt mei Hr. Doktor a dabei, und hod überoll fleißi ghulfe Revolution moche; und weil i holt goar a so a guraschirts Madl wor, so hob i mi holt a zum Revolutionmoche brauche lossen! und hob do a mein Tod gfunde. Und hiatzt bin holt do als an oarmi Seel, und muaß holt dfür leide, weil i af dr Welt zlusti war! — und hiatzt hob is Jähna auch olles gsogt, wos i gwißt hob, und Sei wissn's hiatzt a, wias mit mi dron san, und wiassn a, wos mir fehlt, und wie i dazu kummen bin, und so bitt i Sei'ner holt um Himmels Jesu willn waons mir helfen kinnen, so helfe S' mir!"

09. RedeIch: „No, Ich bin zufrieden mit deiner Offenherzigkeit, und Ich werde nun auch schauen, ob, und wie es dir zu helfen sein dürfte; zugleich aber muß Ich dir auch eben so offen entgegen bekennen, wie du mir deine Hauptsünden ganz offen bekennet hast, daß dich nur dein gutes Herz und deine dir unmöglich zu Schulden kommen könnende schlechte Erziehung von der Hölle retten; hättest du entweder ein nur etwas schlechteres Herz, oder wärest du in deiner Erziehung nur etwas weniger vernachlässigt worden, als es bei dir der Fall war, so würdest du offenbar in der Hölle dich befinden, und dort leiden die entsetzlichste Qual! Denn siehe, es steht geschrieben: „Hurer und Ehebrecher werden in das Himmelreich nicht eingehen!" Aber, Ich will aus oben angeführten Gründen mit dir die Sache nicht gar so genau nehmen, und werde sehen, wie es dir zu helfen sein wird! — Sage Mir aber zuvor, was du von Jesu, dem Heilande, hältst?"

10. Spr. Sie: „O, den hob i z'todt gern! denn der hot jo die Ehbrecherin gerettet, und hot die Magdalena a nit verstoße, won se a no a so groaße Sünderin woar, und vor der Samaritanerin hod er grod a kan Grausen kriegt! und do maan i holt, woan Er mi sähet, und i Jähna reacht schön bitte that, daß Er mi grod a net glai umbringen thät!?"

11. Sage Ich: „Nun gut. Meine Liebe; Ich werde heimlich mit Ihm reden; denn Er ist nicht weit von hier; vielleicht macht Ers mit dir auch wie mit der Magdalena!? — Und so warte nur ein wenig hier — aber ganz ruhig!"

67. Kapitel. Wichtige Anmerkung Jesu über den Zweck dieser zum Teil ärgerlich erscheinenden Kundgabe.

01. Notabene. Daß diese Szene hier ganz so wörtlich wiedergegeben wird, als wie sie in der Geisterwelt in der Wirklichkeit vor sich geht, und auch unmöglich anders vor sich gehen kann, als wie da Sitte, Sprache, Leidenschaften, und die verschiedenen Grade der Bildung bei einem und demselben Volke es nothwendig mit sich bringen, geschieht deßhalb, um dem gläubigen Leser und Bekenner dieser Veroffenbarung einen desto anschaulicheren Beweis zu geben, daß der Mensch nach der Ablegung des Leibes ganz so Mensch ist, mit Haut und Haaren, mit seiner Sprache, mit seinen Ansichten, Gewohnheiten, Sitten, Gebräuchen, Neigungen, Leidenschaften, und daraus hervorgehenden Handlungen, wie er es auf der Welt bei seinem Leibesleben war, d. h. so lange er nicht die völlige Wiedergeburt des Geistes erlangt hatte.

02. Deßhalb heißt denn auch ein solcher erster Zustand sogleich nach dem Uebertritte „die naturmäßige Geistigkeit;" während ein vollends wiedergeborener Geist sich im Zustande der reinen Geistigkeit befindet.

03. Den Unterschied zwischen dem Leben dieser Welt, und zwischen dem Leben in der Geisterwelt bei naturmäßigen Geistern, so sie mehr einfacher Art sind, macht blos die zweckmäßige Erscheinung der Oertlichkeit aus, die stets mehr oder weniger ein Aushängeschild ist von dem, wie die Geister zum größten Theile innerlich beschaffen sind. Aber wie gesagt, diese die hier vernachlässigte Wiedergeburt des Geistes in der Geisterwelt sehr begünstigende Erscheinlichkeit kommt zumeist nur jenen armen Geistern zu gute, die auf der Welt in einer wahren natürlichen und geistigen Armuth ihr Leben zugebracht haben; aber Geister von reichen Besitzern von allerlei irdischen Gütern, an denen ihr Herz wie ein Polyp am Meeresgründe geklebet ist, die finden alles wieder, was sie hier verlassen haben, und können dort mehrere hundert Jahre nach irdischer Rechnung in solch einem grob naturmäßigen Zustande verharren, und werden aus demselben nicht eher gehoben, als bis sie selbst Bedürfnisse nach was Höherem und Vollkommnern in sich zu verspüren anfangen!

04. Nun wisset ihr, warum diese wichtige Szene also wörtlich und umständlich veroffenbaret wird, und so wollen wir denn wieder zu der Szene selbst übergehen! — denn unsere Heldin wird schon unruhig, und erwartet schon mit der größten Sehnsucht den Bescheid, den Ich ihr von Jesu Christo wieder zu geben verheißen habe! — Ihr müßet aber auch noch dabei diesen wichtigen Umstand berücksichtigen, daß sich diese sehr bedeutungsvolle Szene gerade jetzt in der Geisterwelt zuträgt, und sonach einen großen Einfluß auf die Begebnisse dieser irdischen Zeit ausübet!" [genau 40 Jahre vor der jetzigen Drucklegung, Ende März 1898, d. Ed.] Aus allen diesen noch so trivial klingenden Gesprächen könnet ihr bei einiger Verstandesschärfe die ganze Lage und Bewegung der Dinge, wie sie nun auf der Erde statt haben, gar leicht erkennen, und eben so auch die Folgen dieser Bewegungen, die besonders aus dem spätern Verlaufe dieser bedeutungsvollen Szene recht hell und klar hervorgehen werden; aber — stoßen dürfet ihr euch an nichts; denn es muß hier alles so kommen, wie es kommt. — Und nun wieder zur Szene.

68. Kapitel. Die sehnsüchtig harrende Heldin. Der hochmütige Pathetikus wird von Jesus zurechtgewiesen. Liebeswunder an der Heldin Helena.

01. Die Heldin, nun schon ganz ungeduldig, geht etwas schüchtern näher zu Mir hin, und fragt Mich „ob Ich schon etwa so ganz geheim durch gewisse Zeichen mit Jesu dem Herrn ihretwegen gesprochen habe?"

02. Der Patheticus, der nun aus der Gesellschaft mehrere seines Gelichters gefunden hat, ist schon sehr ärgerlich darüber, daß diese elende Lerchenfelderin — nach seiner Meinung — so effront (frech) ist, und Mich als einen Honoratior dieses Hauses so sehr belästige! er geht daher auch mit noch Einigen auf sie zu, und spricht: „No — Sie lercherfelder Pagasche! — wie lange wird es Ihr denn noch belieben, diesem allerrespektabelsten Herrn dieses Hauses mit Ihrem Hundegebelle zur Last zu fallen?! Hat Sie denn gar keine Lebensart?!"

03. Spr. die Heldin: „Nooooo und! Sei bratschultriger Tapschädl Sei! — Geacht Sener dos eper wos aon?! Schans, daß weiter kummen. Sei naturwidrigs Fleischfutrohl von olle odelichen weaner Drecksäu! sist sog is Sener, wia's af echt deitsch hasen than! — Do schau der Mensch so an zopf'gen Gollpitzl—Fabrikanten aon! — Hiatzt is Jähna goar nit recht, daß unser ans mit an sulchenen Herrn redt! Wos glabes a, wer Sei san! glabens denn, weil's a mohl auf dr Welt als pansenirter Frierschitz an kaiserliche Sabl trogen han, doß Sei deshalb a do, in dieser Welt beßer san, als unser ans! — o Sei tamischer Tapschädl Sei! do wird mas Ener glai an Extra—Wurst brode! is wuhl guat, daß Christus der Herr net do bei uns is; denn Der miaßt ja a narschi Freid habe, waon Er so an grobe Limmel vorn Ahm sähet, wie do Sei aner san! — Hiatzt schans aber nur, daß Sei mit senra Krokodilaugen und Bockfieß weiter kummen than, sist gschieht Jähne wos aonders!"

04. Wendet sich darauf der Pathetikus zu Mir, und spricht: „Aber lieber bester Freund, ich bitte Sie um Gotteswillen — dieser Kreatur zu untersagen, fürderhin so ein loses Maul gegen Männer von Ehre und Reputation zu haben! — denn sie stellt einen ja her, als wenn man der allergemeinste Schuhflicker wäre! Es ist wohl wahr, daß wir hier in der Geisterwelt sind, wo der Standesunterschied auf ewig aufzuhören hat; aber der Unterschied der Intelligenz und der feinem Bildung kann so lange nicht aufhören, als bis diese auf Erden vernachlässigten und verwahrlosten menschlichen Potenzen nicht jenen Grad von Bildung und Humanität werden erreicht haben, durch den allein sie einer bessern Gesellschaft angenehm und interessant werden können! Ich bitte Sie, lieber Freund, bedeuten Sie das doch dieser weiblichen echten Lerchenfelder Kreatur!"

05. Rede Ich: „Mein lieber Freund, es thut Mir leid, hier Ihrem Verlangen auf gar keinen Fall Gewähr leisten zu können, und zwar aus dem alten Grunde, dem zufolge vor Gott alles ein Gräuel ist, was die sogenannte bessere Welt groß, glänzend, erhaben und schön nennt und preiset! Denn Gott bleibt Sich stets gleich, und hat nie ein Wohlgefallen an solchen Ehrenmännern, die den Menschenwerth nur nach der Anzahl der Adelsahnen, oder nach der Amtswürde, oder nach der Vielheit des Geldes bestimmen, alles Andere aber, was nicht adelig, nicht beamtet, und nicht reich ist, als Kanaille bezeichnen. Aber alles, was vor der Welt klein, gering und oft sehr verachtet ist, das steht wieder bei Gott in großen Ehren! Und so muß Ich Ihnen hier auch ganz offen bekennen, daß Mir, als einem allerintimsten Freunde Gottes, diese von euch sehr verachtete Lerchenfelderin gerade um eine volle Million mal lieber ist, als Ihr, meine hochadeligen Freunde, d. h. wenn Ich so frei sein darf, euch als Meine Freunde zu titulieren! — Ihr habt aber dieser Armen nun sehr genützt; denn von nun an will Ich sie erst recht fest an Mich ziehen, um ihr eine Bildung zu geben, vor der die Engel selbst einen Respekt bekommen sollen; sie wird bald sehr hoch Oben stehen, und eine Zierde dieses Hauses sein! — wo ihr Ehrenmänner aber euch in der Kürze befinden dürftet, das wird die leidige Folge zeigen! Ich ersuche euch aber, eures eignen Heiles willen, diese Arme ja nicht mehr zu belästigen, denn sie gehört nun ganz Mir an! — (Mich zur Heldin wendend): Und du meine liebe „Magdalena," bist du damit zufrieden?!"

06. Spr. Sie: „O Jeises ja, und ob! Sei sa mir a um 1000 Millionen mol lieber, als diese hochmiethige Dinger do, de an armen Mensche grod als a Vieh betrachten! i bin nit harbig af sö; abr gifta koan mi dos denn do wuhl, wons aan goar so pagatelmäßi behaondle than. Unser Herrgott verzeih ehne, denn de wisse wuhl a nit, was sö than!?"

07. Spr. der Pathetikus: „No, schon gut, schon gut, — hört ihr meine Kameraden, wenns in der Welt der Geister überall so fade zugeht als dahier, da ist diese Welt eine saubere Bescheerung für die sauern Vorbereitungen auf der Erde, zu eben diesem viel gerühmten Leben der Seele nach dem Tode des Leibes! Auf der Erde hat der gebildete Ehrenmann sich doch durch seine Stellung, durch sein Staatsamt, und durch seine Wohlhabenheit vor den Angriffen solch gemeinsten Geschmeißes verwahren können; hier aber wächst einem dieses Lumpengepack ganz keck über's Haupt, und man wird sich am Ende etwa gar noch müssen eine Gnade daraus machen, daß Unsereinen so eine pausbackige Dirne anschauete! Zum größten Ueberflusse aller sozialen Fadheiten muß dieser sonst recht ehrenwerth aussehende Mann sich auch noch für diese faule Pomeranze von einer Lerchenfelderin intressiren, und sie uns zum Trotze gerade und linea recta bis zum Himmel erheben! das ging uns hier gerade aber auch noch ab, zur vollen Verzweiflung! Der sagte, daß er ein allerintimster Freund Gottes sei! Nach dieser seiner Neigung zu der pausbackigen, vollbrustigen und p'hombös und ominös dicksteußigen Lerchenfelderin zu urtheilen, muß die ihm so sehr befreundete Gottheit ein wahres Superlativ aller Gemeinheit und der allergroßartigsten Fadheit sein! Diese faule Dirne stinkt vor Unzucht, und er will sie bilden, und sie zur Zierde dieses Hauses erheben! Hört — das wird eine schöne Zierde werden! Hahaha, oder was!?"

08. Spricht die Heldin zu Mir: „Ober — hörns, hörns, wie der schimpfe thuat! Na, den sulln S' do wos sage, so ober, daß ers verstanet!"

09. Sage Ich: „Mache dir nichts draus, sie sollen nur schimpfen, wie es ihnen freut; es wird aber dann schon kommen, wo es sich zeigen wird, wie viele Interessen ihnen ihr hochmüthiges Schimpfen tragen wird! Auf daß aber ihr Hochmuth noch mehr Steine zum anstoßen an uns Zweien finden solle, so mußt du von nun an als Meine Geliebte Mich per Du anreden, und mußt zugleich auch versuchen recht fein deutsch zu reden; wenn diese das hören werden, da wirst du erst sehen, wie ihnen der Hochmutspitzel steigen wird! Versuchs einmal, ob du nicht zugleich ganz rein deutsch zu reden im Stande sein solltest!"

10. Die Heldin merkt in sich eine Veränderung, und ein großes Wohlgefühl durchströmt ihr ganzes Wesen, was auch auf ihre Gestalt einen sehr günstigen Eindruck macht; ganz selig erstaunt über solch eine plötzliche Veränderung ihres Wesens, an und in dem sich auch nicht ein leisester Schmerz irgend mehr verspüren läßt, blickt sie Mich voll Freuden an, und spricht: „O, Du hoher Freund aus den Himmeln, wie wohl wird mir nun an Deiner Seite! Alles Rohe fiel wie ein Schuppenpanzer von mir; mein grobes Denken und meine grobe Sprache haben sich verwandelt wie eine ehmal ekliche Raupe in einen herrlichsten Falter, und alle meine Schmerzen schwanden wie der Schnee vor der Gluth der Sonne; o wie wohl ist mir nun, und Wem danke ich das? — O, Dir, Dir! Du großer heiliger Freund des Allerhöchsten!

11. Aber, da Du mir ärmsten Sünderin eine so unendlich große Gnade erwiesen hast, deren ich wohl ewig nie nur im allergeringsten Maße werde werth werden können, o — sage mir nun aber auch, was ich thun solle, und wie mich benehmen, um Dir nur einiger Maßen meine gebührendste Dankbarkeit an den Tag legen zu können!"

12. Rede Ich: „O du Meine geliebteste Helena (d. i. der himmlische Name) wir Beide sind schon quitt miteinander; du gefällst Mir nun ganz ausgezeichnet gut, und hast ein Herz, das Mich gar sehr liebt, wie das Meinige dich; und — was braucht es da noch mehr?! — Reiche Mir nun auch deine Hand, zum Pfande deiner Liebe zu Mir, und gebe Mr einen so recht brennheißen Kuß auf Meine Stirne; für alles Uebrige werde schon Ich sorgen."

13. Die Helena, solches von Mir vernehmend, wird nahe ganz glühend vor Liebe, reicht Mir sogleich die Hand, und giebt Mir auch den verlangten Kuß auf die Stirne, mit einer kaum zu beschreibenden Liebeinnigkeit!

14. Diese Szene lockt dem Blum, dem M. B. und vorzüglich dem J. Thränen aus den Augen, und die Helena sieht — bald nach dem Kusse auf Meine Stirne — wie eine Verklärte aus, und wird in ihrer Gestalt so edel und schön, als wie ein schon himmlisches Wesen, bis auf ihre Kleidung, die aber dennoch nun sehr gereinigt und nett aussieht. — Blum aber kommt sogleich herzu, und fragt Mich, ob er für diese schöne Blume auch neue Kleider holen solle? — Ich sage ihm: „Nach einer kurzen Weile, so Ich es verlangen werde."

69. Kapitel. Der Pathetikus und seine Freunde über diese wunderbare Veränderung der Helena. Vom Unterschied zwischen Traum— und wirklichen Leben. Olafs Gleichnis von der Brautwerbung. Das irdische Schicksal des Pathetikus.

01. Es bemerkt aber diese Metamorphose auch unser Pathetikus und seine Gesellschaft, und Einer aus der Gesellschaft sagt zum Pathetikus: „Du, Freund, merkest du nichts? jene Lerchenfelderin, ein ehemaliger Schmeerkübel voll Unzucht, Ruß und Dreck von halb Wien, wird nun ganz verklärt! Es ist nun eine Passion, das neckische Dingerl anzuschaun! — solle denn etwa doch jener unbekannte Freund Blums so eine Art von einem echt egyptischen Magier sein?!" —

02. Spricht der Pathetikus: „Ja, ja, ich merke wohl auch so etwas Aehnliches; aber weißt du, das Menschl ist auch sonst nicht übel, und wann so ein Menschl recht verliebt ist, und ihr die Liebe die Wangen zu röthen anfängt und den Busen anschwellen macht, so ist dann so ein Figurl gleich ganz nett aussehend beisammen. O, da hab' ich dir auf der Erde gar nicht selten Menscheln gesehen, die in ihrer gewöhnlichen schmutzigen Hausverfassung, man könnte sagen, grauslich ausgesehen haben; wann sie aber Sonntags mit ihrem Liebhaber zum Sperl hinausgewandelt sind, ja — da waren sie gar nicht mehr zu kennen! Ich habe ja selbst einmal ein recht verliebtes Ding von einer Küchenfee im Dienste gehabt! Unter der Woche sah sie dir manchmal ja doch so schmafumäßig aus, daß es einem, der sie ansah, offenbar ekeln mußte; voll Fett, schwarz und geschmiert wie eine Oelgötze stand sie dir in der Küche am Herde! — Aber wenn der liebe Sonntag kam, und sie am Nachmittage ihre Ausgehezeit hatte, so hättest du sie dann sehen sollen! Ich sage es dir, wie eine Zirkassierin sah sie dir aus! Und mit diesem Menschl wird's hier der gleiche Fall sein; das ist blos die Liebe, die hier wie auf der Erde gar nicht selten solche wunderähnliche Verschönerungen des weiblichen Geschlechtes hervorbringt; nehme du ihr die Liebe, da wird sie gleich mit einem ganz andern Gesichte dastehen!"

03. Spricht der Andere: „Weißt, du hast wohl in einer Hinsicht recht; aber hier scheint sich die Sache aber dennoch ganz anders zu verhalten. Denn fürs Erste ist dies Wesen wirklich auf einmal zu schön geworden, und für's Zweite spricht es nun auch ein ganz reinstes und edelstes Deutsch, und es ist keine Spur von einem Wiener Dialekte an selbem zu entdecken! Ich sage dir, das bewirkt so eine ganz gewöhnliche Liebe nicht! Da muß etwas Höheres, für uns rein Unbegreifliches mit im Spiele sein; betrachte nur einmal recht den unendlich zarten Teint, die Weichheit ihrer Arme und ihres Nackens, das schönste Blond ihres Haars, die höchst intressante Form ihres Gesichtes, die echt himmlische Röthung ihrer Wangen, und was für ein wunderherrliches Füßchen unter ihrem Kleide hervorlugt, und, was wahr ist, ist wahr; du wirst mir in jedem Falle recht geben müssen! — Ex trunco non fit Mercurius!"

04. Der Pathetikus fängt hier ganz ernstlich zu stutzen an, da er die Bemerkung seines Freundes ganz wohl begründet findet. Aber ein Dritter in der Gesellschaft erhebt sich und spricht: „Liebe, werthe Freunde, ich muß euch da schon aus einem Traume helfen! Ihr Beide fasset diese Sache ganz irrig auf! — Sehet, diese Metamorfose hat in meinen Augen einen ganz natürlichen Grund, und zwar den: Wir Alle sind nun in der reinen Geisterwelt; unser Leben ist nichts als ein vollkommener Traum, und was wir nun sehen, ist ein Spiel unserer Fantasie, an der nichts echt und wahr ist, als sie selbst, als das, was sie ist, nehmlich eine vane (eitle) Fantasie. — Dieser Fantasie beliebt es nun, uns allerlei Spektakeln vorzumachen, die sich unsern seelischen Traumsinnen wie objektive Wirklichkeiten darstellen, an denen aber natürlich ebenso wenig gelegen ist, als an den Bildern, die wir auf Erden mittelst einer sogenannten Zauberlaterne zuwege gebracht haben! — Schauet und sehet; also verhält sich diese Sache hier! — Begreifet ihr das?!"

05. Spricht der Erstere der Gesellschaft: „Freund, mit dieser deiner Erklärung hat es hier einen ganz offenbaren Faden; denn sieh, wenn das Alles nur so eine Art Traum wäre, da müßte ja deine so eben an uns erfolgte Erklärung auch ein Traum sein, auf den man dann auch eben so wenig halten könnte, als auf alle übrigen Erscheinungen, die sich hier vor unsern Augen als ganz zusammenhängend entfalten?! oder könntest du wohl nur mit einiger Konsequenz behaupten, daß deine an uns gerichtete Belehrung von deiner Ansicht eine Ausnahme mache? Ich habe doch auf Erden sehr oft und sehr lebhaft geträumt; aber welch ein Unterschied zwischen einem Traume und zwischen dieser nur zu einleuchtend hellsten Wirklichkeit!

06. In meinen Träumen verhielt ich mich stets vollkommen passiv, und hier bin ich meinem ganzen klarsten Bewußtsein nach vollkommen aktiv! Im Traume hatte ich nie eine Rückerinnerung, und wenn mir schon so etwas vorkam, als wäre es eine Art Rückerinnerung, so war sie aber dennoch so dumpf und unvollständig, als sich nur etwas Unvollständiges in derart denken läßt; hier aber ist eben die Rückerinnerung von einer solchen Klarheit, daß mir sogar die allerunbedeutendsten Erscheinungen meines irdischen Lebenswandels wie vollendetste Bildet einer camera lucida von A bis Z vorschweben! Sage Freund, kann man das einen Traum nennen?!

07. Im Traume empfand ich nie vollkommen einen Schmerz, oder einen Hunger und Durst, und die Gestalten der mir im Traume vorkommenden Wesen waren stets sehr unstät, flüchtig und wandelbar, und verdrängten sich in sehr schneller Reihenfolge sogestaltig, daß von den Vorhergehenden gewöhnlich nichts mehr vorhanden war, so die Nachfolgenden in die Reihe der Erscheinlichkeit traten, und von irgend einer logischen Ordnung zwischen dem Vorhergehenden und Nachfolgenden war natürlich nie eine leiseste Spur zu entdecken; hier hingegen geht, wennschon das Gepräge des Wunderbaren unläugbar an sich tragend, aber alles in einer solchen logischen Konsequenz seinen bestimmtesten Weg vor sich hin, daß man sich darüber nicht genug verwundern kann, besonders, wenn man mir gleich, so einen stillen Beobachter macht.

08. Welche weise Logik durchweht jede Rede, die entweder der Blum oder seine Freunde an jemanden richten; wie konstant und architektonisch richtig ist dieser Saal erbauet, und wie sieht hier Alles gar so bedeutungsreich aus!

09. Und, Freund, das alles solle ein Traum sein?! Nein, nein, Freunde, das ist kein Traum, keine Fantasie; sondern das ist eine große heilige Wirklichkeit! Und wir thun sehr wohl, so wir alle diese Erscheinungen mehr zu würdigen anfangen, als wir es bis jetzt thaten; und so kommt mir nun die merkwürdige Verschönerung unserer Lerchenfelderin auch ganz bedeutungsvoller als ehedem vor, wo sie noch nicht so grell ersichtlich war! — Was meinet ihr nun von dieser meiner Ansicht und Beurtheilung dieser Sache?!"

10. Spricht der Pathetikus: „Ja, ja, Freund, du hast recht, ich pflichte dir vollkommen bei; aber das kann ich wahrlich nicht begreifen, wie man hier denn auch leidenschaftlich für oder wider etwas eingenommen sein kann?! Siehe, mich ärgert es noch, wie mich ehedem eben diese nun wahrlich und unbegreiflich schön gewordene Lerchenfelderin gar so lausbubenmäßig hergestellt hat; und als ich dann bei eben diesem ihrem Freunde und Geliebten Schutz und Rechtfertigung suchte, so erhielt ich dann auch von Ihm, was ich sicher nicht suchte! kurz, ich ward bis in die innerste Fiber meines Lebens gekränkt und beleidigt, was man, als ein Mann von allzeitiger unbescholtener Ehre, denn doch nicht so mir und dir nichts gleichgültig annehmen kann! Und siehe, eben das, daß man auch hier im Reiche der Geister, im Reiche der höchsten Ordnung und Konsequenz gekränkt und beleidigt, ja sogar ordentlich erzürnt werden kann, das ist mir ein Räthsel!? Erkläre mir's, wie das möglich ist, und ich will mich dann ganz vollkommen deiner Ansicht anschließen!"

11. Spricht der Angeredete (Max Olaf): „Mein Freund, diese Sache ist ja ganz einfach, leicht ersichtlich und klar; Was ist denn eine Kränkung und Beleidigung? — Siehe, diese leidige Erscheinlichkeit ist nichts anderes als eine Zurückweisung unseres ganz natürlichen Hochmuthes. Der Hochmuth an und für sich aber scheint mir das Gefühl in der Seele zu sein, laut dem sie ihre hohe göttliche Abkunft blos wie für sich als abgeschlossen ansieht, und also betrachtet, als wäre nur sie allein die Bevorzugte, alles Andere sei entweder viel minder, oder gar eine Nulle! Tritt nun dieser Lieblingsidee etwas recht schroff in die Quere, und will neben ihr auch wenigstens den gleichen Rang behaupten, so empfindet die Seele diese Opposition wie schmerzlich, sie beengend, und dadurch kränkend, weil sie daraus nothwendig ersieht, daß Andere von ihr das nicht halten wollen, was sie von sich selbst hält! Ein solcher Zustand der Seele aber scheint mir denn auch ein sogar in sich selbst sehr unlogischer und unkonsequenter zu sein, und muß eine ganz entgegengesetzte Richtung einschlagen, so aus ihm für die Seele ein wahres Glück erwachsen solle! —

12. Auf der Erde haben Jene, die sich für besser dünken als Andere, allerlei Mittel, diesem unordentlichen Dünkel Geltung zu verschaffen; aber hier, wo es weder Geld, Adel, Heere, Bajonette und Kanonen giebt, sieht's mit solchem unlogischen Dünkel der Seele auch nothwendig etwas fatal aus! Denn fürs Erste ist es ja im Grunde denn doch unrecht, so ein Geschöpf sich vor einem andern ganz gleichen Geschöpfe erheben will, und fürs Zweite ist ein solches Bestreben sogar auch eine barste Narrheit!

13. Denn so es mir Logik und Erfahrung sagt, daß eben derjenige Mensch im Grunde doch stets der glücklichste ist, der die wenigsten Anforderungen für sich an seine Nebenmenschen stellt, so ist es wirklich anderseits eine Tollheit, in etwas das Glück der Seele erreichen zu wollen, worin es logisch richtig ewig unerreichbar ist! — Sage mir, was wohl hältst du für besser und zweckmäßiger? Das Bestreben nach der Erfüllung aller zahllosen Bedürfnisse, die in der Seele gleich dem Unkraute wuchernd auftauchen, oder eine weise Reduzierung der Bedürfnisse bis auf ein mögliches Minimum?"

14. Spricht der Pathetikus: „Offenbar das Zweite; denn je weniger man braucht, um glücklich zu sein, oder zu werden, desto leichter und auch wahrer wird man glücklich!"

15. Spricht Max Olaf: „Richtig! — also ist es, und wird es bleiben ewig! — Was nützet es einem Brautwerber, so er sich um die Hand einer Tochter bewirbt, deren Eltern von sich und so auch von ihrer Tochter viel zu viel halten; er wird sein Ziel schwer oder noch wahrscheinlicher nie erreichen; und erreicht er es, so ist er dann erst recht am Hunde aller seiner Glücksträume! Wendet er sich aber an die Tochter geringer Eltern, die sich für viel weniger halten, als da ihr Brautwerber vor ihnen erscheint, so wird er eine leichte Mühe haben, sein Glück zu erreichen, und wird damit auch besser daran sein, als mit seiner frühern Hochwahl!

16. Thun wir nun also, und es wird uns keine Lerchenfelderin mehr genieren! Was meinst du? Hab ich wohl recht oder nicht?!"

70. Kapitel. Ehegeschichte des Pathetikus aus seiner Sicht. Der freundschaftlich hilfreiche General.

01. Spricht der Pathetikus: „Bruder Max, du hast nun vollauf gut, wahr und aus dem Leben gegriffen richtig gesprochen! — Meine Kunigunde, Gott habe sie selig! du hast sie gekannt! Ich war von Geburt aus nur ein Landjunker, wie du's weißt; meine Eltern haben nie zu der Klasse der Wohlhabenden gehört, und konnten mir somit auch keine andere Erziehung geben, als die sie selbst hatten. Der Zufall wollte es, daß ich zum Militär kam; ich war ein sauberer Bursche, und hatte das Glück, meinen Oberst für mich eingenommen zu machen; er gab mich in die Militär— oder eigentlich Regimentsschule, in der ich binnen kurzem recht gut lesen, schreiben und rechnen konnte; in den sonstigen Militärdienstsachen war ich gar bald einer der Gewandtesten im ganzen Regimente. Die ganz natürliche Folge davon war, daß ich Scharschen bekam, wurde Gefreiter, Korporal, Feldwebel, und endlich, nach sieben Jahren schon Offizier! Jung, sauber, lustig und geschickt, und Offizier! denke, daß ich auch im Punkte des schönen Geschlechtes bei solchen Eigenschaften nicht zurück blieb.

02. Zum Unglück lernte ich bei einem Erzaristokraten eine seiner Töchter kennen, und das bei der Gelegenheit eines Balles, den er dem sämtlichen Offizierskore gab. Sie war von Geburt eine Baroneß, und ihr Vater, der Ballgeber, oben darauf ein ungeheuer reicher Mann. Das Mädchen gefiel mir, und ich ihr wahrscheinlich als notorisch der schönste Mann beim Regimente, noch mehr; kurz, sie fing Feuer, und gab es mir ganz unzweideutig zu verstehen, was sie für mich fühle! — Ich von Geburt ein Sauhalter und arm, vis à vis dem Baron, wie eine Kirchenmaus, nur durch meine Leibesvorzüge, und nicht durch Verdienste — Offizier! das reimte sich wohl verdammt schlecht zusammen! Aber was fragt die rechte Liebe nach Geburt und Reichthum! Da ich sah, daß das Mädchen mich wirklich liebte, so kam es mir wahrlich auch gar nicht schwer vor, mich auch in sie so recht nagelfest zu verlieben.

03. Nun waren wir Beide in einander also kreuz und quer, und über Hals und Kopf verliebt, und unser Beider Wunsch auf Leben und Tod war dann natürlich kein anderer, als einander ehst möglich zu — heirathen! Aber wie?! wie des erzaristokratischen reichen Vaters, der sich bei jeder Gelegenheit seiner wenigstens 24 Ahnen rühmte, Einwilligung erhalten, und ihn zur Legung der vorgeschriebenen Kaution zu bewegen?! Ich steckte mich hinter alles, was mich beim Vater nur immer protegieren konnte! Und der Erfolg war, daß mir das Haus freilich auf eine ganz höfliche Art verboten wurde. Was nun?! war meine, und meiner Geliebten Frage.

04. Mein Oberst, der mich wie seinen Sohn liebte, war selbst ärgerlich über diese Geschichte, und rieth mir zu quittieren, dann Pässe zu nehmen, nach England zu reisen, und mir dort nur allsogleich eine bedeutende Militärstelle zu kaufen, zu welchem Behufe er mir als selbst ein überaus reicher Kavalier das nöthige Geld ohne allen Rückhalt vorschießen wolle! Ich verstand, was der Oberst damit erreichen wollte; und befolgte seinen väterlichen Rath auf das Pünktlichste. Kurz, omissis omitendis etc., im Verlaufe von einem halben Jahre war ich, da ich mich zur Marine wandte, erster Kapitän eines Kriegsschiffes, das nach kurzer Zeit die Bestimmung erhielt — nach Ostindien zu segeln. An wahrer Tapferkeit fehlte es mir nicht, die Nautik (Seefahrkunde) hatte ich mir bald eigen gemacht, und die Art, auf der See ein Kriegsheld zu sein, nicht minder!

05. Nur zu bald boten sich mir tausend Gelegenheiten dar, mich als ein Feldherr auszuzeichnen; alle Operationen, die mir anvertraut wurden, habe ich glänzend durchgeführt, und so fehlte es auch nicht an glänzenden Auszeichnungen. Nach etwa 4 Jahren kehrte ich nach England zurück, natürlich geadelt, und auch ungeheuer reich; ich schützte Gründe vor, um mich pensioniren zu lassen; allein — sie wurden nicht angenommen; aber dafür bekam ich einen halbjährigen Urlaub, den ich natürlich dazu benützte, um meine Heirathsgeschichte in die nun vielleicht doch mögliche Bewerkstelligung zu bringen?!

06. Als ich mit viel Geld, Urlaub und Pässen versehen in meinem Vaterlande ankam, und Gottlob meine Eltern und Geschwister am Leben fand, und sie Alle auch reichlichst beschenkt hatte, so war darauf mein erster Gang in die Stadt, wo ich assentirt wurde, und wo sich mein guter Vater Oberst, nun aber schon als General—Major befand. Ob meine, oder ob seine Freude über unser Wiedersehen größer war, das wird Gott wissen! Kurz — eine gute Viertelstunde lagen wir uns in den Armen, und küßten uns gegenseitig wohl tausendmale! Meine erste Sorge war, ihm die große bare Schuld abzutragen, und zwar mit den reichsten Zinsen; wie gerne hätte ich diesem Ehrenmanne das Dreifache des mir Geliehenen abgestattet! Aber er nahm nichts an, und sagte, als ich ihm blankes Gold auf den Tisch legte: „Mein liebster Freund, Sie wissen, daß ich nie verheirathet war, und somit auch keine Kinder habe; Sie sind mein einziger Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, und somit auch der Erbe meines sämtlichen Vermögens nach mir. Diese Kleinigkeit aber betrachten Sie blos als ein väterliches Vorgeschenk, und machen bei mir weiterhin auch keine Erwähnung mehr!"

07. Daß mich eine solche Erklärung bis zu Thränen rühren mußte, das versteht sich von selbst; denn wer wohl könnte, und so er als ein Kriegsheld auch zehntausend Teufel im Leibe hätte, einem solchen wahrsten Edel— und Ehrenmanne gegenüber ungerührt bleiben?! Kurz, als wir uns so recht wacker durchgeliebt haben, so fragte er mich, ob die bewußte Baronesse nie an mich, oder ich an sie geschrieben hätte? Ich sprach der Wahrheit gemäß, daß ich ihr drei Male geschrieben habe, aber leider auf keines dieser Schreiben eine Antwort erhielt! Daß ich ihr dann nicht auch noch ein viertes Mal schrieb, läßt sich leicht denken!? Daß ich aber nun mit diesem Besuche, den ich meinem Vaterlande schuldig war, und ganz besonders ihm, als meinem größten Freunde, auch noch eine ganz solide Anfrage an den Baron um die Hand seiner Tochter verbinden möchte, läßt sich sehr leicht denken!

08. Der Herr G. M. war damit sehr zufrieden, und lobte die Festigkeit meines Karakters über alle Maßen, obschon er es mir nicht verhehlte, daß der Baron mit seiner Tochter, d. h. mit der mir allein wohlgefälligen, obschon sie nun um einige Jahre älter ist, jetzt noch ein prätiöseres Wesen treibe, als ehedem; Reichthum sei kein Köder für ihn, ebensowenig auch das Verdienst eines unadelig Gebornen; sondern bei diesem bornirten Aristokraten gelte blos die Geburt und der hohe Adel etwas. Er habe auch deßhalb den ihm vom Kaiser verliehenen Grafentitel zurückgelegt, weil er dadurch zu einem jüngsten Grafen würde, da er sonst doch der älteste Baron sei!

09. Daß diese Erklärung auf mein Gemüth eben keinen sehr günstigen Eindruck machte, läßt sich leicht begreifen, besonders so man bedenkt, was Unsereiner zur Gewinnung der Gunst solch eines Hauses alles unternommen und gewagt hatte!? Ich war wohl auch nun ein Gentleman; aber wo wären bei mir die erforderlichen wenigstens 16 Ahnen zu suchen gewesen, da der Stammbaum mit mir erst seinen Anfang nahm!? Aber der Herr G. M. meinte, ich solle dennoch hingehen, und dem Alten meine Aufwartung machen, und ihm bei dieser Gelegenheit recht viel Abentheuerliches erzählen von Meeres—Stürmen, Seeschlangen und Seeschlachten, wovon der Baron ein großer Freund sei; vielleicht gelänge es mir, das Herz des alten Kauzes zu gewinnen!?

10. Ich befolgte den Rath meines Freundes, der mich selbst hingeleitete, ward vorgelassen, und vom Alten mit großer Auszeichnung empfangen, was ich für ein gutes Prognostikon hielt, worüber mich aber die Folge leider dennoch nur zu bald eines andern belehrte!

11. Das Beste an der Sache war das, daß mich meine Emma noch mit derselben Gluth liebte, wie ehedem, und daß sie meine Briefe richtig erhielt, aber dieselben nur stumm und unter vielen Thränen in ihrem Herzen beantworten mußte. Ich bot nun natürlich alles auf, um den Alten in Punkto seiner Tochter mir geneigt zu machen; aber da war Alles vergebliche Mühe; kurz, ich stand nach einem Vierteljahre auf demselben Punkte mit ihm, als wie am ersten Tage meines ihm gemachten Besuches! —

12. Was ist da zu machen? fragte ich meinen Freund. Der zuckte die Achseln, und ich mit ihm. Nach einer Weile sagte der G. M.: „Ich will Ihnen wohl durchaus keinen bösen Rath ertheilen; aber so Sie hier zum Ziele gelangen wollen, was ich bei mir im Geheimen recht sehr wünschte, so müssen Sie sich schon auf ein paar Gewaltstreiche verlegen, von denen Sie einen in die Ausführung bringen müssen. Das Mädchen ist nun nahe an die fünf— oder sechsundzwanzig Jahre alt, also vollkommen majorenn, und kann über ihr Herz und ihre Hand disponiren, wie sie will; hat sie den Muth, sich auch ohne die Einwilligung ihres Vaters zu verheirathen, da heirathen Sie Ihre Emma nur vom Flecke weg! Denn ein Soldat darf nie viel Umstände machen. Freilich müssen Sie sich da auf die Enterbung gefaßt machen, und vielleicht auch einen wohl condizionirten Vaterfluch nach alt aristokratischer Sitte, — woraus Sie wohl sich nichts machen werden; aber ob Ihre Emma auch so starkmüthig sein wird? das müßte freilich erst eruirt werden! Aber ich denke, weil das Mädchen selbst Ihnen erst unlängst den Vorschlag zu einer Entführung gab, so dürfte sie in diesen meinen Vorschlag vielleicht doch noch eher eingehen, weil er sich auf dem Boden der Gesetzlichkeit befindet. Wenn aber dieser Vorschlag scheitern solle an der Schlauheit des alten Fuchses, daß er etwa die Pfaffen in seinen Sold nähme, und Sie zu keiner Kopulation kämen, dann freilich müßten Sie den zweiten Gewaltstreich in eine schnelle und wohlberechnete Ausführung bringen, nehmlich den der baren Entführung, und sich dann in England kopuliren lassen. Dieser zweite Streich bewegt sich freilich nicht mehr auf dem gesetzlichen Boden; aber so es da kein anderes Mittel zur Erreichung des Zieles giebt, das Sie doch um jeden Preis erreichen möchten, so wird Ihnen am Ende doch nichts anderes übrig bleiben!? Sie werden sicher verfolgt werden! aber das lassen Sie nur mir über; ich werde diese Verfolgung schon also einleiten, daß Sie sicher nicht eingeholt werden; und befinden Sie sich einmal auf ihrer Fregatte, dann adieu Baron! das Weitere werden dann schon Sie selbst zu veranstalten wissen?!"

13. Dieser Rath gefiel mir natürlich über alles wohl, und ich führte schon in der zweiten Woche den zweiten Gewaltstreich aus, weil mit der Ausführung des ersten sich zu viele unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg stellten. Wie mir hernach eine gute Gelegenheit von Seite meines größten Freundes bekannt gemacht wurde, so wurde ich auch verfolget; aber da fürs Erste mein Freund die Verfolgung zu lenken wußte, und fürs Zweite das Meer keine Balken hat, so kam ich gut davon. Meine Fregatte betretend, ließ ich mich auch sogleich von unserem katholischen Schiffskaplan trauen, und die Trauung gehörig dokumentiren, und war insoweit in der Ordnung, was so zu sagen die nackte Heirath betrifft.— —

71. Kapitel. Der Ehehimmel des Pathetikus vernebelt sich. Das wahre Gesicht der Gattin Emma.

01. „Ich sah nun nichts als ein Paradies ums andere vor mir, da ich nun das erreicht hatte, dessenwegen ich mich zu den größten Opfern herbeiließ! Aber leider stiegen um mein Paradies nur zu bald die düstersten Wolken auf!

02. Meine Emma, von Woche zu Woche stets mehr und mehr von Gewissensschwächen gepeinigt, daß sie ihren Vater verlassen hat, und daß er ihr noch vielleicht im Grabe fluchen werde, ward daher von Tag zu Tag mißmuthiger, bereute den Schritt, den sie mit mir gethan hatte, verwünschte Tag und Stunde, in der sie mit mir die erste Bekanntschaft gemacht hatte! Von Tag zu Tag wuchs bei ihr auch das Heimweh, daß ich ernstlich zu besorgen anfangen mußte, daß dadurch ihr mir über alles theures Leben nur zu bald in eine sehr bedenkliche Krisis gelangen möchte! — was war da zu thun? Ich bot eine Zeit lang alles auf, um ihr vom Leben andere Begriffe beizubringen; aber alle meine Mühe war vergeblich! und so blieb mir denn am Ende, und zwar schon nach dem Verlaufe von einem Jahre, denn doch nichts übrig, als meines Dienstes in England ledig zu werden, und mich dann als ein sehr wohlhabender Privatmann, und zwar nach Wien, mit meiner theuersten Ehehälfte zurückzuziehen.

03. In Wien angelangt, wollten wir zum Vater der Emma, und dort seine mögliche Vergebung erlangen. Aber er, wahrscheinlich mehr aus Gram, als an einem Nervenfieber, war leider — dahin! —

04. jetzt erst war es bei meiner Emma völlig aus! Ihre hochmüthigen Geschwister machten ihr die bittersten Vorwürfe, und machten sie gleichsam zur Mörderin ihres Vaters, der noch sterbend die Hände nach seiner einzigen Emma ausgestreckt hätte! Solche Nachrichten brachten sie, was leicht begreiflich, ans Krankenlager, und mich um mehrere Tausende. Sie ward wieder gesund, und verlangte von mir nicht selten Opfer, die ich kaum erschwingen konnte, die ich ihr aber dennoch mit aller Zartheit darbrachte, obgleich ich von ihr weder Geld noch die erste Liebe wieder zu erwarten hatte. Aber der Zufall wollte, daß ihre Geschwister nach ein paar Jahren an einem bösartigen Typhus starben, wodurch mein Weib, und Mutter von ein paar Töchtern, die alleinige Erbin von einem großen Vermögen wurde!Da sollte man denken, dieß wird meine Emma fröhlicher, und mir geneigter machen, indem sie früher oft das als einen Hauptgrund von ihrer Traurigkeit angab, daß sie als eines der reichsten Kavaliere Tochter mir zu einem gänzlich vermögenslosen Weibe ward, dessenungeachtet sie aber meine Kasse dennoch gehörig zu gebrauchen verstand, wenn es galt, sich als Tochter des reichen Barons zu zeigen.

05. Aber nach der Erbschaft erfuhr ich erst, wer sie, und wer ich war! Ihre frühere Gemüthskrankheit hatte sich zwar nach etwa einem Jahre nach dem Empfange ihrer Erbschaft gelegt; aber an ihre Stelle trat eine andere, nehmlich — die unersättliche Begierde nach Glanz, Pracht, nach ihr zusagenden Gesellschaften und Vergnügungen aller Art, und ich seligen Angedenkens ward zum Sühnmantel aller Sühnmantel!

06. Als ich ihr einmal mit der größten Gelassenheit und Zartheit vorstellte, daß so ein Leben nicht in der Ordnung sei, und daß im Grunde sie mich viel unglücklicher gemacht habe, als wie ich sie; der ich doch nur durch sie, und hauptsächlich durch ihr Wollen und Rathen sie entführet habe; und daß ich nun in England schon ein Admiral sein könnte, so ich nicht ihr zu Liebe alldort meine Scharsche verkauft hätte, und nicht nach Wien gezogen wäre! Als ich ihr solches unter Thränen sagte, da war erst der Teufel vollkommen los! Ohne mir ein Wort zu erwidern, lief sie hastig in ihr Gemach, und brachte mir nach einer halben Stunde Papiere im Werthe von 2mal hunderttausend Gulden, und sprach: „Da mein Herr Gemahl, von Geburt ein Sauhalter, empfangen Sie, was ich Sie allenfalls gekostet habe; verlassen Sie meine Wohnung, und sehen Sie sich wo um eine andere um! Auch steht es Ihnen frei, die paar Bälge von Kindern mit zu nehmen; denn mit derlei Geschöpfen kann ich mich nicht abgeben, die mir leider in meiner großen Verblendung ein Bauernjunge gezeuget hat! Adieu, wir sind quitt!"

07. Mit diesen Worten warf sie die Thüre hinter sich zu, und ich stand mit den zwei weinenden lieben Töchterchen wie versteinert da. Ich harrte darauf eine volle Stunde, in der Meinung, Emma wird ihren Fehler einsehen und zu mir zurückkehren?! Aber nichts dergleichen; ich ging nach ein paar Stunden selbst zu ihr hin; ward aber nicht vorgelassen, und der Kammerdiener sagte mir, daß die gnädige Baronin es wünsche, daß ich sogleich aus dem Hause solle, ansonst sie genöthigt wäre, dies Haus für immer zu verlassen! — Vom Schmerze zu sehr übermannt konnte ich kaum reden; bedeutete aber dennoch dem Kammerdiener, daß er der Gnädigen vermelden solle, daß ich weder ihres Geldes noch ihres Hauses bedarf, und habe sie auch nie darum zum Weibe genommen! — Da ich ihr aber nun zu stinken anfange, so lasse ich ihr eine gute Nacht wünschen; — ich aber werde mit meinem eigenen redlich erworbenen Vermögen mich mit den zwei Kinderchen schon durchbringen!

08. Darauf eilte ich sogleich in mein Zimmer, wo ich meine beiden Kinder mit ihrer Gouvernante noch schluchzend traf, zog da an der Glocke meiner Dienerschaft, die sogleich herbeieilte, um meine Aufträge zu vernehmen. Als mich mein Kammerdiener fragte, was ich wünsche, sprach ich: Martin! Geh' Er, und bestelle Er mir wenigstens auf einen Monat ein Quartier, koste es, was es wolle! komme aber längstens in zwei Stunden wieder. Ihr Andern aber packet nur schnell alle meine Sachen zusammen; denn wir müssen heute noch aus dem Hause, da mir meine erhabene Gemahlin solches geboten hat! Hole einer aus euch aber auch noch andere Taglöhner, damit die Sache hurtiger vom Flecke gehe! Meine Dienerschaft machte große Augen und sehr lange Gesichter; aber sie fügte sich emsigst meinen Befehlen.

09. Als ich gerade mit dem Einpacken am emsigsten beschäftiget war, pochte jemand an meine Thüre. Herein! Wer wars?! Mein guter Herr G. M., der gerade an diesem Tage in Geschäften nach Wien kam. Ein Engel aus den Himmeln hätte mir gerade in dieser Stunde nicht gelegener kommen können, als gerade dieser, mein einziger und bester Freund! Was seh ich, was thun Sie denn, ziehen Sie denn aus? oder was hat das zu bedeuten? das waren seine ersten Worte. — Ich erzählte ihm natürlich alles auf ein Haar, was in meinem Hause vorgefallen ist, und das alles ohne meine allergeringste Schuld, und wie ich von meiner angebeteten Emma bedient worden bin!

10. Der General schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, und wußte anfangs nicht, ob er lachen, oder ob er sich ärgern solle?! Nach einer Weile erst faßte er sich ganz und sprach: „Mein armer, geliebtester Freund! beruhigen Sie sich! wenn Ihre Gemahlin so ist, wie ichs nun aus Ihrem Munde zu meinem großärgerlichen Erstaunen erfahren habe, da seien Sie recht von Herzen froh, daß Sie auf eine so honette Art dieser adeligen Rackalie los geworden sind! aber diese werthvollen Papiere behalten Sie für Ihre Kinder, das sage ich Ihnen, denn da wären Sie wohl nicht gescheite, ihr diese namhafte Summe für nichts und wieder nichts zurück zu lassen!" —

11. Als der G. also mich tröstete und belehrte, da trat der Kammerdiener der Gnädigen ganz barsch ins Zimmer und sagte: „Die Gnädigste läßt euch sagen, daß sie das, was sie euch als Entschädigung gab, unter gar keiner Bedingung mehr zurücknehmen wolle und zurücknehmen werde! Solle aber etwa dies zu wenig sein, so ist sie erbötig, euch noch mehr zu geben!?" Ich biß mir in die Lippen vor Aerger, und konnte wahrlich nicht reden; aber dafür nahm der Herr General für mich das Wort, und sprach: „Sagen Sie der Gnädigen, diese 200,000 Gulden sind nichts anderes für die Opfer, die dieser Mann für sie brachte, als ein allerlausigster Bettel! mir an seiner Stelle wäre eine Million zu wenig! — Denn die Ehre eines Offiziers, wie dieser einer war, bezahlt man nicht mit solch einem Bettel! Darum solle die Gnädige nur in die große Kasse greifen, und diesem Ehrenmanne, der seines Gleichen sucht, seine von ihr mit Füßen getretene Ehre vergüten! Haben Sie mich verstanden?! Sagen Sie aber der Gnädigen, Ich, der Fürst N. N., Vater dieses meines liebsten Sohnes, fordere das von ihr! und sagen Sie ihr auch, daß sie sich für die Zukunft ja keine Hoffnung machen solle, von diesem, meinem einzigen Sohne, je wieder angenommen zu werden, und daß sie sich auch nimmer unterstehen solle, seinen Namen zu führen! Hat Er das alles verstanden?!" — Spricht der Kammerdiener: „Ja, Euer Durchlaucht!" — „So packe Er sich!" donnerte der General! — Der Kammerdiener verbeugte sich bis zum Boden und ging.

12. Nach einer Weile öffnete sich die Thüre, und die Baronin stürzte nahe wie besessen vor den General hin, und bat ihn und mich, ihre Hände ringend, um Vergebung, und sprach viel von einer kränklichen Laune, und von der durch sie bewirkten Uebereilung, und Gott weiß, was sie noch alles zusammengeschnattert hat!?!

13. Der General ließ sie ausreden, und sprach dann in seiner ihm so zu sagen ganz allein eigenen leidenschaftslosen Ruhe: „Madam! ich kannte ihren bornirten Vater, und kenne Sie! — Der Apfel fällt nicht weit vom Baume, und so werden auch Sie meine Holde nicht viel besser sein, als es Ihr Vater war! Ich und mein Sohn sind Fürsten; aber uns wäre es sogar im Traume nie eingefallen, sich auf den Fürstentitel in hundert von Jahren so viel einzubilden, als Sie sich in einer Stunde auf Ihren Baronstitel eingebildet haben. Dieser ihr gewesener Mann ist zwar nicht mein leiblicher Sohn, aber da ich keine Kinder habe, so habe ich es bei meinem guten Kaiser dahin gebracht, daß er ihn einstweilen insgeheim als meinen rechtmäßigen Sohn unter dem Titel Graf adoptirt hat; sterbe ich aber heute oder morgen, so ist er Fürst! Verstehen Sie mich?! Und sollen sich die Umstände ändern, oder sollen es andere Hochadelige beim Kaiser dahin bringen, daß ihm der Fürstentitel auch im Geheimen nicht zugelassen würde, so bleibt er aber dennoch mein Sohn, und der alleinige Erbe aller meiner Güter; verstehen Sie mich?! Dieser mein Sohn ist reich, sehr reich, und benöthigt weder Ihres Hauses, noch Ihres Vermögens; aber Sie, als ein Weib, das er anbetete, haben seine Ehre als Baronin geschändet, und dafür verlange ich, als sein Vater, eine Genugthuung von einer halben Million! Verstehen Sie mich, Madame?!" — Spricht die Baronin: „Durchlauchtigster Herr Schwiegerpapa! nicht nur eine halbe Million, sondern mein ganzes Vermögen gebe ich her, wenn Sie mir's nur verzeihen, und mir meinen geliebten Gemahl nicht wegnehmen!" —

14. Darauf sagte der General: „Ja, ja, meine holde Tochter, jetzt, da Sie zum ersten Male erfahren haben, daß dieser Sauhalter, wie Sie ihn zu tituliren die Gewohnheit hatten, mein Sohn ist, fühlen Sie wieder Liebe zu ihm; hätten Sie das auch ehedem für den Sauhalter gefühlt, da würden wir uns nun sehr leicht verständigen; aber auf diese Art wird es sich wohl schwerlich mehr thun! — Gehen Sie daher in Ihr Gemach zurück; denn ich habe meinem Sohne wichtige Dinge zu eröffnen, wobei ich Sie in der Art als Zeugin durchaus nicht brauchen kann!" — Emma bittet nun nur noch gewaltiger um Vergebung, und gelobt bei allem, was ihr heilig ist, mit mir durch ihr ganzes Leben lieber eine Schweinehirtin zu sein, als mich nur eine Minute mehr zu verlassen! — „Gut! sprach darauf der General, das werden wir sehen! ich werde mir die Freiheit nehmen, Ihnen sogleich auf den adeligen Zahn zu fühlen, und werde es sehen, wie Sie die Probe bestehen werden?!" — Spricht Emma: „Thun Sie mit mir, was Sie wollen; nur als eine Leiche werde ich von meinem Gemahle mich trennen lassen!" — „No, no, das wird sich sogleich zeigen, liebste Baronin! warten Sie ja auf keine neue Probe von mir; denn ich habe mit Ihnen die Probe schon angestellt, und Sie haben diese zur Hälfte schlecht bestanden; wer weiß, ob die andere Hälfte nicht noch schlechter ausfallen wird!? — Sie lieben nun diesen meinen Sohn, weil Sie nach meinem Geständnisse nun ungezweifelt dafür halten, daß er mein Sohn sei; aber es ist dem dennoch nicht also! Ich sagte das nur darum, um Sie zu prüfen, und Sie endlich dadurch von der Schmählichkeit ihres Aristokratenhochmuthes desto schlagender zu überzeugen! — Als Ihre Leichtgläubigkeit dadurch in Ihrem Gemahle nicht mehr den stinkenden Sauhalter, sondern einen Fürsten gewahrte, da fingen Sie an, zum Kreuze zu kriechen! Aber was werden Sie nun thun, so ich all das nur zu Ihrer Probe Gesagte fest widerrufe, und sage: Ihr mir über alles schätzbarer Herr ist und bleibt nur der Sohn eines Bauern!?"

15. Als die Emma solches vernahm, da sprang sie jählings auf, und sprach: „Waaaaas! so verfährt man mit der Tochter des reichen Barons N. N.!? — also mein Gemahl kein Fürst, sondern nur ein Bauernsohn, und ein in England neugebackener Gentleman! O, das ist schändlich, das ist unaussprechlich niederträchtig! Mich, eine Baronin ersten Ranges, so zu einer barsten Gans herunter zu stempeln! — Kammerdiener!" — „Was schaffen gn. Frau Baron?" „Gehe Er eilends in mein Gemach, und hole Er mir die Papiere, die auf meinem Tische liegen, damit ich diesem Bauer da (auf mich deutend) seine gekränkte Ehre vergüte!" — Sprach der General: „Hat nicht von nöthen, meine Gnädige! Ich sagte es ja, daß die zweite Probehälfte schlechter denn die erste ausfallen werde! Sie sind und bleiben, was Sie sind; Sie verstehen mich hoffentlich?! — Und dieser mein wirklicher Sohn, bleibt aber auch trotz seines Bauernthums das, wie ich's Ihnen früher kund gab! und nun gehen Sie weiter!"

16. Bei diesen Worten kehrt sich die Emma noch einmal um und sagt: „Euer Durchlaucht! Sie haben mich auf die Probe gestellt, und hatten die Güte — mir soeben zu bemerken, daß ich diese Probe schlecht bestanden habe; das mag wohl sein, wenigstens also, wie Euer Durchlaucht es nehmen! Aber Dieselben bedenken dabei nicht, daß vielleicht dieser ganze heutige von mir gar wohl und schlau berechnete und bewirkte Auftritt nichts anderes, als eine energische Frage an meinen Herrn Gemahl gerichtet war, ob er mich wohl noch liebe?! — denn ich muß nun offen gestehen, daß mein Herr Gemahl seit nahe anderthalb Jahren sich gegen mich mit einer mir kaum begreiflichen Kälte und Gleichgültigkeit benommen hat, die mich heimlich, je länger sie währte, desto unerträglicher unglücklich machte. Ich gab ihm oft zu verstehen, wie ich ihm nun das nicht mehr sei, was ich ihm einstens war! aber da wußte sich der fürstliche Herr Gemahl allzeit mit Tausenderlei zu entschuldigen. Ich kosete ihn, ich zupfte ihn oft an seinen Locken; aber er blieb nicht selten wie eine Statue ungerührt vor mir, und wußte meine an ihm verschwendete Zärtlichkeit mit gar nichts zu erwiedern; da dachte ich mir dabei: „Bin ich denn gar so ein gemeines Wesen für dich geworden? Mein Vater war ein Baron von großem Vermögen, und liebte mich wie sein Leben, und dennoch liebte ich diesen meinen Gemahl so sehr, daß ich zur Verbrecherin an der heiligen Liebe meines Vaters wurde! und für diese meine große Liebe zu ihm solle nun eine unbegreifliche Kälte von seiner Seite der Lohn sein!? O, da muß es irgend einen Hacken haben.

17. Ich bin nun sehr reich, und kann so Manches thun, um dadurch das Herz meines Gemahls zu erforschen, wie es mit seiner Liebe zu mir steht. Ich gab Gesellschaften und Bälle, und ließ mir von Kavalieren den Hof machen, um zu sehen, was etwa doch mein Herr Gemahl dazu sagen werde? ob er doch etwa einmal mit etwas Eifersuchtähnlichem zum Vorscheine kommen werde?! Aber da war alle meine Mühe vergeblich! Er blieb dabei stets des allergleichsten Muthes, und es schien ihm sogar sehr recht zu sein, wenn ich ihm zeigte, daß ich mich mit Andern besser unterhielt, als mit ihm! Wie gesagt, Ein und Einhalbjahr ertrug ich diese wahre Schmach für mein Herz; da aber seine Kälte gegen mich nur zu—, statt abnahm, und er auch meine Zimmer und mein Schlafgemach gar nicht mehr zu kennen schien, so faßte ich eben diesen Entschluß, den ich heute ausführte, um eine letzte ernste Frage an sein Herz zu thun!

18. Aber wie bisher jede meiner Bemühungen, so auch blieb diese, meine letzte, ohne den geringsten von meinem verwaisten Herzen so sehnlichst erwünschten Erfolg!, weil ich aber denn schon ohne mein Verschulden seine Liebe ganz und gar verloren habe, so sei sie denn in Gottes Namen auch verloren! —

19. Wahrlich, Euer Durchlaucht, ich rede nun die volle Wahrheit, so lange ich als eine Arme an seiner Seite stand, da liebte er mich mit einer Kraft, die ich kaum begreifen konnte; als ich aber durch den traurigen Zufall die alleinige Erbin eines großen Vermögens wurde, und nothwendig glaubte, daß mich mein Herr Gemahl nun noch doppelt mehr lieben werde, weil ich nun auch in den Stand gesetzt bin, ihm die vielen Opfer, die er mir darbrachte, nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit aller That wieder zu erstatten! Aber da ward es gerade aus bei ihm! Er äußerte mir nicht nur keine Freude darüber, sondern er ärgerte sich allzeit darüber und sagte mir wie oft ins Gesicht: — Dein Geld wird diesem Hause Fluch, nie aber einen Segen bringen! — Wenn ich ihm die großen Stöße von werthvollen Staatspapieren, und andere große Schätze zeigte, da blickte er mit Verachtung über sie hin, als wären sie ein kaum zu beachtender Hausmist! Ueberlegen Euer Durchlaucht nun ganz nüchtern solche meine Lage, und urtheilen dann erst über mich, ob ich hier wohl eine so große und infame Sünderin bin, als wie Sie und ihr Herr Adoptivsohn es nun meinen!"

72. Kapitel. Die Forderungen der Gattin Emma. Vermittlungsmühen des Generals. Ehekrach.

01. Bei dieser Darstellung ihrer Herzensnoth mußten wir beide freilich wieder große Augen zu machen anfangen und sagen: Ja, wenn sich die Sachen also verhalten, da bleibt uns freilich nichts anderes übrig, als zu sagen: Mea culpa, mea culpa, mea quam maxima culpa* (meine eigene größte Schuld!) — und der General sagte darauf zu Emma: „Hören Sie, meine liebe Frau Schwiegertochter! Wenn sich die Sachen also verhalten, da bekommt unser Prozeß freilich ein ganz anderes Gesicht, und ich werde dadurch genöthigt sein, Sie natürlich vor allem ganz ergebenst um Vergebung zu bitten, und hernach aber meinem Herrn Sohne so einige alte Leviten vorzulesen!?" — Spricht die Emma: „Euer Durchlaucht! ich verlange nichts als unsere erste Liebe! ist diese da, dann will ich ihm alles vergeben, und alles thun, was nur immer sein Herz verlangt! Aber nur seine erste Liebe will ich wieder haben!" Der Herr General wandte sich nun zu mir, und sagte: „Ja, höre du, mein Sohn! wenn es also an dir liegt, daß dein Weib dir nun gewisser Art nothgedrungen solche wahrhaft bedauerliche Exzesse macht, so mußt du nun vor allem sehen, deinen Fehler wieder gut zu machen! — Emma wünscht deine erste Liebe! Also enthalte sie ihr nicht vor!"

02. Worauf ich (Pathet.) erwiederte: „Mein wahrhaftigster, hochgeehrtester und geliebtester Vater! Meine Liebe zu meiner himmlischen Emma hat sich noch nie geändert, und ist auch noch nie schwächer und geringer geworden, als sie bei unserer ersten Bekanntschaft war; aber so die gute allerliebste Emma dort Schatten und Gespenster sah, wo sie nicht waren, und auch nicht sein werden, da kann ich wahrhaft wenig oder nichts dafür! Daß ich mich nicht eifersüchtig zeigte, oder ihr gar Vorwürfe machte, so sie Gesellschaften gab, das ist allein nur meinem zu zartfühlenden Herzen zuzuschreiben; daß ich bei mir aber dennoch so Manches empfand, das ich durchaus nicht zu den angenehmsten Empfindungen meines Lebens rechnen kann, das weiß freilich nur ich allein! Was aber ihr großes Vermögen betrifft, da muß ich leider selbst eingestehen, daß ich darauf nie einen Werth gelegt habe, denn ich dachte mir: „Was du brauchst, um recht anständig leben zu können, das hast du; ein Luxusleben aber ist und bleibt stets ein Gräuel vor Gott und aller wahrhaft bessern Welt!" — Und so muß ich offen gestehen, daß mich der Anblick des furchtbar großen Vermögens meiner Emma höchst unangenehm berührt hat; denn je reicher irgend ein Haus ist, destomehr Gelegenheit bietet es auch zu allerlei sündigen Ausschweifungen! (mich zur Emma wendend) „Sieh', so du die Tausende den Armen hättest zukommen lassen, die dich deine abgehaltenen Gesellschaften kosteten, wie glücklich wären diese, und wie glücklich wären wir Beide! Aber du wolltest mich dadurch nur necken, und sieh', das war nicht löblich von dir, und ich glaube solch' eine empfindliche Strafe von dir durchaus nicht verdient zu haben; denn einen noch zärtlicheren und nachsichtigst geduldigeren Gatten kann es wohl kaum noch irgendwo mehr geben, als ich es bin und allezeit war!?"

03. Die Emma wußte da sozusagen weder weiß noch schwarz darauf zu erwidern, schien aber dennoch mit Ungeduld auf den Kammerdiener zu warten, den sie ehedem um die Werthpapiere gesendet hatte. Da ihr nun dieser zu lange ausblieb, so bat sie um Entschuldigung, und ging eiligst nachzusehen, was dieser so lange mache? Allein wie sie fort will, so kommt dieser ihr auch schon mit einem schweren Packe entgegen. Sie herrschte ihm sogleich heimlich zu, diesen Pack auf meinen Tisch zu legen! ich aber fragte sie, was denn nun damit geschehen solle? da ich doch glaube, mich nun mit ihr völlig ausgesöhnt zu haben?! — Sie blickte mich etwas höhnisch lächelnd an und sagte„Ich muß ja doch eher die dir angethane Beleidigung wieder gut machen, und also der verlangten Genugthuung nachkommen, bis du mir wieder gut werden kannst!" — Worauf ich ihr erwiederte: „Liebe, theuerste Emma! ich liebe dich zu sehr, als daß ich nur den allergeringsten Groll auf dich haben könnte; auch habe nicht ich, sondern mein allergeliebtester Herr Vater in einer verzeihlichen Aufwallung eine solche Forderung an dich gethan, die du ihm sicher so gewiß nachsehen wirst, als wie sicher und gewiß ich dir alles von ganzem Herzen verzeihe! Nehme daher alle diese deine Papiere nur wieder in deine Verwahrung, und werde mir wieder ganz dieselbe Emma, die mir vor einigen Jahren nach England gefolget ist und für die ich mein Leben tausend Gefahren preisgab!"

04. Die Emma stutzte hier und wußte nicht, was sie nun thun solle!? Nach einer Weile sagte sie mit einem wahrhaft stoischen Gleichmuthe: „So du mich schon liebst, wie du sagst, so thue mir doch diesen Gefallen, und nehme diese Papiere in deine Verwahrung und Sorge, denn du weißt es ja, daß ein Weib mit dem Gelde nicht umzugehen weiß!" Worauf ich sagte: „Das ist ganz etwas anderes; mit dem größten Vergnügen von der Welt will ich in dieser Hinsicht deinem mir allertheuersten Verlangen nachkommen! Aber nun mußt du mir auch deine Hand zum Zeichen, daß du mir wieder gut bist, darreichen, und auch um einen von mir schon lange vermißten Kuß nicht verlegen sein! Komm Emmchen komm, und mache mich wieder glücklich!" — Sie spricht: „Dazu hat es schon noch Zeit, mein Herr Gemahl; eine Frau muß mit dem Besten, das sie hat, nicht gar zu freigebig sein, so sie den Kuß der Liebe aufrecht erhalten will; verstehst du das?! Dann muß ich dir noch etwas besonderes bemerken, das für dich zwar eine kaum beachtenswerthe Kleinigkeit sein wird, aber für mich durchaus nicht; ich habe dir schon einige Male gesagt, daß ich nicht Emma, sondern eigentlich nach meinem ersten Taufnamen Kunigunde heiße; warum nennst du mich denn immer Emma, und warum nicht Kunigunde, einen echt altadeligen Namen, auf den meine Mutter und Großmutter getauft waren?! So du mich wahrhaft liebst, so nenne mich in der Zukunft auch bei meinem würdigen rechten Namen!"

05. Ob dieser Liebebedingung kommt mir und natürlich auch dem Herrn General das Lachen, und das wegen eines, ich glaube Nestroyschen Theaterstückes, in dem eben die gute Kunigunde mit ihrem Eduard durch ein lakonisches Lied sehr profanisirt werden! Ich sage daher auch zur Emma: (Path.) „Aber meine liebe zarteste Gemahlin! das that ich ja nur aus purer Achtung zu dir; du kennst ja doch das gewisse Stück, in dem das Lied von Eduard und Kunigunde auf eine malhonnetteste Art herabgesungen wird zur Belustigung des Publikums!? So oft ich dich rief, so fiel mir auch allzeit jenes dumme Lied ein, das mich selbst schon so manche Lache gekostet hat, was ich dir auch kundgab, und du mit mir ganz einverstanden warst; denn der Name Emma klingt doch offenbar ästhetischer als Kunigunde. Willst du von nun an aber schon durchaus Kunigunde heißen, no, in Gottes Namen, so will ich dich ja auch recht gerne Kunigunde nennen." Spricht sie darauf etwas bissig: „Ja, ja, was man nicht mag, das sucht man auf jede Weise lächerlich zu machen!" — „Aber Weibchen", sage ich, „was fällt dir denn ein!?" ich werde dich etwa doch nicht lächerlich machen wollen, dich, die du mir so unendlich lieb, werth und theuer bist. Ich wollte dich ja eben durch den schönen Namen Emma aller Lächerlichkeit entheben, nicht aber selbst lächerlich machen; so aber eben der Name Kunigunde durch das dir so gut wie mir bekannte Theaterstück ohne unser Wissen und Wollen lächerlich gemacht worden ist, sage, kann ich da etwas dafür?! Ich hoffe aber, daß du dich darüber hinaussetzen wirst, und diesen Prozeß für beendet ansehen, und wirst mir nun die Hand zur gänzlichen Aussöhnung reichen, und geben den sehnlichst erwarteten Kuß oben darauf? oder hast du etwa noch was im Hintergrunde?"

06. Sprach sie: „O, nur genug!" — „Was der Tausend," erwidere ich, „was denn alles noch, wenn ich fragen darf, meine geliebteste Em — hätte bald g'sagt, bitte tausendmal um Vergebung! Kunigunde — wollte ich sagen! Nur heraus Kundl, was dich noch drückt!"

07. Auf diese meine etwas lakonisch zärtlich gehaltene Frage hob sie den Fuß und stieß damit so gewaltig vor Zorn auf den Boden, daß darob die Gläser in meinem Schnapskasten klirrten; und diesem gewaltigen Fußstrampfer folgte ein schneidendes „Nein!" natürlich mit der Begleitung von allerlei Thränen; diesem bedeutungsvollen Nein folgte eine stumme Zornpause, auf die eine leichte Ohnmacht, und auf die kurze und leichte Ohnmacht eine ganze Legion der herrlichsten Namen an meine Person, die wahrlich der allerderbsten Obstlerin keine Schande gemacht hätten! Als sie mit diesem Register fertig war, da herrschte sie mich noch zum Schlusse also an: „Wir sind quitt; ich will von dir nichts mehr wissen, hören und sehen! 'Zahlt bist, und so sind wir quitt für ewig! Mich hänseln auch noch!? — Das ging mir gerade noch ab, von so einem Limmel, der nicht geboren, sondern nur geworfen wurde, von irgend einer bäuerischen Kuh! Du magst 1000 male vom Kaiser selbst zum Fürsten erhoben sein, so bist du aber für mich, eine Baronin von uraltem Geschlechts, doch nichts, verstehst du das? Gar nichts bist du gegen mich! Sehe, daß du mir ehestens aus den Augen kommst!"

08. „Mit der richten wir nichts," sprach der General; „denn die ist eine komplett Närrin! Laß sie gehen, mein Sohn, und kümmere dich nicht mehr um sie; vielleicht bessert sie die Zeit eher als wir beide! Aber die Papiere nehme nur mit dir, denn es kann sehr bald eine Zeit kommen, wo sie sogar ihr gute Dienste leisten werden, wenn sie etwa bei ihrem gegenwärtigen Haussysteme nur zu bald ihre Schätze und Reichthümer vergeudet haben wird.

09. In diesem Augenblicke tritt auch mein Kammerdiener herein, und meldet mir, daß er eine sehr schöne sogleich beziehbare Wohnung gefunden habe, und hat auch das Darangeld bezahlt. — „Gut", sprach der General: „also nun nur geschwinde auf— und eingepackt; viele Hände machen jeder Arbeit bald ein Ende!" Spricht der Kammerd.: „Herr, bis auf dieses Zimmer ist schon alles in der Ordnung!" Nun kommen die Träger hier herein.

73. Kapitel. Fortsetzung der Ehegeschichte des Pathetikus. Emmas Nervenkrise und Umkehr.

01. Pathet.: „No, gut, gut; sehr gut hast du es gemacht, sprach ich; aber mit diesen drei großen und schweren Kästen wird es seine geweisten Wege haben?" — Spr. der Kammerd.: „Nichts zu sagen, Euer Gnaden, waren die andern doch auch nicht viel kleiner, und sind doch schon in der Ordnung! Viel Hände, und geschickte Hände können ja Wunder wirken! Nur ganz unbesorgt, Euer Gnaden; in ein paar Stunden ist alles in der Ordnung. O, Euer Gnaden werden eine rechte Freude haben mit der Wohnung! Sie ist zwar nicht in der Stadt, sondern in einer der Vorstädte; aber eine wahre Prachtwohnung, versehen mit allen möglichen Bequemlichkeiten, und kostet wirklich eine Bagatelle! acht Herrschaftszimmer, drei Zimmer für Dienstboten, einen Stall für 6 Pferde, Wagenremise, Holzlage, eine schöne ganz englisch eingerichtete Küche, Speisekammer, ein bedeutender Keller und der ganze Dachboden; was glauben Euer Gnaden, was das kostet?" — Sag ich: „No, so gegen 3— 4000 Gulden!" — Oh, Oh,! — verwundert sich der Kammerdiener und spricht: „Nicht 2 (tausend)! 1600 macht die ganze Geschichte aus! No, ist das wohlfeil oder nicht?!" — Sag ich: „Sehr wohlfeil, wahrlich sehr wohlfeil."

02. Spricht auch der General: „Ja, wahrlich sehr billig! Aber in welcher Vorstadt ist es, und im wievielten Stocke?" — Spricht der Kammerd.: „Die Vorstadt nenne ich aus guten Gründen nicht; (dabei auf mein Weib hindeutend) Stock aber ist es der zweite! Denn wenn man sich vor dem Feinde zurückzieht, so darf man ihm nicht auf die Nase binden, wohin man sich zurückzieht! Hab ich recht, oder nicht?!" — „Ganz vollkommen," sagte der General; „Ihr müßet einmal auch schon vor dem Feinde gedient haben, weil Ihr das so gut wißt?" Spricht der Kammerd.: „Zweifach, Euer Exzellenz! einmal als Wachtmeister vor dem wirklichen, wo es Bomben, Granaten und Kartätschen geregnet hat; und bald darauf vor dem unwirklichen, — nämlich vor meinem Weibe. Da hat es zwar keine Bomben, Granaten und Kartätschen geregnet, aber dafür ganze Heuschreckenzüge von Lästerzungen! Fünf Jahre und drei Monate habe ichs ausgehalten, und behandelte die Rackalie mit aller Geduld und Zartheit; aber das war alles umsonst! denn je zärtlicher ich mit dem Rabenbratl war, desto mehr stieg in ihr der Hochmuthspitzl bis zu einer solchen Höhe, gegen die der Stefansthurm ein reiner Spitzbube wäre! Kurz, es war mit ihr um keinen Preis mehr auszukommen. — Ich zog mich daher auch vor diesem meinem zweiten Feinde zurück, suchte mir einen Dienst, und fand auch bald einen — nämlich hier! — Mein eheweiblicher Feind hat mich zwar hier schon aufgefunden, und kam schon einige Male mit Friedensvorschlägen zu mir; aber ich war allzeit so frei und keck zugleich, und gab der Pazifizentin einen Fuß vor'n A— hätte bald gesagt, und einmal sogar eine ganz geschmeidige Ohrfeige, und sehen Euer Gnaden, jetzt ist's gut; — denn Gott Lob, es sind nun bereits sieben Monate vergangen, und ich habe meinen zweiten Feind nicht wiedergesehen, außer manchmal zur Nachtzeit so ganz inkognito im Schlossergäßl auf dem bekannten Schnepfenstriche! Prosit Mahlzeit, hab ich mir da gedacht, wer das Glück hat, über dich zu kommen, der wird viel zu genießen bekommen! Wenn vielleicht von Euer Gnaden Frau Gemahlin gewünscht werden würde, bei meiner liebenswürdigsten Gattin in allen nützlichen Dingen einen gründlichen Unterricht zu nehmen, so könnte ich ihr kein tauglicheres Individuum anempfehlen!?"

03. Meine Emma, aus Ingrimm an einem entferntesten Fenster dieses Zimmers stehend, und mit ihren Fingern an einer Scheibe einen ganz wohl conditionirten Zapfenstreich herunterarbeitend, kehrt sich auf einmal um, läuft auf meinen Kammerd. zu mit verbissenen Lippen, und zieht ihre zarte Hand für eine recht energische Ohrfeige gewisser Art vom Leder; aber der Kammerd. parirt ihr aus, und spricht dabei: „Aber oha! solches Gfraß kann ich mir drunten bei einer saubern Obstlerin schon selber holen! Mein Gsicht ist nicht so nobel, daß es sich zum Rasiren von einer hochadeligen Hand sollte einseifen lassen! Nur drei Schritte von meinem ehrlichen Feldwaibelleibe, sonst könnte ich auf den Gedanken kommen, mit der gn. Fr. Baronin einen echten Straßburgerischen (Tanz) anzugehen; und da möchte es dann ganz kurios verdrehte Geschichten absetzen, verstanden?!" — Die Emma zerberstete nahe vor Zorn, und schrie: „Mir aus den Augen, Kanaillen—Volk, mir aus den Augen, Bestien!! Er niederträchtiger Cujon! — wie kann Er sich unterstehen, miiiiiiir solche Sotissen ins Angesicht zu sagen, miiir, einer Baronin vom ältesten adeligen Geschlechte?! — packe Er sich nun augenblicklich aus meinen Augen, sonst lasse ich Ihn durch die Polizei holen!"

04. Spr. der Kammerd.: „Hat nicht nöthig Eur Gn. Fr. Baronin! — in einer halben Stunde werden wir ohnehin Gott Lob aus dem Bereiche Ihrer schönen Augen kommen! Zürnen Sie sich jetzt nicht; denn das könnte ja auf Ihre zartesten Nerven von einem sehr üblen Einflusse sein! was würden Ihre für den heutigen Abend schon gestern bestellten Herrn Gesellschafter sich alles denken können, wenn die gn. Fr. B. sie so zerstört empfinge!?" — „Schweige Er impertinenter Limmel, sonst solle Er es sogleich empfinden, was es heiße, eine Baronin so zu beleidigen!!! Ich bin im Stande und werfe ihm, was mir in die Hände kommt, in sein scheußlichs Affengfriß!" — Spricht ein anderer Bediente zum Kammerd.: „No, du, itzt hast bald Zeit 's Maul z' halten, sonst erleb'mer noch so a klan's Vorspiele! zum Jüngsten—Tag! schau, daß mer weiter koammen!" — Sage ich: „Ja, ja, tummelt's euch; denn jetzt möchte ich schon selbst lieber hinausfliegen als gehen!"

05. Als ich solches noch kaum ausgeredet habe, springt die Emma zu mir hin und schreit: „Nein, nein! Habe ich das um dich verdient, daß du mich nun im Ernste verlässest, und mich noch obendrauf dem Gespötte deiner frechsten Dienerschaft preis giebst! Ich glaubte, du werdest meine diesmalige leidige üble Laune nicht so nehmen, sondern wirst mit ihr deine alte Geduld haben!? Aber nein, dein Herz ist zu einem Steine geworden, und dein Auge sieht immer die einzige Krankheit deiner armen Emma! Habe ich dir, als ich noch jünger und gesünder war als jetzt, alles zum Opfer gebracht, was ich nur deinem Herzen ansah; nun aber wo ich krank bin, ja sehr krank, wenn mein leidiger Paroxismus mich befällt, hast du keine Geduld mehr mit mir! O du hartes Männerherz, das auch die sanftesten Worte einer kranken Gattin nicht mehr zu erweichen vermögen! Warum verlässest du mich denn jetzt, was hab' ich dir denn gethan?! Sieh, ich war in eine üble Laune gerathen, wie und warum, das wird nur Gott wissen; kurz, ich wurde krank, und bin dir gewiß in solch einem Zustande meines Leidens roh und bitter entgegen gekommen; aber nun fiel es mir wieder wie Schuppen von den Augen; ich gewahre es dumpf, daß ich dich, wie den Herrn General muß ganz tüchtig beleidigt haben, vielleicht dich gar aus dem Hause geschafft?! und du hast es nicht erkannt, daß dies nur deine arme kranke Emma gethan hat, die ihrer gesunden Sinne nicht mächtig war! O du mein theuerster Gemahl! thue mit mir, was du willst; strafe mich, wenn ich Strafe verdient habe! Aber nur verlasse mich nicht!

06. Mit diesen Worten fällt sie mir schluchzend und weinend an die Brust und umfaßt mich krampfhaft. — Die Dienerschaft macht große Augen und fragt mich, was nun zu machen sein möchte, ob weiter fort zu ziehen, oder ob wieder zurück zu wandern?! Spricht die Emma: „Augenblicklich auf meine Rechnung wieder zurückzuziehen und die Miethe der Wohnung auf ein halbes Jahr zu bezahlen!"

07. Spricht darauf der General: „Ja, wenn die Sachen also stehen, da bedauere ich dich, und noch mehr deine Gattin, die mir auch im Ernste krank zu sein vorkommt. Natürlich kannst du als Kavalier, Mensch und Gatte bei so bewandten Umständen deine Emma in gar keinem Falle verlassen! Ich aber werde nun einen nothwendigen Gang machen und in ein paar Stunden wieder bei euch sein; richtet mir ein Zimmer ein, denn ich werde einige Tage bei euch zubringen." — Der General empfiehlt sich nun; die Diener gehen an ihre Rückwanderungsarbeit, was ihnen etwas fatal ist; und meine Emma ist wie ausgewechselt, und weiß sich kaum an etwas zu erinnern, was früher zwischen uns vorgefallen ist! Ich staunte und staunte heimlich; aber die Sache war nun einmal also, wie sie war! Die Emma kurz vorher noch ein Teufel — ward jetzt zu einem Engel."

74. Kapitel. Große Überraschung für den Pathetikus. Er findet alte Bekannte. Olafs guter Rat.

01. Spricht endlich wieder der Max Olaf sagend: „Mein geehrtester Freund, deine eheliche Lebensgeschichte fängt an sich stark zu dehnen; daher lassen wir die weitere Fortsetzung derselben, und das darum, weil sie mir eben so gut bekannt ist, als dir selbst; denn wisse, ich, allhier unter dem Namen Max Olaf, der ich dir hier zumeist fortwährend als ein rechter Freund zur Seite stehe, bin ja eben derselbe Oberste und General, der dich auf der Welt so zu sagen aus Nichts zu etwas gemacht hat; und dieser Freund da, der alle diese Erscheinungen sammt der Metamorfosirung der Lerchenfelderin für einen puren Traum ansieht, ist jener Baron, dessen Tochter ohne sein Wollen dein Weib wurde; willst du aber auch dein Weib hier kennen lernen, mit der du nahe 20 Jahre auf der Erde gezankt und gehadert hast, so sehe das armseligst aussehende Wesen, das nahe halb nackt und ganz entsetzlich mager hinter dem Baron auf dich herüberlugt, und du hast dann das wirkliche Finale deiner ganzen Lebensgeschichte beisammen! — Bist du zufrieden mit der Lösung dieser deiner uns hübsch gedehnt erzählten Lebensgeschichte?"

02. Spricht der Pathetikus: „O, du verzweifeltes Wetter! No, no, no, die Sache wird sich machen! ich glaube, die allermißlichste Fortsetzung meiner Lebensgeschichte wird hier wieder wie ein zweiter Akt eines Dramas ihren Anfang nehmen?! Was meinst du, mein alleiniger aufrichtigster Freund?!"

03. Spricht der Max Olaf: „Lieber Freund! mir kommt es hier sehr stark also vor, daß wir uns fast ausschließend an jenen Mann werden müssen zu halten anfangen, so wir eine bessere Fortsetzung unseres Lebensdramas an uns werden gewärtig sein wollen! Denn sieh, ich machte nun immer so einen stummen Beobachter, und meinen Feldherrnaugen ist nichts entgangen, was alles sich hier in diesem Gemache zehn Schritte von uns entfernt, während deiner Lebenserzählung, für mein denkendes Gemüth von größter und beachtenswerthester Wichtigkeit ereignet hat! Die Lerchenfelderin wurde neu bekleidet, und sieht nun wie ein purster Engel aus, und je mehr sie jenem sonderbaren Manne mit Liebe zugethan ist, desto schöner und weiser wird sie auch! — Aber nicht sie allein ist so glücklich; ich sehe schon eine Menge, die früher gleich uns sehr elend da gestanden sind; wie sie sich aber jenem Manne mehr und mehr haben zu nähern angefangen, da bekamen sie auch sogleich ein besseres Ansehen, und ihre Kleider verwandelten sich nahe, wie ihre Gemüther!

04. Freund! das sind ja doch im buchstäblichen Sinne des Wortes und der Bedeutung nach Wunder über Wunder!

05. Dort mehr im Hintergrunde auf einer recht geräumigen Tribüne ersiehst du bei 24 weibliche Wesen im Ballet—Kostüme; die sehen dir doch schon ganz rein himmlisch aus; und dort am mit Brod und Wein bestbesetzten Tische stehen der bekannte Demokrat Blum, der uns nur zu bekannte Messenhauser, der Dr. Becher und der Dr. und Redaktör Jellinek; welch eine, man könnte sagen, wahrhaft heilige Würde strahlt aus ihren Angesichtern; von welcher Weisheitstiefe ist jede ihrer Reden erfüllt; wie freundlich und dabei doch so erhaben ernst ist ihr Benehmen,

06. und dennoch scheint ihnen jener schlichte Mann, der nun der schönen Lerchenfelderin förmlich den Hof macht, und mit ihr von nichts als Liebe spricht, Alles in Allem zu sein; denn sie fragen Ihn um Alles; Er ordnet alles an, Er gebietet, und es ist da und dort, was Er will und gebietet! Dabei aber ist Sein ganzes Benehmen ein so anspruchsloses und ein so, man könnte sagen unmenschlich, also rein himmlisch—freundliches, daß ich Ihn nun blos durchs Zusehen und Beobachten schon so lieb gewonnen habe, wie man nur immer einen allerbesten Freund lieb gewinnen kann!

07. Ich möchte nun schon selbst zu Ihm hineilen, und Ihn aber schon so zu liebkosen anfangen, als wie da liebkoset ein sehr bedrängter Feldherr eine eroberte feindliche Hauptfahne, von deren Eroberung der vollkommene Sieg eines beschwerlichen Feldzuges abhängt! — Sage mir, Freund, fühlst du nicht auch ein ähnliches Bedürfniß in dir, und du Traumdeuter von einem irdischen Barone auch samt deiner Tochter Kunigunde Emma?!"

08. Spricht der Pathetikus: „Ich für meine Person bin nun ganz mit dir einverstanden, und fange nun auch das Gleiche zu fühlen an; aber ob es mein Herr Schwiegerpapa, und meine Emma auch also fühlen, das ist freilich eine ganz andere Frage? Vielleicht die Emma, bei der ich in der letzten Zeit so einige Spuren von einer Religiosität entdeckt habe; aber was den Herrn Baron betrifft, so kenne ich ihn viel zu wenig, als daß ich behaupten könnte und sagen, wie er in sich denkt und fühlt! das wenigstens dürfte hier als gewiß angenommen werden, daß er mit seinen irdischen 16—Ahnen—Hoheitsbegriffen keine zu weiten Sprünge machen wird, wenn er dieselben — wie ich mein Ehrenmannsgefühl — ganz nagelfest mit herüber genommen hat!?"

09. Spricht der Baron: „Mein lieber Tochterentführer! kehren Sie nur schön fleißig vor Ihrer eignen Flur; denn so ich mit Ihnen hier rechten wollte, da würde es einen tüchtigen Prozeß absetzen! Aber ich habe Ihnen auf der Welt alles vergeben, und so sind wir in unserer fraglichen Causa quitt. Haben Sie aber hier in dieser mir noch immer wie ein Traum vorkommenden Welt etwas Ersprießliches vor mir voraus, so entgelten Sie mir hier durch Ihre Freundschaft das, was Sie mir auf der Erde doch offenbar feindlich genug entwendet haben, nehmlich mein Leben! Denn meine Emma war dort mein Leben, welches Sie mir geraubt haben; aber ich habe Ihnen diesen Raub vergeben. Fragen Sie daher nicht, wie ich hier gesinnt sei, oder ob ich mit meinen allfällig mit herüber genommenen 16 Ahnenbegriffen kurze oder weite Sprünge machen werde; sondern helfen Sie mirundder armen Emma,so Sie uns irgend helfen können! Dieser IhrFreund solle es sagen,ob ich nun recht geredet habe?!"

10. Spricht Max Olaf: „Ganz vollkommen, so zu sagen mir aus dem Herzen, lieber Freund! Der Schwiegersohn wird das auch sicher thun; denn an gutem Willen hat es bei ihm nie gemangelt, und wer diesen hat, von dem läßt sich auch nur das Allerbeste erhoffen! Nur geht uns Allen hier noch das Können ab.Aber ichhoffe zu Gott, daß wenigstens Einem aus uns bald geholfen sein wird, und dieser wird dann auch seine lieben Freunde nicht in der Noth stecken lassen!"

11. Spricht der Baron: „Ich danke Ihnen recht herzlich dafür! denn irgend eine Hülfe thäte mir und der Emma überaus noth; denn etliche 20 Jahre, die hier zu 2000 geworden sind, schmachte ich schon in der größten Verlassenheit! Keine Hülfe und kein Trost, und kein Licht kam bis nun, da wir hier in diesem herrlichen Gemache uns befinden, zu mir, und Sie sind der Erste, der da angefangen hat, mir aus meinem langen Traume zu helfen! O Freund, vollenden Sie aber auch, was Sie begonnen haben! Wenn mein Herz und mein Leben für Sie irgend einen Werth hat, so solle es ganz Ihnen zum Lohne und Lobe geweiht sein und verbleiben!"

12. Spricht Max Olaf: „Liebe Freunde, und Sie auch meine arme Emma, folget mir willig und getrost dorthin zu jenem herrlichen Manne, Der dort mit dem Dr. Jellinek sich nun bespricht; ich will dort vor Ihm einen Kniefall machen zu eurem und vielleicht auch meinem Besten! Wenn Der uns annimmt, und uns Seine wunderbar hilfreiche Hand bietet, so wird es uns auch geholfen sein; davon bin ich vollkommen überzeugt! Aber es heißt sich vor Ihm ungeheuer zusammen nehmen, das habe ich schon so im Vorbeigehen beobachtet; denn so unaussprechlich gut Er auch sein mag, so aber besitzt Er neben Seiner unbegrenzten Güte dennoch auch eine so enorme Weisheit, vor der jeder unserer allertiefsten Gedanken wie eine Butter an der Sonne zerschmilzt. Wie wir denken und fühlen, so müssen wir vor Ihm reden; denn vor Seinem Scharfblicke läßt sich kein Hinterhalt machen! Kommet daher mit mir! vielleicht finden wir Gnade bei Ihm!"

13. Spricht der Pathetikus: „Bruder, wie wäre es denn, so du ohne uns allein zu Ihm hingingest und machtest für uns einen Fürsprecher? Denn sieh', wahrlich wahr, ich habe so ganz heimlich vor Ihm eine ganz eigene Art von einer Furcht!"

14. Auch der Baron und die Emma bitten den General Max Olaf darum. — Und dieser spricht: „Liebste Freunde, was ich für euch thun kann, das werde ich auch thun. Aber sammelt euch unterdessen; denn ich ahne es, daß ich mit einer guten Antwort baldigst zurückkehren werde! gehabt euch unterdessen wohl."

75. Kapitel. Olaf wendet sich mit demütiger Bitte für das Wohl seiner Freunde an Jesus. Dessen gutes Zeugnis und Verheißung an ihn. Menschenseelen—Fischfang. Der blind—störrische Pathetikus.

01. Mit diesen Worten begiebt sich Max Olaf aber auch sogleich zu Mir hin, verbeugt sich vor Mir tief und spricht: „Erhaben weisester und sicher auch liebevollster Freund! Von allem, was nun während meines Hierseins sich zugetragen, und wunderbar ereignet hat, ist meinen Augen nichts entgangen; aber auch bei all den wunderbaren Ereignissen habe ich bemerkt, daß sie sich alle ganz allein auf Dich stützen; Du scheinst ganz allein, wenigstens hier in diesem Hause, der Grund von Allem zu sein!? Also kommt es mir auch noch obendarauf vor, daß hier in diesem Hause es eigentlich blos nur auf Dich ankommt, ob da Jemand glücklich oder unglücklich werden solle! Wer Dich gewonnen hat, der hat, wie es wenigstens mir vorkommt, schon Alles gewonnen! Auf diese meine untrüglichsten Wahrnehmungen gestützt, und auf Deine nur zu ersichtliche Güte vertrauend, habe ich, vielleicht der Unwürdigste von Allen, die dieses Gemaches Raum einschließt, mir die Freiheit genommen, Dich aus dem innersten Grunde meines Herzens zu bitten, daß Du jenen Dreien dort, nehmlich zweien Männern und einem gar armseligen Weibe Deine Gnade, Liebe und Freundschaft zukommen lassen wollest! Es klebt an ihnen, wie an mir, wohl noch vielleicht so mancher irdische Klumpen, der für diese Geisterwelt wohl kaum zu brauchen sein dürfte; aber wir Alle sind sicher, bei Gott dem Lebendigen, vom besten Willen beseelt, und werden das nach allen unsern Kräften zu ergänzen trachten, was uns noch abgeht, um uns dadurch der Gnade als würdiger zu erweisen, die wir nun von Dir erhoffen."

02. Rede Ich: „Mein geliebtester Freund und Bruder! Ich sage dir, gehe hin, und bringe sie zu Mir! Denn wo wohl ist ein Vater, der dem Ohr und Herz verschlösse, der ihn um Gnade für seine Kinder anflehet!? Siehe, das würde selbst der härteste Vater auf der Erde nicht thun; um wie viel weniger Ich, wo in Mir doch alle Liebefülle des himmlischen Vaters wohnet körperlich! Daher eile du nur hin und bringe sie Alle her, die nach Mir verlangen!"

03. Spricht Max Olaf voll der tiefsten Freude: „O Freund, ich wußte es ja, daß ich bei Dir keine vergeblichen Schritte machen werde! O, ich danke Dir schon im Voraus für Alle; denn nun sehe ich sie schon im Glücke weinen vor Freuden; o, ich danke Dir, ich danke Dir!"

04. Rede Ich: „Aber liebster Freund und Bruder; Ich habe nun immer gewartet, daß du für dich selbst auch etwas bitten möchtest; aber es kam nichts dergleichen zum Vorscheine! willst denn du nicht auch so ein bischen glücklicher sein, als du nun bist?!"

05. Spricht Max Olaf: „O Du himmlisch lieber guter Freund! Sieh', ich bin schon also beschaffen, wenn ich nur Andere glücklich sehe, da bin ich ja auch schon glücklich in dem Anschauen des Glückes derer, die mir am Herzen liegen! Ich war ja auf der Welt auch nicht um ein Haar anders; ich vergaß eben darum stets für mich zu sorgen, weil mir nur das Glück Anderer am Herzen lag! Ich habe es darum mit meinen eigenen Glücksumständen freilich nie weiter bringen können, weil ich alles, was ich hatte, nur für Andere hatte, und was ich that, nur für Andere that! Daher mußt Du, liebster bester Freund, es mir hier schon nicht für übel nehmen, so ich zu Dir blos nur für Andere um Deine Gnade bitte, und vergaß dabei meiner fast also, als bedürfte ich derselben etwa weniger, als Jene, für die ich Dich gebeten habe! O ich bedarf derselben wohl gar sehr; aber ich warte gerne darauf, so ich nur die Andern glücklich sehen kann!"

06. Rede Ich: „Höre, liebster Freund und Bruder! Ich fragte dich darum nicht umsonst, denn Ich wußte es wohl, wie dein Herz beschaffen ist, und wie es mit dem Meinen in der größten Harmonie stehet; Ich fragte dich aber nicht, als wüßte Ich's nicht, sondern um dein Herz für etwas vorzubereiten, was zu fassen du nun noch nicht fähig wärest; aber Ich Selbst werde dich bald fähig machen! — Gehe aber nun hin, und bringe sie her, die dir am Herzen liegen! Lasse aber noch von Mehreren dein Herz belasten; und ich sage es dir — Alle die du Mir herbringen wirst, sollen angenommen werden! — Verstehst du das? Ja, du verstehest es; daher gehe hin, und bringe sie Mir Alle ohne Ausnahme hierher!"

07. Max Olaf verneigt sich nun wieder tief vor Mir und kehrt zu den Seinigen zurück. Als er dort sehnlich erwartet zurückkommt, so fragt ihn der Baron gleich, wie er bei Mir aufgenommen wurde und wie seine Bitte?

08. Spricht Max Olaf: „Meine lieben Theuren Alle! ich sage euch, allerbestens! nicht nur ihr allein, sondern so viel sich ihrer uns anschließen wollen, werden bei Ihm die Aufnahme finden! Daher lasset uns ein wenig unter dieser Menge herumlavieren, ob sich nicht Jemand vorfinden dürfte, der sich uns anschlösse!?"

09. Spricht der Baron: „O Sie lieber Freund, sehen Sie da gleich hinter der Emma noch ein paar weibliche Wesen, es sind meine ältern zwei Töchter, und hinter ihnen ihre Gatten, und daneben noch ein paar treue Domestiken, vielleicht würden sie auch angenommen, so sie mit uns hingingen?" — Spricht Max Olaf: „Nur her mit ihnen, was mit uns geht, wird angenommen, denn ich habe dafür Sein göttlich Wort! Aber wir müssen uns nun um noch Mehrere umsehen."

10. Spricht der Pathetikus: „Hören Sie, mein allerwärmster Freund! da weiß ich ein Mittel: wir gehen unter die uns bekanntere Menge und machen unter ihr einen allgemeinen Aufruf! Wer sich dem fügen will, der wird uns auch folgen; wer sich aber dem nicht fügen will, no, der bleibe zurück! nöthigen, glaube ich, sollen wir gerade Niemanden!?"

11. Spricht Max Olaf: „Oh, vom Nöthigen ist da durchaus ja ohnehin keine Rede; aber erklären müssen wir es ihnen doch, warum wir von ihnen zu ihrem höchst eigenen Wohle so etwas wünschen! Und eine solche Erklärung wird hoffentlich doch keine Nöthigung sein?!" Spricht der Pathetikus: „Je nachdem man die Sache nimmt, und je nachdem die Erklärung gestellet ist. Eine zu magere Erklärung wird wenig Effekt machen; eine durchdachte und wohlbegründete aber ist eben so gut eine Nöthigung, als was immer für eine andere Macht, und der Wille des Beredeten ist kein freier mehr!"

12. Spricht Max Olaf: „Freund! Sie greifen da sehr weit aus; wenn man das alles eine Nöthigung nennen würde, wodurch Menschen auf andere Ideen, Begriffe, und dadurch auf andere Entschließungen gebracht werden, da müßte ja auch aller Unterricht verbannet werden; denn durch den Unterricht kommen die Schüler, die doch auch mit einem freien Geiste begabte Menschen sind, ja auch zu ganz andern Ideen, Begriffen und Entschließungen, durch die ihr erstes ursprünglich rein sinnliches Wollen eine ganz entgegengesetzte Richtung bekommt! Und ich meine, daß das etwas sehr Gutes ist? So aber die Unterrichtsnöthigung dem menschlichen Geiste nur ersprießlich sein kann, und dieser eben durch sie erst zur wahren Freiheit gelangen kann, da sehe ich hier gar nicht ein, wie allda, im eigentlichen Reiche des Geistes, eine belehrende Erklärung die Willensfreiheit irgend eines Menschen gefährden solle oder könnte?! Seien Sie, mein lieber Freund, deshalb nur ganz unbesorgt; wenn daran etwas gefehlt sein solle, so werde ich es schon dort vor Dem verantworten, Der mir dazu Sein göttliches Wort gegeben hat! Bleiben Sie Alle hier noch eine kleine Weile ruhig, ich werde sogleich mich selbst an dieses Werk machen, und werde mein treues Wortnetz unter diese Fische hineinsenken; fange ich etwas, so wird es gut sein, und fange ich zufälliger Weise nichts, no, so wird es denn also auch gut sein müssen."

13. Mit diesen Worten begiebt sich unser Max Olaf unter die Menge, und richtet an diese eine wohl dokumentirte Petition! und bei Zwanzig an der Zahl schließen sich ihm an, während die Andern murrend sagen: „Nu, waon Aber hin wulln, wer' Aber wuhl selbst'n Weg findn! Mi brauche kan extra sich Patzigmacher dobei!"

14. Max Olaf solches vernehmend, kehrt mit seinem Fange sogleich aus der Menge zu den Seinen zurück und sagt voll Freuden: „Nun sehet, liebe Freunde, mein Fischfang ist recht gut ausgefallen und ich bin darob voll Freuden! Nun ziehen wir aber auch sogleich zu Ihm hin; ja zu Ihm, Der uns Allen allein helfen kann und auch helfen wird! Denn dafür und dazu habe ich Sein göttliches Wort!"

15. Spricht der Pathet.: „Aber ich begreife nicht, was Sie, mein theuerster Freund, immer von Seinem göttlichen Worte reden! wie kann denn ein wenn schon auch ganz vollendeter Menschengeist ein göttliches Wort haben und geben? Oder halten Sie Ihn denn im Ernste etwa für so eine Art Apollo?!"

16. Spricht M. O.: „Ja, ich sage es Ihnen ohne Scheu: Aut Caeasr aut nihil! entweder Er, oder sonst Keiner! Seine an mich gerichteten endlos großen Worte, fielen bei mir durchaus nicht auf Sand und Fließpapier, sondern in alle Tiefe meine Herzens; und dieses sagt mir nun stets: Er und sonst ewig Keiner! Verstehst du diese Kraft? So fragt mich mein Herz. Und mein Geist antwortet: Ja! Herz! Den du liebst, Der ist es, und außer Ihm ist Keiner mehr! — Aber nun nichts weiter davon, sondern auf und zu Dem hin! Heil dem, der mir folgt!"

17. Spricht in der Schnelligkeit der Pathetikus: „Muß wahrlich um Vergebung bitten, mein sonst schätzbarster Freund! unter solcher Aegide kann ich Ihnen nicht folgen! Einen Menschen als einen sogar alleinigen Gott ansehen!? fürwahr, das ist mehr als zu viel und zu stark! Ich habe gegen Seine Ihnen gar so auffallende Weisheit und innere Willenskraft nichts einzuwenden, wie auch gegen Seine Güte nichts; denn die Lerchenfelderin macht sich unter Seiner Güte famos; aber gegen Seine von Ihnen uns angezeigte Gottheit muß ich einen Protestanten machen! Im Moses heißt es: du sollst allein an Einen Gott glauben! und hören Sie ferner, was Moses an einem andern Orte spricht, eigentlich Gott zum Moses, als er Ihn zu schauen verlangte: Gott kann Niemand sehen und leben, denn Gott ist ein verzehrend Feuer! Und hören Sie weiter, was der weise Jude Jesus, den Sie auch für einen Gott halten, selbst an einer Stelle, glaube im Johannes, spricht, indem Er sagt: Es habe die Gottheit wohl nie Jemand gesehen, aber wer sein Wort hörete, es annehme und darnach handeln möchte, der würde dadurch den Geist Gottes in sich aufnehmen, und dieser in ihm wohnen! Sehen Sie, ich bin auch ein wenig ein Orthodox und bin mit der Bibel so ziemlich vertraut; aber das steht nirgends darinnen, daß ein Mensch, oder auch sein Geist, wenn er auch aus Gott ist und sich göttlicher Vollkommenheiten zu erfreuen hat, darum auch schon das allerhöchste im ewig unzugänglichen Lichte wohnende Gottwesen Selbst wäre! Und da Sie, mir sonst stets gleich schätzbarster Freund, eben von jenem Lerchenfelderin—Verschönerer das zu behaupten scheinen, so kann ich wirklich nicht mit Ihnen gehen!"

18. Spricht Max Olaf: „Lieber Freund! thun Sie nun was Sie wollen; Sie haben schon früher gegen eine Nöthigung protestirt, und so werde ich Sie auch fürderhin gar nicht mehr zu was immer bereden!"

76. Kapitel. Der aufrichtige Stiefelputzer, die unwillkommene Mierl und große Seelenwäsche des Pathetikus. Der gekränkte Hochmutsgeist verläßt seine himmlische Gesellschaft.

01. Tritt darauf der schon bekannte Franz zum Pathetikus, der weiland auf der Welt sein treuer Stiefelputzer war und sagt: „Mir san hier wuhl olli gleich, ober i sog zu Siener denno Euer Gnodn! Hörns, Se sann holt do akradi a so, wia's af dr Welt woarn; un das kimmt mi hold a so vur, als waons net recht war, verstängens mi! Af de Welt woarns freili a reacht großer Herr, und woarns dozu a no blitztausendelementsakrisch reich, zu welche Reichthum Ihm freilich ihre Genädige z'meist verhulfe hod; ober mit oll den ist hiatzt goar, denn mer san do in de Geisterwelt, verstängens mi?! un do hoaßts hiatzt net hopertaschi sein! do muaß a nijederner schön dehmiethi sein, sist giebt's spanische Mucken und an Loxenburger Spargl! De guate Herr do mants guat mit uns, und hot uns a bißl a Lichtl gmocht, un do moan i hold, des sulle wiar net so leicht obe schlucken ols ani spanische Wind!? — Gängens Se nur mit uns, i moan, 's wird sener Schode net sein! und do schans her, senre liebe Mierl is a do, wißn's, de Sei holt so nebe senre Genädigen ghobt hobn, verstängens mi!? — un do moan i holt, wo Ihre Mierl is, do sulle Sei a net fehle! Woas moanens denn?"

02. Spricht der Pathetikus ganz indignirt: „O du verfluchte Hauptwäsche! Das Fegefeuer scheint schon da zu sein, und so dürfte die Hölle auch nicht gar zu weit weg sein! das ist aber ja doch rein zum Teufels werden! Jetzt ist das Luder von einer Mierl auch hier, und mein gottseligs Weib dazu! No, no, die Sache wird sich machen! Ist mein Weib doch ein paar Jahrln vor mir in die Ewigkeit spazieren gegangen, und ich glaubte, weil sie in ihrer letzten Zeit gar so ligorianerisch fromm geseufzet hat und also selig in dem Herrn entschlief, daß sie schon längst wo auf einer Himmelswolke herumschwebt!? aber nein, sie ist hier, und das noch 100 mal elender als auf der Welt knapp vor ihrem Tode! allein, das hätte mir wenig oder gar nichts gemacht. Aber jetzt kommt auch noch zum größten Ueberflusse mein Ludersmensch hinzu, die ein Maul wie ein Schwert hat! No, das ginge einem noch ab, mit so einer Gesellschaft hin zu jenem Manne zu gehen, Der mir schon ehedem ganz unzweideutig zu verstehen gab, daß ich noch sehr gedemüthigt werden solle; aber ich rieche nun den Braten, und werde mich weise zu hüten wissen, mit dieser Gesellschaft hinzuwallen vor den Magier und vor die verklärte Lerchenfelderin; muß man aber in dieser Sauwelt auch mit allen Anujantitäten zusammen kommen! Also mußte aus dem frühern Max O. sich auch mein ehmaliger irdischer Oberste und Freund herausdrechseln, der auch in alle meine Geheimnisse eingeweiht war, und aus dem Traumdeuter mein Herr Schwiegerpapa mit seiner ganzen Sippschaft im Hintergrunde! O Kruzifix Donnerwetter; wenn das nicht Fatalitäten non plus ultra sind, so weiß ich nicht mehr, was man noch fatal nennen solle!? Vielleicht kommen noch meine andern zeitweiligen Amoretteln und allerlei Gruppirungen, die ich mit ihnen per Jux manchmal machte?!"

03. Solches redete der Pathetikus wie in sich hinein; aber es vernahmen die Umstehenden auch seine Worte und sein Weib trat hervor und sagte recht sanft zu ihm: „Johann! ich wußte es ja auf der Welt, wie dein Leben beschaffen war, und das war auch der Grund der Disharmonie, die zwischen uns Beiden in der letzten Zeit mit geringen Unterbrechungen obwaltete; aber ich habe dir am Ende dennoch Alles vergeben! Mache daher aber du denn nun hier gut vor Gott an mir, deinem irdischen Weibe, das dir aus purer Liebe alles, ja sogar die Liebe ihres Vaters geopfert hat! fürchte mich ja nicht, denn ich werde dir wohl ewig keine Vorwürfe mehr machen! folge aber nun auch Dem, Dem allein zu folgen du auf der Welt mir stets vorgabst! Wie oft hast du mich und mein Haus des stinkendsten altaristokratischen Hochmuthes beschuldigt, und sieh, nun hier, im Reiche der Demüthigung, bist du 100 mal hochmüthiger als ich, und alle meine Angehörigen! Wie kommt denn das?"

04. Der Path. Johann stutzt, murrt in sich hinein, und sagt nichts auf diese sanfte Anrede seines Weibes! —

05. Da tritt aber die Mierl hervor und sagt (zu ihr): „I bitt Euer Gnodn tausendmol um Verzeihung, doss i Seanern Mann ghobt hon! i bin sonst alliwal a guats und bravs Diandrl geweßt; aber wie beim Sperl draußt hob i amol Seiner Herrn kennen gelernt, weil er mir goar so zugsetzt hot, und hot mi af Tod und Lebn s' Heurathe schriftli versproche! un do hon i holt gmoant, 's kinnt v'leicht do miagli sein! Und der Sausackre hot mi von an Johr zum andern schön bei der Nose herum zogen, und vom Heurothe woar goar kane Red mehr; ober do hob i nix gwußt, daß dieser Sausackre verheuroth woar! Schan sie, dos hob i erst hiatzt ghört! ober hiatzt gfreuens Ihne a, wia i den Sausackre meine Manung söge werd; — Na, der sull af seine 1000 Mol betrogne Anna Mierl denken!"

06. Darauf wendet sich die Mierl zum Path. und spricht: „No, Sei Sausackre von an holbenglischen Wosserfiacker, und nochr hiar do, i moan in Wean, wia Aber no af der Welt woarn, so a pensnirter Frierschitz oder wos Sei woarn! woas moannes epr, woar Sei san?! Jenem Gneadige kunts schun an Antwurt gebn, de Sei af dr Welt so damisch aongschmiert hon?! Redns hiatzt, waos a Guraschi hobn, Sei damischer Sausackre Sei! Wisse Sei, wos Sei mi olles gsogt hobn, und wia Sei a lediger Herr san, und wos für a Mengi Geld Sei hietn! — O Sei damischer Sausackre Sei! schans, waon Sei schon a so an groaßer Herr warn, wie Sei mi angloge hobn, und hietn Sei goar a so a groaße Ehr in Seinern Leib, do wärn Sei do unmiegli goar a so a damischer Sausackre gwest; wissns, waon i mi net hellicht schaomen miaßt, i söget Seinrer gneadige Frau olles, wos Sei blos nur mit mier olles tribn hobn, Sei damischer Sausackre Sei! Hobn Sei irnern Frau nie die schön Klader zagt, de Sei gaonz agns für mi hon moche losse, woibei Sianer bold ols a Tirkin, bold ols a Spaningerin, bold ols a Französin, bold ols a Schweizerin und bold ols Gott waß wos ols hob erscheinen miaße, und woß Sei damischer Sausackre Sei nochr ols mit mier tribn hon!? und hobn Sei seanem Gneadigen net gsogt, wia Sei olli Woche bei Sener a gaonze Mengi allerlei Menschergfraß hobn zsaom kemme lossen; dei sich nocher hobn als allerlei Gfraß aonziache miaße, und nocher vur Seiner wia epr vur an türkische Pascha allerlei Corawecke und Schponbonade moche, doß Sei af dei Art nocher reacht wuhllüsti hobn wern kinnen, Sei damischer Sausackre Sei! Geltens, dos hobn Sei Seaner gnä. Frau gwiß net gsogt? Na woartes mar no a bißli, i wer Seiner gnä. Frau schun no mehr soge! denn hiatzt kriag i erst a reachte Gift af Sei, wal i waß, doß Sei damischer Sausackre Sei so an ehrsams guats Wieberl ghobt hobn!"

07. Max Olaf solches vernehmend, tritt zum Path. hin, unterbricht die Mierl und spricht: „No, no, lieber Freund, da kommen ja recht löbliche Histörchen über Ihren irdischen Lebenswandel zum Vorscheine! Wahrlich, davon habe ich selbst von Ihnen nie etwas vernommen! Das ist schön, das ist wirklich sehr impertinent schön! Ja, jetzt verstehe ich so Manches, was ich sonst nie verstanden hätte! Also solche Treue und Liebe erwiesen Sie Ihrem guten Weibe?! O Sie Haupt—Schweinpelz von einem Ehrenmanne! Hinc ergo illae Lakrimae!? Ja nun weiß ich warum Sie jene Helena (Lerchenfelderin) so scheuen! Sie wird vielleicht wohl auch einige Male zufällig theil an ihren sauberen Paschafesten genommen haben?! und es wird Ihnen daher hier auch gar nicht angenehm sein können, sich nun mit mir dorthin zu begeben, wo man Sie etwas besser zu kennen scheint, als wie ich Sie je gekannt habe?! Ja, jetzt wird mir so Manches klar! z. B. daß Sie Samstags Nachmittags nie zu haben waren; und so man Sie fragte, was Sie denn Samstags zu thun hätten, so erwiederten Sie allzeit, daß Sie an diesem Tage allzeit ihre wichtigen Rechnungen zu machen und in ein Protokoll einzutragen haben! Also, das war so ganz eigentlich Ihr löbliches Samstagsgeschäftchen!? Schön, schön, o das ist wahrlich sehr schön! Freund, wenn ihre ehmännischen Aktien also stehen, und Sie dabei doch noch als ein Mann von Ehre dastehen wollen, so muß ich Sie nun wirklich bitten, nicht mit mir sich zu jenem reinsten und heiligsten Menschenfreunde hinzubegeben! denn mit solch einer Ehrenmannschaft will ich wahrlich, besonders vor jenem Heiligen dort, Nichts zu thun haben! Auch müßte ich eine verdammt geringe Achtung vor jenem Heiligen haben, so ich Ihm so einen Ausbund von einem Schweinpelze vorführete! Thun Sie, nun, was Sie wollen; ich für mich aber werde mich weislich zu hüten wissen, mit Ihnen noch fernerhin einen Umgang zu pflegen!

08. Arme Emma! hätte ich das auf der Welt gewußt, welch einen Schweinpelz von einem Manne Du hattest, da hätte ich Dir sicher keine Ehrenbeleidigungsstrafe diktirt; Du weißt es, bei welcher Gelegenheit?! — Gehet aber nun Alle mit mir hin zu jenem großen und heiligen Menschenfreunde; dort solle euch Alles vergolten werden, was ihr je nur im entferntesten Sinne von mir irgend ein Unrecht erlitten habt! Aber dieser Schweinpelz solle gehen, wohin er will!"

09. Spricht der Baron: „Nein, das hätte ich von diesem Menschen auch nie geglaubt! So bleibt es denn doch allzeit wahr, was ich meinen Kindern auf der Welt so oft vorgepredigt habe: Was gemein ist, das bleibt gemein, und erhebt sich selten oder nie über den Schlamm seiner angeborenen Schändlichkeit; natürlich keine Regel ohne Ausnahme! Aber geschehen, ist geschehen; wir wollen ihn zwar nicht richten, aber für unsere Gesellschaft taugt er auch hier in dieser Welt nicht mehr! (sich zum Pathetikus wendend) „Gehen Sie von uns, und meiden Sie unsere Gesellschaft! Dort unter dem gemeinsten Proletariate ist für Sie der tauglichste Platz! Vielleicht finden Sie dort noch einige Göttinnen, die Ihnen bei Ihren saubern Paschafesten den Nektar kredenzt haben!"

10. Spricht der Pathetikus ganz erbost: „Man wird sich derlei Präsumtionen und Anherrschungen etwa wohl auch hier zu verbieten das Recht haben?! — Hat etwa nicht auch mein sauberes Weib alle Samstage Gesellschaften gegeben? ob sie dabei Betrachtungen à la Ignatius von Lojola gemacht hat, das weiß ich wahrlich nicht! Im Uebrigen hat mir hier Niemand etwas zu gebieten, was ich thun oder nicht thun solle! Denn ich glaube, daß ich nun keines Vormundes mehr bedarf! Ich verbitte mir aber auch für die Folge alle im höchsten Grade undelikaten Bemerkungen; denn ich werde schon selbst wissen, was ich zu thun habe! Uebrigens brauchen Sie mir gar nicht zu bedeuten, als wäre ich nun für Ihre hochadelige Gesellschaft zu gemein, und somit gar nicht mehr Werth ein Glied derselben zu sein! denn ich selbst danke nun meinem Gotte, solch eines Gesindels auf eine so gute Art ledig geworden zu sein! Zum Glücke sehe ich dort mehr im Hintergrunde mehrere gute Bekannte; und mit denen werde ich sicher ehrenhafter daran sein, als mit euch, ihr eingebildetes hochadeliges Lumpengepack!?" —

11. Mit diesen Worten verläßt der Path. diese Gesellschaft, und begiebt sich sogleich zu seinen Bekannten hin. Die Emma will ihn aufhalten, aber er stößt sie zurück und eilet davon.

12. Max Olaf aber sagt: „Lasset ihn ziehen; vielleicht zieht er zu seiner Erstehung, oder zu seinem Falle! Wir aber wollen den Herrn dort bitten, daß Er ihm Gnade für Recht möge angedeihen lassen; und so begeben wir uns denn hin zu Ihm, dem Retter der Menschen!"

77. Kapitel. Olafs Fürbitte bei Jesus. Sein gutes Bekenntnis von der Gottheit Jesu und seine völlige Hingabe in dessen Willen. Sättigung der armen Seelen.

01. Etliche Zwanzig an der Zahl bewegen sich an der Seite Max Olafs hin zu Mir, und der Anführer bei Mir ankommend und sich tief verneigend, spricht: „Mein HErr, und mein allerhöchster Freund! nach Deiner gnädigsten Beheißung habe ich, wie Du es hier ersiehst, eine kleine Werbung, die mein Herz ausgeführt hat, hier vor Dich her gebracht!

02. Einer zwar wollte nicht mit kommen, weil ihn einige Individuen wegen zu großer Bekanntschaft mit seinen irdischen Lebensverhältnissen zu sehr genirten; aber ich meine da, daß er darum doch noch nicht völlig verloren sein werde? Denn Du bist ja der eigentliche Herr dieses Hauses; und wer einmal Dein Haus betreten darf, der, glaube ich, kann doch unmöglich verloren gehen?! Er war auf der Welt im Grunde nie ein böser Mensch; seine Hauptschwäche war sein Fleisch, und da er leider der irdischen Mittel in großer Menge besaß, so verfiel er dabei in einen Wust von allerlei Begierlichkeiten, die er auch bald und leicht ins Werk setzte. Ich muß es offen gestehen, daß sie mir nicht gefallen, und machen seinem Geiste wahrlich keine Ehre; aber was kann man nun machen? Verübt sind sie einmal! und so glaube ich, daß er wohl in Zustände kommen möchte, die ihm zur Besserung und zur gerechten Demuth verhelfen dürften; aber ihn darum etwa zu richten und zu strafen, das käme wenigstens mir doch etwas zu hart vor?!

03. Uebrigens sind das blos nur meine Ideen und Meinungen, mit denen ich Dir, o Herr, nicht im Geringsten vorgreifen möchte! Denn Dir gegenüber sage ich blos nur: O Herr, o Freund! was Du willst, das geschehe!"

04. Rede Ich: „Ich sage dir aber, daß hier deine Meinungen und Ideen sehr gut, und daher auch gar sehr zu brauchen sind. Aber mit dem Geiste wird noch so Manches geschehen müssen, bis er zur wahren Einsicht und Besserung gelangen wird! — Ich will auch von seinem irdischen höchst unkeuschen Lebenswandel gerne nichts sagen, obschon er sehr geeignet wäre, ihn um das ewige Leben zu bringen; aber dieser Geist ist auch zugleich voll des sehr stinkenden Hochmuthes und voll des verderblichsten Uebermuthes; und siehe, da sieht es beiweitem schlimmer für diesen Geist aus, als wie du es meinen möchtest. Der Sinnlichkeit kann bald ein taugliches Mittel das Ziel setzen; aber dem Hoch— und Uebermuthe ist auf dem Wege der ungebundenen Freiheit wohl nur sehr schwer, oder aber auch wohl gar nicht beizukommen! — Doch wir werden sehen, was da zu machen sein wird.

05. Was solle Ich aber nun diesen deinen Mitgebrachten thun? — sage es Mir ganz unverholen!"

06. Spricht Max Olaf: „Herr! Was Du zufolge Deiner mir unbegrenzt vorkommenden Güte nur immer willst! Denn Deine Weisheit geht über Alles; Deine Güte kennt keine Grenzen, und vor Deinem Willen werden Welten zum Staube!"

07. Rede Ich: „Aber lieber Freund, wie Ich es aus deinen Worten merke, so hältst du Mich ja sogar für das allerhöchste Gottwesen!? sage Mir doch, woher kommst du zu solch einem Glauben?!"

08. Spricht Max Olaf: „Herr! zu diesem wohlgegründeten Glauben, eigentlich nicht mehr Glauben, sondern zu dieser wohlbegründeten Anschauung gelangte ich ehedem eben durch Dein heiliges göttliches Wort! Denn Worte, wie die Deinen, so voll Wahrheit, so voll der höchsten Kraft, Weisheit und Liebe, zeiht keines geschaffenen Geistes Zunge! Daß die Gottheit Selbst in Ihrem innersten Urwesen Niemand schauen kann und leben zugleich, das weiß ich recht wohl! Denn welcher endliche Geist könnte wohl je das unendliche Gottwesen schauen, und leben zugleich?! — Aber die Gottheit, die durch Moses redete, lehrte nach etlichen Jahrhunderten in aller Ihrer Fülle aus dem Menschensohne Jesus; und Dieser sagte: „Ich und der Vater sind Eins, wer Mich sieht, der sieht auch den Vater!" — So also aber Jesus das lehrte, und Seine Jünger Ihn gar wohl schauen und hören durften, ohne daß sie dadurch ihr Leben einbüßten, so sehe ich wahrlich gar nicht ein, wie man sich Gott in einem ewig unzugänglichen Lichte vorstellen solle oder könnte?! Dazu kommt noch, wie es mir nun ganz untrüglich vorkommt, daß Du eben derselbe Herr Jesus bist, Der uns Allen solch eine allererhabenste Lehre gegeben hat!? und so bin ich ohne der geringsten Täusche schon mit meinem Herzen, und mit meinem Glauben, und untrüglichsten Dafürhalten schon waidlichst am rechten Platze und Orte! Und ich meine, ich werde, je mehr ich Dich mit Herzen und Augen anschauen werde, nicht nur nie das Leben verlieren, sondern dasselbe nur stets mehr und mehr gewinnen!? Habe ich recht oder nicht?"

09. Rede Ich: „Ich sehe schon, daß du in deinen Behauptungen fest und unerschütterlich bist, und so muß Ich dir's vor der Hand schon gelten lasten, was und wie du von Mir das Außerordentlichste und Höchste haltest; die Folge aber wird es dir erst ganz klar machen, worin du nun noch in irgend einem Zweifel sein könntest. Im Uebrigen aber sei du Meiner Liebe und Freundschaft für ewig versichert! —

10. „Saget Mir! habt ihr keinen Hunger, und keinen Durst!?"

11. Sprechen Alle: „O du bester himmlischer Freund! mehr als wir brauchten, um auf der Welt vor Hunger und Durst hin — zu werden! Wenn wir so eine kleine Stärkung haben könnten?! O, wie würde das unsere Gemüther aufrichten! — Darum sei so gut und lass uns nach Deinem besten Willen so etwas zukommen!"

12. Ich winke dem Blum, dem J. M. und B., daß sie Brod und Wein diesen Armen reichen sollen, was dann auch alsogleich geschieht.

13. Mit großer Verwunderung, und mit tausend Dank und Lob essen und trinken diese Max Olaf'schen Herbeibringlinge; und als sie gar bald sehr gesättigt und gestärkt dastehen, spricht Max Olaf: „O Herr! Nun stehe ich vor Dir hier, ohne allen Zweifel; Du bist es, und sonst ewig Keiner mehr! Dir allein sei alle unsere Verehrung, Anbetung und Liebe!"

14. Diese Olaf'schen Worte wiederholen alle die Seinen, die er mitgebracht hatte. Blum lächelt vor Freuden über solch' eine schnelle Zurechtbringung sonst von der Welt sehr perturbirter Gemüther; auch der Dr. Becher, und der M. verwundern sich nun ganz gewaltig, daß ihnen der M. Olaf mit seiner Gesellschaft vorgekommen ist; auch unsere Helena (die Lerchenfelderin) fällt vor Mir nieder!

78. Kapitel. Jesu Mahnung zur Vorsicht bei geistig Halbblinden. Ankündigung eines himmlischen Großrats in betreff der Erdengeschicke. Jesu Größe, Einfachheit und Güte. Eine kleine Liebesszene. Himmlische Ratssitzung.

01. Ich aber ermahne sie aus guten Gründen, daß sie nun davon nichts sollen merken lassen, was sich ihnen aus besonderer Gnade eröffnet hatte! Und sie verstehen Mich, und schweigen, während ihre Herzen stets mehr und mehr zu erkennen anfangen.

02. Der Helena geschieht es aber am schwersten, daß sie schweige; aber der Jellinek sagt zu ihr: „Geliebteste Schwester, brenne innerlich, wie du willst und kannst; aber dem Außen nach mäßige dich, Derjenigen willen, die hier noch blinden Herzens sind, auf daß über sie wo möglich kein Gericht ergehe! Wir werden aber nun einen großen Rath halten, wie es mir der Herr ehedem insgeheim anvertrauet hat; und dabei müssen wir so ruhig als möglich uns verhalten, auf daß Die ja nichts merken, die noch nicht erkennen, daß der Herr alles Lebens ihnen gar so überaus nahe ist! Daher sei also ruhig!"

03. Spr. Helena: „Was sagtest du von einem geheimen Rath halten? Was wird denn da berathen werden?! O Gott, o Gott! Dahinter muß gewiß sicher etwas Großwichtiges stecken?!"

04. Spr. Jellinek: „Ja, ja, etwas sehr Großwichtiges! Ich sage dir: Wehe allen Hochmüthigen, Herrschsüchtigen, allen Mördern und Menschenschlächtern, und Wehe denen, die auf den Thronen sitzen! Ich sah ehedem eine ungeheure Menge zorniger Engel mit flammenden Schwertern sich auf die Erde hinabstürzen, und eine Stimme hallte donnernd ihnen nach: „Alle Meine Geduld ist zu Ende; darum keine Schonung mehr! Denn die Großen suchen Hülfe nicht bei Gott, sondern in ihren vielen Waffen; und die Kleinen heulen, und knirschen mit den Zähnen, und kehren auch nicht um zu Gott, von Dem alle Hülfe kommt! Daher keine Schonung mehr!" Und sieh, darüber wird nun Rath gehalten werden, weil nun alle Himmelsmächte in Bewegung gesetzt werden; daher mußt du also doppelt ruhig sein!"

05. Spr. Helena: „Ja, ja, ich bin schon ruhig, aber was wird da herauskommen?! o schrecklich, o schrecklich!!"

06. Spr. Jellinek: „Ja, meine allerschätzbarste Schwester Helena, da geht es nun ganz kurios anders zu, als es in Wien zugegangen ist, als wir Beide seligen Andenkens noch im Fleische uns unter den Freiheitskämpfern befanden! Denn hier gilt es im vollkommensten Sinne der unerschütterlichsten Wahrheit entweder — Leben oder Tod, oder — Himmel oder Hölle. Der Herr der Unendlichkeit, der allmächtige Schöpfer Himmels und aller Welten ist hier unter uns, und Seine zahllosen Myriaden von mächtigsten Dienern werden, wenn auch uns nun noch nicht sichtbar, sicher nicht ferne von hier Seiner heiligsten Winke harren! Und so kannst du dir schon im Voraus einen kleinen Begriff machen, wie unaussprechlich heilig und großwichtig nun dieses große Zimmer ist, wo der Herr Himmels und aller Welten nun Beschlüße unter uns, Seinen jüngsten Freunden, faßen wird, von denen alle künftigen Zeiten und Ewigkeiten abhängen sollen! No, was denkst du dir nun, wenn du diese Sache so recht beim wahren Lichte betrachtest?!"

07. Spr. die Helena: „O sieh, lieber Freund! ich kann die zu erschreckliche und die unendlichste Wichtigkeit dieses Platzes gar nicht faßen! Es ist nur unbegreiflich, wie in Ihm, da Er doch nichts von irgend einer besonders göttlich allmächtigen Auszeichnung zur Schau trägt, doch eine gar so allerunbegreiflichst allerhöchste Kraft und Macht vorhanden sein kann, und wie Er mit einem Blicke die ganze ewige Unendlichkeit vom Größten bis zum Allerkleinsten gar so unaussprechlich scharf übersehen kann!? Er steht da unter uns, als wären wir die Einzigen, mit denen Er Sich nun abgiebt; gar so anspruchslos, gar so gut, zuvorkommend, und gar unbeschreiblich lieb ist Sein Benehmen! O Freund! welch eine unendliche Herablassung ist das!

08. und höre, welch ein Unterschied zwischen Ihm, dem allmächtigen, ewigen Herrn der Unendlichkeit, und zwischen den Machthabern unserer stinkenden Erde!? Er, Alles in Allem, ist voll Demuth, und erhöhet sich nie vor seinen Geschöpfen; aber die Mächtigen der Erde, du kennst sie, wollen von einer Herablassung, und von einer Demüthigung schon gar nichts hören; sie allein wollen alles sein, und alles haben; alle Andern aber kann der Teufel holen, wie und wann er sie nur immer will! wahrlich, bei solchen Regierungsaspekten muß die sonst so schöne Erde ja doch nothwendiger Weise in aller Kürze zu einer veritabelsten Hölle werden, aus der am Ende kein sterblicher Mensch mehr fürs ewige Leben wird gewonnen werden können!?" —

09. Spr. Jell.: „Ja, ja, du hast recht, und urtheilest gut und scharf; aber denke bei dir auch das hinzu, wie bei Gott gar unendlich viele Dinge möglich sind, die sich auch ein weisester Geist nimmer als möglich vorstellen kann, so wirst du all das Kommende mit einem viel ruhigeren Gemüthe mit anzusehen im Stande sein; denn siehe, alle unendliche Machtgröße liegt ja eben — nach Seiner höchst eigenen Belehrung an mich — in der unermeßlichen Größe Seiner Liebe; so aber des Allerhöchsten Höhe, Macht und Größe in Seiner Liebe steckt, so darf es uns bei Seinen noch so großen Vernehmungen und Beschlüssen ja nicht bangen; den was die allerhöchste und mächtigste Liebe thut, das kann doch unmöglich anders als — auch nur allerhöchst gut sein, und solle es äußerlich noch so ein erschreckliches Gesicht haben!"

10. Spr. die Helena: „Ich danke dir, du lieber Freund, für solche deine Belehrung! wahrlich, du hast mir nun wie einen schwersten Stein von meinem Herzen hinweg gewälzet! Aber sage mir noch: Wann wird denn diese von dir mir vorerwähnte allerhöchste Berathung anfangen?"

11. Spr. Jell.: „Sogleich, meine geliebteste Schwester! Sieh, die große Gesellschaft der Wiener Proletarier, die noch kein Licht zu haben scheint, wird dort soeben vom Blum in ein Seiten—Gemach zu treten bescheidet; nur die 24 Tänzerinnen, der Blum, M., B., ich und du und der Max Olaf mit seiner etlich Zwanziger Gesellschaft, wie auch jener Halbengländer, mit ebenfalls einem paar Dutzend echter Aristokraten dort ganz im Hintergrunde dieses Saales Posto fassend, diese werden bei der Berathung zugegen sein.

12. Sieh, dort aus einem andern Gemache kommen auch soeben Zwölf sehr weise aussehende Männer zum Vorscheine, und hinter ihnen noch Sieben Andere; diese werden höchst wahrscheinlich auch an der großen Berathung theil nehmen, und ein großer Tisch befindet sich auch schon in der Mitte dieses stets wie größer werdenden Saales; es ist somit schon Alles in der Bereitschaft da, und freue dich, die Berathung wird nun unverzüglich ihren Anfang nehmen."

13. Auf diese Belehrung des Jell. wendet sich die Helena ganz zerknirscht und nahe ganz bis zum Boden gebeugt zu Mir, und kann vor lauter Furcht nahe kein Wort herausbringen. Ich aber fasse sie am Arme und sage zu ihr: „Aber Meine allerliebste Tochter Helena, was machst denn du nun für ein Gesicht? Vor was, oder vor wem fürchtest du dich denn nun gar so gewaltig? Schau, schau, bin ja Ich bei dir! wie kannst du dich denn an Meiner Seite fürchten?!"

14. Spricht die Helena: „O Du mein Gott und Du mein Herr! ja, da freilich, wenn Du mir gut bist und mir auch gut bleiben magst, kann man sich nicht fürchten; aber wenn einem darauf gleich Deine alleinige endlos allerheiligste Gottheit einfällt, zu Der sich denn doch kein Sünder nahen darf, und auch nicht nahen soll; so kommts mir denn doch vor, daß Du unser Eins nur gar zu geschwinde verdammen könntest! besonders wenn Du etwa doch möglicher Weise so ein bischen in einen Zorn kämest; früher habe ich mich freilich nicht gar so gefürchtet vor Dir, weil ich da noch nicht gewußt habe, Wer Du so ganz eigentlich bist; ich hielt Dich für irgend einen ältern Heiligen nur, und dadurch auch, wie Du selbst sagtest, für einen intimen Freund Gottes, Der für mich bei Gott eine wirksame Vorbitte thun könnte! Aber jetzt, oh, oh, welch' eine schreckliche Enttäuschung! Bist Du Gott der Allmächtige! O weh, o weh, wer solle sich vor Gott dem Allmächtigen nicht fürchten!? Und jetzt wirst Du auch noch einen Rath halten, wahrscheinlich zum jüngsten Gerichtstage!? O Jemine, o Jemine! und da soll ich mich nicht fürchten, als eine so große Sünderin vor Dir?!"

15. Rede Ich natürlich in dem gutmüthigsten Tone von der Welt: „Also das drückt dich nun gar so sehr! Nun, wenn du denn nun schon eine gar so ungeheure Furcht vor Mir hast, so wirst Du Mich wohl auch nicht mehr lieben können und mögen? Was werd' Ich denn nachher anfangen, wenn du Mir die Lieb' etwa darum aufsagtest, weil Ich denn schon einmal der schreckliche Allmächtige bin?! Geh Helenerl und sag Mir, ob du Mich jetzt wohl auch noch so gerne hast, als wie früher, wo du Mich blos so für einen allenfalls heiligen Joseph oder Petrus hieltest?!"

16. Spricht die Helena etwas beruhigter: „O Du mein Gott, und mein Herr! Na — ist aber das doch eine Frage! Wenn's auf meine Liebe zu dir ankommt, so kannst du ja ohnehin in mein Herz hinein sehen, und da muß sich's ja gleich zeigen, ob neben Dir noch wer Platz in meinem Herzen hätt'! Dich lieb ich ja nur ganz allein, und früher hab ich den vermeintlichen Joseph oder Petrus ja auch nur Deinetwegen geliebt! Um meine Liebe zu Dir darf Dir wohl nie bang sein; aber mir darf es wohl bangen um Deine Liebe zu mir, wo ich eine so große Sünderin bin!"

17. Rede Ich: „Nun, nun, mein lieb's Helenerl! schau, jetzt werden wir Zwei schon bald wieder in der Ordnung sein. Wie wäre es denn, so Du nun probieren thätest — Mich wieder zu umarmen, und gar — zu küssen!?"

18. Die Helena wird hier ganz verblüfft, reibt sich die Augen, und spricht endlich mit ganz liebebebender Stimme: „H, hm, wär freilich unendlich süß, so was! — H, unendlich gerne hätt' ich dich freilich wohl! — aber wenn Du doch nur nicht gar so entsetzlich heilig und allmächtig wärest?!"

19. Rede Ich: „Ah, das macht nichts; thue Du nur, was Dein Herz will, und Du wirst Dich gleich überzeugen, daß Dir Meine Heiligkeit und Meine Allmacht nicht dein Nasenspitzchen wegbeißen wird!"

20. Als sie Mich gar so herablassend vor ihr sieht, vergeht ihr endlich alle Furcht, und sie fällt an Meine Brust und küßt sie, und spricht nach einer kleinen Weile: (Helena) „O Gott, o Gott! Da wär's freilich gut! wenn ich nur so die ganze liebe Ewigkeit verbleiben könnte!" Endlich erhebt sie sich wieder von Meiner Brust, und sagt: „Aber, aber! ist es denn wohl möglich, daß Du, o mein Gott und Herr, gar so unbegreiflich herablassend sein kannst!? Nein, nein! das hätt' ich auf der Welt alle meine Lebtage mir nicht einmal zu denken getrauet! Aber gar so gut, demüthig und lieb bist Du!!! — Nein, wer vor lauter Lieb' zu Dir nicht ordentlich hin wird, der ist gar kein Mensch!"

21. Rede Ich: „Nun, siehst Du, jetzt sind wir Zwei schon wieder in der schönsten Ordnung, und das freut Mich! Nun aber komme nur auch mit Mir an den Rathstisch; dort wirst Du gleich neben Mir sitzen, und uns mitunter auch einen Rath ertheilen, was etwa nun mit der gar schlechten Welt der Erde geschehen solle?!

22. Spricht sie: „Nein, nein, das geht nicht! ich — und Rath ertheilen! nein — das möcht' ein schöner Rat werden! ich und Rath ertheilen; nein, das ginge so hübsch zusammen!"

23. Rede Ich: „Nun, nun, mein liebes Helenerl, wir werden die Sache von dir aber ja auch nicht gar so strenge fordern; wenn Dir nur manchmal so etwas recht Gescheites einfällt, da sage es Mir, und Ich werde es dann, so Du Dir's nicht getrauetest, schon an deinerstatt der Rathsgesellschaft vortragen."

24. Spricht die Helena: „O Du, mein liebster Gott und Herr! wenn man Dich anschaut, und dich gar so — man könnte sagen, einfach weg reden hört, so kommt's unser Einem aber auch gar nicht vor, als wann Du unser allerliebster Herr Gott wärst; aber dennoch bist Du es, und das seh' ich jetzt klar! aber ich werd' darum jetzt aber auch so närrisch verliebt in Dich, daß ich vor lauter Lieb' aber schon g'rad zerplatzen könnt!! Ich möcht aber auch Einen kennen, der Dich nicht auf das allergewaltigste sobald möchte zu lieben anfangen, wenn er Dich nur einmal erkannt hat! Aber für ungut wirst du mir's ja doch nicht aufnehmen, darum ich nun gar so verliebt in Dich bin?! ich kann ja nicht dafür! Warum bist Du aber gar so unmenschlich lieb, herzlich gut, und aber gar so demüthig, bescheiden und herablassend!"

25. Rede Ich: „Nun, nun, sei Du nur verliebt, so viel Du kannst und magst, das ist Mir schon recht; aber wenn Du auch noch so verliebt in Mich wärest, so ist Meine Liebe zu Dir dennoch viel stärker, als die Deinige zu Mir, aber das macht auch wieder nichts; denn Ich, als Gott, muß ja stärker lieben können als wie Du, und das aus dem Grunde, weil Ich ja sonst auch stärker bin als Du, Meine liebste Helenerl! Glaubst Du das?!"

26. Spricht die Helena: „Nein, nein, ich bitt' Dich, sei doch nicht gar so gut mit mir, ich muß ja vor lauter Lieb zu Dir noch ganz zu Grund gehen!"

27. Rede Ich: „O, sorge Dich nur darum nicht, Du Mein Liebchen Du; wenn Du auch mitunter ein wenig schwach wirst, so macht das nichts; denn Ich habe ja eine Menge von allerlei Stärkungen bei Mir, die werden Dich schon wieder aufrichten! O, darum sei Dir nur nicht bange. — Aber jetzt heißt es sich an den Rathstisch begeben. Komme also nur mit, und setze Dich hier gleich neben Mich!"

28. Die Helena folgt Mir nun ganz bescheiden, und wird am Tische, zu dem sich nun auch die Andern setzen, ganz roth vor lauter sich scheniren; aber nach einer kleinen Weile fängt sie schon so mehr in dieser Gesellschaft sich zu finden an, und wird ganz aufmerksam auf den ersten von irgend Jemanden begonnenen Vortrag.

79. Kapitel. Die ehrwürdige Ratsversammlung. Jesu erste Frage: Was soll mit der Erde werden?! Adam, Noah, Abraham, Isaak und Jakob antworten.

01. Nach einer Weile allgemeinen Schweigens fragt sie (Helene) Mich ganz leise: „Herr! wer wird denn nun zu reden anfangen? und wer ist denn der gar so ehrwürdig neben mir sitzende Mann?"

02. Ich antworte ihr auch ganz leise: „Meine Liebste! Zu reden werde Ich Selbst anfangen, sobald aller hier Anwesenden Gemüther ganz zu der erforderlichen Ruhe gelangen werden; der neben dir sitzende Mann aber ist, weißt Du, der Vater Adam selbst, wie er vor ungefähr 6000 Jahren auf der Erde als erster geschaffener Mensch geleibt und gelebt hat. Neben ihm siehst Du den Noah, und nachher den Vater Abraham, dann Isaak, und dann Jakob; und dann siehst Du noch Zwei; der erste ist der Moses, und der Andere David; die Zwölf auf diese 7 folgenden nun sehr ernst aussehenden Männer sind die Dir wohlbekannten 12 Apostel; hinter ihnen stehen auch noch ein Paar, siehe, das sind auch noch zwei Apostel; der mehr Vordere ist der Paulus, und der etwas hinter ihm Stehende ist der Judas, weißt, der Mich verrathen hat. Die Andern kennst du ohnehin, und so weißt du nun, in welch einer gewiß sehr merkwürdigen Gesellschaft Du dich befindest.

03. Was aber diese Alle nun hier bei diesem Rathe werden zu thun haben, das wird dir am Ende der Berathung vollends klar werden. — Nun passe aber nur auf! die Gemüther der Gesellschaft sind nun zur gehörigen Ruhe gelangt, und so werde Ich nun auch sogleich zu reden anfangen; aber du mußt dich etwa ja nicht erschrecken, wenn Ich so manchmal ein wenig scharf reden werde, und hier vor uns so manche Erscheinungen vorüberziehen werden, die dir freilich keinen angenehmen Anblick gewähren werden; — aber da halte du dich nur fest an Mich, und da wirst du gleich wieder gestärkt sein.

04. Darauf wende Ich Mich zur Gesellschaft, und rede, also fragend: „Meine Kindlein! Meine Freunde! Ich, euer aller wahrer Vater, Gott und Herr, und Schöpfer der Unendlichkeit, frage euch: — Wie gefällt euch Allen nun die Erde? — Was wollet ihr, daß Ich ihr thun solle!"

05. Spricht Adam: „Herr, Du ewige Liebe! Die Erde war ärger nie, denn jetzt; aber auch Deine Liebe war größer nie denn jetzt! Thue ihr nach Deiner Liebe; denn sieh, das Meer, der Erde weitsehend Auge, ist blind geworden. Lege ein mächtig Feuer hinein, und lasse durch seine gewaltige Flamme Licht werden in den Abgründen, auf daß vor demselben sich alle Ungeheuer erschrecken sollen, und vergehen vor Schmach, die ihr endlicher Lohn für ihre schwarzen Thaten sein solle! — Also erkannte ich, und also sah und sehe ich es, als der Erde erster Mensch."

06. Darauf spricht Noah: „Herr! zu dem ich allezeit gebetet habe, und treu bewahret den Glauben und die Liebe! Als sich's vor etlich 4000 Jahren mein Bruder Mahal gelüsten ließ, von den heiligen Höhen seine Blicke in die Tiefe hinab zu senken, und zu machen eine Reise nach Hanoch, in der Drohuit und Fungha Hellan ihr Unwesen trieben, und getrieben haben, und als eine Tochter Mahals Königin ward in der Tiefe, siehe, da beriefst Du mich, und zeigtest mir zu bauen einen mächtigen Kasten, zur Rettung meiner kleinen Familie, und vieler Thiere, die Deine Macht aus allen Gegenden der Erde in den weiten Kasten trieb.

07. Ich that, wie Du, o Herr, es gewollt hast, und die Folge lehrte mich und mein Haus, wie gut es war, daß ich Dir unbedingt gehorcht habe! Damals war die Menschheit schlecht und arg, und förderte Böses um Böses auf dem Boden der Erde, und entweihte gräßlich das Werk Deiner Hände. Aber dennoch geschah damals alles, was da geschah, in irgend einer bestimmten scharf abgegrenzten Ordnung, und die Lüge, der Hochmuth und die satanische Herrschsucht schwellte nicht so nahe jedes Sterblichen Brust, als es nun in dieser Zeit der Erde der Fall ist.

08. Es waren damals die Menschen wohl auch grausam, und einzelne Thaten finden kaum ihres Gleichen wieder! Aber nun sind die Menschen zu Hyänen und Tigern geworden, und begehen Grausamkeiten, vor denen die ganze Unendlichkeit erschauert! Damals sandtest Du ein schrecklich Gewässer über die Sterblichen, und ersäuftest alle die Thäter des Uebels. — Was wohl wirst Du nun thun, o Herr? ich kenne aber die Größe Deiner Liebe; ich weiß es auch, daß es Dich gereuete damals die Menschheit ersäuft zu haben; denn es waren darunter ja auch viele Kinder, die noch der Mütter Brüste sogen; wird es Dich nun auch gereuen, die tausend Male schmutzigere Erde durch ein mächtig Feuer zu reinigen, auf daß sie wieder würdig würde, Tritte Deiner Füße aufzunehmen?!"

09. Noah schweigt darauf, und der alte Vater Abraham erhebt sich, und bittet um die Erlaubniß zu reden! Ich aber sage zu ihm: „Rede! denn Du hast die Verheißung überkommen, und diese muß erfüllet werden!" (Am 13. Mai 1849)

10. Spricht Abraham: „Herr! 1000 oder 10,000 Jahre sind vor Dir wie ein einziger Tag; denn aus Dir ging hervor Zeit und Raum, aber Du setztest Dich über beide, und die fernste Vergangenheit, wie die fernste Zukunft sind Dir gleich mir die Geschichte eines Tages! Liebe ist Dein Wesen, und die höchste Güte ist Deine Weisheit! — Weich wie Wolle ist Dein Gemüth, und sanft wie des Lenzes Abendhauch ist Dein Herz! Alle Deine Wege heißen Erbarmung, und Deine Führungen sind die Gerechtigkeit Deines Herzens!

11. Als ich im Lande Kanaan mit meinem Bruder stritt, um des Bodens Theil, da sahst Du an mein Herz, und fandest es bereit zur Nachgiebigkeit! und siehe, Du rührtest meine Seele an, und sie sprach zum Loth: „Bruder! frei sollst du wählen! siehe, groß ist der weiten Erde Boden; warum sollen wir also streiten um dessen vergänglichen Besitz? Ziehe du, oder bleibe! ziehst du gen Abend, so ziehe ich gen Morgen, auf daß Friede und Einigkeit zwischen uns herrsche, und zwischen all denen, die uns folgen werden; so du aber bleiben willst, da schwinge den Stab nach der Gegend hin, dahin du willst, daß ich ziehen solle; und siehe, ich werde thun nach deinem Willen! Aber hier beisammen können wir nimmer wohnen, indem du nicht auf den Wegen des Friedens wandeln magst!"

12. Und der Loth faßte meine Worte, und nahm sie zu Herzen, und sprach: „Bruder, ich habe mir den Abend erwählt; dahin will ich ziehen; dir aber stehet es frei, ob du bleiben oder ziehen willst, entweder nach Mitternacht, oder Mittag oder Morgen! Dahin du aber auch ziehest, da vergesse aber dennoch des Loth nicht!" Und wir segneten uns, und zogen — er nach dem Abend, und ich nach dem Morgen.

13. Aber Loths Volk erhob sich bald mächtig in seinen reichen Gauen, und baute Sodom und Gomorha, und fing an toller und toller zu werden. Ich sandte Boten an Loth, aber sie richteten nichts aus! Mehrere wurden getödtet, und die wenigen Zurückkehrenden brachten stets die übelste Kunde. Und siehe, in der Zeit hast Du wieder mein Herz geprüft, und fandest es gerecht vor Dir, und sandtest Boten aus der Höhe an mich, und diese thaten mir kund, was Du vorhättest mit Sodom und Gomorha! ich aber erschrak darob, und bat Dich um Schonung, und stellte Dir die möglichen Gerechten vor; aber Dein Auge fand sie nicht, außer allein den Loth! und siehe, diesen rettetest Du, o Herr, aber Sodoma und Gomorha ließest Du verheeren durch Feuer von Oben!

14. Als aber die beiden Städte im Pfuhle begraben samt Menschen und Vieh, da sah Dein Herz nach der Stätte hin, und siehe, es gereuete Dich wiederum des harten Gerichtes über Sodom und Gomorha, und Du machtest einen Bund mit mir, und gabst mir die große Verheißung zur Erfüllung deiner großen Erbarmungen.

15. Und wie Du es mir verheißen hast, so hast Du auch Alles erfüllet, bis zu diesem Zeitpunkte, wie Du es verheißen hast. Aber Deine Verheißungen dehnen sich noch gar endlos weit über diesen Zeitpunkt hinaus! O Herr! so gedenke nun, da alle Völker der Erde wieder, und zwar in eine größte Gährung gerathen sind, Deines mit mir gemachten Bundes! Du kennst die Feinde Deiner Kinder! Du kennst ihre Habsucht, ihren unbeugsamen Willen! Siehst Du nicht die vielen Wölfe, Hyänen und Tiger, wie sie gewissen— und schamlos in den Eingewaiden Deiner Lämmer wühlen, und sie zerfleischen mit feurigen Drachenzähnen?! — O Herr! Konntest Du Sodoma und Gomorha züchtigen, o so ergreife nun auch die Wölfe, Hyänen und Tiger, und schlachte sie als ein Sühnopfer für all die Unbilden, die sie begingen an deinen Kindern! — Aber schone das Blut der Gerechten, und das Blut Deiner Kinder!" (Am 15. Mai 1849)

16. Darauf erhebt sich der Isaak und spricht: „O Herr! ich bin das erste Blatt, das am großen Lebensbaume Deiner Verheißung, die Du meinem Vater Abraham gemacht hast, sich zu zeigen anfing; wohl sehr alt und nahe gänzlich verdorrt stand zur selben Zeit der Lebensbaum Deiner Kinder im Garten der Liebe, während die Schlange sehr fruchtbar mit ihrem Gezüchte alle Gauen der Erde anfüllte! Aber Du, o Herr, besahest die gänzliche Dürre des Lebensbaumes Deiner Kinder, und belebtest ihn von der Wurzel bis zum obersten Scheitel, und gabst ihm eine neue heilige Triebkraft; und siehe, ich war das erste lebendige Blatt an dieses heil'gen Baumes Zweigen.

17. Abraham hatte eine große Freude beim Anblicke dieses ersten so hoffnungsgrünen Blattes; aber Dir, o Herr, gefiel es, seine Freude zu trüben, und seinen Glauben zu prüfen; Du befahlst ihm, mich zu schlachten, und am brennenden Scheiterhaufen zu opfern; das thatest Du, um der Schlange zu zeigen, wie stark der Glaube Deines Sohnes Abrahams war! Als aber Abraham durch den Gehorsam die Macht seines Glaubens bewährt hatte, da führtest Du einen Bock durch des Berges Gestrüppe, ein lebend Bild des Satans und seiner Herrschsucht; das Gestrüppe umflocht nahe an seinem Rande des Bocks Geweihe, die da ein Zeichen waren seiner Widerspänstigkeit, seines Ungehorsams, seines Hochmuths, und seiner gailen Herrschsucht, so wie das Gestrüppe ein treffend Bild aller Weltthümlichkeit. Diesen Bock mußte dann mein Vater ergreifen, ihn schlachten, und ihn legen an meiner Statt auf den brennenden Opferaltar.

18. O Herr, konntest Du damals den Weltbock ins Gestrüppe treiben, und zur Schlachtung, und zum Zeichen gerechter Sühne legen auf den verzehrenden Brandaltar; o so thue nun auch desgleichen in der Wirklichkeit! Denn war damals der Bock nur ein Sühnbild, wie ich selbst ein Vorzeichen Deiner Ankunft in die Welt, und der zweiten Schöpfung durch Dein großes Erlösungswerk; so ist aber dieser Bock nun in der vollsten Wirklichkeit in der Welt also groß geworden, daß seine Geweihe nun schon in Deine Himmel reichen; so errichte nun auch einmal den großen Brandaltar über die ganze Erde; ergreife dies schändliche Thier, das sich mit seinen mächtigen Geweihen gar sehr gewaltigst im dicksten Weltgestrüppe durch und durch verflochten hat, schlachte es, und werfe es dann ins mächtige Feuer des großen Brandaltars!

19. O Herr, zögere nun nicht mehr, lasse die vielen grünen Blätter am Baume des Lebens nicht abfressen von des Thieres gailster Freßgier, sondern thue nach Deiner Verheißung; denn siehe, die Zeit ist zur Vollreife gediehen, und Deine Kinder schreien nun überlaut: Vater, thue Dich auf! ziehe aus Deine Rechte! ergreife das Beil Deiner Gerechtigkeit, und schlachte das Thier, das mit seinen Geweihen nun schon sogar an die Veste der Himmel zu stoßen beginnt! Amen!"— —

20. Spricht darauf Jakob: „O Herr, Du rangst mit mir, und ließest mich nicht weiter ziehen, und als ich Dich ergriff, da gabst Du mir einen Stoß in die Hüfte, daß ich darnach hinkete mein Leben lang! aber der Stoß that mir nicht wehe; denn ich rang ja aus Liebe mit Dir. Aber dennoch blieb dieser Stoß allen nachfolgenden Kindern, und diese fühlten wohl auch den Schmerz; und siehe, der Stoß und der Schmerz hat nun den höchsten Grad erreicht; o, so befreie nun endlich einmal die Kinder vom Stoße und von seinem Schmerze!

21. Vierzehn Jahre diente ich um die himmlische Rahel, und siehe, Du gabst mir die welthäßliche Lea; ich nahm sie, und murrte nicht; und noch einmal vierzehn Jahre mußte ich dienen, und Verfolgung leiden, um die himmlische Rahel; da gabst Du sie mir dann wohl, aber sie mußte unfruchtbar sein, so daß ich einen andern Schooß in ihren Schooß legen mußte, um meinem Samen Leben zu geben! O Herr! siehe, das war hart von Dir vorgesehen!

22. Nehme aber nun endlich einmal zurück Deine Härte! nehme der Lea die Fruchtbarkeit, und gebe sie der himmlischen Rahel im Vollmaße, auf daß die Erde einmal ledig werde vom argen Gezüchte der Schlange; und ihren Boden allein betreten möchten die Kinder der himmlischen Rahel! O lasse, einmal Josef und Benjamin zu wirklichen Kindern aus dem Schooße der himmlischen Rahel werden und mache versiegen die Quelle der Lea!"

80. Kapitel. Fortsetzung der Ratsversammlung. Helenas kindliche Ungeduld wird beruhigt. Moses und David reden. Helenas Zwischenrede und Davids Antwort.

01. Hier fragt Mich heimlich die Helena, sagend: „Aber Herr, Du mein süßester Jesus, Du hast ja zu mir gesagt, daß Du zuerst reden werdest und daß ich mich nicht erschrecken solle, so Du etwa hier und da sehr scharf reden werdest, und wenn so ganz absonderliche Erscheinungen zum Vorscheine kämen! und siehe, nun reden immer die Andern, und Du sagst eigentlich gar nichts dazu, und Erscheinungen kommen auch keine zum Vorscheine!? wie ist denn das zu nehmen und zu verstehen? Ich bitte Dich, erkläre mir diese Sache doch ein wenig näher!"

02. Rede Ich: „Meine liebste Helena, gedulde dich nur ein wenig, es wird dir nachher schon alles klar werden. Zuerst geredet aber habe Ich ja ohnehin, indem Ich an diese Alle hier beim großen Rathstische eine gar überaus großwichtigste Frage gerichtet habe. Nun aber müssen sie ja auf diese Meine an sie gestellte Frage sich äußern; und so sie sich bald Alle entäußert werden haben, dann werde Ich zu reden anfangen.

03. Und siehe, Ich kann zu reden anfangen, wann Ich nur immer will, so bin Ich dennoch stets der Erste, Der da redet, und Meine Rede ist eben so allzeit die Erste, weil Ich Selbst der Erste bin! Verstehst du das? Nun, nun, du verstehst es ja schon; so sei nun nur wieder ruhig, und horche recht genau, was nun Moses reden wird! Die Erscheinungen werden nachher, wann Ich reden werde, schon zum Vorscheine kommen. Nun sieh', Moses erhebt sich schon, und so wollen wir ihn denn hören!"

04. Die Helena ist nun wieder ganz ruhig, und Moses spricht mit großem Ernste: „Herr, als Dein Volk unter der egyptischen Tyrannei schmachtete, da erwecktest Du mich, und machtest mich zum Retter Deines Volkes. Ich lebte am Hofe Farao's, und ward eingeweiht in alle die Schändlichkeiten und argen Pläne, die dieser Wütherich vor hatte mit Deinem Volke; denn seine Frevellust war mit der Ersäufung aller Erstlinge Deines Volkes noch lange nicht gesättiget! Ich betete im Geheimen oft zu Dir, daß Du Dein Volk denn doch endlich einmal erlösen möchtest von solch einem schrecklichen Joche; aber Du hörtest damals viel schwerer denn jetzt!

05. Als ich sahe, daß des Königs Wuth stieg von Stunde zu Stunde, und dazu kam, wie ein elender Höfling von einem Egypter einen Israeliten gar erbärmlich schlug, so ward ich entrüstet, ergriff den Elenden, erschlug ihn und verscharrte ihn dann im Sande. Farao, solches bald erfahrend, ließ mich suchen, daß er mich erwürgete, aber ich entfloh noch zur rechten Zeit nach Median; dort beim Priester Raguel, der sieben Töchter hatte, deren Schafe ich bei meiner Ankunft tränkte, ankommend, — erhielt ich bald deren eine, die Zipora hieß, zum Weibe, und ward darauf Hirte der Schafe des Priesters Bruder Jethro!

06. Und siehe, o Herr, erst als ich Jethro's Schafe am Fuße des Berges Horeb waidete, kam ein Engel von Dir zu mir, hieß mich mit ihm gehen, da ein Dornbusch gar heftig brannte. Da behieß Deine Stimme mich meine Schuhe ausziehen, da die Stätte heilig war, an der ich stand. Da gabst Du mir dann die heilige Weisung, nach Egypten zu ziehen, und zu befreien Dein Volk, und gabst mir einen Stab, um mit selbem siebenfach zu schlagen den Farao, dessen Herz Du verhärtet hast, darum er Dich nicht erkennen wollte.

07. Siehe, o Herr, nun ist mehr denn die Härte Farao's in die Herzen der vielen großen und kleinen Machthaber gekommen; sie opfern nun nicht mehr allein nur die Erstlinge ihrer Völker, wegen der Ehre ihrer Throne, sondern entsenden viele Tausende auf die Schlachtfelder, und lassen sie kämpfen und würgen untereinander ärger, als es einst der Fall war unter den finstersten Heiden! Diese Alle sind getauft auf Dein Wort und Deinen Namen, und haben Dein Gesetz: Du sollst nicht tödten! aber dennoch morden sie in einem fort, und sind taub und stumm und blind geworden, und hören nicht die Stimme ihrer armen Brüder, geben den Fragenden keine Antwort mehr, und sehen nicht das große Elend der Elenden!"

08. O Herr, wie lange wirst Du noch solchem Elende und solchen Gräueln der Verwüstung zusehen?! — O Herr, erhebe Dich einmal, wie Du es verheißen hast; gebe mir den Stab wieder, mit dem Du in meiner Hand den harten Farao schlugst, und Dein Volk errettet hast! ich Dein alter getreuer Moses bin nun wieder bereit auf Deinen Wink hinabzuziehen zur Erde, dort zu schlagen alle die Harten und Narren, und zu erretten Deine Kinder von deren zu großen Bedrängnissen! O Herr, erhöre Deinen alten Knecht Moses, und erhöre auch die Bitten Deiner blutenden Kinder! Dein Name werde geheiliget und Dein allein heiliger Wille geschehe, nun wie allzeit, und ewig, auf Erden wie in den Himmeln!" —

09. Nach dem Moses erhebt sich sogleich der David, und sagt: „Herr, also sprach einst Dein Geist zu mir, Deinem Knechte: „Setze dich zu Meiner Rechten, bis Ich alle deine Feinde zu deinen Füßen lege! Herr, alles, was Dein Geist mir geoffenbaret hat, ist getreust in die Erfüllung gegangen; nur die volle Bekämpfung Deiner Feinde, die endliche Zerstörung des Hochmuths, und alles dessen, was er gebärt, das mir Dein Geist auch geoffenbaret hat, will nicht in die Erfüllung übergehen. Die Menschen sind noch, wie sie waren, neun Zehntel schlecht, und kaum ein Zehntel halbwegs gut!

10. In Deinem Zorne, Herr, gabst Du Deinem Volke einen König, als es Sünden auf Sünden häufte, und zu allen Sünden hinzu auch noch einen König verlangte; und siehe, dieser Dein Zorn währet nun fort, und will kein Ende nehmen; denn alle Völker haben nun fort und fort Könige, und sogar nach heidnischer Art Kaiser, die den Völkern stets als Vorbild des höchsten Stolzes und unersättlichen Hochmuthes dienen! (1. Sam. 8, — Hosea, 13,9—11.)

11. O Herr, wann, wann wirst Du denn endlich einmal die größte Plage Deiner Menschen von der Erde nehmen, und wieder Deine alte heilige patriarchalische Verfassung einführen?! O Herr, siehe, ist es nicht also nun, wie zu allen Zeiten, daß feige und gewissenlose Speichellecker sich um die Könige machen, und ihnen lobhudelnden Weihrauch streuen des eigennützigsten Gewinnstes wegen, und jeden ehrlichen Menschen sogar zum Tode — verdammen, so er es einmal nur wagte einem Könige die volle Wahrheit zu sagen, die ihm doch noch um vieles nöthiger wäre, als das Licht seiner Augen? Wird etwa nicht jede gegen den bethörten König gerichtete, bestgemeinte Wahrheit als Hochverrath deklariert, und ihr Verkünder schnöde aus der Welt geschafft?— — (anno 48!)

12. O Herr! Unter meiner Regierung standen die Sachen wohl auch arg, aber so arg ewig nicht; denn ich lobte jeden Weisen, der mir die Wahrheit sagte; nur die Speichellecker verbannte ich, und bestrafte die Lügner mit dem Tode; nun aber ist alles verkehrt; der Weise wird verfolgt wie ein reißendes Thier; aber der Lügner, der Schmeichler und der Speichellecker wird mit allen Ehrenzeichen geziert!

13. Herr, so kann die Sache nicht mehr bleiben!Die Hölle soll Hölle sein, wo sie ist in ihrer Urthümlichkeit; aber auf der Erde so ganz vollkommen ihr Regiment aufrichten, das sollte ihr nimmer gestattet sein! Herr, darum bitten wir Dich Alle, daß Du dem Regimente der Hölle auf der Erde endlich einmal ein Ende machest! Lasse immerhin Könige sein, wenn schon Könige sein müssen; aber lasse sie also sein, wie ich es war, auf daß die Menschen nicht zu Teufeln werden, und Dein Name nicht gar so gräßlich entheiliget werde! Denn wer wird Dich preisen in der Hölle, und welcher Teufel wird Dich loben?! Daher thue Dich auf, o Herr, und mache zu Schanden alle unsere Widersacher! Dein Wille geschehe, Amen."

14. Ganz beifällig durchdrungen von der Rede Davids, kann sich unsere Helena nicht mehr halten, sondern richtet sich ganz vergnügt auf und sagt zum Redner: „Bravo, bravo, Herr David, Sie waren wohl ein rechter König für die Erde! Wenn es solche Könige gäbe, o, da wäre es wohl eine wahre Seligkeit, solchen Königen unterthan zu sein! Aber unsere Könige in dieser jüngsten Zeit, die schon lange aufgehört haben Menschen zu sein, und daher auch gar nicht mehr wissen, was ein Mensch ist, und welchen Werth er hat, sind darum auch entweder Götter, die von allen ihren Unterthanen nebst einer oft unerschwinglich großen Steuer auch eine wahrhaftige Anbetung verlangen, und das sind ehe noch die Besten; oder sie sind gar in ihrem Handeln jenen reißenden Thieren gleich, die sie gewöhnlich als Aushängschilder in ihren Wappen führen; wie es den Unterthanen unter solchen Herrschaften geht, das können sich der Herr David wohl gar leicht vorstellen! Die Kettenhunde haben sicher ein freieres Leben als die Menschen unter solchen Königen. Ich wäre wohl von ganzem Herzen dafür, daß solchen Herrschern, die nur sich selbst für alles, ihre Völker aber für gar nichts halten, unser allerliebster, bester und allmächtigster Herr Vater Jesus, so auf eine recht eindringliche Weise zeigete, wie viel es nun etwa an der Zeit ist, und was sie, und ihre Völker Werth sind, und in wie weit sie das Recht haben, die Freiheit des Menschen zu beschränken!? Was meinen's der Herr König David, habe ich recht oder nicht?"

15. Spricht David sehr freundlichen Angesichts: „Liebe Helena, als eine junge Nachkömmlingin meines Volkes! Du hast ganz recht, ich muß deine Weisheit loben; denn du wünschest wie ich, nichts Uebertriebenes, sondern Billiges und Gerechtes nur.

16. Es sollen ja Könige sein und bleiben, die da schon gesalbet sind; aber sie sollen von ihren zu hochgestellten Thronen nun zu ihren Völkern herabsteigen, und mit ihnen Menschen sein, und ihnen auch gewähren, was recht und billig ist! Aber ebenso sollen auch die Völker an ihre Könige Forderungen stellen, die recht, billig und ausführbar sind. Aber nun werden auf beiden Seiten die Saiten zu hoch gespannt, und da wird es wohl leichtlich nicht eher besser, als bis auf beiden Seiten die Saiten vollends reißen werden! Die Könige werden ihre Völker, und darauf die Völker ihre Könige schlagen.

17. Aber alles dessen ungeachtet steht zwischen König und Volk noch immer unser alleiniger Jehova—Zebaoth, Der noch alles auf eine uns ganz unbekannte Weise in die beste Ordnung bringen kann. Daher ist hier an uns auch bloß nur, daß wir uns entäußern, das große Werk aber ist des Herrn allein. So, so, meine Liebe, verhält es sich mit dieser Sache!"

18. Spricht Helena: „Ja, ja, Sie sind wohl ein weiser König, Sie haben recht."

81. Kapitel. Scharfe Gerichtsrede des Petrus über den Vatikan in Rom. Weise Gegenrede des Paulus von der Gnade.

01. Darauf erhebt sich Petrus und spricht im Namen aller Apostel, sagend: „O Herr, Du meine Liebe, Du mein Leben! siehe dorthin, nach der alten Hauptstadt der Heiden, die bald darauf nach und nach zu entstehen angefangen hatte, als das alte Schlangennest Troja in einen Schutthaufen verwandelt wurde, und Babel und Tyrus Risse zum Einsturze bekamen; herrschet da nicht schon bei 1000 Jahre lang ein aus dem Heidenthume, Judenthume, wie auch aus deiner sehr beschnittenen Lehre zusammengesetzter Hyerarch? nennt er sich nicht Papst und Stellvertreter Gottes auf Erden? und einen Thron meinen Stuhl? und sich auch meinen Nachfolger?! — Ist er dermal im Grunde etwas anderes, als ein heidnischer Regent eines kleinen Landes? giebt er aber nicht vor, im Besitze aller Macht und Kraft deines allerheiligsten Geistes zu sein? und sucht er etwa nicht dennoch, so er in seinem weltlichen, wie in seinem vorgeblich geistlichen Regimente durch weltliche Aufstände bedrängt wird, nie Hülfe in seiner angeblichen Kraft des heiligen Geistes, sondern nur bei den größern Machthabern der Welt? Ruft derselbe nun in großer Klemme etwa nicht öffentlich die Maria als seine vermeintliche alleinige Helferin um Schutz und baldige Wiederherstellung seines Reiches an? Aber bei sich an solch' eine Hülfe gar nicht glaubend — — — läßt er darum etwa nicht nun auch neben der angeflehten Hülfe Marien's noch andere Hülfe kommen? gegen dieselbe wohl öffentlich ganz flüchtige Scheinproteste erhebend, um der Welt gewisser Art zu zeigen, daß er an der Hülfe aus den Himmeln zur Genüge habe? und somit keiner weltlichen Hülfe bedürfe? aber so sich's eben die Machthaber dennoch trotz aller seiner Protestation nicht nehmen ließen, ihm zu helfen, es also dann klar sei, daß es also dann diese Helfer unsichtbarer und heimlicher Weise von der mächtigsten Himmelskönigin angetrieben werden? der Kirche Gottes auf Erden zu helfen? so sie die Pforten der Hölle zu überwältigen drohen?! Was — sagst denn Du o Herr zu dieser Gemeinde?

02. Der Bruder Paulus stiftete sie wahr und rein; und sie erhielt sich durch mehrere hundert Jahre mehr oder weniger rein; aber, wie eher bemerkt, ist diese Gemeinde seit nahe 1000 Jahren nun nicht in ein allerschmutzigstes und oft sogar sehr böses Heidenthum übergegangen? gierend nach nichts als Gold, Silber, Herrschergröße? und nach der allerabsolutesten Herrschaft über alle Völker der Erde?! und für die Erreichung dieses Zweckes in einem fort in alle Gegenden die verschmitztesten Missionäre aussendend? — Sage, o Herr! wirst Du solch einem über alle Maßen argen Treiben denn wohl nimmer irgend ein Ziel setzen?!

03. Ist es nicht also, o Herr! daß nun die Völker, die sich lange von dieser vorgeblichen Himmelstochter am Narrenseil haben ganz geduldig herumzerren lassen, sich endlich einmal erkühnt haben, dieser vorgeblichen Tochter des allerhöchsten Himmels die glänzende Larve herabzureißen? und staunen nun ganz erbost, anstatt der Himmelstochter ganz was anderes zu erblicken?! und nun bietet sie etwa nicht alles Mögliche auf, die starken Risse ihrer alten Larve auszuflicken, und so viel als möglich unkenntlich zu machen? — Herr, es geschehe Dein Wille! aber dennoch möchte ich Dich fragen, ob Du dieser elenden Kreatur etwa nicht lange genug durch die Finger gesehen hast? und ob es nun nicht endlich wohl einmal an der Zeit wäre, sie gänzlich aus dem Buche der Lebendigen zu streichen, und ihren Namen in das Buch der Todten zu übertragen!?

04. Denn lässest Du sie wieder zu Kräften kommen, so wird sie sich nicht nur nicht bessern, und wird keine Buße thun, sondern wird ihr Getriebe nur noch glänzender aufrichten, so — daß auch jene, die nun an Dich hielten, von ihrem üppigen Schooße angelockt — mit ihr im sinnlichsten Vollmaße werden zu gäulen und zu buhlen anfangen. Und Dir wird dann endlich, und zwar in der Kürze dennoch nichts übrig bleiben, als mit ihr zu machen, was Du dereinst mit Sodom und Gomorha zu thun genöthiget warst!?

05. Es ist wohl wahr, daß uns dieselbe eine Menge der allerschönsten Kinder geboren hat, und darum auch Deine große Geduld und Nachsicht bei 1000 Jahre nahe in einem fort mehr oder weniger ungetrübt genoß, und ich habe darob selbst eine recht große Freude gehabt, samt allen meinen Brüdern.

06. Aber ist sie nicht, ob ihrer zu großen Gäulheit unfruchtbar geworden? und wird uns wenig schöne Kinder zu Tage fördern? daher meine ich, ob es denn nicht endlich doch einmal an der Zeit wäre, ihr den Lohn zu geben, den sie sich verdienet hat?! — Uebrigens geschehe dennoch allezeit wie ewig nur allein Dein heiliger Wille!"

07. Rede Ich — zum Paulus: „Bruder Paulus, sage nun auch du, als ein Lehrer der Heiden, ob du mit all diesen Vor— und Anträgen einverstanden bist? Denn im Bezuge auf die Heiden hast du eine Hauptstimme, und so äußere dich! denn an euch ist es, wie Ich selbst es euch verheißen habe, zu richten die Geschlechter der Erde!"

08. Paulus verneiget sich, öffnet den Mund und spricht: „O Herr, ich habe die Heiden vielfach beobachtet und habe ihnen geprediget dein Wort, das sie annahmen mit großer Begierde und Freude, und haben sich dadurch theilhaftig gemacht deiner Gnade — und doch waren sie Kinder des Vaters der Lüge und des Hochmuthes; die Kinder Abrahams aber kreuzigten den hohen Gesandten von Gott, und erkannten ihn nicht! — Ich frage: Was wohl ist da rühmlicher, ein Heide, oder ein Abrahamide? Was haben denn da die Juden für einen Vorzug vor den Heiden? Oder wozu ist ihre Beschneidung? Der Jude sagt wohl: O, die Beschneidung ist etwas gar Großes! denn durch sie wird angezeigt, daß Gott nur mit diesem Volke geredet hat. Ich frage aber, ist das denn ein Verdienst des Volkes? oder ist es nicht vielmehr nur eine Gnade Gottes?! Oder glaubt wohl ein jeder Jude, daß Gott mit seinen Vätern geredet hat? Was liegt aber auch daran, sollte etwa ihr Unglaube den Glauben aufheben? ich meine, das sei ferne! Denn ich finde unter allen Juden und Heiden nichts, das ich Gerechtigkeit und Verdienst nennen könnte; daher sei es besser also, daß Gott, unser Herr und Vater, allein wahrhaft und gerecht ist, alle Menschen aber, ob Juden oder Heiden, als nunmalige Christen sind falsch, und vor Gott kein nütze!

09. So aber der Heiden Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit dennoch preiset, was wollen wir denn dann noch richten?! Kannst Du, o Herr, Dich darüber zürnen? O nein, das ist ferne von Dir! — Denn so Du Dich darüber zürnen möchtest, da müßtest Du ja ungerecht sein, und das ist ewig ferne von Dir! Denn wer wohl würde die Welt erhalten, so Gott so dächte, als wäre Er gleich wie ein Mensch!? Ich will aber nun ganz auf meine alte menschliche Weise reden: Wenn dann aber Gottes Wahrheit durch meine Lügen herrlicher wird zu Seinem Lobe und Preise, saget! warum solle mich darum Gott als einen Sünder richten?! o! das wird Er nicht thun! So ich es aber aus dem Gesetze weiß, daß dieß und jenes ein Uebel, so ich es thue; ich weiß es aber auch, daß — so ich das Uebel begehe, da sicher etwas Gutes daraus entstehen muß. Wenn ich aber dann ob solcher Uebelthat, die ich der guten Folge wegen beging, verdammt würde. Saget! wäre dieß wohl eine gerechte Verdammniß?!

10. Was wollen wir aber sagen, oder welchen Vortheil haben wir dabei, so wir schreien: „Herr! siehe doch endlich an — die Ungerechtigkeit Deiner Völker!?" Ich sage euch: Gar keinen Vortheil haben wir dabei; denn wir wissen es nur zu genau, daß alle Menschen vor Gott, so oder so, — Sünder sind, wie es denn auch geschrieben stehet: Da ist auch nicht Einer, der da gerecht wäre vor Gott; so wir aber das wissen, wie können wir denn Gott zum Gerichte auffordern, als wären wir ohne Sünde gewesen?!

11. Saget mir doch! welches Ruhmes kann sich jenes schöne Weib dort an der Seite Gottes rühmen? Welch ein Verdienst hat sie denn gerechtfertigt vor Ihm? Und dennoch sitzt sie neben Ihm — pur aus Seiner Gnade. Welches Verdienst hatte denn ich vor Ihm? Der ich die verfolgte, die an Ihn glaubten! Sehet, ich war ein Thäter des Uebels, und war die Ungerechtigkeit selbst; aber Gott kehrte Sich nicht an meine Sünden, sondern berief mich, als wär ich ein Gerechter, und ich folgte dem Rufe Seiner Stimme, und ward sobald gerechtfertigt durch Seine Gnade! Wollet ihr nun Gott darum der Ungerechtigkeit zeihen, weil Er mir gnädig war?!

12. Wer aus euch kann denn wohl vor Gott sagen, daß er verständig sei und weise!? Ich sage es euch: Da ist nicht Einer! — Und dennoch wollen wir Ihn zu einem Gerichte nöthigen? — Wer aus uns hat je gefragt: Wer ist Gott, und was ist Er!? und dennoch möchten wir Gott einen Rath thun! Wer aus uns kann sagen: Ich bin nie von Gott abgewichen, und bin vor ihm nie untüchtig geworden?! Ich sage es euch, da ist von uns Allen auch nicht Einer um ein Haar besser als ein Anderer, — und dennoch schreien wir: O Herr! siehe doch endlich einmal an — die große Bosheit der Menschen auf der Erde, und züchtige sie!

13. Was gilt es denn, so der Herr am Ende aufstehet und spricht, wie dereinst dort im Tempel zu Jerusalem zu den Juden, die Ihm eine Ehebrecherin vorgeführt haben! ob wir uns dann nicht auch aus dem Staube machen werden?! Ich sage es euch: Nicht Einer unter uns ist es, der da sagen könnte, Herr, ich habe nur Gutes gethan, und bin mir keiner Sünde bewußt! Ja, wer aus uns ein Narr ist, der kann es sagen, gleich dem Pharisäer im Tempel, der auch Gott pries, daß Er ihn so überaus gerecht werden ließ! Aber wie wir Alle es wohl wissen, der Herr hat seine Rechtfertigung verworfen, und die des sündigen Zöllners angenommen!

14. Da wir aber das alles also wissen, was vor dem Herrn gilt, warum bitten wir Ihn denn, — zu handeln nach unserem Ermessen, als wären wir weiser denn Er?! — O sehet, das ist von uns Allen nicht fein! Was haben wir denn, das wir nicht empfangen hätten von Ihm? So wir Alles von Ihm umsonst, ohne unser Verdienst empfangen haben, was rühmen wir uns denn, als hätten wir es nicht empfangen, und schreien Ihm die Ohren voll, und sagen — Siehe, siehe, o Herr! — als wäre Er taub und blind, und von schwachem Verstande, und von ebenso schwachem Willen?! O saget mir, Freunde, welche Wege haben denn wir selbst angelegt, ohne daß Er uns mit Seinem Finger den unwandelbarsten Plan ehedem vorgezeichnet hätte?!

15. Da wir aber schon Alles von Ihm haben, und Alles, was wir waren, und was wir nun sind, nur durch Ihn und in Ihm sind, wie können wir dann sagen, Herr erfülle endlich, was Du verheißen, und vertilge die Thäter des Uebels auf der Erde? — Ich meine, daß wir da sehr vorlaut wären?!

16. Sehet, der Menschen Mund war allzeit ein offenes Grab; ihre Zungen redeten allezeit Lügen, und Viperngift war unter ihren Lippen; Ihre Füße eilten allezeit — Blut zu vergießen, und alle ihre Wege waren stets voll Unfall, Trübsal, Herzeleid und Bedrängniß aller Art; den wahren Weg des Friedens aber hat noch kein Sterblicher erkannt in seiner Tiefe; denn die Furcht Gottes war ihnen stets noch wie ein Traum!

17. Wir wissen aber, daß, was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetze sind, nicht aber auch denen, die entweder über dem Gesetze wohnen, oder vom Gesetze nie etwas gehört haben, auf daß aller Welt endlich einmal der Mund verstopfet werde, und sie endlich einsähe, daß wir — und alle Welt, ewige Schuldner zu Gott sind und verbleiben! Fasset doch einmal das! — Kein Fleisch kann je durch das Gesetz vor Gott gerechtfertigt werden, wenn es auch erfüllet würde bis zum letzten Jota; denn durch das Gesetz kommt ja die Erkenntniß der Sünde! Wer aber die Sünde erkennt, der ist aus der Sünde, und die Sünde ist in ihm!

18. Wir aber haben eine neue Offenbarung erhalten, in der uns, wie schon ehedem durch die Profeten ihre Gesetze, gezeiget wird, daß die Menschen auch ohne das Hinzuthun des Gesetzes zu jener wahren Gerechtigkeit gelangen können, die allein vor Gott gilt; — Warum schreien wir denn: Herr! richte sie, und gebe ihnen den verdienten Lohn! und vertilge ihre Namen im Buche des Lebens! und übergebe sie dem Tode!? O Freunde! das ist nicht fein von euch; wohl saget ihr allezeit am Ende: Aber nur Dein Wille! — Aber das entschuldigt eure Herzen nicht! Denn wahrlich, eher möchte ich in den Tod gehen, als zum Herrn sagen: Herr, thue dieß und jenes! Haben denn wir dem Herrn einen Sinn gegeben, oder haben nicht wir vielmehr alle Sinne von Ihm? und dennoch reden wir, als bedürfe Er unseres Rathes!? Wenn Kinder lallen, so lange sie noch unmündig sind, da mag so was wohl angehen; aber alte Bürger des Himmels — meine ich Paulus, sollten doch schon wissen, was sie sind, und was und wer der Herr ist! Meinet ihr denn, vor Gott gelte die Sünde etwas? Ihr irret euch Alle; die Sünde ist vor Gott stets ohne allen Werth gewesen, so oder so!

19. Wer die Sünde gerichtet haben will, oder wer die Sünde richten will, der muß selbst ohne Sünde sein; denn es ist unmöglich, daß ein Sünder den Andern richten solle! so er ihn aber schon richtet, da richtet er als ungerechter Richter; denn in der Sünde ist keine Gerechtigkeit! so aber vor Gott alle Menschen Sünder sind, und die Sünde und Ungerechtigkeit ihr Antheil ist, — mit welchem Rechte wollen sie denn da richten? — Welche Gerechtigkeit haben sie denn als Sünder?!

20. Ja, wir haben wohl eine Gerechtigkeit, die da gilt vor Gott; aber diese kommt nicht aus unserem Erkenntniß über die Sünde und Nichtsünde, und auch nicht aus dem Gesetze und aus den Werken nach dem Gesetze, sondern aus dem Glauben an Ihn, und aus der reinen Liebe zu Ihm! — Und diese Gerechtigkeit heißt „Gnade" und göttliche Erbarmung.

21. Es giebt vor Gott keinen Unterschied zwischen Menschen und Menschen; denn sie sind allzumalen Sünder, so oder so, und mangeln des gerechten Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen! Wenn sie aber nach ihrem Glauben von Gott angenommen werden, so werden sie ja doch ohne Verdienst gerecht, pur durch Seine Gnade, welche hervorgeht aus Seinem höchst eigenen Werke der Erlösung, an der wir eigentlich doch keinen verdienstlichen Theil haben können?! Denn so wenig wir Gott die Welt und alle Himmel haben erschaffen geholfen, ebensowenig konnten wir Ihm bei dem noch größeren Werke der Erlösung behülflich sein! So wir aber an dieser zweiten größten Schöpfung und Neugestaltung aller Dinge unmöglich einen verdienstlichen Theil haben können, da eben wir selbst die Erlösten sind; wie sollen wir uns denn nun an dem allein Gott zukommenden Richteramte betheiligen wollen, indem wir doch selbst als Begnadigte die Erlösten sind?!

22. Kennet ihr aber den wahren Richterstuhl Gottes? — Sehet, dieser ist Christus, in Dem da wohnet ewig die Fülle der Gottheit körperlich! Dieser Richterstuhl Gottes aber ist durch Seine höchst eigenen Werke zu einem Gnadenstuhle geworden, und kann gnädig sein, dem Er will, und barmherzig, dem Er barmherzig sein will!

23. Wo aber bleibt sonach unser Ruhm? Ich sage es euch, mit diesem ist es aus! Denn durch welchen Gesetzes Werke solle er unser sein?! Giebt es denn ein Gesetz ohne Sünde, oder eine Sünde ohne Gesetz?

24. Wir aber haben dennoch einen Ruhm und eine Gerechtigkeit; aber das kommt nicht aus dem Gesetze, noch aus den Werken darnach, sondern pur aus Seiner Gnade, deren wir theilhaftig wurden durch den Glauben an Ihn, und an die Werke der Erlösung. Aber diese Gerechtigkeit giebt uns vor Gott dennoch kein Recht mit Ihm zu Gerichte zu sitzen, indem wir vor Ihm, wenn auch hier als schon Hochbegnadigte, dennoch dieselben Sünder sind, die wir allzeit waren.

25. Da wir aber nur aus dem Glauben heraus von Gott sind gerecht gemacht worden, und nicht nach der Erfüllung des Gesetzes, da sollte ja der Glaube das Gesetz aufheben? O, das sei ferne, denn der Glaube richtet das Gesetz erst auf, und macht es lebendig; aber das Gesetz richtet den Glauben nicht auf, sondern tödtet ihn, so es nicht zuvor durch ihn lebendig geworden ist!

26. Das Leben des Glaubens aber ist die Liebe, und das lebendige Gesetz ist die Ordnung der Liebe! — Wenn dann der Glaube gerecht ist, so ist alles gerecht; ist aber der Glaube falsch, so ist auch die Liebe falsch, und ihre Ordnung so gut wie keine!

27. Aber wer kann dafür, so Jemand einen falschen Glauben überkommt aus einer falschen Lehre? Ich aber sage: Wer da glaubt wie er gelehrt wurde, dessen Glaube ist dann auch ohne Falsch bei Dem, der da glaubt, und wird die Gnade finden! Aber wehe dem Lehrer falscher Lehre! Denn er ist ein Thäter des Uebels, und ein Störer der göttlichen Ordnung! Aber nicht wir, sondern allein der Herr kann sie richten!

28. Als aller geschaffenen Geister Größter und Reinster, mit dem Satan auf Sinai um den Leib Mosis rang, was Dir Bruder Mosis bekannt ist, da richtete der mächtige Geist den Satan dennoch nicht, sondern sprach zu ihm: Der Herr wird dich richten! So aber sich ein Michael kein Gericht über den Satan anmaßte, wie sollen wir da über unsere Brüder richten, oder den Herrn zu einem Gerichte vermögen wollen?! O, das sei ferne von uns! —

29. Ich aber sage, der Herr handelt und richtet lange schon, und hat nicht gewartet auf unsern Rath; daher betrachtet auch diesen nunmaligen Rath für eitel; aber so der Herr zu euch sagen wird, thuet dieß und jenes, da sei euer ganzes Wesen pur That nach dem Worte des Herrn! denn des Herrn Wort ist schon die vollste That in euren Herzen!

30. Dir o Herr aber danke ich, daß Du dieß Wort in meinen Mund geleget hast! Möchte es doch auf Erden wie in allen Himmeln die besten Früchte tragen! — Dir allein aller Ruhm und aller Preis, ewig! Amen!"

31. Rede Ich: „Paulus! Du bist wie Mein rechter Arm und Mein rechtes Auge; dich habe Ich zu meinem Rüstzeuge erkoren, und das wirst du auch verbleiben ewig. Du hast recht geredet in Allem, und es ist also, und es verhält sich also!

32. Aber dem ungeachtet werden wir denn doch nun auch noch diese Neuangekommenen fragen, was da nun ihre Meinung ist? Und wir werden darauf einen rechten Beschluß fassen;

33. und so rede denn nun du, Robert Blum! Sage, was sollen wir nun der Erde thun, darum sie so viel ungerechten Blutes eingesogen hat; welche Sühne verlangst du von ihr und ihren Mächtigen, die dich gerichtet haben?!"

82. Kapitel. Robert Blum und Jellinek äußern sich nach Jesu Aufforderung ebenfalls. Jesu Entgegnung.

01. Spricht R. Blum: „O Herr, wenn es auf mich ankäme, und was da mich betrifft, so habe ich nun keine Rechnung mehr mit ihr (der Erde), als der Trägerin mehr blinder als im Grunde böser Menschen, und so ich Dir schon mit einer Bitte käme, so solle sie also lauten: Herr vergieb ihnen, denn sie wissen Alle nicht, was sie thun! aber in ihre Herzen senke Frieden, Demuth und Liebe, so wird die sonst schöne Erde wieder als eine liebliche Mutter ihre Kinder liebend küssen, und Allen vollauf zu leben geben, durch Deine Gnade und Erbarmung! Sieh o Herr, das ist aber auch schon Alles, was ich nun hier von Dir erbitten möchte für die Erde;

02. aber ich setze in diese meine allfällige Bitte, oder vielmehr in diesen meinen Wunsch auch kein bestimmtes und festes Verlangen, indem ich doch füglich annehmen muß, daß vor Dir o Herr meine Bitten und Wünsche sicher im gleichen Maße unreif sein werden, als wie ich selbst als Bittsteller und Wünscher noch sicher vor Dir o Herr sehr unreif bin? Aber das denke ich mir im Herzen: Ein schlechter Lump ist, der mehr thun will als er kann, aber auch zum Hinauswerfen Derjenige, der sein Pfund vergräbt! Wer aber das, was er mit seines Herzens besten Sinnen als gut und daher wünschenswerth findet, auch allen seinen Brüdern wünschet und womöglich seine guten Wünsche an seinen Nebenmenschen und Brüdern auch möglich zu bewerkstelligen sucht, so halte ich solch einen Wunsch, und solch ein Handeln zur Realisirung des guten Wunsches für gut, recht und gerecht, indem der gute Wunsch wie nach ihm die Handlung unmöglich von wo anders herrühren können, als wie von der ganz eigentlichen und wahrsten Nächstenliebe, welche Du o Herr Selbst den Menschen zu einem ersten Gesetze gegeben hast.

03. Es kann wohl das, was ich unmöglich anders als wie für gut erkenne und halte, für meinen Nebenmenschen gerade das Gegentheil sein, wie z. B., so ich einen Kranken sähe, der da an einem Uebel litte, und ich kenne das Uebel und habe auch eine gute Arznei dafür, die schon bei gar manchen mit gleichen Uebeln Behafteten stets die beste Wirkung hervorgebracht hat; was werde ich thun? so der Leidende vor mir um Hülfe fleht!? Ich bin von der Wirkung meiner Arznei vielfach überzeugt, und die Liebe zum leidenden Bruder gebietet es mir, ihm zu helfen! ich gebe ihm die Arznei, und siehe, er wird darauf noch schlechter! hätte ich ihm darum die Arznei vorenthalten sollen, weil sie nachher nur eine schlimme statt einer guten Wirkung hervorgebracht hat? o mit nichten! das darf mich nie abschrecken, meinen Brüdern alles das zu wünschen und zu thun, was ich nach meinen besten Erkenntnissen, mit meinem besten Wissen und Gewissen als gut erkenne? Denn der Effekt liegt nicht mehr in meiner, sondern in Deiner Macht, o Herr! darum ich denn für ihn auch keine Rechnung legen kann! So wollte ich in Wien nach meinem damaligen besten Wissen und Gewissen den bedrängten Wienern auch nur Gutes thun; aber der Effekt meiner Bemühung fiel leider anders aus. Ich meine aber dennoch, daß ich dadurch nicht gefehlt habe; denn ich wollte ja nur das, was ich als gut erkannte!

04. und so glaube ich, giebt es nun eine Menge, die nach ihrem Erkenntnisse sicher Allen nur jenes Gute wünschen, was sie als gut erkennen; sollen sie darob gerichtet werden? O das sei sicher auch sehr ferne; — aber Du, o Herr, gebe ihnen ein rechtes Licht, und besänftige ihre Herzen, und sie werden erlöst sein von allem Uebel!

05. Es giebt wohl auch eine große Menge starrer Menschen, die sich von gewissen Prinzipien, die sie allein als Recht erkennen, so sehr verhärten ließen, daß sie eher die ganze Welt könnten zu Grunde gehen sehen, als nur ein Jota von ihren starren Prinzipien fallen zu lassen, bei ihnen gilt es, wie einst die alten Römer sagten: Pereat mundus, fiat jus!! Aber Du, o Herr, hast ja noch eine Menge Feuers, das da mit großer Leichtigkeit die starrsten Felsen wie Wachs schmelzen macht! ein Fünklein von solch einem Feuer in die Herzen der Starren gesenkt, wird sie bald sanfter und nachgiebiger machen!

06. Das ist so meine ganz harmlose Meinung, und auch mein möglichst bester Wunsch; in wie weit er aber auch in Deinen Augen, o Herr, gut ist, davon habe ich bis jetzt in meinem Herzen noch keinen verläßlichen Maßstab; daher sei alles Weitere auch allein nur Dir, o Herr, anheim gestellt!"

07. Rede Ich: „Mein lieber Freund und Bruder, auch du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, vollste und getreueste Wahrheit floß aus deinem Munde; daher aber sollest auch du Mir für die Folge zu einem tüchtigen Rüstzeugs werden! Sehr ausgezeichnet gut, wahr und edel war dein Antrag, und Ich muß dir schon im Voraus die Versicherung geben, daß Ich nach ihm sehr mächtig handeln werde, und eigentlich auch allzeit also gehandelt habe; aber nichts desto weniger solle nun auch Mein Jellinek einige Wörtlein von sich geben, und wir werden es sehen, in wie weit er mit dir einverstanden ist? Und so öffne denn nun auch du Mein lieber Bruder Jellinek deinen Mund!

08. Spricht Jellinek: „O Herr! der Bruder Robert Blum hat nun wirklich ganz aus meiner Seele geredet, wie auch vor ihm der unerreichbare große Paulus, dessen Rede durchaus ein Meer voll Wahrheit und Feuers war; was solle ich da noch mehr reden können?! Ich sage daher blos: Herr! Dein allein heiliger Wille geschehe — und die herrlichste Ordnung wird wieder die arme Erde küssen! Was aber ehedem die großen Väter der Erde geredet haben, war in einer gewissen Beziehung so zu sagen — zu hoch über meinem Erkenntnißhorizonte! Sie meinen es vielleicht auch gut, und das sicher auf eine ganz andere Art, als ich und der Bruder Robert Blum; aber das allein kommt mir denn doch etwas sonderbar vor, daß sie von Dir stets die Erfüllung irgend einer gewissen Verheißung verlangen, und Dich eines gewissen Zauderns beschuldigen!? Aber wie gesagt, ich verstehe die Sache nicht; übrigens habe ich nun eine große Freude daran, daß ich nun als ein später Nachkomme endlich einmal Die persönlich kennen lerne, deren Existenz ich gar so oft bezweifelt habe! Es liegt wirklich etwas heilig Ernstes in ihren Angesichtern! Da ist mein Antrag schon zu Ende." (Am 25. Mai 1849)

09. Rede Ich: „Höre du, Mein lieber Bruder Jellinek: Ihr Alle mehr oder weniger hier im Reiche der ewigen Wonne, könntet nun freilich leicht sagen: Herr! Dein Wille geschehe! aber auf der Erde sieht es nun ganz anders aus, als hier im Reiche des freiesten Lebens. In den Leibern der Menschen wohnen dieselben freien Geister und unsterblichen Seelen, wie ihr es hier in der freiesten Wirklichkeit seid; diese möchten sich denn doch endlich einmal freier entwickeln können, und wollen daher eine rechte Freiheit und keine Knechtung unter einem eisernen Zepter der Könige. Sie erheben sich daher aller Orten, und bemühen sich, die Macht der Könige zu brechen; aber die Könige sammeln ebenfalls alles, was ihnen sklavisch unterthan ist, zu einer großen Streitmacht zusammen, und haben jedem Widersacher den Tod geschworen, und schlachten auch die Menschen ohne alle Gnade, Schonung und Erbarmung zu vielen Tausenden hin. Es schreien nun die frei werden Wollenden zu Mir um Rache wider ihre unbarmherzigen und unverbesserlichen Könige; und die Könige rufen Mich um den Beistand und um den Sieg wider ihre empörten Völker an!

10. Was solle Ich nun thun? — Beider Partheien Recht ist wahrlich nicht weit her, d. h. nach der gegenwärtigen Gestaltung der Sachen; denn die Könige wollen einmal um jeden Preis herrschen, und das freiwerdenwollende Volk will nun auch herrschen; aber gehorchen und unterthan sein, will Niemand mehr!

11. Nun steht die Sache in einer sehr großen Frage, was Ich nun denn so ganz eigentlich thun solle? Helfe Ich den Königen, so werden diese wieder die alte Finsterniß über ihre Völker ausbreiten, in der es keinem Geiste leicht möglich wird, sich freier zu entwickeln, und der Haß gegen die Geist—Erdrücker wird wachsen; helfe Ich aber dem Volke, so wird dieses eine starke Rache nehmen an allen Großen und ehemaligen Machthabern, und wird häufig Meine durch Rom sehr verdächtig gemachte Lehre, aus der so viele Uebel hervorgegangen seien, am Ende ganz verbannen, und den Völkern dafür eine rein weltliche Lehre im Zuschnitte des Ronge geben!

12. Ihr sehet, liebe Freunde, daß die Dinge auf der Erde nun also stehen, daß Ich vor der Hand weder der einen noch der andern Partei so ganz vollkommen helfen kann; denn helfe Ich der einen, so ist es gefehlt, und helfe Ich der andern, so ist es auch gefehlt! — Also es fragt sich hier nun ganz ernstlich: Was ist da zu thun? Lasse Ich die Sache also fortgehen, so werden die zwei auf einander zu Tode erbitterten Feinde mit einander nimmer fertig; denn die gegenseitige Wuth ist zu groß! Helfe Ich aber, so fragt es sich hier ganz ernstlich: Wem? Thue ich etwas, so ist es gefehlt, so oder so; und thue Ich nichts, so ist es auch gefehlt, so oder so! — Was also machen?!

13. Ja, Mein liebster Bruder J., es ist leicht sagen, Herr, Dein Wille geschehe! aber wie? bei solchen Verhältnissen, das ist eine ganz andere Frage!? Robert meint freilich, Ich könnte Fünkchen der himmlischen Sanftmuth in die Herzen der Fürsten legen, und so würden sie dann sanfter, besser und weiser werden! Das ist wohl wahr und richtig; aber werden ihnen die vielen und über alle Maßen aufgeregten und erbitterten Völker wohl trauen? o nein! das werden sie nicht; denn ein gebranntes Kind traut dem Feuer nimmer, und alles läßt sich leichter wieder finden, als ein verlorenes Vertrauen!

14. Du meinst freilich, daß man da auch in die Herzen der Völker solche Fünkchen legen solle, so würde dann alles gewonnen sein! Das wäre freilich ein sehr leichtes Mittel; aber so Ich das thäte, da höreten die Könige wie die Völker ja auf, freie Menschen zu sein; — sie würden dadurch gerichtet, und würden zu edlen, menschenähnlichen Thieren umgestaltet werden, bei denen von keiner freien geistigen Bewegung mehr die Rede sein könnte. — Wir dürfen, so lange wir Menschen als Menschen erhalten wollen, durchaus keine uns zu Gebote stehende Gewalt ausüben; denn thäten wir das, so wäre es in dem Augenblicke um die eigentliche „Menschheit" geschehen; sie würde zum Thiere, und zu gerichteten Sklaven unserer ewig unbesiegbarsten Macht. — Du siehst also, daß es sich auf diese Art nicht thun wird!

15. Wir werden demnach schon müssen auf ganz andere Mittel zu sinnen anfangen. Sage Du, mein lieber B., was Du da für räthlich erachten möchtest, das da eine rechte Hülfe brächte den bedrängten Völkern der Erde?"

83. Kapitel. Bechers radikale Vorschläge. Seine Belehrung durch Jesus. Die Natur des Menschengeschlechts ist bedingt durch die Erde und deren Zweck in der ganzen Schöpfung.

01. Spricht Becher, den Kopf ein wenig schüttelnd, und mit den Achseln zuckend: „O Herr! Wenn bei diesen Wirren auf der Erde schon Dir, wie Du nun zuvor gesagt hast, Der Du doch allmächtig und allerhöchst weise bist, gewisser Art, wie man zu sagen pflegt, der Faden ausgeht; was solle da Unsereiner noch auffinden können, womit es den Völkern der Erde zu helfen wäre?! O Herr! das wäre so ein Stückchen Arbeit für Unsereinen!? So da, wie ich es nun ganz klar einsehe, sich's mit einem inneren Gewaltmittel nicht thut, so wende man denn äußere Gewaltmittel an, als z. B. Hunger, Pest und dergleichen, dazu einige frappante Erscheinungen am Firmamente, und die Menschen groß und klein werden dann schon zum Kreuze zu kriechen anfangen; und kann oder darf etwa wegen der Freiheit des menschlichen Geistes auch das nicht angewendet werden, no, so lassen wir sie sich untereinander so lange balgen und würgen, bis sie daran genug haben werden. Ich glaube nun, daß wir uns überhaupt viel zu viel um das arge Menschengesindel auf der Erde kümmern! Es ist von A bis Z keinen Schuß Pulver werth! Am besten wäre es — so nach meiner Meinung, das ganze Lumpenvolk von der Erde ganz zu vertilgen, und dafür ein besseres und edleres Volk hinzustellen! denn das Volk, was nun die Erde bewohnt, wird sich nimmer bessern; es müßte nur, wie schon eben bemerkt, dem größten natürlichen Elende preisgegeben werden! Denn es sind nun alle Könige samt ihren Völkern schon einmal wie des Teufels! Womit aber kann man die große Bosheit des Teufels erfolgreich bändigen? Ich meine, da wird es so oder so eine vergebliche Mühe sein?! Also weg mit dem Lumpenpack, und ein anderes Geschlecht hingesetzt, so wirds mit einem Hiebe allen nun argen Menschen, und in gewisser Hinsicht auch allen Teufeln geholfen sein! Das ist nun meine unmaßgebliche Meinung, aber blos nur, wie gesagt, meine Meinung!"

02. Rede Ich: „Mein lieber Freund B.! — sieh', wenn Ich so den Völkern der Erde helfen wollte, und wenn es ihnen auf diese Art zu helfen wäre, so wäre das freilich wohl etwas ganz Bequemes! Aber siehe, das thut sich wohl auf keinen Fall mehr, und fürs Allgemeine schon gar nicht! Das kann wohl örtlich, und da nie zu heftig stattfinden, aber allgemein und total, wie du es meinest, das wäre nicht nur das größte Unheil für die Erde, sondern auch für das ganze Universum!

03. Das Menschengeschlecht der Erde ist nicht aus sich selbst so, wie es ist, sondern es ist aus der Erde, und hat in allem ihre Natur und Eigenschaft! Es wäre demnach mit der gänzlichen Vertilgung aller nun auf der Erde lebenden Menschen der einmal eingerissenen Unordnung sehr wenig abgeholfen! Denn dann müßten wir doch wieder andere Menschen aus der Materie der Erde hervorgehen lassen, die den gegenwärtigen nach einer kurzen Weile doch wieder also gleichen würden, gleich wie etwa auf der Erde die Früchte eines und desselben Baumes von einem vergangenen Jahre den Früchten, die derselbe Baum erst in einem Jahre, oder noch später tragen würde!

04. Man müßte sonach auch die ganze Erde aus dem Dasein schaffen, und an ihre Stelle eine andere stellen, was aber ein noch viel größerer Streich wider alle Meine Ordnung wäre! Man kann einem Baume, so er schlechte und faule Früchte trägt, wohl die Rinde, und so manche Aeste und Zweige nehmen, worauf er dann gleich wieder recht gute und frische Früchte tragen wird; aber das Mark und die Wurzeln darf man ja nicht zerstören; denn so man das thäte, da würde sobald verdorren der ganze Baum, und würde ewig weder gute noch schlechte Früchte zum Vorscheine bringen. Die Erde aber ist eben der Kern des Lebens für den gesamten Lebensbaum, und wie eine Hauptwurzel der ganzen Schöpfung; würden wir an ihr ein Zerstörungswerk ausüben, so würden wir dadurch nicht nur die Erde, sondern die ganze sichtbare Schöpfung der endlichen Auflösung Preis geben, was denn doch noch um einige Dezillionen von Erdjahren zu früh wäre!

05. Deinen Rath, Mein lieber Freund B., kann Ich sonach schon gar nicht brauchen; wir wollen aber sehen, vielleicht hat sich unterdessen unser Freund M. etwas so recht Brauchbares herausgedacht, und solle er es sonach von sich geben! Nun Freund M. gebe es von dir, wenn du so was recht Brauchbares in dir gefunden hast!"

06. Spricht Messenh.: „O Herr! Du setzest mich nun in eine sehr große Verlegenheit! Was solle ich da sagen und rathen können, wo nun schon die ersten Geister der Erde ihre Stimmen erhoben, und sind damit mehr oder weniger durchgefallen?! O Herr, o Herr! — No, da käme doch sicher eine noch größere Dummheit heraus, als die des Hauses Oesterreich da ist, da dieses Haus die ihm angestammte deutsche Kaiserkrone blos darum nicht annahm, weil einige blinde Slaven darinnen eine Entwürdigung der großen Dynastie ersahen, wahrscheinlich in einem Traume? wo sie etwa Tags vorher zu viel Wein und Schweinenes genossen haben! Aber jetzt wird es etwa doch noch für diese Dynastie entwürdigender sein, wo sie sich entweder förmlich der russischen Gewalt wird unterstellen müssen, um nur halbwegs zu reüssiren; oder sie wird sich von dem Krebse, der in ihren eigenen Eingewaiden sein verheerend Unwesen treibt, und nicht mehr zu heilen ist, müssen aufzehren lassen!

07. Und sieh' o Herr! gerade so dumm wäre es von mir nun Deiner endlosesten Weisheit einen Rath ertheilen zu wollen, was Du nun thun sollest, um die großen Wirren auf der Erde wieder auszugleichen! — Ich weiß es nun nur zu gut, daß Dir mehr der besten und wirksamsten Mittel allerklarst bekannt sind, als es der Sterne im ewig unermeßlichen Alle giebt! wolle nur allergnädigst das Kleinste anwenden, und es wird über eine Nacht alles wieder in der schönsten Ordnung sein! Gebe o Herr den Herrschern ein wahres Licht, und den Untergebenen Sanftmuth und Geduld in der Tragung des Kreuzes, und so ein bischen ein kleines Kalifornien hinzu, und es wird alles über die Nacht wieder in der schönsten Ordnung dastehen! und so etwa dem Herrn von Satanas die Geweihe zu hoch gewachsen sind, so lasse sie ihm durch einige Wohl konditionirte Blitze um einige Ellen kürzer machen, da wird meines Erachtens der Hochmuth der Großen auf der Erde auch so einige Erleichterung bekommen, etwa à la Windischgrätz, was ihm sehr heilsam sein wird!

08. Es giebt ja noch recht viele gute Menschen auf der Erde, die es ganz gut und redlich meinen; warum sollen diese mit gezüchtigt werden, so Du den Hochmüthigen die Geweihe etwas kürzer machen wirst, und wie ichs merke, eigentlich schon machst!? Ich sage: Glück und Segen Allen auf der Erde, die eines guten Herzens und Willens sind! Aber dafür eine wohlgenährte Demüthigung allen, bei denen der Mensch erst beim Baron anfängt. Ich wünsche ihnen dadurch aber ja nicht etwa irgend etwas Böses; o nein, das sei ferne von mir! Aber nur diese Erkenntniß wünsche ich den Großen, daß sie doch endlich einmal möchten so recht praktisch einsehen, daß diejenigen auch Menschen sind, die sie nun blos für ein lumpiges Kanonenfutter ansehen!

09. Es müssen ja wohl Regenten sein; denn ohne Regenten und weise Gesetze könnte wohl schwerlich eine menschliche Gesellschaft bestehen! — Aber diese Regenten sollen einsehen, daß sie der Völker wegen, und nicht die Völker gleich wie eine Waare, ihretwegen da seien, mit der sie wie Kaufleute mit ihrer Waare nach Belieben schalten und walten können! Auch sollen sie das Schwert der Gerechtigkeit haben und tragen; aber sie sollen es nur dann gebrauchen, so ihre Völker bedroht sind von äußern Gefahren; aber gegen ihre eigenen Völker sollen sie es nimmer gebrauchen dürfen, denn bei Denen werden sie mit der Waffe, die da Liebe heißt, beiweitem mehr ausrichten, als mit dem Schwerte der Majestät, die bald gar keine Majestät mehr sein wird, sondern eine Grausität, und nachher eine vollkommene Marxenpfutschität!

10. Aber weißt Du, o Herr, das sind nur so fromme Wünsche von mir; Du aber bist der Herr, Dessen geheime Rathschlüsse unerforschlich, und Dessen Wege unergründlich sind; Du wirst schon die rechte Verfügung treffen, deß bin ich mehr als gewiß; denn es geht schon also alles, wie es eigentlich gehen muß, damit aus der Pastete keine Talken werden; es muß einmal ordentlich alles durcheinander gehen, und die Saiten müssen noch ein wenig mehr gespannt werden, damit sie dann desto sicherer reißen! Ein Riß aber muß geschehen, weil Du es also willst; denn ohne einen Riß wirds noch lange nicht gut gehen auf der Erde, wie ich es denn also einsehe! Aber darum dennoch alles also, wie Du es willst, Amen."(Am 29. Mai 1849)

11. Rede Ich: „Nun, sieh' und höre, gar so werthlos, wie du dir's vorstellest, sind deine Wünsche nicht; es ließe sich daraus schon etwas machen; aber nur mit dem rechten Licht geben an die Regenten, und ebenso mit dem Geduld und Sanftmuth geben an die Völker, — siehe, das wird sich nun wohl nicht so recht thun lassen; denn zu dem Behufe ist bereits allen Völkern der Erde das Evangelium geprediget, der alte Brunnen Jakobs voll lebendigen Wassers ist ihnen gegeben; wollen sie Licht und Erkenntniß und vollste Wahrheit, so können sie das alles aus dem Brunnen schöpfen; wollen sie das aber nicht, so können wir das ihnen in gar keinem Falle durch was immer für eine Macht anhängen; und thäten wir es auch, so würde ihnen das nicht nur sehr wenig nützen, sondern nur sehr mächtig schaden! Also das können wir auf unsere Liebe zu allem Leben nicht legen, nach unserem höchst eigenen Triebe;

12. aber ganz was anderes wäre es, so die Könige samt ihren Völkern das von Mir bittlich verlangen würden! da könnte ihnen alles gegeben werden, um was sie bitten würden, in Meinem Namen! Aber siehe, von dem vernehmen Meine Ohren wenig oder nichts; Ich höre wohl so des Gebrauchs wegen hie und da ein Geschrei, wo es heißt: Herr, beschütze unsere Throne, Szepter und Kronen! und lasse uns waidlich siegen über Alle, die sich Wider uns erheben! Anderseits, d. h. aus dem Munde der Völker im allgemeinen aber wird von einer Bitte nun nahe gar nichts mehr vernommen, und die Einzelnen gelten nicht für ganze Völker!

13. Jedem Einzelnen wird gegeben, um was er bittet; aber den Völkern kann's nicht gegeben werden, um was die wenigen Einzelnen bitten!

14. Daher also Mein lieber Freund M. werden Wir hier denn doch am Ende ganz andere Saiten aufziehen müssen, um eine bessere Harmonie unter den Völkern der Erde zuwege zu bringen! Die Saiten sind zwar schon aufgespannt; aber wie Du ehedem selbst bemerkt hast, noch zu wenig; aber nun sind neue Stimmer erwecket worden, die werden schon das Ihrige thun! Wahrlich, da wird eine starke Fege vor sich gehen müssen, bis alle Spreu vom Waizen ausgeschieden wird!

15. Aber wir haben ja noch unsere Helena nicht vernommen; die muß ja auch ihre Meinung von sich geben! Also, Meine liebste Helena! Was meinst denn du nun, was da zu geschehen habe, damit es auf der Erde wieder zu bestehen sein möchte? Wer weiß, ob du uns nicht etwa den besten Rath ertheilest?! Daher rede, und spreche ganz ungenirt deine Meinung aus!"

84. Kapitel. Helenas Ansicht über den Weg zum Heil der Erdenmenschheit.

01. Spricht die Helena: „O Herr, Du schönste Lebensblume meines Herzens, Du mein Leben, Du mein Alles! Schaue in mein Dich allein über alles liebendes Herz, und Dein heiliges allsehendes Auge wird darin alles finden, was ich habe, und wie ich es meine! O Du mein süßester, angenehmster, bester, weisester, mächtigster und auch — ach! Du mein allerliebenswürdigster, und — h, — schönster Herr Jesus; Schau, ich bin gar zu verliebt in Dich, und kann vor lauter Lieb' nichts reden! Aber da hinter uns sitzen und stehen ja noch eine Menge, wie der General Max Olaf, der gewisse Baron, sein Weib und seine Töchter, unter andern die Emma, die auf der Welt ein armes Weib eines untreuen Mannes war, und mehrere ihrer Dienerschaft, auch der Stiefelputzer und die berühmte Anna—Mierl! Vielleicht könnten diese auch etwas zum Besten geben? Mit mir aber thut es sich nun schon auf gar keinen Fall; denn schau Du mein Herzerl, Du mein liebster, schönster Herr Jesus, ich bin nun wirklich ordentlich schwach vor lauter Liebe zu Dir! Denke Dir's nur! ich ein armes Wiener Menschl, und sitze hier bei Dir! Der Du der alleinige ewige Herr Himmels und der Erde bist, und gleich neben mir der Adam, und die andern Väter der Erde! Das wird etwa für eine arme Seel', wie ich eine bin, doch kein Spaß sein?! — Daher bitte ich Dich, lasse doch die Andern eher reden! vielleicht fällt mir nachher etwas so recht Gescheites ein?!"

02. Rede Ich: „Ja du Meine allerliebste Helena, das weiß Ich schon, daß du Mich nun gar überaus mächtig liebst, was Meine größte Freude ist; aber wegen diesen hinter uns sich befindenden Gästen sage Ich dir blos das: Wer früher kommt, der mahlt auch eher! Siehe, diese werden nachher schon auch reden, o, sie sollen nicht umgangen werden! aber eher mußt du reden, weil Du eher bei Mir warst, und weil du Mich gar so sehr liebst! Zudem hast du an dem Kampfe in Wien auch sehr Theil genommen, und bist dabei um dein irdisches Leben gekommen, was dir damals sehr unlieb war! Und so denn mußt du nun auch reden in der Sache, die dich selbst so hart mitgenommen hat! Fasse daher nur einen rechten Muth, und rede, wie dir die Zunge gewachsen ist; Ich werde daraus schon das Beste zu finden wissen."

03. Spricht die Helena: „Auweh, auweh, o Du mein allersüßester Herr Jesus! Das ist bei Dir einmal richtig, so Du einmal etwas haben willst, so muß es geschehen, und wenn da auch Himmel und Erde dabei vergehen sollten, wie man so zu sagen pflegt! Aber schau, jetzt werd ich Dich aber doch noch erwischen; mir fällt es nun gerade ein, wie einst der Apostel Paulus, dem Du die Worte in den Mund legtest, gelehret hat, daß da kein Weib im Rathe einer Gemeinde etwas reden dürfe, sondern allein die Männer! ich bin aber ja auch ein Weib; wie solle ich hier in dieser allererhabensten Gesellschaft von lauter Männern es wagen können, auch etwas zu reden!? Oh, Du hast mich nur prüfen wollen, weil Du meine Liebe zur Plauderhaftigkeit kennest; aber sieh, die Helena, die Dich gar so über alles liebt, ist nun schon ein bischen gescheiter geworden, und sitzt nicht auf! Oh, sei Du mein Göscherl nur schön sauber still, und red' nicht viel, sonst kriegst heute, d. i. hier in diesem Hause — vom Paulus Wichs!"

04. Paulus lächelt über diese etwas humoristische Entschuldigung der Helena!

05. Ich aber sage: „Höre du, Meine liebste Helena, du meinst freilich, daß Ich dich nun nicht erwischen könnte; aber Ich habe dich eigentlich schon erwischt, und du kannst Mir nun nicht mehr auskommen, und wirst am Ende sogar nach Paulus' ausdrücklichem Gebote reden müssen; und nach Meinem Gebote, das noch übers Paulinische geht, aber schon ganz unausweichlich! Siehe, in einem Briefe an die Römer, und zwar im 16. Kapitel empfahl der Paulus die Phöbe, die der Gemeinde zu Kenchrea in allem Meinem Dienste vorgestanden ist; ebendaselbst empfiehlt er aus gleichen Gründen die Priszilla, grüßet eine gewisse Maria, die ebenfalls viel Arbeit in Meinem Namen hatte, und ebenso die Trifena, die Trifosa, und seine liebe Persida, die viel mit Wort und That in Meinem Namen gearbeitet hatte!

06. Siehe nun du, Meine liebe Helena, solchen Weibern hat Paulus keine Mundsperre in der Gemeinde angelegt; sondern nur solchen, die da aus einer Art Hochmuth auch in der Gemeinde Sitz und Stimme haben wollten, und ohne Meinen Geist zu haben und zu begreifen, dennoch reden wollten, als wüßten sie auch, was die aus Meinem Geiste Wiedergebornen wissen! Siehe, so aber auch ein Weib voll Meines Geistes ward, Der im Manne wie im Weibe der stets Eine und Gleiche ist, da kann und muß sie sogar reden, was und wie es der Geist von ihr verlangt!

07. Meine Apostel waren die erste und somit vorzüglichste christliche Gemeinde in der Welt, weil sie unmittelbar von Mir Selbst gestiftet war! Als Ich am dritten Tage wieder aus dem Grabe erstand, Wen wohl sandte Ich Selbst zuerst hin zu den Brüdern, ihnen zu verkünden Meine Auferstehung? Siehe, ein Weib ungefähr von deiner irdisch moralischen Beschaffenheit! Nun, wenn das nachträgliche Gebot Pauli für plauderhaftige noch ganz weltliche Weiber überall solle in die Anwendung kommen, wie hätte sich dann eine Magdalena je unterstehen können, an Meine ersten Apostel selbst einen Apostel zu machen?!

08. Zudem habe Ich auch einmal den Saduzären bewiesen und gezeigt, daß im Himmelreiche alle die irdischen Unterschiede aufhören, d. h. die irdischen Geschlechtsrechte; Alle sind den Engeln Gottes gleich, und genießen das eine Recht, nehmlich: zu sein Gottes Kinder! —

09. Und siehe, so steht es nun auch mit dir, du Meine allerliebste Helena! — obschon Mir deine Bescheidenheit eine sehr große Freude macht, so wirst du aber dennoch reden müssen, und das darum, weil du mit dem Adam, der neben dir sitzt, vor Mir das ganz vollkommen gleiche Recht zu reden hast! und so mache dich nur darüber!"

10. Spricht die Helena: „Ei, ei, ei! nein! das seh' ich nun schon ganz klar ein, daß Du gar nicht zu erwischen bist; hm, hm, ja, ganz merkwürdig ja, — Deine Weisheit und die Unsereines, das sind wohl ganz kurios zweierlei Weisheiten! o je, o je, das ist ein Unterschied! Nein, mit dem Entschuldigen kommt man bei Dir schon ewig nicht auf; aber mit einer recht herzlichen Bitte? Könnte die Dich denn auch nicht von Deinem einmal ausgesprochenen Verlangen ein wenig nachlässig machen?"

11. Rede Ich: „Ja Meine allerliebste Helena! Mit einer rechten Bitte kann man bei Mir wohl sehr viel ausrichten, aber nicht Alles; siehe, so Jemanden auf Erden das Leben sehr schmeckte, so daß er dort ewig leben möchte, und er bäte Mich darum — aus allen seinen Kräften! — so könnte Ich aber solch' einer Bitte doch kein Gehör geben, weil das wider Meine Ordnung wäre! Und ebenso könnte Ich auch hier deine Bitte um Nachlaß der Rede nicht erhören; daher öffne nur deinen schönen Mund, und rede, wie es dir in den Mund kommen wird!"

12. Spricht die Helena: „Nun, in Deinem Namen, weil Du mein himmlischester Herzensliebling es schon durchaus willst, so will ich ja gleichwohl reden; aber weißt Du, wenn mir manches gar zu Tamische herausrutschen sollte, da zupf mich ein wenig, damit ich vor Dir, und vor diesen allererhabensten Großmenschen der Erde doch nicht gar zu allmächtig zu Schanden werden möchte! Und so will ich denn sogleich meine Meinung aufzutischen anfangen. Siehe, o Herr, das ist denn so meine Meinung:

13. Auf der Erde sind ein kleiner Theil Menschen zu hoch oben, und haben auch viel zu viel, — und der größte Theil aber ist dafür zu tief drunten, und hat entweder gar nichts, oder doch wenigstens viel zu wenig gegen diejenigen, die da viel zu viel haben! Die Folge davon ist aber, wie ich's verstehe, doch nothwendig diese: Die Hohen, die da viel zu viel haben, dabei aber doch die beiweitem geringste Zahl ausmachen, sehen notgedrungen mit Verachtung auf die unteren, wenig oder nichts habenden Klassen, weil sie stets die starke und überzeugende Möglichkeit wie ein Gespenst vor sich haben, darnach die geringen vielen armen Menschenbestien — sich denn doch etwa einmal vereinen könnten, und einen Griff nach dem starken Ueberflusse der Hohen, Großen und Reichen machen!? Um aber das nach Möglichkeit zu verhüten, scheuen die Ersteren kein Mittel; der Geist muß unterdrückt werden, wie und wodurch es nur immer möglich ist; als — durch Pfaffentrug, durch eine gänzliche Beschränkung der Druckpresse, durch Verbot besserer Bücher, sogar der Bibel! Die dawider Handelnden werden gestraft, und das nicht selten auf eine Art, daß ihnen dabei Hören und Sehen vergeht; wer solle bei solchen Umständen dann noch zu einer Erweckung des Geistes gelangen!?

14. Also wird auf der andern Seite aber auch Alles gestattet, was da nur immer zur Tödtung des Geistes beitragen kann; dergleichen Gestattetes ist: Geduldete Hurerei in allen Gestalten; wenn auch manchmal per forma öffentlich dagegen polizeiliche Schritte gethan werden, so thut das der schnöden Sache aber dennoch nicht den geringsten Eintrag; denn so auch auf eine allfällige dummscheinheilige Anzeige irgend eines am Gehirne ganz eingeschrumpften Bürgers, dem seine Partheien mit dem Auszuge drohen, so die Hurenbagage wißawi nicht entfernt wird, die Huren von der Polizei abgeholt werden, und etwa über die Nacht ein freies Quartier bekommen, ja manchmal pro forma sogar über 14 Tage in's Arbeitshaus kommen, oder gar auf den Schub, so macht aber das der Sache im Ganzen dennoch keinen Eintrag; denn bei einem Thore werden sie mit einem Gerichtsboten hinaus befördert, beim andern aber dürfen sie dennoch wieder ganz frei und lustig hinein spazieren, besonders, so sie sich noch in einem brauchbaren Alter befinden; sind sie aber etwa mit der Zeit auch älter geworden, da werden sie dann auch freilich beiweitem nicht mehr so zuvorkommend behandelt! Weiters wird gestattet zu lumpen und zu schwelgen, was die arme blinde und erziehungsbare Menschheit nur kann und mag, weil die Schwelgerei auch sehr nachtheilig auf den Geist einwirkt; ebenso werden gestattet zotige Komödien; da kann die Sauglocke geläutet werden, so stark es nur immer thunlich, wenn darin nur keine politischen Anspielungen vorkommen, oder andere Weckfünkleins, so kann die Komödie ohne allen Anstand vom Stapel gelassen werden, weil sie auf die Erdrückung des Geistes einen entschiedenen Einfluß hat!

15. Sollte sich aber etwa ein Geist, trotz allen diesen sanfteren Verdummungsmitteln, dennoch erheben wollen, und etwa hie und da zeigen, daß er göttlicher Abkunft sei, so werden dann auch schärfere Mittel angewendet, durch die jedem Geiste seine göttliche Abkunft irdisch sicher sehr theuer zu stehen kommen wird! — Der B. und seine Freunde sind hier lebendige Zeugen, wie die Großen der Erde jede evidente Erhebung eines Geistes zu würdigen verstehen! Sie sagen: O, das ist ja schon wieder ein himmlischer Menschenfreund! also, nur geschwind in's Himmelreich mittelst der Strick— oder Pulverschnellpost mit ihm! Wer es wagete, ihnen die Wahrheit zu sagen, dem ertheilen sie sogleich den schönen Titel — Auswurf der Menschheit, und setzen auf seinen werthvollen Kopf sogleich einen Preis von vielen Goldstücken! und bekommen sie ihn, o weh! da wäre es für ihn und seinen freien Geist viel besser, so er nie wäre geboren worden!

16. Siehe, Herr! so, so stehen die Aktien um die arme Menschheit nun auf Erden! Was Wunder nun, so sie sich denn doch einmal erhebt und Rache nimmt an denen, die schon so viele Jahrhunderte ihre Peiniger und Vampire waren! Ich, ein schwaches weiblich Wesen, da ich schon reden muß, bekenne es hier offen, daß die arme Menschheit nun zu solch einer Erhebung ein vollkommenes Recht hat, und es auch allerhöchst an der Zeit ist, den Großen, die keinen Funken Liebe zu den Menschen haben, ihr arges Geistesmordungshandwerk aus den Händen zu reißen, und es für immer von dem Boden der Erde zu verbannen! Die Großen sollen herabsteigen, und was sie zu viel haben, mit den armen Brüdern theilen, und aus ihren viel zu weitläufigen Burgen sollen Armenhäuser werden und sie selbst Menschen! — Die Armen aber sollen Schulen bekommen, und wahrhaft gebildete Lehrer nach Deinem Geist, o Herr! sonst wird's nimmer besser auf der Erde, sondern nur schlechter von Tage zu Tage, und von Stunde zu Stunde; denn die Großen werden stets härter und tirannischer, und der Haß der Kleinen wird wachsen wie eine Zeder, und wie eine vom Hochgebirge herabrollende Lawine! — und so Du, o Herr, auf der Erde nicht bald etwas Entschiedenes ausführst, so ist es wenigstens irdisch in den mir bekannten Landen um alle Menschheit ganz vollkommen geschehen, was doch sicher nicht Dein Wille sein kann?!

17. Oder kannst Du, o Herr, wohl eine Freude haben, so sich nun die Menschen als die allerwildesten und reißendsten Bestien zu tausenden zerreißen und zerfleischen, und das nur darum, weil die Großen um keinen Preis, auch nicht um den Preis von Millionen Menschenleben von ihrer Höhe, und von ihrem Reichthums— und Herrscherglanze (auch nicht) ein Haar vergeben wollen, weil sie meinen: So sie ein Haar vergeben, da würde man nachher auch ihren ganzen Kopf haben wollen, was aber eine ganz grundfalsche Meinung ist; denn ich bin überzeugt, daß, so sie den armen Völkern freundlich entgegen kämen, diese sie dafür auf den Händen herumtrügen! — Aber wann sie den Völkern erst dann maskirte Zugeständnisse machen, wo diese sich aus Verzweiflung gegen sie in großen Massen wildbewegt erheben und gröblichst bedräuen, und diese abgedrungenen Zugeständnisse auch nur so lange zum Scheine halten, bis sie durch ihre gesammelten Militärmächte wieder in ihrer alteigenthümlichen Weise diese Zugeständnisse über den Haufen werfen können, da ist es dann ja sehr leicht begreiflich, wie sie nun alles Vertrauens bar werden mußten; da aber nun ein rechtes Vertrauen zwischen Völkern und Regenten nimmer herzustellen ist, und die zu kostbaren Regenten den armen Völkern zu theuer geworden sind, so daß sie dieselben nicht mehr erhalten können, und bezahlen alle die von den Regenten gemachten ungeheuren Schulden, so bleibt denn meines Erachtens doch nichts anderes übrig, als die Völker von ihren alten Regenten frei zu machen, und an ihre Stelle wahrhaft gotterleuchtete Führer zu stellen, welche als selbst vollkommene Menschen den Menschenwerth in ihren Brüdern achten werden, und alles aufbieten, um den Geist in eines jeden Menschen Brust wahrhaft zu beleben! Das muß geschehen! und geschieht das nicht, so wirst Du, o Herr, mit den Menschen der Erde ewig die gleiche Fretterei haben, wie mit uns nun, die wir trotz aller Deiner großen Mühe und Gnade noch so dumm da stehen, als wie junge Ochsen vor einem neuen Thore! Es muß Dir ja doch auch am Ende zu einem bedeutenden Ueberdrusse werden, wenn zu jeder Minute tausende von den allerblitzdummsten Wesen hier anlangen, die von Dir gerade so viel wissen und halten, wie das nächste beste Vieh auf der Welt!

18. Daher sei doch einmal auch für die arme Erde so gut, wie für uns dahier; und lasse Deine Bekenner nicht mehr kreuzigen, von denen, die Dich heute d. h. nun wie einst ohne alles Bedenken kreuzigen würden, so Du als ein Mensch zur Erde kämest, und eifern möchtest wider sie, wie einst wider die schnöden Farisäer! Thue Dich einmal auf, o Herr, und bearbeite die Erde, und dünge sie mit Deiner vollen Gnade ernstlich, sonst wird sie ehestens zum fürchterlichsten Gräuel aller Verwüstung werden! Siehe, Herr! Du mein süßester Jesus, Du selbst sagst es, daß ich nun Deine geliebteste Helena bin! So ich aber schon dieses allen Sternen unfaßbaren aller unendlich höchsten Namens von Dir aus als würdig bekannt bin, so thue aber auch als mein alleralleinigster Geliebter meines Herzens mir das zur Liebe!

19. Ich will Dir aber dadurch freilich gleich allen andern Vorrednern ja ewig nie eine Vorschrift ertheilen, sondern blos nur meine Meinung, der nach denn nun doch etwas Entschiedenes geschehen sollte! Du bist allein endlos weise, und siehst es am besten, was da nun zu geschehen habe! Diese Weisheit habe ich ewig nicht, und kann Dir daher auch ewig keinen wirklichen Rath geben; aber nach menschlicher Weise stehen die Sachen einmal also, und meine menschliche Einsicht erkennt nur den ausgesprochenen Rettungsweg, Dir aber werden zahllose bekannt sein!? Thue aber daher nun was da ist des Rechtens! —

20. Habe ich aber nun durchaus unsinnig geredet, so ist das wirklich nicht meine Schuld; denn da hättest Du mich ja zupfen sollen! Weil Du mich aber nicht gezupft, wohl aber dafür öfter angelächelt hast, so meine ich, daß ich denn doch nicht gar so unsinnig geredet habe? Uebrigens wäre es für mich wahrlich kein Wunder, so ich ein wenig geganselt hätte! Denn bei solch einer Geistesbildung, wie sie mir auf der Erde zu Theile ward, kann man wahrlich keine Safo und keine Katharina von Siena werden! Mein Hiersein aber reicht ja noch kaum hin, um so viel Weisheit sich eigen gemacht zu haben durch Deine Gnade, daß ich nun ungefähr weiß, welchem Geschlechte ich auf der Welt angehört habe, und daß ich Dich, aber freilich höchst seicht nur, erkannt habe!

21. Ich habe nun, o Herr, Deinen Willen gethan, und bin mit meiner Antragsrede fertig; Dir, o Herr, sei alles aufgeopfert; was ich dumm machte, das wirst Du schon korrigiren; nur das bitte ich Dich, daß Du mich nach dieser meiner Plauderei nicht weniger lieb haben mögest, als ehedem! Dir allein sei ewig alle meine Liebe, mein Leben, und all mein Sein zu den Füßen gelegt, für ewig, Amen."

85. Kapitel. Jesu Kritik an Helenas Vorschlägen. Gleichnis von der Kommunistensiedlung. Die Erde kann unmöglich ein Paradies sein, solange sie eine Prüfungsstätte ist.

01. Rede Ich: „Meine liebste Helena! du hast nach deinen Anschauungen und Erfahrungen und daraus abgezogenen Erkenntnissen die Sache wahrlich recht gut und folgerichtig vorgetragen, und dein Wunsch kann an und für sich selbst nur als ein sehr lobenswerther bezeichnet werden, und es wird so Manches geschehen hie und da, wie Du es wünschest; aber im Ganzen gingst du denn doch offenbar ein wenig zu weit. Ich sehe es wohl, und das leider nur zu genau, wie so manche Regenten, von denen einige schon gegangen sind, wohl zu allem eher taugeten, als zu Regenten der Völker. Aber was läßt sich thun?

02. Ich will dir ein Gleichnis geben, nach diesem wirst du urtheilen, ob Ich das alles in den Vollzug bringen kann, wie du es wünschest?! und so höre:

03. Einige Kolonisten haben nach langem Wandern sich endlich irgendwo auf der Erde ein Plätzchen ausgesucht, eine schöne und fruchtbare Gegend, in der Mitte einer großen Wüste; ihr Erstes ist, sich eine für diese Gegend zweckmäßige Wohnung zu errichten. Es ist Holz da in Menge, wie auch eine gute Art Bausteine; schnell wird ein Plan gemacht, und die Hände sogleich an's Werk gelegt, und in kurzer Zeit steht hier eine Hütte, ganz geeignet, unsern neuen Ansiedler vor Hitze und Kälte, wie auch vor den vielen reißenden in dieser Gegend reichlich zu Hause seienden Bestien zu schützen, so gut es nur gehen kann.

04. Einer aus der Gesellschaft aber sagt: „Liebe Freunde, die Hütte ist wohl recht gut und zweckmäßig erbauet; vor Hitze, Kälte und wilden Thieren wird sie uns wohl eine Zeitlänge schützen; aber so hier in dieser Gegend, die wir noch nicht ganz kennen, sich etwa noch ein größerer und mächtigerer Feind vorfände, frage: Wird unsere Hütte auch ihm Trotz bieten können? Wenn z. B. hier irgendwo ein wilder Volksstamm hausete, in der Nacht über unsere Hütte käme, und sie zerstörete mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, und uns dann ergriffe und tödtete?! Bedenket also wohl, ob uns die Hütte für alle Fälle Schutz geben könnte?" — Dieß bedenken nun alle Ansiedler wohl, und sagen: „Du hast recht, für derlei Fälle möchte diese trotz ihrer zwei Klafter hohen steinernen Unterlage wohl zu schwach sein; daher wollen wir um die Hütte einen recht tiefen Graben, und außer dem Graben noch einen wenigstens 2 Klafter hohen Wall ziehen, und die wenigen Fenster der Hütte mit den mit uns genommenen Eisenstäben vergittern, und so dürften wir, also verwahrt, von allen äußeren Feinden wohl bei weitem weniger zu fürchten haben! Auch solle die Eingangsthüre so viel als möglich fest und stark hergestellt sein, damit sie ja jedem Feinde den waidlichsten Trotz bieten kann!" Dieser Vorschlag wird angenommen, und auch sogleich in's Werk gesetzt.

05. Als alles fertig da steht, da haben alle eine rechte Freude daran; aber Einer, so ein Skrupelheld, macht die Bemerkung, und sagt: „Aber liebe Freunde! das Leben auf der Erde ist denn doch wohl allenthalben nahe gleich; dort in den kultivirten Ländern Europas, wo stolze Könige herrschen, und starke Armeen halten, braucht man eigentlich hauptsächlich die Zunge in den Zaum zu legen, und hat dann weiter keinen Feind mehr zu fürchten; und hat man sich einmal willig in die Gesetze gefunden, und sie zum eigenen Willen gemacht, so kann man allenthalben unter dem Schutze der Machthaber frei herum wandeln! Nur dem der Magen zu groß, und die Zunge etwas zu lang gewachsen ist, und dessen Verstand und Wille sich eigentlich gar kein Gesetz wollen gefallen lassen, der wird dort festgenommen, und eingekastelt, und somit seiner frühern bürgerlichen Freiheit beraubt, weil er ihm nicht die allgemeine verfaßte Ordnung will gefallen lassen; wir aber sind hier aller Machthaber und aller Gesetze ledig, und können Gottlob reden, wie uns die Zunge gewachsen ist, und können nun allen Herren der Erde den nackten Steuß zeigen; aber was nützt uns das alles nun ganz absonderlich? Wir haben nun wohl keine Steuern an Jemanden mehr zu entrichten, aber dafür müssen wir den ganzen Tag hindurch fleißig arbeiten, und die Früchte, die diese Gegend wohl sehr reichlich trägt, fleißig einsammeln, und uns an ihre Natur erst angewöhnen, und wissen bei vielen noch nicht, ob und wie sie uns dienen werden. Also müssen wir uns hier im Lande der vollsten Freiheit am Ende selbst förmlich einkasteln, um vor den möglich vorkommenden Feinden gesichert, zu sein. Ja zur Nachtzeit müssen wir uns ärger verbarrikadieren, als die ärgsten Staatsaufwiegler von Paris! Saget es treuherzig selbst, ob wir nun bei dieser unserer doch sicher absolutesten Freiheit auch nur um ein Haar besser daran sind, als wie der geringste Tagwerker unter der allerabsolutesten Regierung in Europa? Wir sind hier vollkommne Kommunisten; aber die heulenden wilden Bestien draußen scheinen auch von einem höchst kommunistischen Geiste beseelt zu sein! Wir haben kein Staatsgesetz mehr, außer das Gesetz unserer gegenseitigen Freundschaft; aber dafür müssen wir desto unausgesetzter arbeiten, um das Begehren unseres Magens zu befriedigen, und unsere Hände sehen nun schon aus, als wären sie mit einer Eichenrinde überzogen. Wir haben hier auch keine lästigen Beamten zu erhalten; aber dafür brauchen wir selbst desto mehr; also ist hier auch kein Pfaffe, der uns die Hölle heiß machte; aber dafür befinden wir uns hier in einem Zustande, vor dem die Hölle eben nicht gar zu viel vorhaben dürfte! Was wollen wir sonach thun, um unser diesfälliges irdisches Plageleben ein wenig zu würzen, und für die Folge erträglicher zu machen?"

06. Da zucken Alle mit den Achseln, und sagen: „Wer aber hätte sich das eher gedacht! — Aber ein Uebel giebt es überall; ist man des einen los, so kommt man in ein anderes! nun aber sind wir einmal hier, und können die Sache nicht mehr ändern; daher heißt es hier thätig sein über alle maßen, und so kann es mit der Zeit denn doch auch vielleicht besser werden!

07. Siehe nun du Meine liebe Helena, aus diesem Bilde kannst du nun sehr leicht urtheilen, was man auf der Erde, die ein dorniger Prüfungsweg für den Geist des Menschen bleiben muß, unternehmen solle, um ihren Boden zu einem Paradiese zu umstalten!

08. Entsetze Ich alle Regenten sogleich aller ihrer Aemter, und lege Ich ihre bisherige Macht in die Hände der Völker, so werden diese dann in aller Kürze selbst herrschen; aber über wen? Ja, da wird dann ein Jeder herrschen wollen, aber Niemand gehorchen, außer es freuete jemanden, seinen eigenen Gesetzen zu gehorchen! So aber das Volk herrschen möchte, und gäbe ihm selbst Gesetze; wer wird es denn im Falle der Noth und Gefahr nöthigen können, seine eigenen Gesetze zu befolgen?! — Ja Ich sage es dir:

09. Es wird am Ende wohl eine Demokratie errichtet werden, aber von einem ganz anderen Kaliber, als sich's nun die Völker der Erde vorstellen, und es wird sich dann fragen, ob sie nicht nur zu bald also schreien werden (au weh!), wie einst die Israeliten in der Wüste, wo sie keine Fleischtöpfe mehr an's Feuer stellen konnten!?

10. Denke sich aber aus euch Allen nur ein Jeder das, daß die Erde unmöglich ein Paradies sein kann, indem sie ein Prüfungsboden für jeden in das schwere Schandfleisch des Menschen gelegten Geist für alle Zeiten verbleiben muß, ohne dem kein Geist ein vollkommenes ewiges Leben erreichen könnte, so werdet ihr dann gleich um sehr vieles richtiger zu urtheilen anfangen.

11. Daß aber die Könige nun schwach, und die Völker blind geworden, daran ist ganz wer anders Schuld, als ihr es meinet; Diesen alleinigen (Haupt)—Schuldigen werden wir aber bald kennen lernen, und werden ihn binden, und dadurch die Menschen auf der Erde von seinen Fesseln frei machen, und es wird dann schon wieder besser werden, ohne unsere Rache.

12. Ja, Meine liebste Helena, Ich sage es dir: du wirst mit Mir schon noch ganz vollkommen zufrieden sein können; denn es wird am Ende alles einen sehr rühmlichen Ausgang finden; aber nun müssen wir zuvor auf der Erde alle Geister erst so recht sich finden und zur Einsicht kommen lassen, was ihnen hauptsächlich vor Allem fehlt?!

13. Sodann aber wird es ein Augenblick sein, und Alles wird sich auf der Erde in einer neuen Ordnung befinden!

14. Und nun aber trete du Mein lieber Max Olaf näher her zu Mir, und künde uns Allen deine Meinung, und deine Wünsche!"

86. Kapitel. Olafs Weisheit. Seine Ahnung von traurigen Vorgängen auf Erden. Ein himmlischer Trinkspruch. Neue Heilswege des Heilswege Jesu. Die neue Licht— und Liebesbrücke der göttlichen Gnade.

01. Tritt Max Olaf näher, und spricht: „O Herr, da ist es schwer eine Meinung, und irgend einen besonderen Wunsch auszusprechen, wo Du, o Herr, als die allertiefste und allmächtige Weisheit sprichst, und schon lange alles das, was nun geschieht, vorgesehen hast, und auch alle jene besten Vorkehrungen getroffen, nach denen alle die gegenwärtigen Wirren auf der Erde ohnehin die eh'st mögliche Lösung bekommen müssen! Das ist aber auch ein Hauptwunsch von mir; denn ich wünsche nicht einmal dem Teufel etwas Schlechtes, geschweige den Menschen, die da meine Brüder sind!

02. Ich brauche Dir, o Herr, es auch gar nicht zu beschreiben, wie es auf der Erde nun zugeht, denn Du, o Herr, überschauest mit einem Blicke nicht nur alle die vielen Gräuelthaten, sondern auch alle die Herzen mit ihren guten oder schlechten Wünschen, aus denen diese Thaten ausgeboren werden! ja Du siehst es auch, wie und durch was solche argen Gedanken und Wünsche in den Herzen der Menschen entstehen!? Daher Du es auch ewig nie von nöthen haben wirst, von einem Geiste zu vernehmen, was da nun zu thun wäre; wohl aber kannst Du zu uns sagen: Höret, dieß und jenes werde Ich nun thun! Und es wird Dich schwerlich Jemand fragen und sagen: Warum? — Denn Du allein bist der Herr, und kannst thun, was Du willst!

03. Also läßt Du nun auch auf der Erde Dinge geschehen, von denen sich Niemand eine wahre Rechnung geben kann, warum und wozu sie geschehen? aber die Menschen nur, die blind sind, sagen: O Herr! bist Du nun blind und taub geworden, da Du uns nun verschmachten lässest unter allerlei Trübsalen! Ich aber denke: Du lässest wohl Niemand verschmachten, sondern richtest Jeden auf, der Dich anruft, und auf Dich vertraut; Jene aber, die ihnen selbst genügen wollen, und nur auf ihre Waffen all ihr eigentliches Vertrauen setzen, — denen geschieht es aber ja auch vollkommen recht, so sie mit ihrer Macht in aller Kürze vor Dir, o Herr, und vor aller Welt zu Schanden werden! Die Kleinen und Demüthigen aber können jubeln und frohlocken! denn Du bist ihr Schutz und Hort, und wirst es nimmer zulassen, daß sie sich ihres Vertrauens schämen müßten, vor den Großen der Welt! Wohl aber werden in aller Kürze die Großen vor den Kleinen zu großen Schanden stehen, wann Du, o Herr, ihnen die Larve abnehmen wirst! Denn sie treiben nun ein schmählich Spiel mit den armen Völkern!

04. Aber ich bin darob gar nicht ängstlich bekümmert; denn ich weiß es ja doch nur zu bestimmt, daß da Alles, was Du thust, wohlgethan ist! und weiß es auch, daß Dir keine Ruchlosigkeit entgeht! — denn die da einen Hauptschlag führen wie heute über ihre Brüder, die sie Feinde nennen, die schlägst Du morgen, und da verschwinden sie, als ob sie nie dagewesen wären, und mit ihnen ihr Amt! Darum werde allzeit geheiliget Dein allerheiligster Name!

05. Aber nun bekomme ich ein sonderbares Gefühl; ich sehe zwar nichts, und vernehme auch nichts, aber mir ist es, als ob soeben jetzt auf der Erde ein mächtiger Schlag geschehen wäre? O Herr! was mag das sein?!"

06. Rede Ich: „Mein liebster Max Olaf: O ja, ja, Ich sage es dir! heute, heute, und heute! — Nacht wollen sie, und sie soll ihnen werden, und sie alle verschlingen, die sie wollen! den Tod wollen sie; auch der soll ihnen werden, die ihn erwählet haben zu ihrem Helfershelfer! Glanz, Ruhm und Ehre wollen sie; denn für diese müssen Tausende sich schlachten lassen; ja, es sei! sie werden erschrecklich glänzen, ihr Ruhm wird furchtbar sein, und entsetzlich ihre Ehre! Herrschen wollen sie! ja, sie sollen herrschen, aber wie die Pest, und wie der Drache in seiner Höhle, und wie der Leviathan in seiner Schlammtiefe unter dem Grunde des Meeres! Lüge wollen sie; denn die Wahrheit ist ihnen ein Greuel der Verwüstung; daher sollen sie auch nimmer an das helle Licht der Wahrheit kommen. Einen Gott wollen sie auch; aber nur, wie sie ihn brauchen können! daher sollen sie nimmer Mein Angesicht zu sehen bekommen! — Also wollen sie auch allein nur leben, und alle Andern sollen nur leben, wann sie fürs Leben der Großen taugen! daher wird es aber sein, daß sie ewig allein leben werden! Was sie wollen, das solle ihnen werden, und wie sie es wollen! Aber bald wird eine große und erschreckliche Reue in ihre Seele fallen, wie ein Mühlstein aus den Wolken, und sie werden suchen dieser Reue ledig zu werden, aber ihr Suchen wird vergeblich sein, denn diesen Stein wird Niemand vom Grabe ihrer Seele heben! O, Ich kenne sie, und ihre Gelüste und ihre Thaten; Ich habe die Könige der Erde gezählt, und habe wenige gefunden, die da gerecht wären vor Mir in den Völkern; daher soll Nebuchodonosers Loos ihr Antheil werden! Aber den wenigen Gerechten will Ich auch helfen wunderbar, daß sie fürder glänzen sollen unter allen Königen und Völkern wie die hellsten Sterne unter dem Kleingeflimmer des Firmamentes.

07. Und heute, heute und heute — solle das Gericht beginnen! heute sollen Viele geschlagen werden! Viele Teufel sollen heute zu Grunde gehen, und der Satan wird der ihm gelegten Falle nicht entgehen. —

08. Und nun du, Mein Robert, gehe hin, und bringe Wein her, und das den besten, den Wein des Lebens, der Liebe und der Wahrheit! auf daß wir das Wohl der armen Brüder der Erde trinken, und sie segnen. Also sei es, und also geschehe es!!!"

09. Schnell erhebt sich Robert, und holet den bedungenen köstlichsten Wein;

10. Als er ihn vor Mir hin auf den großen Rathstisch stellt, so segne Ich den Wein, und sage zu R. Bl.: „Mein liebster Robert, so Ich einen Wein begehre, da versteht sich schon auch das Brod mit hinzu; da du aber nur pur Wein hierher geschafft hast, so gehe hin, und schaffe uns auch ein gutes Brod; denn dieß Haus ist ja mit Allem reichlichst versehen!

11. Gebe aber dort auch unseren 24 Balletistinnen Brod und Wein, und sage ihnen, daß sie ihre Füße wieder in der Bereitschaft halten sollen; denn sie werden bald wieder etwas zu tanzen bekommen! Wollen sie etwa auch edle und gute Früchte genießen, so öffne ihnen den Schrank neben der Thüre, die in ein zweites Nebengemach führet; was sie darinnen finden werden, das sollen sie genießen.

12. Nun aber noch etwas! bringe auch sogleich eine gerechte Menge Trinkgefässe, auf daß wir in dieselben den Wein, und zwar für jeden Mann ein rechtes volles Maß vertheilen können! Gehe, und erfülle Meinen Wunsch."

13. Robert vollzieht sogleich mit der größten Freundlichkeit, das ich verlangte.

14. Als da Alles in der gewünschten Ordnung sich befindet, da theile Ich selbst das Brod und den Wein aus, und sage: „Kinder! nehmet hin, und esset und trinket Alle! — So ihr aber trinket, da trinket auf das Wohl unserer Kinder und Brüder auf der Erde, die nun viele Verfolgung auszustehen haben, und sind nun schon sehr matt und schwach geworden! Wahrlich, es solle ihnen geholfen werden! aus jedem Tropfen 1000 faches Heil Allen, die eines guten Herzens und Willens sind! Ich sage es euch, heute noch solle es sich vielfach bei den Guten bewähren, daß wir allhier ihrer sehr gedenken. Ihre Herzen und die Thaten der Welt werden es ihnen kund thun, und einigen sehr Wenigen auf der Erde wird das Alles von Wort zu Wort, und Zug für Zug mitgetheilt, was hier geschieht, und wie hier für die arme Erde gesorgt wird.

15. Wir wollen aber auch der Blinden und Tauben gedenken; aber die Harten werden in das Feuer gehen, das da ist ein Meister und Zerstörer des Karfunkels und des Diamants; denn die durch Wahrheit des Wortes und der freien Lehre nimmer sich wollen erweichen lassen, die solle das mächtige Feuer weich machen! und unter den gewaltigen Schlägen des großen Hammers Meiner Weisheit sollen sie wie ein glühend Erz zu einem nützlichen Geräthe unseres Hauses (himmlische Kirche) umgearbeitet werden; wohl werden sie noch viel Lärmens und Tobens machen, und werden rathen hin und her, und auf und ab, und werden noch manche Pläne entwerfen; aber dieß alles solle ein eitles Bestreben sein, und wird stets den entgegengesetzten Erfolg haben von alledem, was sie so ganz dadurch erstreben möchten; denn Ich allein bin der Herr, und habe die Macht, Kronen und Zepter zu brechen, und die zerbrochenen wieder aufzurichten, so sie sich an Mich wenden; aber wehe ihnen, wenn sie sich nicht an Mich wenden, und nicht bei Mir die wahre Hülfe suchen;!

16. Könige, die an Mich sich halten, will Ich aufrichten, und ihnen geben eine rechte Weisheit, und eine große Macht daraus; und es werden dann ihre Völker hergehen, und sehr laut schreien: Heil dir, du unser großer von Gott uns geschenkter König und Herr! Was unser ist, das ist auch dein! Deine große Weisheit und Güte sei unsere wahre und lebendige Konstitution! Dein Wort sei unser Wille, und dein Wille unser Gesetz! Wehe jedem Frevler an deinem gesalbten Haupte!

17. Aber hingegen Wehe, und dreimal Wehe jenen Königen, Herzogen und Fürsten, die allzeit Wort— und Treu—brüchig sind gegen ihre Nachbarn, und haben ihre Herzen erfüllt mit Lug und Trug. Ich sage es euch, die werden aber also vergehen wie die Milben eines Blattes! Denn Ich will nun die Erde fegen von allem Unkraute.

18. Alsdann aber wird eine Brücke gestellet werden zwischen hier und dort, auf daß die Bewohner der Erde leichter zu uns herüber kommen sollen, als bis jetzt auf der schon sehr morsch gewordenen Leiter Meines Jakobs, auf der nur Engel auf und ab steigen konnten.

19. Die Brücke aber solle sein sehr breit, und so eben wie der Spiegel eines ruhigen Seees; und es sollen weder am Anfange, noch in der Mitte, und noch am Ende der Brücke Wächter aufgestellet sein, zu untersuchen die Elenden, Schwachen und Presthaften; sondern da solle ein Jeder ein vollkommener Freizügler werden und sein, und solle sich Jeder jederzeit Rath und wahre vollkommene Hülfe von hier als von seiner wahren Heimath holen können!

20. Auf dieser Brücke aber werden auch wir die lange verlassene Erde wieder betreten, und dort unsere Kinder Selbst erziehen, lehren, leiten und regieren, und so das verlorne Paradies wieder aufrichten (in ihnen).

21 Nun wisset ihr Alle vollkommen Meinen Willen, und Meinen Entschluß; prüfet ihn, und Jeder aus euch vergleiche damit seinen Mir gemachten Vortrag, seine Meinung, und seinen Wunsch, und ihr werdet es getreu finden, daß sie in ihm alle enthalten sind. Und Niemand aus euch Allen wird sagen können, daß er umsonst geredet habe!?

22. Also esset und trinket nun Alle auf das Wohl unserer Kinder und Brüder auf der Erde! denn nun wisset ihr es Alle, daß — und wie wir den Kindern der Erde helfen wollen, helfen müssen, und zwar bestimmt so eben helfen werden."

87. Kapitel. Das Himmelsmahl zum Wohle der Erdenmenschen. Szene zwischen dem Herrn und der Helena. Zwischenbemerkung Adams. Helenas Brautgewand und Krone als Entsprechung ihrer reinen, glühenden Gottesliebe.

01. Alle Gäste erheben sich auf diese Meine Rede ehrerbietigst, und sprechen: „O heilig, heilig, heilig bist Du, unser alleiniger Gott, Herr und Vater! allerhöchst gepriesen sei ewig Dein allerheiligster Name!"

02. Die Helena fängt vor lauter Rührung zu weinen und zu schluchzen an, und sagt: „O Du Mein Jesus! wie bin denn ich werth hier neben Dir zu sitzen!? Du bist der Lebendige, Ewige, Wahreste, Allmächtige, Gott und Schöpfer Himmels und der Erde, und ich bin ein allernichtigstes und schmutzigstes Küchenmensch voll Unflath und Sünden! — O, o, ohhh! nein, nein! das kann ja doch nicht gehen! O Herr! nun erkenne ich es erst so recht in der tiefsten Tiefe Meines Lebens, daß ich eine ganz abscheuliche Sünderin bin, und bin gar zu unwürdig, so ganz fest bei Dir zu sitzen; daher lasse mich zu jenen Tänzerinnen hingehen, mit denen ich doch etwas mehr Ähnlichkeit habe, als hier mit Deiner zu unendlichen Heiligkeit!"

03. Rede Ich: Oh, oh, schau, schau, was du nicht alles möchtest! Wenn du Mir zuwider wärst, da hätte Ich schon lange irgendwo ein passendes Plätzchen für dich gefunden; aber da du Mir nicht zuwider, sondern nun nur gar überaus lieb bist, so habe Ich dich denn auch viel lieber recht fest bei Mir, als irgend wo anders. Meinst du denn, Ich bilde Mir auf Meine Herrgottschaft etwas ein?! O, wenn du das meintest, da wärest du in einer großen Irre; schau, so Ich Mir auf Meine ewig nothwendige Herrgottschaft 'was eingebildet hätte, da hätte Ich Mich doch sicher nicht kreuzigen lassen, und wäre auch nie ein Mensch geworden! aber weil Ich Mir darauf gar nichts einbilde, und von ganzem Herzen sanftmüthig und demüthig bin, und nun mit euch Allen gleichweg ein Mensch bin, so kannst du es schon wagen, bei Mir zu verbleiben! du wirst dich überzeugen, daß Ich dich durchaus nicht beißen werde; und so bleibe Du nur schön bei Mir da, und esse und trinke nach deiner Herzenslust, Ich sage es dir, wir werden uns schon recht gut vertragen."

04. Nach diesen Worten ist es bei der Helena völlig aus vor lauter Lieb', und sie wird eben durch solche ihre große Liebe zu Mir aber schon ganz unbeschreiblich schön, so daß sogar der Adam neben ihr die Bemerkung macht, und sagt: „Wahrlich eine wahre Eva vor dem Falle! Nach dem Falle aber lebten auf meiner Höhe nur Zwei, eine Gemelah, und eine Priesterin Purista; diesen Beiden sieht diese unsere jüngste Tochter wahrlich sehr ähnlich! O die hat einen herrlichen Geist! Helena, du mußt dich schon mit mir auch ein wenig abgeben; denn sieh, der Gestalt und der Seele nach bin ich gewisser Art ja auch dein Vater, und du darfst dich daher nicht im geringsten scheuen vor mir; denn auch ich liebe alle meine Kinder gar überaus sehr, und somit auch dich! also darum, daß ich der Urmensch Adam, und ein Vater aller sterblichen Menschen bin, hast du dich gar nicht zu scheuen vor mir; dem Geiste nach aber vor dem Herrn — da sind wir beide gleich und haben uns gegenseitig vor einander noch weniger zu scheuen! sei daher nur recht muthig, meine allerliebste Tochter, und habe gar keine Scheue vor Jemanden, und wäre er noch um 10 Male mehr Adam als ich; denn Mensch bleibt Mensch, ob er nun 10,000 Jahre früher oder später seine Wanderung durch's Fleisch gemacht hat! Siehst du, so, so ist es!"

05. Spricht die Helena: „Na, na, ah das freut mich aber jetzt schon ganz besonders, daß mir der Vater Adam auch einmal die unverdiente Ehre angethan hat, mit mir ein paar Wörtlein zu sprechen! Na, für so gut und sanftmüthig habe ich den Herrn Vater Adam nicht gehalten. Aber wann der Herr Vater Adam einmal eine Zeit haben, da erzählen's mir etwas von den alten Zeiten, wie es etwa da zugegangen ist?! — Denn von solchen Geschichten bin ich eine große Liebhaberin!"

06. Spricht Adam: „O, mein Kind, nicht nur erzählen, sondern auch zeigen werde ich dir tausend und tausend Dinge!" (Am 5. Juni 1849)

07. Rede Ich: „Helena! aber du vergißt ja ganz das Essen und Trinken! sieh, Alle essen und trinken auf ein rechtes Wohl ihrer leidenden Brüder auf der Erde, und du hast noch nicht einmal mit einem Finger weder das Brod noch den Wein berührt; liegt dir denn das Wohl unserer Freunde und Brüder nicht auch eben so am Herzen, als wie den Anderen hier?!"

08. Spricht die Helena: „O Du mein allersüßester, allerliebevollster Gott und Heiland Jesus! Du weißt es ja, wer — wie ich — Dich über alles liebt, und in Dich, wie ich, bis in seine innerste Lebensfiber verliebt ist, der hat weder Hunger noch Durst; denn Du Selbst bist ihm das allernährendste Brod des Lebens, und der allerstärkendste Trank zur reinigendsten Erquickung der Seele und des Geistes! O sieh, so ich auch dies Brod äße, und diesen Wein tränke in Ewigkeit, hätte aber eine Liebe nicht vollkommen, in der allein alle Kraft des Lebens verborgen ist, so würde ich dadurch weder mir, und noch weniger jemand Andern helfen können; denn weder dieß Brod, noch dieser Wein, wenn in sich auch noch so geistig, kann helfen, sondern allein Du, o mein liebster Herr Jesus! und so meine ich, daß Du, mein allergeliebtester Herr Jesus, mir das nun ja doch nicht als einen Fehler anrechnen wirst, weil ich bis jetzt noch nicht gegessen noch getrunken habe?! aber ich will jetzt schon sogleich das Versäumte einholen, und will, aber nur aus der purster Liebe zu Dir, sogleich essen und trinken! Aber nur sei Du mir darob ja nicht gram!"

09. Rede Ich: „O du Meine liebste Helena! sorge du dich um etwas anderes! Ich werde je dir gram sein!? was fällt dir da ein? Siehe, Ich wußte es wohl, daß du aus purster Liebe zu Mir weder essen noch trinken konntest; daher stellte Ich auch nicht darum die vorigen Fragworte an dich; sondern blos darum, damit du vor dieser Gesellschaft also reden sollest, wie du nun geredet hast. — Da du aber nun also vollkommen nach Meinem Sinne geredet hast, so sollest du dafür denn auch sogleich mit einem hellpurpurnen Kleide, und mit einer Krone angethan werden! denn nun bist du Mir eine allerlieblichste Braut geworden, die mit dem Kleide der reinen und wahren Liebe bekleidet sein solle für ewig! — Bruder Robert, gehe nun nur wieder hin, öffne den goldnen Schrank, dort wirst du schon das rechte Kleid für diese Meine Herzensbraut finden! Bringe es her, auf daß Ich Selbst es ihr anthun werde!"

10. Robert eilt voll Freuden schnell zum besagten Schranke, öffnet ihn, und nimmt ein so über alle Maßen strahlend herrlichstes Kleid heraus, daß es ihn selbst auf das waidlichste frappirt; denn so was überhimmlisch strahlend Herrliches haben seine Augen auch noch nie gesehen! — Als die Tänzerinnen dieß Kleid ersehen, machen sie einen Schrei der höchsten Verwunderung, und können sich kaum satt sehen an dem wie die schönste Morgenröthe strahlenden Kleide!

11. Ja sogar den Pathetikus, der sich mit seiner zahlreichen Gesellschaft in einem entferntesten Winkel dieses Gemaches befindet, lockt der wunderherrliche Glanz des Kleides herbei, und nöthigt ihn, den Robert zu fragen: „für wen denn dieß Kaiserkleid bestimmt sei?" — Robert erwiedert ihm ganz gelassen: „Für jene Lerchenfelderin dort." Worauf sich der Path. ganz ärgerlich verwundert, und darauf die Bemerkung macht: „No, die versteht es aus der Kunst auch den weisesten Helden des Himmels die Köpfe zu verdrehen! No, no, es ist recht, wenn sie das kann; es wird das ihr allein sicher am besten zu statten kommen! Aber sag' mir, Freund Blum, wie kann sich denn jener Weiseste der Weisesten mit jener maulschwertschneidigen Lerchenfelderin gar so tamisch abgeben, und sie nun sogar zu einer wahren Himmelskönigin machen?"

12. Spricht Robert: „Freund! darüber frage du Ihn, Er wird es dir schon sagen! ich bin noch in die Geheimnisse aller Himmel zu wenig eingeweiht! Er ist allein der Herr und kann thun, was Er will; Er will es nun also, und so muß es auch also geschehen! Nun weißt du genug. Ich aber muß gehen; denn Er ruft mich schon mit den Augen!"

13. Robert eilt nun schnell zum großen Rathstische mit dem Strahlenkleide hin, und übergiebt es Mir; Ich aber gebe es der Helena, die es vor lauter Dank, Liebe und Ehrfurcht zu und vor Mir kaum anzurühren getraut, und sich auch weigert, es anzuziehen, weil sie sich solch' einer zu himmlisch schönen Bekleidung viel zu unwerth fühle!

14. Ich aber sage zu ihr: „Meine allerliebste Helena, das weißt du nun ja schon recht gut, daß bei Mir kein Weigern etwas hilft und nützt!? Denn was Ich einmal will, das muß ja geschehen, und wenn schon darob die ganze Schöpfung zu Grunde ginge! was hier freilich noch nicht der Fall sein wird; und dann ist Mir, als dem Schöpfer aller der endlosesten Pracht und Herrlichkeit aller Himmel und Welten, eine schöne und wohlgeschmückte Braut ja auch lieber, als eine häßliche; denn sieh, bei Mir muß alles in ein übereinstimmendes Verhältniß gebracht werden; bei dem das Inwendige vollends geläutert ist, bei dem muß auch das Aeußere also gestaltet sein, daß es mit dem Inwendigen in der schönsten Korrespondenz stehet; und dieß Kleid entspricht nun vollkommen deinem Inwendigen; daher mußt du es nun auch unverzüglich anziehen!"

15. Als die Helena solches vernimmt, spricht sie: „O Du mein allerliebster Herr und Gott Jesus! Du siehst es, daß mein Herz nur an Dir, nie aber an einem Kleide, und wäre es noch tausend Male strahlender wie dieses dahier, hängt; denn so ich nur Dich habe, frage ich nicht um alle Himmel und um alle ihre Pracht, die mir ohne Dich nur zu einem Eckel würden! Aber weil Du es also willst, und es Dir eine Freude macht, so will ich dieß Kleid ja gleichwohl anziehen, und mein Herz soll Dir mit der allerheißesten Liebe dafür ewig danken! Dein heiliger Wille geschehe! — O Du mein heiligster, liebster, und süßestbester und schönster Jesus Du! Du allein bist ganz mein Herz, mein Leben, meine Seligkeit und mein Alles!"

16. Nach solchen schönsten Worten aus ihrem Herzen ergreift sie das Kleid; und wie sie es nur anrührt, da ist sie damit aber auch schon angethan, worüber sie schon wieder über die Maßen zu erstaunen anfängt, und dabei sagt (Helena): „Aber um Deines heiligsten Namens willen! wie ist denn das zugegangen?! ich habe ja das Kleid erst kaum angerührt, und siehe, es liegt schon an meinem Leibe, und so herrlich, als so es mir noch so genau abgemessen worden wäre! Oh, oh, wie herrlich steht es doch; o Jesus, o Jesus, o Du mein honigsüßester Jesus! Na, Du könntest einen aber g'rad närrisch machen vor lauter Seligkeit. Na, na, aber wie ich aber jetzt wirklich schön aussehe, das ist ja doch aller Welt ungleich! Es war wohl 's frühre Faltenkleid auch sehr schön; aber gegen diesem war es doch gleich fast wie nichts!

17. Aber was werde ich denn nun thun müssen, um Dir mein honigsüßester, liebster, bester und schönster Herr Jesus mich doch mehr als bis jetzt dankbarst zu erweisen?! — o, ich bitte Dich, gebe mir doch eine Aufgabe!"

18. Rede Ich: „Meine liebste Helena! Du hast deine Aufgabe schon gelöst; denn Größeres, als Mich gleich dir über alle Maßen zu lieben, kann Mir gegenüber wohl selbst der höchste Erzengel nicht! Daher bleibe du nur stets bei diesem Mir allein allerliebsten Geschäfte, und frage nach keinem andern; denn da ist jedes geringer um sehr vieles denn das! — Das aber sage Ich dir, du mein wahres Herzensliebchen: wer Mich liebt, wie du, der trägt Größeres in sich, als was da alle Himmel fassen; denn da bin Ich in seinem Herzen ganz! In Mir aber glühen und keimen schon zahllose neue Himmel, die einst auch hinaustreten werden in eine neue Unendlichkeit!

19. Aber nun nichts mehr weiter davon, sondern, du Meine liebste Helena, gebe Mir nun einen rechten Kuß, und wir werden dann bei verschiedenen Erscheinungen unsere Berathungen fortsetzen."

88. Kapitel. Was bedeutet ein rechter Kuß? Der höchste Preis reinster Gottesliebe — die Gottesbrautschaft. Sinnbilder der Zeitgeschichte.

01. Spricht die Helena fragend: „O Herr! Du sagtest mir, daß ich Dir einen rechten Kuß geben solle! und siehe, das Wort rechten macht mir Skrupel; denn ich kenne keinen andern Kuß, als den die Liebe beut, und ich habe noch nie je Jemanden einen andern gegeben! und Dir, o Du meine allerwahrste und innerste Liebe, könnte ich ja doch unmöglich ewig je wann einen andern geben! denn ein verrätherischer Judaskuß ist meinem Herzen und Leben noch nie zur Möglichkeit geworden! Wenn aber ein Kuß, der der reinsten und aufrichtigsten Liebe entstammt, ein nicht rechter sein solle, da weiß ich wirklich nicht, von welcher Beschaffenheit ein von Dir bezeichneter rechter Kuß sein solle?! Ich bitte Dich darum, o Du mein allerliebster, süßester und schönster Herr Jesus, Du mein heiligster Gott! sage es mir daher gnädigst, wie ein rechter Kuß beschaffen sein muß?!"

02. Rede Ich: „Aber, aber! Mein allerliebstes Helena'chen! welch' einen andern Kuß solle es wohl noch irgend geben, den man einen rechten nennen könnte, als eben den nur, welchen die reine und wahre Liebe bietet!? Du hast aber die einzige Liebe zu Mir in dir, daher du Mir auch aus solcher deiner Liebe heraus unmöglich je einen andern, als nur einen ganz vollkommen rechten Kuß geben kannst! — aber nur giebt es eine zweifache Art von den rechten Küssen; die erste, die mehr aus Achtung, als aus einer eigentlichen Liebe geschieht, oder eigentlich ertheilt wird, und die zweite, die abgesehen von der Achtung — blos rein aus Liebe geschieht oder ertheilt wird! — Und siehe, diese zweite Art, die den Kuß vom Munde wieder an den Mund giebt, und nicht an die Stirn allein, wird von Mir als ein rechter Kuß bezeichnet; einen der innersten Achtung aber hast du Mir schon auf Meine Stirne gegeben; Ich fand ihn sehr heiß, und merkte schon damals, daß er mehr Liebe als so ganz eigentlich eine für sich abgeschlossene pure Achtung enthielt. Da aber seit dieser unserer ersten Kußepoche deine Achtung ganz in die Liebe übergesiedelt ist, und mit ihr Ein Wesen ausmacht, was Mir wohl ewig das angenehmste ist, so kannst du Mir denn nun auch nicht mehr einen Stirnkuß, sondern einzig und allein nur einen so ganz handfesten und brennheißen Mundkuß geben, und das wird dann ein rechter Kuß sein! — Verstehst du Mein allerliebstes Helena'chen das?"

03. Spricht die Helena ganz rosig gerötheten Angesichtes: „O ja, das verstehe ich jetzt schon! aber es wird doch vielleicht — h, ja, hm, so — ein bischen gar zu stark aussehen! weißt Du, Die werden mich vielleicht doch ein bischen auslachen wegen meiner Keckheit? aber — h, was macht's denn auch?! willst es ja Du, Du, mein Gott und mein einzigster Herr! Was Du aber willst, das kann nicht gefehlt sein, und die Liebe kann auch nicht fehlen! freilich, wenn ich bedenke, daß Du der allmächtige ewige Schöpfer aller Dinge und Wesen bist, und ich nur ein schwaches Geschöpf, so ist das freilich etwas sehr Sonderbares, so ich Unheiligste Dich Allerheiligsten auf den Mund küsse, durch Dessen allmächtiges „Werde" Himmel und Erde, und alles, was darauf, geworden ist! — Aber, Du, Du willst es ja, Du Selbst willst dadurch meines Herzens heißestem Drange die ersehnte höchste Seligkeit gewähren, und so geschehe denn, wonach sich mein Herz heimlich schon gar oft und lebendigst gesehnet hat!"

04. Nach diesen Worten giebt sie Mir einen Kuß wahrlich non plus ultra, das heißt, einen Kuß von echtem Schrot und Korne; und sage darauf zu ihr: „Nun erst bist du vollkommen, und hast für die ganze Erde an Mir ein großes Versöhnungswerk vollbracht! Du selbst aber wirst von nun an stets an Meiner Seite, d. h. durch alle Meine Liebe ewig fortan die höchste Seligkeit aller Seligkeiten genießen; nehmlich die Seligkeit Meines höchsten und pursten Liebehimmels, in welchem lauter solche Engel wohnen, die Mich dir gleich lieben! aber das sage Ich dir auch, daß es deren eben nicht gar zu viele giebt! Wohl lieben Mich sehr Viele, aber nur als natürlich Das, was Ich bin, nehmlich: als ihren Gott, Herrn und Vater! — Du aber bist mit deiner Liebe, nach dem Beispiele der Magdalena, wahrlich noch tiefer in Mich hineingedrungen, und hast Mein Herz erfaßt, und hingezogen an das deinige, wodurch zwischen uns eine vollkommene Ehe aller Himmel vor sich gegangen ist! — Durch diese Ehe bist du nun zu einem förmlichen Gottesweibe geworden, und somit Eins mit Mir! Daher aber sollest du an jeder allerhöchsten Seligkeit denselben gleichen Teil haben, der Mir zukommt! Bist du damit zufrieden?!"

05. Spricht die Helena ganz bebend vor höchster Wonne: „O, o, o! Du, Du, Du mein heiligster süßester Jesus! ich — arme Sünderin — wäre nun, o Gott, o Gott! Dein, Dein — Weib!??! — O Himmel, Himmel, Himmel! was ist aus mir geworden? ich, ein Gottes—Weib?! Nein, nein, das kann ja doch unmöglich sein! — Aber Du, Du ewigste Wahrheit hast es nun Selbst ausgesprochen, und so wird es auch also sein! — Aber was werd' ich beginnen in der Seligkeiten tiefsten Tiefen und höchsten Höhen!? wie werde ich sie ertragen können?! Wird es mir nicht also zu schwindeln anfangen, als wie einer armen Sünderin, die von aller Sterne höchstem auf die erschrecklich tief unten rastende Erde hinabblickete?! oder werde ich mich wohl ewig je zurecht finden können in solcher Höhe? — O Gott, o Gott! o Du mein süßester Jesus! was hast Du nun aus mir gemacht?! Ach, ach! ich komme mir nun vor wie eine glücklichste Unglückliche, und wie eine seligste Unselige! ja — wie Eine, die ist, und nicht ist!"

06. Sage Ich: „Meine Geliebteste, sei nur recht ruhig und heiter; Ich sage es dir, du wirst dich gar bald, und gar überaus leicht in Alles finden; denn sieh, in Meiner allerhöchsten Höhe geht es dir am allereinfachsten und niedrigsten zu (siehe in Nr. 3: Die geist. Sonne); da giebt's keine Hofetiketten, keine übertriebene Pracht, und durchaus keinen Luxus, sondern die schönste und allerreinste Bescheidenheit, und einen fortwährend gleichen und ungetrübten Frohsinn, und siehe, das sind eben deine Sachen! und so wirst du dich da schon zurecht finden. Nun aber sehe du zum Fenster, das gen Morgen gewendet ist, hinaus, und sage Mir, was du durch dasselbe alles gesehen und entdecket hast!?"

89. Kapitel. Ein Blick auf die Erde und ihre Greuel. Der Geist des Antichrists. Eine sinnbildliche Erscheinung auf dem Ratstische.

01. Helena eilet sogleich an's bezeichnete Fenster, sieht durch dasselbe ins Freie hinaus, und schlägt nach einigem Betrachten die Hände über ihrem Haupte zusammen! Nicht lange hält sie es aus, weil der Anblick sie zu sehr ergreift, sondern begiebt sich eiligst zu Mir hin und spricht: „Aber, aber, Du mein Herr, Du mein Gott, Du mein Jesus! ah, ah, ah! das ist aber ja doch entsetzlich!"

02. Sage Ich: „Nun, nun, Meine gar überaus liebe Helena, was giebt es denn, was hast du denn gesehen, das da gar so entsetzlich ist? hast du vielleicht gar einen Teufel gesehen; oder vielleicht sonst was noch Schrecklicheres? — Geh' und fasse dich, und erzähle uns, was du denn Alles gesehen hast?!"

03. Die Helena sammelt sich und spricht dann: „O Du mein süßester Herr Jesus! ich glaube, gegen diese Entsetzlichkeit ist der ganze Teufel ein reiner Lump! Siehe, zum ersten Male nach meinem Austritte von der Erde habe ich nun die abscheuliche und übergrausliche Erde wieder gesehen, aber also, als etwa von einer über diese hinschwebenden Wolke herab, und merkwürdig, ganz Oesterreich und Ungarn samt seinen Nebenländern lag unter mir wie eine riesenhaft große Landkarte ausgebreitet, auf der vom größten bis zum kleinsten Gegenstande alles zu ersehen war! Aber, o Jammer, welch ein Anblick des Entsetzens! — Die Städte sind voll Feuers, und voll Unflaths, und gräßlich aussehenden Gewürmes; Flüsse, Seeen und das Meer sind voll Blut; fürchterliche Heere stehen einander gegenüber und man ersieht da nichts als Mord, Verrath, und dann wieder Mord! Die Menschen zerfleischen sich ja ärger als die allerwildesten und reißendsten Bestien! An der Kaiserlichen Seite sah ich auch Russen in starker Anzahl; aber selbst unter den Kaiserlichen selbst, und unter den Kaiserlichen und Russischen sah ich Verrath und Mord hier und da; und unter dem Ungarischen Heere, das furchtbar stark ist, sah ich auch Russen und Polen in größter Anzahl, sonst aber noch Menschen aus ganz Europa! Alle aber schreien Tod und Verderben allen Despoten, und Sieg uns vollkommen, oder der Tod uns vollkommen; keine Gnade und keine Schonung mehr! und verflucht sei der, so da dächte an eine friedliche Ausgleichung! — Die armen Kaiserlichen können trotz allen ihren großen Anstrengungen nichts ausrichten; denn fürs Erste sind sie verrathen an allen Enden und Punkten, und fürs Zweite haben immer 10 gegen 1000 zu kämpfen, und können daher zu keinem Vortheile kommen! — O Herr! mache doch diesem entsetzlichen Würgen ein Ende, und lasse nicht zu Grunde gehen die Schwachen! Hauche in die Herzen der Ungarn einen versöhnenden Geist, und den Oesterreichern, wo es noth thut, nicht minder; denn wahrlich, mich dauern meine bedrängtesten Landsleutchen!"(Am 12. Juni 1849)

04. Rede Ich: „Meine geliebteste Helena, was du gesehen, ist richtig und wahr; ein gar arger Geist hat Besitz von den Herzen der Menschen genommen; es ist der Geist des Antichrist's, und dieser ist es, der die Menschen also entzweiet, daß sie gegeneinander toben und wüthen, als wären sie alle zu Tigern, Hiänen und Drachen umstaltet geworden. Aber es solle ihrem Treiben ein baldiges Ende gemacht werden, und das ein Ende, wie die Erde noch keins gerochen hat!

05. Da hier auf dem Tische vor uns wirst du sogleich ein Gefäß ersehen, das wie eine Pflanze aus dem Tische hervorwachsen wird; in diesem Gefässe wirst du das Maß der menschlichen Gräuel auf der Erde erschauen, und daraus entnehmen können, um welche Zeit es nun ist auf der Welt!? — Also sieh nun, hier vor dir kommt es schon zum Vorscheine; betrachte es, und beschreibe es Mir, wie es aussieht, und was du in selbem erschauest!"

06. Helena betrachtet ganz erstaunt das wunderbar aus dem Tisch vor ihr auftauchende und sich stets mehr und mehr entfaltende und fabelhaft gestaltende Gefäß. Als nach einigen Augenblicken das Gefäß ganz vollkommen entfaltet dasteht, da spricht die Helena ganz erstaunt: Aber, aber, o Herr! ich bitte Dich um Deines heiligsten Namens willen! Ja — was — waas — was — ist denn das für eine sonderbarste Gestaltung!? — Siehe, anfangs hatte diese Geschichte ausgesehen wie eine ganz natürliche Pflanze, etwa wie auf der Erde eine Wasserlilie; dann trieb es aus der Mitte seiner langen bandartigen Blätter einen runden starken Stängel, auf dessen Ende eine Knospe ersichtlich war; die Blätter verdorrten aber bald, und die Knospe brach auf, und trieb statt einer erwarteten Blume, die unverkennbare päpstliche Dreikrone, (Tiara) aber verkehrt, das heißt, mit dem Dreikreuze, das auf einem goldnen Apfel sitzt, nach unten, und mit dem eigentlichen untersten Kopfreife nach Oben. Diese Tiara steht nun wie ein förmliches Trinkgefäß vor mir, und zwar merkwürdiger Maßen auf einem Dreifuße, der sich wie von selbst aus dem ehemaligen Stängel geformet hat. Dieß sonderbare Gefäß ist nun inwendig ganz schwarz, wie eine starke Nacht; und siehe, da wo von außen die köstlichen Edelsteine sitzen, fließet inwendig Blut und Blut, und das Blut durchwühlet allerlei häßliches Gewürm! Die Köpfe der Würmer sehen aus wie glühendes Erz, und ihr anderer Leib wie der eines Drachen; und siehe, diese Bestien trinken gierig das Blut, so daß das Gefäß, trotz des reichen Zuflusses, nimmer voll werden kann, und über's Gefäß gehen, auf daß da Alle sähen, welchen schauerlichen Inhaltes dies Gefäß voll ist! O, o! wie diese Bestien doch gar so gierig das Blut einsaugen! — Und siehe, unter den Würmern (Bestien) ersehe ich nun eines, das da viel größer ist als alle andern! Und diese Bestie hat dir wie sieben Köpfe, und auf jedem Kopfe zehn Spitzen, wie die eines Schwerts, und auf jeder Spitze steckt eine glühende Krone; und so es untertaucht in das Blut, da gischet das Blut, und dampfet und rauchet es auf der Oberfläche. Der Zufluß wird nun stärker und stärker; aber noch will das Gefäß nicht voll werden; denn die Bestien zehren mächtig daran, und was sie nicht verzehren können, das löst sich in Dampf und Rauch auf! O Herr! binde den Bestien doch ihren Rachen, und von den Spitzen des einen Thieres nehme die glühenden Kronen, damit das Gefäß doch einmal voll werde! O, o! wie abscheulich doch das anzusehen ist!"

07. Rede Ich: „Nun, Meine allerliebste Helena, kennst du dich schon so ein wenig aus, wenn du die Erscheinung vor dem Fenster, und diese vor dir am Tische vergleichest?"

08. Spricht die Helena: „O Herr! da bringe ich wohl schwer einen rechten Sinn heraus; daher bitte ich Dich aus aller meiner Liebe zu Dir, offenbare Du uns das rechte Verstandniß dieser beiden Erscheinungen, so es Dein heiliger ewig weisester Wille ist!"

09. Rede Ich: „O Meine geliebteste Helena, recht von ganzem Herzen gerne; höre nun, und gieb auf Alles genau acht! — Siehe, draußen vor dem Fenster hast du gesehen das große Uebel, und hier siehst du den Grund desselben; vor dem Fenster draußen stellte sich dir die nackte Wirkung dar, die von A bis Z hier ihre Grundursache hat. (Da paßt also die 7. Bitte besonders.) Siehe, wo es nun [Sommer 1849, d. Ed.] auf der Erde römische Katholiken giebt, da giebt es nun auch Aufstand, Verrath, Krieg und Mord; blicke aber in die Türkei, und du wirst sie wohl gerüstet, aber sonst ruhig finden; sehe nach China, nach Japan, alles ist ruhig; beschaue das große England; bis auf sein Irland ist es ruhig; sehe nach Amerika hin; bis auf einige wenige katholische Kreise ist es ruhig; beschaue das Afrika, und du wirst es ruhig finden! beschaue das ganze große Asien, das da mit Menschen überfüllet ist; es ist bis auf einige kleine Distrikte ganz ruhig! Sehe an das große griechische Rußland; es ist auch bis auf einige wenige polnisch—katholische Kreise ruhig; das große Norwegen und Schweden ist ruhig, bis auf einige wenige eingewanderte katholische Schwärmer, die im geheimen machiniren, aber eben nicht viel ausrichten! Sehe nach Australien hin, und nach Neuseeland, und auf des großen Ozeans gesamten Archipel; sieh, überall mit Ausnahme geringer Kreise ist Ruhe! und wo es irgend kleine Unruhen giebt, so rühren sie sicher von den Römischen her! — Nun aber beschaue das aller—erzkatholischeste Spanien; es stehet auf einem Vulkane; unter dem nun scheinbar etwas ruhiger aussehenden Boden ist nichts als Gluth über Gluth, die bald durchbrechen wird; gerade so sieht es auch in Portugal aus! Beschaue das Frankreich, das katholischeste, — brennet es nicht allerorts?! Beschaue das eigentliche katholische Italien von A bis Z, vor Gluth, Flamme, Rauch und Dampf kann man es kaum mehr erschauen; richte deine Blicke ins getreu katholische Oesterreich; sieht es nicht aus als wie eine halbverbrannte, und halb sonst zerrissene Landkarte?! und wie diese gesamte Monarchie aussieht, so sieht auch jedes seiner einzelnen Länder aus — mehr oder weniger! Siehe an das, was in Deutschland mehr katholisch ist, und du wirst allenthalben Gluth über Gluth entdecken. Vor ein paar Jahren wollten sich in der Schweiz die Katholiken ausscheiden, und einen alle andre Sekten tiefst verachtenden Sonderbund kreiren; dadurch beleidigten sie alle anderen Partheien; diese vereinigten sich, und trieben die dummen und finster—hochmüthigen Sonderbündler waidlichst auseinander, und zogen dadurch dem Hierarchen wie allen seinen Helfershelfern die Larve gerade von der Nase weg, das verdroß die Alleinseligmacher dergestalt, daß sie bei sich aller Welt die glühendste Rache schworen! — Aber der hellere Theil der Welt entdeckte nur zu bald die schönen Pläne der Alleinseligmacher und ihrer getreuen Helfer, die sich von den Alleinseligmachern die goldensten Berge versprachen, und erhob sich allerorts, und übt nun noch die Vergeltung in den meisten echtkatholischen Orten und Punkten aus;

10. und so ersiehst du hier auf dem Tische das arge Simbol, eine umgestürzte Tiara, deren Reiche noch innen bluten, und sich bald verbluten werden. Wohl sucht die Hierarchie es zu verhüten, daß ihr äußeres Ansehen nicht möchte befleckt werden von ihren inneren Gräueln; aber es wird ihr alle diese ihre Mühe nun nichts mehr nützen; denn siehe, darum habe Ich ihren inneren Gehalt durch die Umkehrung der Tiara nun aller Welt gezeigt; und sie kann nun thun was sie will, so wird sie ihre Krone nicht mehr aufrecht stellen können und wird sich in sich selbst zerstören und aufzehren; verstehst du nun die Sache schon etwas besser?"— (Am 14. Juni 1849.)

11. Spricht die Helena: „O Du, mein Herr, und Du, mein Gott! ich verstehe die Sache nun wohl schon ein wenig besser; aber vom vollkommenen Verstehen ist noch gar keine Rede! Denn was eigentlich das Blut, und die abscheulichen Würmer im Blute bedeuten und vorstellen, das wird wohl außer Dir Niemand je vollends fassen und begreifen können!? wenn Du es mir aber etwas näher bezeichnen möchtest, da freilich würde ich es dann auch sicher besser verstehen! Sei so gnädig, und sage mir auch nur ein paar Wörtlein darüber!"

12. Rede Ich: „Nun ja, so höre denn! siehe, das Blut, das da nach Innen grade aus jenen Stellen fließt, wo nach Außen die Edelsteine, die da alle Reiche und Regierungen vorstellen sollen, angebracht sind, bedeutet die tirannische Herrschgier, die nach außen hinaus auch vollste und glänzendste Freiheit und gleiche Berechtigung aller Stände vorschützet, in sich selbst aber ist sie Rache und Blutgier, der zufolge Jeder über die schärfste Klinge springen solle, der nicht bei jeder Gelegenheit den Vortheil des alleinigen Tirannen in die vollste Berücksichtigung zöge! Denke zurück an die Zeit der Inquisition, und von da weiter bis auf diese Zeit, und du wirst es mit großer Leichtigkeit ersehen, wie in den Eingewaiden der Hierarchie nichts, als der Haß, der heilloseste Zorn, Gericht, Verfolgung aller Art, und Mord und Blut gehauset hat, und nun noch hauset, und einer starken Pest gleich grassiret, wenn schon nicht so sichtlich in der That, weil dazu die Kräfte erlahmet sind, aber dafür desto ärger im geheimen Wollen und sehnlichsten Wunsche. Wenn du das so recht durchdenkest, so wirst du gar sehr leicht begreifen und fassen, was so ganz eigentlich das Blut in der Tiara bedeutet!? —

13. Das Gewürm aber, das das Blut fleißig verzehret, und das dadurch so viel als nur immer möglich den Augen der blinden Völker entzogen wird, sind die allereckelhaftesten selbstsüchtigen Kriecher, Speichellecker und Augendiener unter jeder menschlichen Amts— und Beschäftigungsform: diese Wesen sind in jeder Menschengesellschaft die allerverantwortlichsten, und haben keine Liebe weder zu denen, vor denen sie kriechen, und noch weniger zu denen, deren Speichel sie mit ihren Natterzungen vom Staube der Erde auflecken; sie sind die barsten Feinde aller Menschen, und lieben Niemanden als blos allein sich selbst; daher es denn auch geschieht, daß sie diejenigen, für die sie alles zu thun vorheucheln, wenn sich nur irgend ein Vortheil heraus kalkuliren läßt, am ersten und schmählichsten verrathen; denn der einmal ein Verräther, der ist und bleibt einer, ob rechts, oder ob links, das ist ihm gleich, wenn es ihm nur einen Gewinn abwirft! und siehe, so steht es nun auch mit der Römerin; sie liebte die Gleisner, die Heuchler, die Angeber, die Ohrenbläser, die Augendiener, die Denunzianten, die Spione, und Alle, die geschickt lügen konnten, und dabei recht Herz— und gewissenlos allerlei frömmlich aussehende Betrügereien erfinden mochten; und siehe, nun werden das gerade ihre ärgsten Richter werden, und werden an ihr die treulosesten Verräther machen; ein großer Theil, und zwar in Rom selbst, hat schon das seinige gethan, und in Kürze werden es auch Andere Rom treulichst nachahmen; ja dasselbe sogar beiweitem übertreffen!

14. Nun, Meine Allerliebste, verstehst du jetzt das Blut und das Gewürm schon etwas besser? — Ja, du verstehst es; aber du hast noch das eine 7 köpfige Thier vor dir? ja, ja, das soll dir auch durch eine neue Erscheinung klar gemacht werden.

15. Sehe nun dahin, wo das sonderbare Gefäß stehet, gebe aber genau auf alles Acht, was sich dir zeigen wird, und beschreibe es vor dieser ganzen Versammlung, wie auch, was sich nebenbei ergeben wird! Aber recht sehr genau mußt du auf alles Acht geben."

90. Kapitel. Weiterentwicklung des Zeitbildes auf dem Ratstische. Warum läßt Gott die vielen Weltgreuel zu?

01. Die Helena betrachtet nun das vor ihr stehende Gefäß, und ersieht gar bald, wie aus dessen Mitte ein Thron empor taucht, auf welchem ein Herrscher in Gold und Purpur gekleidet sitzt! Als sie dieser Erscheinung ansichtig wird, da erschrickt sie förmlich, und spricht dann etwas ängstlich und befangen: „O Herr! Du liebevollster Heiland aller Menschen! Da, da sieh einmal her! auf einem Throne sitzt dir ein Herrscherchen mit einer so entsetzlich hochmüthigen Miene, daß man bei seinem Anblicke schon ein förmlichs Fieber bekommen muß! Ah, ah, das ist aber ja doch entsetzlich, was das doch für eine allerhochmüthigste Fisiognomie ist!

02. Nun tauchen aus dem Gefässe eine Menge feingekleideter menschlicher Wesen auf, und verneigen sich bis auf den Boden vor dem Herrscherchen; und dieses mißt sie übermächtig stolz mit seinen echten Basiliskenaugen, daß sie Alle beben vor seinem Angesichte; und sieh', die nun am meisten beben, und sich am meisten bücken, werden nun von dem Herrscherchen näher an den Thron berufen, und werden mit Orden betheilt! Denjenigen aber, die weniger beben, und sich nicht so gar tief bücken, wird in's Angesicht gespuket, und darauf bedeutet — sich alsogleich vom Throne zu entfernen! — Diese ziehen sich nun ganz demüthigst zurück, und werden bei ihrem Rückzug noch Oben darauf von den mit Orden betheilten mit aller Verachtung begleitet! Aber nun giebt das Herrscherchen auch den mit Orden Betheilten einen Wink, sich zu entfernen vom Throne, und sieh, als sie sich unter tausend Verneigungen entfernen, und dem Herrscherchen den Rücken zuwenden, da fluchet er ihnen nach, und bespuket ihren Gang! Nein, ist aber das doch ein unendlich hochmüthiger Kerl von einem Fliegenkönig!

03. Aber was seh' ich, der Raum um des Königs Thron wird nun immer größer und weiter, und ich sehe eine große Menge Miniaturmenschen, die sehr armselig aussehen, und zugleich aber bemerke ich auch alle die früheren Bücklingshelden unter ihnen, aber nun mit ganz andern herrschend aussehenden Gesichtern, als wie sie ehedem vor dem Könige zu ersehen waren; und die Armen müssen sich vor ihnen ganz entsetzlich beugen, und Einige müssen sich ganz geduldig auf den Boden hinlegen, auf daß die Bücklingshelden desto bequemer auf deren Köpfen herumsteigen können! und einige, die dabei weh' geschrien haben, werden sogleich von Häschern gebunden, und in ein Loch, das sehr finster ist, hineingeschoben! und oh, oh siehe, siehe, einige werden darum sogar aufgehängt! ah, ah, no, das geht ja gar nicht übel!

04. Da bemerke ich aber nun auch soeben ein Häuflein Menschen, die nahe ganz zertreten sind, und aus gar vielen Wunden bluten; diese bewegen sich unter großem Beben zum Throne hin, und wollen um Einsichtnahme ihrer Gesuche den König bitten, und um Abhülfe von solchen Bedrückungen; es wird dem Könige gemeldet, und dieser spricht zu seinen Dienern: Bei eurem Leben, daß mir keine solche gemeinste Canallie vor den Thron kommt! Und die Diener sagen zu den Hülfesuchenden: Der König sei nun übel gelaunt, darum da niemand vorgelassen werden kann; so euch aber was fehle, da sollet ihr zu seinen Beamten gehen, und ihnen euer Anliegen kund thun, und diese werden es dann schon wissen, was da zu thun sein wird, und werden darnach ihr Amt handeln!? Da sprechen die Hülfesuchenden: Aber über diese wollen wir ja eben beim König Klage führen! Denn sie sind es ja, die uns gar so schmählich zertreten! Da spricht ein Königsdiener: Sooooo! Ah, ist es um diese Zeit! Ja das ist freilich ganz was anderes. No wir werden das schon machen; geht nun nur ganz ruhig nach Hause, und lasset das Weitere uns über; wie gesagt, wir werden die Sache schon machen! Aber eure Namen und euren Aufenthaltsort müsset ihr mir ganz getreu angeben, sonst wüßten wir ja nicht, wem und wo wir helfen sollen!? — Die Armen geben dem Diener Schriften, und dieser empfängt sie wie mit einem rechten Wohlwollen; als aber die Armen sich nun wieder entfernen in der besten Meinung, daß ihnen geholfen werde, wird sogleich ein Eilbote an die Beamten abgesendet mit der Weisung: Benannte Unterthanen, die noch Kraft genug besäßen, um zum Throne klagen zu gehen, noch mehr zu zertreten, damit sie in der Zukunft vor gerecht großer Schwäche sich nicht so leicht wieder erheben möchten, um irgend was immer für Klagen vor des Königs Thron zu bringen, dem auf der ganzen Welt nichts verhaßter ist, als das gemeine Bestienvolk! Und siehe, es wird daheim nun getreulich befolget, was des Königs erster Diener befahl! Ah, ah, das ist aber doch zu schmählich, zu elend und niederträchtig! Der Diener berichtet nun solches dem Könige; und dieser belobt ihn sehr, und ertheilt ihm einen Orden! —

05. O Herr! So können doch wahre Könige nicht sein, sondern das müssen Usurpatoren sein, deren Herz und Gehirn der Satan ganz in den Beschlag genommen hat?"

06. Rede Ich: „Ja, ja, du hast Recht; das sind Usurpatoren, anfangs Volksbeglücker, aber gleich darauf echte Teufel; schau nur noch weiter; die Sache ist noch nicht aus; wenn du Alles wirst gesehen haben, dann erst werde Ich dir den rechten Sinn kund thun!"

07. Spricht weiter Helena: „Ah, ah, was zeigt sich denn da schon wieder Neues?! Sieh, sieh, o Herr! ich ersehe nun eine Menge der sonderbarsten Wölfe; äußerlich sehen sie aus, als wären sie Menschen mit langen schwarzen Kleidern; aber sie sind es keineswegs; denn innerhalb der Kleider steckt statt eines Menschen ein reißender Wolf, der, obschon er ohnehin schwarz bekleidet ist, und über's Gesicht eine Menschenlarve trägt, noch zum größten Ueberflusse zur Bergung seiner bestialischen Natur in einem Schafspelze steckt! Wie zart und sanft diese anscheinenden Menschen umgehen mit allen andern Menschen, mögen sie hoch oder nieder sein! aber hinter her ziehen sie die Menschen—Angesichtslarve von ihrem Wolfsrachen, und fletschen ganz entsetzlich mit ihrem mörderischen Gebisse nach den Nacken der vor ihnen her wandelnden Menschen! Ah, ah, das sind ja doch ganz entsetzlich fürchterliche Wesen! Und da sieh, da sieh! hinter dem Throne des Königs, und auch vor dem Throne desselben, stehen dicht an einander gereihet solche Wesen! Die vordern tragen auf purpurnen Polstern die schönsten Kronen und Szepter, und machen die tiefsten Verbeugungen vor dem Throne, und der blinde König, d. h. geistig blind, betrachtet das mit wohlgefälligen Augen, und hat eine große Freude an diesen Thronumlagerern, unter denen ihm einige auch ganz neuerfundene Kriegswaffen präsentiren, die der König mit großen Freuden annimmt;

08. aber hinter dem Throne fletschen dieselben Wesen gräulich mit ihren Zähnen, und an der Stelle der Kronen und Szepter und Waffen tragen sie auf ihren Händen schwere Fesseln und Ketten, und Geiseln aus glühenden Schlangen! — O König, o König, stehe auf vom Throne, diesem Sitze des Neides und des Hasses, und besehe deine verkappten Freunde, die dir frech mit Wort und That ins Angesicht lügen, hinter deinem Rücken aber deine ärgsten Feinde sind!

09. O Herr, o Herr! Warum hat denn Deine unendliche Güte und Weisheit auch solche arge Wesen werden lassen?! Wäre es denn nicht besser, so es außer Dir gar kein Wesen gäbe, als daß es unter den vielen guten Wesen, die aus Dir sind, auch solche giebt, die doch unmöglich aus Dir sein können, wie sie sind!?"

91. Kapitel. Der Grund der Nachtseite des Lebens. Gegensätze sind notwendig für die geistige Freiheit.

01. Rede Ich: „Ja, du Meine allerliebste Helena, das kannst du nun freilich noch nicht einsehen, warum es auch solche Wesen giebt und auch geben muß; aber mit der Zeit der Geister wirst du das schon alles noch in aller Fülle der Klarheit einsehen. Damit du aber dennoch etwas ruhiger wirst, so will Ich dir einige natürliche Beispiele zur Erläuterung dieser dich gar so störenden Sache vorlegen, und so höre!

02. Siehe das Feuer, welche zerstörende Kraft liegt nicht in diesem fürchterlichen Zornelemente, wenn es nicht sorglichst gehütet und verwahret wird, wo man sich seiner bedienet, — welche Zerstörungen richtet es an?! und siehe, doch giebt es keinen größeren Wohlthäter der Menschheit, als eben das Feuer, so es weise gebraucht wird!

03. Sieh' an das Wasser, wie schrecklich tobt und würget es, wo es entfesselt sich über Thäler und Fluren erhebt! Sollte Ich es aber darum nicht erschaffen haben, oder solle Ich es nun vernichten, weil es in seinem entfesselten Zustande so verheerend wirkt, und dem irdischen Menschen Tod und Verderben bringt?! Sage! könnte wohl die Erde selbst, und alles, was sie trägt, ohne Wasser bestehen?!

04. Betrachte ferners die natürliche Schwere der naturmäßigen Körper! Welche Verheerungen richtet nicht eine von hohen Bergen herabstürzende Lawine an, und wie erschrecklich ist ein schwerster Bergsturz selbst; er begräbt Menschen samt allen ihren Habseligkeiten schonungslos; wo ein Fels niederstürzt, da zermalmet er durch seinen Fall alles, was er berührt! wäre es denn nicht besser, so Ich die ganze Erde so leicht wie eine Federflaume geschaffen hätte? Freilich würde dann sogar eine Fliege ein ganzes Gebirge mit der größten Leichtigkeit davon tragen, und der Mensch könnte dann mit der Erde spielen wie Kinder mit einem Ball; aber wer würde dann die Erde fest zusammenhalten, wie könnte eine Frucht aus ihr erwachsen, und wie könnten sich Menschen und Thiere und Pflanzen ohne Schwere auf der Erde Boden erhalten?! Du ersiehst hieraus wieder, wie nöthig diese schlimme Eigenschaft allen Körpern ist, so sie ein Dasein haben sollen!

05. Wie aber alles das Angeführte in der Natur nöthig ist, damit sie das ist, was sie sein muß, eben so müssen im Geiste Gegensätze zum Guten und Wahren da sein, damit eben der Geist durch diese feindlichen Gegensätze das wird, wozu er von Mir aus bestimmt ist, nehmlich zur vollkommensten ewigen Lebensfreiheit. Denn ohne Zwang giebt es keine Freiheit, und ohne Freiheit keinen Zwang; alle Freiheit muß daher aus dem Zwange, welcher da ist eine gerichtete ewige Ordnung, hervorgehen, so wie der Zwang selbst aus Meiner urewigen Freiheit!

06. Und so ersiehst du hier auch solche Erscheinungen, die an und für sich wahrlich sehr arg sind, aber durch eine gewisse Periode zur Gewinnung und Erhaltung der geistigen Freiheit eben so nothwendig sind, wie auf der Erde etwa ein starker Blitz und Hagelsturm zur Erzeugung und Erhaltung der Lebensluft, und zur Zerstörung aller schädlichen und tödtlichen Dünste, die durch die manchmal nöthige große Erwärmung des Bodens der Erde aus ihren Eingewaiden hervorgelockt und getrieben werden! Ich sage es dir, dieß alles ist also nöthig, und eines bedingt das andere;

07. an uns aber liegt es, die nöthigen verschiedenen Elemente, so sie sich irgend zu sehr in ihrer spezialen Eigenthümlichkeit für sich heraus zu stellen anfangen, weise in ihre nöthige Ordnung wieder zurück zu führen; haben wir das unter der nöthigsten und weisesten Vorsicht gethan, dann wird alles wieder seinen ganz geregelten Gang gehen, und die besten Früchte tragen!

08. Ein brennendes Haus weise löschen, ist ein gutes Werk; aber das Haus darum ganz vom Grunde aus samt dem Feuer zerstören, wäre doch gewiß nicht weise; es müßte denn dadurch nur eine ganze anstoßende Häuserreihe gerettet werden können; also muß man dem Wasser Dämme, und der Schwere gehörig starke Stützen stellen, und nach einem großen Sturme die Erde frisch wieder bebauen, so kommt dann alles wieder in's rechte Geleise; aber alles mit einem Streiche lösen wollen, hieße alles vernichten!

09. Nach dem kannst du nun dem, was noch kommen wird, schon etwas ruhiger zusehen; und so betrachte die Erscheinungen nur wieder ganz ruhig weiter!"

92. Kapitel. Weitere Visionen Helenas. Kampf der 6 Tiere. Wirkung dieses Schauspiels auf die Wolfsmenschen und den König.

01. Spricht die Helena nach einer kurzen Pause weiter: „Hm, hm, s' ist aber doch sonderbar! diese sonderbaren Wesen mehren sich wie der Sand des Meeres um den Thron, und kaum können des Königs erste Diener sich durch die starken Massen hindurch arbeiten! Ich sehe, daß sie von den Wolfsmenschen zuvor unterwiesen und sogar bestochen werden, um ihnen nur den König gehörig bearbeiten zu helfen! Es wird nun auch sehr finster um den Thron, so daß man nur noch mit Mühe etwas ausnehmen kann! und diese starke Dunkelheit scheint ganz allein von diesen Wolfsmenschen auszugehen; aber ihre Augen leuchten dennoch stark, und wohin sie ihre Blicke wenden, da werden die Gegenstände erleuchtet, in soweit aber nur, als es diese sonderbaren Wesen wahrscheinlich zu ihrer eigenen Instruktion benöthigen!

02. Aber nun sehe ich im Hintergrunde ein gar sonderbares Wesen, es sieht einem „Ochsen" gleich, und ein anderes, einem „Löwen" ähnlich, taucht soeben hinter dem Ochsen auf, und will den Ochsen verschlingen; aber hinter dem Löwen taucht soeben wieder ein anderes Wesen auf, das da einem „Rinozeros" ähnlich sieht, und da es ganz gewaltig gepanzert ist, so bemüht es sich nun, den Löwen samt dem starken Ochsen zu erdrücken; der Löwe, der früher den Ochsen zu verschlingen drohte, macht nun freundliche Gemeinschaft mit demselben, und bemüht sich, des Nashornes sich zu entledigen! Ah, ah, das sind doch sonderbare Erscheinungen; und siehe, siehe nun kommt schon ein viertes Wesen hinzu, und o weh, o weh! das ist ja eine ungeheure „Riesenschlange!" Diese umschlingt nun die drei kämpfenden Wesen, und fängt nun an sie ganz erbärmlich zusammenzudrücken! Ochse, Löwe und Rinozeros strengen alle ihre Kräfte an, um sich der mächtigen Schlange zu entledigen; aber ihre Mühe scheint eine vergebliche zu sein; trotz ihrer großen Mühe und Anstrengung zieht die Schlange ihre Ringe immer enger zusammen, und aus dem Gebrülle entnehme ich, wie eng es nun den dreien gehen mag! — Aber merkwürdig ist es, daß diese Wolfsmenschen darüber ganz freundliche Miene machen, und an diesem Kampfe ein großes Wohlgefallen zu haben scheinen!?

03. Aber, ah, ah, ah! nun kommt schon wieder ein neues Thier hinzu! es ist ein ungeheurer „Riesenaar!" Dieser stürzet sich nun auf diesen vier Thiereknaul herab, packt ihn mit seinen übermächtigen Krallen, breitet nun seine großen Flügel aus, und hebt den ganzen Knaul in die Höhe. Die Schlange, deren geringelter Leib zum größten Theile von den Machtkrallen des Riesenaars durchstochen ist, will sich nun los machen; aber die Ringe sind durch des Aars Krallen so fest aneinander geheftet, daß da all ihr Mühen rein fruchtlos erscheint! Die drei früheren Thiere unterstützen nun nach Möglichkeit die Schlange; aber des Aars Krallen sind zu mächtig, und geben nicht um ein Haar breit nach, und höher und höher erhebt sich der mächtige Aar mit seiner Beute! Mehr im Hintergrunde ersehe ich nun eine Art Wüste an einem Strome, und gerade auf diese Wüste steuert der Aar mit seiner Beute zu; nun setzt er sich, seine Beute noch stets mit gleicher Kraft fest haltend, auf diese Wüste nieder, und macht nun Miene, seine Mahlzeit zu beginnen!

04. Aber da sehe ich nun einen „Aligator" rasch dem Strome entsteigen und dem fetten Knaul zueilen; jetzt ist er schon dabei; die Schlange streckt ihm ihren Kopf mit weit geöffnetem Rachen entgegen, und der Aligator begrüßt auf gleiche Weise die Schlange, und verbeißt sich nun in ihren Unterkiefer. Der Aar will mit seiner Beute weiter fliegen; aber der Aligator hindert ihn; nun läßt der Aar alle seine Beute los, und setzt sich auf den Rücken des Aligators, und haut mit seinem Schnabel in die Augen desselben, denen er aber dennoch, wie ich's merke, keinen Schaden zufügen kann; dabei aber werden die drei ersten Thiere ihrer engen Haft los, und rennen nun auseinander, und weit von dannen;

05. Aber nun sehe ich ein Ichneimon hastig dem großen Aligator zutrippeln, der noch immer die Schlange fest hält; der Aligator ersieht und verspürt nur zu geschwinde seinen ärgsten und unbesiegbarsten Feind, läßt sogleich die Schlange los, die vor Schmerz sich windend den Staub der Erde aufwühlt, und sich endlich in selben verkriecht. An der Kampfststelle bleibt blos der Aar, wie es scheint, mit einem sehr hungrigen Magen, das Ichneimon aber verfolgt den Aligator bis zum Wasser, und starrt da in die Wogen hinein, die der Aligator mit seinem Hineinsturz bewirkt hatte.

06. Der Aar ersieht nun das Ichneimon, erhebt sich, und will es als eine kleine Freßbeute fangen; dieses aber entwischt des Aars Appetite in eine Bodenöffnung, und der mächtige Aar fliegt nun ohne alle Beute davon, gleich wie früher die andern Thiere ganz unverrichteter Dinge blos mit einigen Quetschungen entflohen sind; nur die Schlange scheint am meisten gelitten zu haben, ob sie der Sand wieder heilen wird, ist eine große Frage?! Ob aber das Ichneimon irgend seine Rechnung finden wird, darum es diese feindliche Gruppe auseinander brachte, das wirst Du, o Herr, sicher am allerbesten wissen!

07. Nun sehe ich aber auch, daß die sehr zahlreichen Wolfsmenschen anfangen sehr lange, und sehr verlegene Gesichter zu bekommen! ja, man kann es aus ihren Bewegungen leicht entnehmen, daß sie mit solcher Lösung des bestialischen Kampfknotens durchaus nicht zufrieden sind! O das ist schon recht und gut; denn diese selbst überbestialischen Menschen sind mir noch viel zuwiderer als die frühern reinen Thiere in ihrem Naturkampfe, denn dieser ist begreiflich; aber diese Bestialmenschen sind mir unbegreiflich, und zugleich auch nahe vollkommen unerträglich. —

08. Der König auf seinem Throne bekommt nun auch Zuckungen, als ob er an einer Nervenschwäche litte! — Die Sache scheint ihm auch nicht zusammenzugehen!? Ja, ja! es wird nun wohl manchem Könige auf der Erde nicht zusammengehen; aber was will, was kann er machen? Hat er noch irgend eine Macht, so wird er mit ihr sicher das Aeußerste wagen, um sich durch sie auf seinem Throne zu erhalten; hat er aber keine, so wird er sicher auch eher gehen, als er sich mit seinem Volke einen wird, durch Sanftmuth, Liebe und Geduld! Der sich aber behaupten wird, dem wird es wahrscheinlich so gehen wie dem Aar, daß er nehmlich eine sehr bedeutende Erleichterung in seinem Magen wahrzunehmen wird anfangen! — Denn das Geld werden seine Soldaten verbrauchen, und seine Unterthanen werden am Ende nur mit ihrem Leben ihre Steuern ihm entrichten können!

09. O Herr! siehe, die ganze Erscheinung fängt nun an zu schwinden, und ich muß es Dir offenherzig bekennen, daß mir durch sie jenes räthselhafte Thier mit sieben Köpfen noch nicht klar werden will; so es denn doch Dein heiligster Wille wäre, da könntest mir Du davon wohl eine kleine Enthüllung machen!"

10. Rede Ich: „Höre du Meine Geliebteste, nicht Ich, sondern — da alle diese, unsere Tisch— und Rathgäste die Erscheinung von Zuge zu Zuge mit angesehen haben, so werden wir darob gerade den Robert ansprechen, und ihn vernehmen; warum sollen denn gerade wir Beide allein alles besprechen? die Andern haben ja auch einen Mund und eine gute Zunge! also sollen sie auch etwas von sich geben!

11. Und so denn erläutre du Robert der lieben Helena das, was sie noch nicht begriffen zu haben vorgiebt! Und so denn rede du, Mein Robert!"

93. Kapitel. Robert, von Jesus aufgefordert, erklärt das Geschaute. Eigenliebe und Hochmut als Grundwurzel aller Übel. Der unwandelbare Gotteswille als ruhender Pol.

01. Auf diese Meine Aufforderung erhebt sich Robert, und spricht: „O Herr, Du Liebe der Liebe, Du Freund der Elenden, Du Weisester unter den Weisesten aus Dir! Es ist die ganze Sache in ihrer Erscheinlichkeit zwar schon ohnehin so klar dargestellt, daß nun daran wenig mehr zu erläutern sein wird; aber indem die allerliebste Helena im Fache der Entsprechungen sich noch nicht jenen nothwendigen Grad hat aneignen können, durch den ihr solche Erscheinungen in dem was sie vorstellen, beschaulich verständlich sein möchten, so ist es freilich wohl nöthig, ihr diese Sache etwas klarer zu machen!

02. Und so sehe denn, du allerliebste Schwester Helena: — das alles, was du nun gesehen hast, stellt im Allgemeinen den Hochmuth dar, welcher ist ein Geist aus dem Geiste der durch sich selbst bedungenen Verworfenheit. Vor dem Fenster dort siehst du kämpfen, und den harten Kampf durchwehte gegenseitiger Verrath; siehe, das ist alles ein Werk des Hochmuthes, dessen Geburtsstätte die Selbstliebe ist; wie aber die reine Gottes— und Nächstenliebe der Grund alles Heils und aller Glückseligkeit ist, und aller Eintracht und Einigkeit; ebenso ist die Eigenliebe ein Haß alles dessen, was ihr naht, und somit der Grund aller Verfolgung, Verachtung dessen, das sich irgend dieser bösen Eigenschaft eines verworfenen Lebens entgegenstellen will.

03. Die reine Liebe giebt alles, was sie hat, und dennoch kann sie ewig nicht ärmer werden, sondern nur reicher und mächtiger; denn so sie giebt, da empfängt sie tausendfach wieder von Tausenden, was sie gegeben hat; die Eigenliebe aber verliert stets im tausendfachen Maße, was sie nimmt, stiehlt und raubt; denn da sie in sich keine Kraft und Macht hat, so muß sie, wenn heimlich darob auch fluchend, andere Kräfte durch allerlei sich selbst verarmende Mittel zu Hilfe nehmen, durch die sie auf der Welt wohl eine Zeit lange sich in einem gewissen Scheinglanze in einer gleichen Scheingröße erhält; weil aber solch eine Glanz— und Größeerhaltung mit der Zeit stets mehr und mehr kostet, so verarmt sie endlich ganz und gar, wo sie sich dann wie ein hungriger Wurm eine Zeit lang krümmt, bäumt und windet; aber es nützt ihr das wenig mehr, außer zur Beförderung ihres vollen Unterganges!

04. Wer führt sonach Krieg? Siehe! die Eigenliebe, als die Mutter des Hochmuthes und der Herrschsucht; und wer setzt sich ihr entgegen und bekämpfet und besiegt sie? Siehe, die rechte Macht der reinen Liebe, die da ist eine Gerechtigkeit, und ein rechtes Gericht aus Gott! — Wohl bietet die Eigenliebe des Feindes alle erdenklichen Mittel auf, um sich zu erhalten und Rache zu nehmen an der Gerechtigkeit Gottes; aber das nützet ihr nichts, weil sie sich dadurch gewaltigst schwächt an allen Enden und Punkten; während in gleichem Kampfe die reine Liebe nur mächtiger und mächtiger wird nach jedem Schlage!

05. Die Erscheinung mit der umgestürzten Tiara, die aus einer Sumpfpflanze entsteht, zeigte klar, wessen Grundes alle irdische Herrlichkeit ist; und daß du sie verkehrt am Ende auf einem Dreifuße rasten sahst, stellte das klare Verhältniß dar, in welchem sich alle irdische Macht, Pracht, Glanz— und Herrsch—Größe gegen das Rein—Himmlische befindet; der Dreifuß aber stellt die schwachen Stützen dar, auf denen alles das beruhet, nehmlich aus der Eigenliebe, welche ist der Reif des Dreifußes; die Füße aber sind Falschheit, List und Trug. In der Tiara sahst du Blut und schändliches Gewürm; das Blut und das kleinere Gewürm ist dir erklärt worden; nur das siebenköpfige Thier, das dir der Herr durch dieweitere Erscheinlichkeit näher enthüllet hat, ist dirnoch etwas dunkel geblieben; du darfst aber nurnach dem dir bereits gezeigten Maße kalkulirend vorgehen, das heißt: nach dem Maße der Entsprechungen, so wirst du gar leicht zur vollwahrsten beschaulichen Erkenntniß dessen gelangen, was dieß Bild besaget!? — Versuche es nur, wir Alle werden dir darinhelfen;

06. und hast du das entziffert, so wird auch der Herr das Seinige thun! Ja, ich sage esdir, wie ich es sehe, es hängt nun von dem ab, wie du in deiner großen Liebe die Sache erfassen wirst; denn wie du, und wie wir — mit dir übereinstimmend — die Sache erkennen werden, also will, und wird der Herr handeln! Daher mache nun deine Sache nur recht gut; denn es hängt nun das Heil der Welt an deiner Erkenntniß, und an deiner Zunge!"

07. Die Helena erstaunt sehr darüber, als ihr der Robert das kund giebt, daß nun das Heil der Welt von ihrem Erkenntnisse des siebenköpfigen Thieres abhänge!? Sie wendet sich daher sogleich wieder an Mich, und fragt sagend: „O Herr, Du meine alleinige himmlisch—süßeste Liebe! sollte denn das wohl wahr sein, was der weise Robert mir soeben eröffnet hat?!"

08. Sage Ich: „Allerdings! Siehe, in irgend einer ältesten Profezeihung, die sich in den Händen der Indier als den ältesten Völkern der Erde befindet, heißt es ja: „Siehe, du sündiges Menschengeschlecht! Ein Weib war es, das die Welt ins Verderben stürzte! Und wieder wird es dereinst geben ein Weib, aus dem der Welt eine große Gnade wird gegeben werden; und am Ende wird es wieder geben ein Weib, durch das die Welt solle gerichtet werden; aber es wird bei dem Weibe stehen, und abhängen von seinem Erkenntnisse — ob zum Leben, oder ob zum Tode!" — Und sieh! du bist wie zufällig gerade dasjenige Weib, von dem diese nun angeführte urälteste Offenbarung spricht! daher mache deine Sachen nun gut, sonst wird es der Erde schlecht ergehen."

09. Spricht die Helena: „Ach, ach! o Jemine, Jemine! Jtz wär ich so ein merkwürdiges Weib!? ach nein, ach nein, das kann ja doch unmöglich sein! — Das wär' für mich auch keine Seligkeit, wohl aber eine große Pein! Daher erlasse mir o Herr dieß Erkenntniß, für das ich wahrlich nicht bürgen könnte, ob es gut oder schlecht ausfiele!"

10. Rede Ich: „Meine allerliebste Helena! Meine große Liebe zu dir kennst du bereits; aber auch das weißt du, daß bei Mir — namentlich hier im Reiche des Lebens, des Lichtes und der ewigen unverrückbaren Wahrheit — durchaus nichts mehr von dem herab gehandelt werden kann, was Ich einmal ausgesprochen habe; und daher wirst du schon das thun müssen, was Ich nun von dir verlanget habe! — Denn sieh', so Ich in Meinen Aussprüchen und Bestimmungen nachlässig wäre, welch' eine Ordnung, und welch' ein Gesicht würde ehestens die ganze Schöpfung bekommen?! — Siehe, so Ich nur einen Augenblick nachließe, alles Geschaffene in Meiner endlos großen Idee unverrückt fest zu halten, so ginge Alles aus den Fugen, und alle Gestaltung und Formen würden zu wolkenähnlichen höchst veränderlichen und nur zu bald vergänglichen Zerrbildern werden! Aber, weil Ich eben über alle deine jetzt noch zarten Begriffe im höchsten Grade unwandelbar bin, so bleiben alle geschaffenen Dinge und Wesen durch die ganze ewige Unendlichkeit auch stets das, als für was und wie sie einmal geformt worden sind. Wäre es dir recht, so ich in Mir deine nun so schöne Form änderte, und Mir an deiner herrlichen Form—Stelle z. B. eine Kuh dächte, wodurch Du aber auch sogleich in eine Kuhgestalt umwandelt würdest? — Wie es aber dir erginge, so auch erginge es der ganzen Unendlichkeit, so Ich in Meiner alles gestaltenden und erhaltenden Idee und alles bestimmenden und leitenden Ordnung nur einen Augenblick nachlässig würde!

11. Ich habe es aber nun, wie auch schon vor gar langen Zeiten, also für diese Zeit bestimmt, und habe dich auserwählet; daher mußt du aus purster Liebe zu Mir denn auch das thun, was Ich von dir verlange; dadurch wirst du dann erst vollends selbstständig frei in aller deiner Lebensfäre dich gestalten, und in der Folge wie aus dir selbst hervorgehend von aller fremden Einwirkung ledig und unabhängig dastehen können!

12. Denn das alles, was Ich hier von euch verlange, geschieht nicht so sehr der materiellen Welt, die ohnehin im Gerichte steht, als vielmehr euretwegen, damit ihr Alle wahrhaftig frei werdet, und fähig zum Genusse der höchsten Wonne und Seligkeit. Wohl auch hängt in allem alles Weltgetriebe von hier ab, indem hier der Kern und die Wurzel alles Werdens und Seins sich befindet; aber darum arbeiten wir hier dennoch nicht für die Welt, sondern für die Himmel!

13. Und so denn fange du Meine liebste Helena nun nur an, mit dem, was dir der Bruder Robert gesagt hat!"

94. Kapitel. Helena über das siebenköpfige Ungeheuer, den Tierkampf, die Wolfsmenschen und den König. Ihre Vorschläge zur Abhilfe. Weise Menschenerziehung.

01. Spricht die Helena: „Ja, wenn die Sachen hier, wie auch in der ganzen Unendlichkeit also stehen, und sich verhalten, da freilich muß ich zu einem Erkenntnisse schreiten, auf daß ja etwa nicht die ganze Schöpfung zu Grunde gehe!? Aber Du, mein allergeliebtester Herr Jesus! ich werde wohl alles thun, was Du nur immer von mir verlangest; denn das gebietet mir nur mein allein Dich liebendes Herz; aber ich meine, gar so enorm wird etwa das Wohl oder Wehe, oder gar das Sein und Nichtsein der Erde von meiner Dummheit nicht abhängen!? Gelt, Du mein alleinigster Liebling, ein paar Sekunden lang könntest Du etwa dennoch wohl ohne meine Erkenntniß des abscheulichen Siebenköpflers die Erde und die ganze Unendlichkeit erhalten? Gar so streng wird hier die Geschichte ja doch etwa nicht sein?!"

02. Sage Ich: „Ja, Meine allergeliebteste Helena, bei Mir ist alles mit der genauesten Haarwaage abgewogen; da leidet es in Manchem wohl gar keinen Aufschub, oder was immer für einen Stillstand! Freilich wohl kann Ich die ganze Schöpfung ohne deine Erkenntniß erhalten, dafür hast du keine Sorge zu tragen; aber, wie Ich dir's schon eher bemerkt habe, es handelt sich hier nicht so sehr um eine definitive Erhaltung des Alls, als vielmehr um die baldigste himmlisch vollendete Freiheit aller Derer, die hier in der jüngsten Zeit von der Welt her angekommen sind; das mußt du dabei so ganz eigentlich in eine rechte Berücksichtigung ziehen, und es wird dir dann ein Leichtes sein, dem nachzukommen, was Ich von dir verlange! Hast du das nun wohl verstanden?"

03. Spricht die Helena: „Ja Herr! nun bin ich im Klaren, und so will ich's denn mit Deiner Hülfe denn auch versuchen, wie ich mit dem abscheulichen Siebenköpfler werde zu Rechte kommen können.

04. Wie ich es nun einsehe, so stellt dieses sieben—köpfige Unwesen den eigentlichen Geist des Antichristen dar, und beurkundet desselben Walten innerlich in seinem eigenen Unflathe! Der Wurm stellt schon einmal für sich die große Schändlichkeit vor, die aus der Herrsch—, Hab—, Lug— und Trug—Sucht hervorgeht; die sieben Köpfe sind gleich den sieben Hauptleidenschaften, aus denen die sieben Hauptsünden ihren Ursprung haben werden? Hochmuth, Herrschgier, eifersüchtigster Neid, ein tödtlicher Geiz, unversöhnlicher Haß, Verrath und endlich Mord! Aus diesen gehen hervor Genußsucht, Fraß, Völlerei, Unzucht, Hurerei, gänzliche Nichtachtung des Nächsten, härteste Verfolgung dessen, was frei zu athmen sich getrauen sollte, vollste Scham— und Ehrlosigkeit, gänzliche Gewissenlosigkeit, und endlich die vollste Mißachtung und gänzliche Vergessenheit Gottes! Diese nothwendigen Vorkommnisse aus den ersten sieben Hauptleidenschaften sind dann aber auch bei jedem Kopfe ganz dieselben, wie solches auch aus den zehn gleichen Spitzen zu ersehen ist, die über jedem Kopfe als stets die gleichen zu ersehen waren. Auf den Spitzen waren auch noch glühende Kronen ersichtlich, mit denen es (das Thier) das Blut verdampfen machte, so es zu gewaltig das Gefäß zu füllen anfing; diese glühenden Kronen scheinen mir entweder die 70 römisch—katholischen Könige zu sein nach der Sage, die mir einmal auf der Welt zu Ohren kam, daß nehmlich der Papst über 70 gekrönte Herrscher gebiete!? Aber dieß kommt mir zu wenig haltbar vor, weil die Zahl der Regenten nicht stets dieselbe war, und geblieben ist! Aber für mich einleuchtender scheinen mir die Glühkronen die Reife der Herrschgier, die vor Dir o Herr ein Gräuel der Gräuel ist, anzuzeigen, die sich nun sogar in die Herzen der Völker eingenistet hat; aber noch klarer als das alles, scheinen mir diese Kronen die sogenannte Politik anzudeuten, die da als ein artig aussehender und viel verheißender Deckmantel erscheint, auf daß da ja Niemand merken solle, daß sich innerhalb desselben eine scharfe und Tod bringende Spitze verbirgt; will aber Jemand den Deckmantel anrühren, so ist dieser glühend durch die Esse des Zornes im Herzen der Beherrscher der blinden Völker, daß sich gar leicht ein Jeder waidlichst verbrennen muß, der es waget sich an dem Deckmantel zu vergreifen!

05. Daher meine ich, man solle die Kronen weg, dann die Spieße weg, die sieben Köpfe weg, das ganze Thier weg, seine Helfer weg, und die Tiara auch weg thun, und die Erde wird meines Erachtens dann nicht mehr durchs Blut waten müssen, um zu dem goldnen und wahren Frieden zu gelangen; auch die Menschenthiergefechte dürften sogestaltig zu den nicht mehr vorkommenden Dingen zu gehören anfangen!?

06. Ich bin nun durchgehends der Meinung, und von der Erkenntniß durchdrungen, daß da auf der Erde Zwei Dinge geschehen müssen, so es auf ihrem Boden je friedlich aussehen solle; entweder mußt Du, o Herr, neun Zehntel der Menschen nahe plötzlich durch Deine Würgengel von der Erde nehmen, und den Ueberbliebenen bessere Leiter geben, oder Du mußt die Erde ums wenigstens 9—fache vergrößern, und in einem jeden Lande einen großen Berg von gediegenem Golde erstehen lassen. Denn nur durch die ungeheure überall gleich vertheilte Menge diesen Metalles, das sich aus der Hölle seinen Ursprung nimmt, wird der Werth desselben zu dem der gemeinsten Kalksteine herabsinken, dafür aber der Werth der Menschheit steigen, was denn doch endlich einmal bewerkstelliget werden solle! denn was heißt denn das, so der Mensch, wie es jetzt stehet, durchaus keinen Werth hat, für sich und aus sich allein, sondern lediglich nur nach der Menge des Metalles, dessen er sich habhaft gemacht hat durch alle Arten, Weisen und Wege, durch die es nur immer möglich ist, sich in den möglich reichsten Besitz dieses gelben Mittels alles irdischen Lasters zu setzen!? Also entweder Verminderung der Menschen, oder bedeutendste Vergrößerung des Erdbodens, nebst der ungeheuren Vermehrung des Goldes und Silbers, sonst wird es ewig nicht besser auf der Erde! — Denn die Besitz— und Habsucht der Menschen muß zu einer gewaltigsten Uebersättigung kommen in aller Allgemeinheit, sonst wird sie ihren Hochmuth, und ihre Eigenliebe, als die Quelle des Hochmuthes und der Herrschgier — nimmer fahren lassen!

07. Was nützet der Ochse (Volks—Kraft) mit seiner Stärke!? Was des Löwen (Dinastie) gewaltige Tatze!? Wozu dient des Panzerthiers (absoluter tyrannisch—despotischer Fürstendruck) rücksichtslose und unbeugsamste Schwere!? Welche Effekte zum Wohle der Menschheit werden aus der Gewalt der Schlange, (geheime alles umschlingende Inquisitions—Politik)? Was vermag der mächtige freie Aar, (sozialisches Freistaatenthum)! Was die im Hinterhalte lauernde Großrache der krokodilartigen Reaktion!? Am Ende treibt die nothwendig hinzukommende Armuth der Allgemeinheit, das armselige und schwache Ichneimon, dennoch Alles auseinander, und zwar mit vollends leerem Magen; wozu war denn da ein solcher Kampf gut? ist das Ichneimon am Ende gut, so sei es auch im Anfange?! Muß denn die Erde durchs Blut arm werden!?

08. O Herr! Du allweisester und liebevollster Schöpfer, Lenker und Erhalter des Alls! Wir geschaffene Wesen beten und bitten wohl, und rathen hier vor Dir! aber, wie ich es nun stets gleich inne werde, in einer gewissen Hinsicht vergeblich! Denn wir können da rathen und beten und bitten, wie wir es nur immer wollen, so thust Du aber dennoch, was Du willst, und wie es Deine allein höchste Weisheit für gut und recht ersieht. Das ist aber eigentlich auch das vollkommen Beste bei der ganzen Sache; denn ließest Du unsere Urtheile in den äußeren Naturangelegenheiten effektiv werden, da wohl wäre die gesamte Schöpfung im nächsten Augenblicke ihres Daseins ledig! Aber Du, o Herr, bist überall des Grundes Grund, und Deine gesamte heilige Ordnung ist bei Dir ein leichter, wenn schon für uns Geschöpfe ein gehaltschwerster Gedanke; daher meine ich nun, daß es nahe überflüssig sein dürfte, Dir noch mehr vorzuplaudern.

09. Daß jene in der letzten Erscheinung vorkommenden Wolfsmenschen jenen höchst gleisnerischen Orden darstellten, den alle Welt bereits ganz einhellig gerichtet hat, und daß eben dieser, wie auch seine ihm verwandten Orden, auf der Erde die nahe allzeitig alleinigen Stifter alles Uebels waren, und nach nichts Anderem so emsig trachteten, als nach der vollsten Alleinherrschaft über die ganze Erde, und aus diesem Grunde auch alle Könige nach ihrer Pfeife tanzen machen wollten, das ist wohl so klar, daß darüber jede weitere Beleuchtung ganz rein überflüssig wäre.

10. Der König, der von dem höchsten Gefühle des Herrschrechtes durchdrungen am Throne mit einer höchst gebieterischen Miene saß, scheint blos ein sprechendes Simbol der Herrschmanie dieser gegenwärtig schlimmsten Zeit auf der Erde zu sein, wo nun ein Jeder herrschen, aber Niemand mehr gehorchen will, außer der Gehorsam trägt ihm große Interessen; ist dieß nicht der Fall, da wird aus dem sonst gehorsamsten und unterthänigsten Diener sogleich ein alle Regierungen hassender Demokrat, oder ein sogenannter rother Republikaner, der die Menschheit allein durch die Vernichtung der Regenten glücklich machen will; hauptsächlich aber dabei seinen eigenen leeren Sack recht weit aufthut, und die Goldfischlein in sein feines Netz zu ziehen festesten Willens ist! — Diese Herrschmanie scheint jetzt das Aergste zu sein, und nahe der alleinige letzte Grund, der nun wie ein zweischneidiges Racheschwert alle Menschen bis zum glühendsten Hasse entzweiet!

11. Ich sehe nun durchaus keine wahre Liebe mehr unter den Menschen; Keiner liebt den Andern als Mensch und Bruder in Dir, o Herr, sondern pur nur als ein leidiger Intressent, kann der A. von B. irgend einen Nutzen ziehen, sei es in was immer, so wird A. dem B. auch mit aller Freundlichkeit begegnen, und ihn sogar lieben, so B. dem A. wirklich zu irgend einem Vortheile verholfen hat; war aber der Herr B. das nicht im Stande, so wird er für den A. nur zu bald ein Mensch von der größten, ja oft sogar verächtlichen Gleichgültigkeit werden, und ich möchte es dem B. ja nicht rathen, in einem möglichen Nothfalle Hülfe zu suchen beim A., so dieser mit der Weile vermögend geworden wäre, dem verunglückten B. zu helfen; denn der B. ist sein Freund nicht, weil er ihn nicht unterstützet hat, auch dann nicht, so es auch erweislich wäre, daß der B. ihn damals unmöglichst hatte unterstützen können! Hätte aber auch der B. den A. im Ernste unterstützt, so daß A. nachher zu großen Vortheilen gelanget wäre; käme aber dann B. in eine Verlegenheit, und suchete beim A. eine Hülfe, so wird der vortheilsüchtige A. sicher unter höflichen Entschuldigungen sich nach Möglichkeit zurückziehen, und sorglichst trachten des lästigen B. los zu werden! Siehe, Herr, so kenne ich die Menschen, und so sind sie zum größten Theile.

12. Wie aber sind sie besser zu machen? Das ist eine Frage, die nur Du allein, und sonst ewig kein geschaffener Engel effektiv beantworten kann; da könnten wir rathen, bis alle Sonnen möchten ausgebrannt sein, und der Erde und ihren blinden Menschen wäre daher doch nichts geholfen; so aber Du nach Deiner geheimen endlos mächtigen, gütigsten und liebevollsten Weisheit nur ein Wörtlein sprichst, so wird gesund die ganze Erde, wie einst des römischen Hauptmanns Knecht, für den sein Gebieter bei Dir um die Heilung bat! O Du mein süßester, gütigster, allerliebenswürdigster Herr und Gott Jesus, sei, sei doch so barmherzig, und reinige die arme Erde von allem, was Teufel heißt, und teuflisch ist für ewig! Dein Wille geschehe!"

95. Kapitel. Hochbedeutsame Erklärung des Herrn über die Entwicklung selbständiger und freitätiger Wesen. Große Schwierigkeiten dieser Aufgabe. Hauptschlüssel zum Verständnis des Erdenlebens. Helenas begeisterter Dank.

01. Rede Ich: „Nun, nun, du meine allerliebste Helena, sieh, du hast Mir nun ja einen allerbesten Rath gegeben, und es läßt sich Alles recht sehr gut anwenden und bewerkstelligen; wahrlich, dein Geschlecht kann sich mit dir große Stücke zu gute halten;

02. nur zwei Stücke waren etwas zu bunt, und das ist, daß du aus der Erde entweder Neunzehntel der Menschen weggenommen sehen willst, oder die Erde vergrößert, und daß du alles Herrschthum auf der Erde weg haben möchtest; sieh', das ist etwas hart, und auf einem naturmäßigen Wege gar nicht auszuführen, sondern allein auf dem Wege des Gerichtes. Das Gericht aber ist der eigentliche Tod eines jeden Wesens, das es ergreift!

03. Denn sieh', Ich bin allmächtig, und alles was Ich Mir nur immer denke, das muß auch sogleich geschehen, so Ich es will; so Ich nun hier vor Mir eine Million Menschen haben wollte, so wären sie auch da; sie würden sogar weise reden und handeln, und so schön wie die schönsten Serafim aussehen; ja sie würden dich sogar mit aller Liebe umfassen, und dir dienen nach Herzenslust; und dennoch wären sie in sich selbst vollkommen todt! Denn sieh', alles, was sie thäten und redeten, das thäte blos Ich, und redete auch blos Ich; denn in ihnen wäre da kein anderes Leben, als welches Ich für die nach Meinem Wollen gerichtete Dauer haben wollte; wollte Ich aber dann diese efemeren Menschen nicht mehr, so würden sie aber auch in einem Nu vergehen, und nicht mehr da sein!

04. Wollte Ich aber solche Menschen erhalten, und sie in ein wirkliches, dir ähnliches freies, freithätiges, und von Meiner Allmacht durchaus unabhängiges wahres Leben versetzen, da müßte Ich Meinen in diesen efemeren Menschen wirkenden Geist durch ein geeignetes Trennungsmittel von Mir ablösen, und ihn dann in diesen Menschen binden, und durch eine äußere, taugliche, materielle Umfassung gefangen nehmen, ihn sogestaltig Mir gegenüber zu einem förmlichen Objekte machen, und solchem Verhaltungsgesetze geben und Gelegenheiten und Anreizungen zukommen lassen, durch die er in die Nothwendigkeit gesetzt würde, entweder aus seiner freien, von Mir gänzlich abgelösten, Erkenntniß—und Willenskraft nach dem gegebenen Gesetze, oder auch wider dasselbe zu handeln. Das Gesetz müßte natürlich zweckmäßig und weise eingerichtet und sanktionirt sein, und zufolge der Sanktion müßte ein solcher Mensch dann, im Falle er das Gesetz nicht beachtete, noch härter und länger gefangen gehalten werden, bis er nothgedrungen das Gesetz thätig annähme, und darnach handelte, wonach es dann erst räthlich wäre, solch einem Menschen die äußern Bande wieder abzunehmen, und ihn gleich dir als ein wohlgebildetes Wesen in die vollste Freiheit übergehen zu lassen, wo er dann aus sich selbst heraus ein vollkommenes, nicht mehr gerichtetes Leben hätte!

05. Aus dieser kurzen Erörterung aber kannst du nun schon ganz leicht abnehmen, daß Ich Selbst die freie Handlungsweise der in der materiellen Freiheitgewinnungsprobe auf der Erde stehenden Menschen im vollsten Maße respektiren muß, ob sie gesetzlich gut, oder auch ungesetzlich böse ist; denn ergreife Ich sie da mit Meiner Allmacht so oder so, so sind sie im Augenblicke des Ergreifens schon todt, indem sie dann aus sich heraus durchaus nichts mehr zu thun im Stande sind. Will Ich sie wieder frei machen, so muß Ich Mich dann wieder von ihnen vollends trennen, und sie in der Materie gefangen machen, wo sie dann einer neuen Freiheitsgewinnungsprobe ausgesetzt werden;

06. fällt diese nach der gestellten Ordnung aus, so können sie dann dir gleich hierher in diese Welt der Geister in ein vollkommen freiestes Leben übergehen, fällt sie aber wider die Ordnung aus, so muß die Gefangenschaft auch in der Geisterwelt so lange fortbestehen, bis solche Menschen dann mit der Weile zu jener praktischen Erkenntniß gelangen, durch die sie sich dann unbeschadet Mir ihrem Schöpfer nahen können; können sie Mich einmal lieben als einen Herrn und Bruder, so sind sie durch solche Liebe dann erst wahrhaft frei, gleich Mir, indem Ich in ihnen als ein vollkommenes zweites Ich lebendig denke, fühle, urtheile und handle!

07. In solch einem für ewig dann bleibenden Zustande aber können sie dann von Mir aus unbeschadet ihrer individuellen Freiheit auch stets mehr und mehr freie Erkenntnisse und Kräfte aufnehmen, ja sogar in allem wie Ich Selbst vollkommen werden, welcher Zustand dann erst die vollendetste Seligkeit bei ihnen bedingt und ausmacht.

08. Siehe, es ist daher bald und leicht gesagt: — Herr! thue dieß und jenes! richte die bösen Völker, richte die Könige, und richte den herrschsüchtigen Papst, vertilge Alle, die eines hochmüthigen und herrschgierigen Herzens sind; — thue Wunder, lasse durch eine allgemeine Pest das ganze arge Menschengesindel zu Grunde richten! denn sie sind Alle zusammen böse! — Aber da muß man dann mit größerer Einsicht bedenken, daß Ich rein umsonst gearbeitet haben würde, so Ich wegen der nicht gesetzmäßigen Handlungsweise die auf die Erde gesetzten Menschen sogleich richten und tödten möchte.

09. Siehe, obschon wir hauptsächlich darauf zu sehen haben, daß die werdenden Menschen auf der Erde so viel nur immer möglich die vorgezeichneten Wege wandeln, und nach den Gesetzen der ewigen Ordnung handeln, durch die natürlich am ehesten und leichtesten das freie Leben zu erreichen ist; so müssen wir aber anderseits doch auch uns der größten Geduld hingeben, und selbst die verkehrtesten Handlungen mit derselben Ruhe betrachten, als wären sie gut und gerecht! denn die erste Hauptbedingung zur Gestaltung freier Menschen ist, daß sie in der vollen Trennung von Mir einmal ihrer selbst bewußt werden, und aus sich selbst heraus zu handeln anfangen, ob gut oder schlecht, oder gesetzlich oder ungesetzlich, das muß für den Anfang eines jeden neuwerdenden Menschen völlig Eins sein; wir müssen ihre aus ihnen selbst gemachten Einrichtungen und Erfindungen respektiren, und müssen unsern sie erhaltenden Einfluß ja so verborgen halten, als nur immer möglich; denn würden wir da laut und offenbar auftreten, so würden wir die junge und zarte Pflanzschule der Menschen mit einem Tritte zerstören, und hätten dann viel länger zu thun, das Zertretene wieder aufzurichten, und der großen Bestimmung zuzuführen, als so wir geduldig dieser ersten Entwicklung der Menschen auf der Erde nur ganz leise wirkend und helfend zusehen; denn nach dieser ersten Entwicklungsperiode haben wir dann ja noch immerhin zahllose Wege und Stege, die auf der Erde noch unentwickelten Menschen ihrer rechten Bestimmung zuzuführen.

10. Nur wann unter den werdenden Menschen solche entgegengesetzte Schroffheiten zu entstehen anfangen, daß dadurch die zu bezweckende und zu gewinnende absolute Lebensfreiheit in eine bedeutende Gefahr gerathen könnte, da freilich müssen wir hie und da kleine, aber blos nur äußere Schreckgerichte auftauchen lasten, als da sind Kriege, Theuerung, Hunger und Pest; aber jedes solche Strafgericht darf ja nie mehr, als (höchstens) ein Zehntel der Menschen ergreifen, weil es bei einer größern Verschärfung nur zu leicht die Wirkung eines wirklichen tödtlichen Gerichtes annähme:

11. Siehe, da habe Ich dir nun Meine Einsicht und Meinung gesagt; wie gefällt sie dir? und hast du sie vollends verstanden? Sage Mir daher du nun auch wieder die deinige über die Meinige, ob du sie für gut, echt und vollends gerecht findest? oder könnte es vielleicht auch noch anders sein?!"

12. Spricht die Helena: „O Liebe der Liebe, o Güte der Güte, o Weisheit aller Weisheit! O Gott, o Vater, o Jesus! Wer, wer und woher, und wie könnte man da noch etwas einzuwenden haben?! oder was solle ich in meiner noch viel zu großen Weisheitsschwäche einzuwenden haben?! denn so endlos weise, wie Du nun das Entstehen der Menschheit, und deren Entwicklung bis zur höchst freiesten Lebensstufe hinauf der vollsten und hellsten Wahrheit gemäß vor unser Aller Augen gestellet hast, ist das wohl noch nie vor menschlichen Augen und Ohren geschehen!

13. Nun sehe ich es erst so recht nagelfest klar ein, was ein Mensch ist, wie er beschaffen sein muß, und wie handeln, und wie geleitet und geführet, damit er zu seiner ewigen Bestimmung gelangen möge! und da solle ich Dir, o Herr, etwa noch eine Gegenmeinung aufstellen!? Nein, das wäre denn doch zu kraßest unsinnig von mir!! Bei solcher Deiner Weisheit, Macht und Güte solle ich als ein Lerchenfelder Mistmensch auch noch eine Meinung haben?! Nein, nein, nimmermehr! Wäre zufolge Deiner unendlichen Güte so eine efronte Dummheit meines Mundes vor Dir schon gerade auch kein Verbrechen, so wäre es aber dennoch, wie gesagt, eine so horrible Dummheit, wie kaum ein aller—weiberfleischsüchtigster Menschengailbock über seine echt allerdreckigste Zunge brächte, so ihm seine zu sehr gemißbrauchte Natur vor einer enthüllten reizendsten Dirne den gewissen Saudienst versagte! Nein, Du mein allerhöchst liebster, weisester, sanftester, geduldigster und überhimmlisch schönster und erhabenst liebenswürdigster Herr Jesus! nun bringst Du mich sogar mit aller Allmacht zu keiner weitern Meinungsäußerung mehr! denn wessen Sinn für das hellste Licht dieser von Dir vor uns Allen nun enthüllten Wahrheit entweder stumpf ist, oder noch irgend etwas zu bemängeln hat oder haben solle, der ist nicht des Anpissens, von seite eines allerschmutzigsten, dümmsten und schäbigsten Esels werth! Ein elendster Schuft sei der, welcher es wagete darüber noch irgend eine dümmste Bemerkung zu machen! Na, Du mein allerheißest und innigst über alles geliebtester Herr und Gott Jesus! Wenn es selbst der Petrus oder der Paulus wäre, so müßte ich in mein allergröbstes Lerchenfelder Temperament zurücksinken, und ihm zum wohlverdienten Lohne die Augen unter den schönsten Lerchenfelder Liederchen auskratzen! Aber sie sind nun alle stumm, und sehen die große Wahrheit Deiner Worte sicher noch heller ein als ich, und das ist auch sehr schön und löblich von ihnen.

14. Siehe, Du mein Herr und mein Gott, ich bin von der Heiligkeit Deiner nun ausgesprochenen Wahrheit so mächtig durchdrungen, daß ich nahe behaupten möchte: Nicht einmal Du selbst könntest Dir hier irgend etwas auch nur zum Scheine einwenden, oder irgend eine Gegenmeinung aufstellen!? Und das ist aber auch eine klarste und hellste, und von mir nie widerrufbare Meinung, in der ich ewig leben und verharren werde, Dich ganz allein über alles aus allen meinen Kräften liebend!"

96. Kapitel. Der Herr über Gottes— und Weltkinder. Das Erlösungswerk gilt hauptsächlich letzteren. Gleichnis vom Obstgarten und vom unfruchtbaren Baume. Helenas Rat bezüglich des Pathetikus. Führung eines Weltlüstlings.

01. Rede Ich: „Meine herzensallerliebste Helena, Ich bin mit allen deinen Worten überaus zufrieden, und dein Lob für die Enthüllung der wahren Führung und Bestimmung der Menschen läßt sogar in Meinem Herzen keinen ferneren Wunsch mehr übrig; denn der Wahrheit dient nur die Wahrheit zum allein größten Lobe, so wie auch Mich als Gott Niemand erkennen und lieben kann, der nicht aus Mir ist!

02. Denn es giebt Menschen, die unmittelbar aus Mir hervorgegangen sind, aber daneben auch solche andere Menschen, die mittelbar von Mir geschaffen worden sind; die unmittelbar aus Mir Hervorgegangenen sind die eigentlichen Gotteskinder, in deren Herzen denn auch die reine Gottesliebe wohnt, und aus ihr heraus die wahre Erkenntniß Gottes; die mittelbar Geschaffenen aber sind Kinder der Welt, gezeugt vom Satan aus der Hölle! Diese letzteren sind von Mir aber auch berufen zur wahren Erkenntniß, und zur wahren reinen Liebe; denn ihretwegen habe Ich hauptsächlich das Werk der großen Erlösung vollbracht. Eben dieser Menschen willen aber geschieht nun auch solches in der Welt, und wird hier in Meinen Himmeln berathen; und da meine denn Ich, daß in deinem Lobe denn doch noch etwas hätte angeführt werden können, das gewisser Art einen Ausnahmezustand vorstellete, bei dem Meine früher von Mir Selbst im Allgemeinen gezeigte Erschaffungs— und Führungsweise der Menschen einige nicht unbedeutende Veränderungen nothwendig nach sich ziehen muß.

03. Ich werde dir nun so einige Fälle vorstellen, und du wirst dann darüber urtheilen. Und so höre:

04. Der Besitzer eines Gartens hat im selben eine Menge große und kleine, edle und unedle Fruchtbäume gesetzt; alle bekamen ein gleich gutes Erdreich, und womöglich die unedlen nahe noch ein beßres als die edlen. Alle wurden mit großem Fleiße gepflegt, und es zeigte sich, daß manche unedlen viel üppiger wuchsen als die edlen. Ein solcher Wildling fiel wegen seiner Ueppigkeit besonders auf, so daß der Gärtner ihm eine volle Hauptaufmerksamkeit zu schenken anfing; er pflegte und pflegte ihn, und erwies ihm alle Liebe; aber es verstrich ein Jahr ums andere; während alle anderen Bäume Früchte brachten nach ihrer Art, blieb dieser stumm, und brachte nichts als Blätter zum Vorscheine. Da ward der Gärtner als Herr des Gartens denn endlich doch mit vollstem Rechte unwillig über diesen schalen Baum, und sprach zu seinen Knechten: Ihr wisset es, wie sehr ich diesen Wildling gepflegt habe, durch viele Jahre, und er hat mir keine Früchte noch gezeigt, noch gebracht, daher grabet ihn von der Wurzel aus, zerhauet ihn in Stücke, und werfet ihn in's Feuer! denn mich ärgert nun gewaltigst dieser schale Baum! An seine Stelle aber setzet mir eine Weide, zum Zeugnisse, daß an dieser Stelle ein unfruchtbarer Baum jahrelang meine Liebe und Geduld gemißbrauchet hat! Da sagen die Knechte: Herr! lasse ihn noch ein Jahr; wir werden ihm einen Hauptast nehmen, und werden ihm eine andere Erde geben; wird er aber auch dann keine Früchte bringen, so solle ihm geschehen nach deinen Worten! Der Herr des Gartens belobt darob die Geduld der Gärtnerknechte, und läßt sie thun nach ihrer guten Meinung. Es geschieht nun alles, wie es die Knechte sagten; aber nach einem Jahre, und nach zwei Jahren, und endlich sogar nach drei Jahren bringt der Baum noch immer keine Frucht; er setzt wohl Blüthen an, daß man im Frühjahre meinen solle, der Baum werde endlich denn doch einmal mit seiner Frucht des Gärtners Mühe lohnen! Aber siehe, er bringt dennoch keine Frucht zum Vorschein!

05. Was meinst du, Meine allergeliebteste Helena, was solle nun mit diesem schalen Baum geschehen? solle Meine Androhung an ihm vollzogen werden, oder nicht?! Denn ganz ernstlich gesagt, der Baum ist dem Gärtner schon längst zuwider und über die Maßen ärgerlich geworden!

06. Unter dem „Baume" aber verstehe du jene Menschen, die da sind der Welt Kinder, und von Mir alle Pflege und Wartung bekommen, aber dennoch außer den Blättern und betrügerischen Blüthen keine Früchte der Liebe, der Demuth und des Gehorsams bringen, indem ihr Herz und Sinn in aller Welt, im Fleische der Weiber, in der Gailheit, und im Wohlleben des Leibes vergraben ist! Also sage Mir, was du da meinest; was solle mit solchen Menschenbäumen geschehen, die da weder gute noch irgend arge Früchte zum Vorscheine bringen, sondern zwischen den guten und schlechten Fruchtbäumen eine eigene verächtliche Art Schmarotzerbäume bilden, die bloß genießen, aber nie etwas Ersprießliches thun wollen; wenn sie es auch scheinen, so ist aber doch aller Schein ein Trug, denn ihr Sinn ist, wie ihre Liebe, gaile Genußsucht." (Am 1. Juli 1849)

07. Spricht die Helena: „O Du, mein Herr und mein Gott Jesus! das ist schon wieder eine äußerst kitzliche Frage! Es hängt auch da freilich wohl alles von dem ab, was Du mir über die Erschaffung, Führung, Bildung, und geistige Gestaltung, Ordnung und endliche Bestimmung der Menschen veroffenbaret hast; aber einen Unterschied bilden solche gar zu saumäßig dumme Menschen dennoch in sich selbst vor andern, die nicht wegen eines ungehorsamen und eigensinnigen Willens Deine Gesetze nicht halten, sondern aus Unkenntniß nur, und aus Mangel an der erforderlichen Bildung. Wenn also aber gewisse sehr undankbare und in ihrem Herzen höchst eigenwillig zerlumpte Menschen allen Deinen Mahnungen nimmer ein williges und thätiges Gehör schenken wollen, und mit ihren saumäßig dummsten Handlungen Deinen heiligsten Worten nur den barsten und scheußlichsten Hohn sprechen; ja, denen das Fleisch der Weiber mehr schmecket als Dein heiligs Vaterwort, denen ein dicker und gespannter Weiberpopo lieber ist, als Dein heilig Angesicht, o Herr! ja, die einer jungen Dirne, so sie ihnen zu ihrem buhlerisch sinnlichsten Gesichte steht, eher 100 Herzen als Dir Eines zukommen lasten würden, so sie hundert Herzen besäßen, die sich auch aus Deinen so manchen Züchtigungen und Mahnungen nichts daraus machen, die Du doch jedermann in Hülle und Fülle zukommen läßt! so meine ich, daß solche dummste Sauesel, solche Kloaken—Polipenseelen wahrlich nicht mehr werth sind als eine gut geschliffene Hacke, an die Wurzeln ihres wahrhaft grauslichen Saulebens!

08. O, solche allerannujanteste Saukerls, sehr ähnlich jenem Pathethikus dort, habe ich in Wien auf der Erde in die schwerste Menge nur zu gut kennen gelernt! Väter von äußerlicher Ehre und Ansehen, gäulen gleich jungen Böcken mit oft untern Hund herabgesunkenen gemeinsten Huren, obschon sie zu Hause ein liebes und tugendsames Weib hatten, und eine Butte voll schon oft erwachsener Kinder, denen sie doch mit einem besten Beispiele vorleuchten sollten; die dann nur zu bald in alle die schönen Schliche ihres Herrn Vaters die reinste Einsicht bekommen, um endlich, besonders die männlichen, auch nur zu bald in die würdigen Fußstapfen ihres Herrn Papa zu treten! Siehe, o Herr! solche Menschen sind zur Bringung auch der schlechtesten Frucht nicht mehr fähig, und ist auch nichts zu bessern an ihnen; denn was einmal Dräck ist, das bleibt auch Dräck, aus dem kein Gold wird; daher sollen sie abgehauen, und in's Feuer geworfen werden! vielleicht macht das Feuer noch etwas Brauchbares aus ihnen?!"

09. Rede Ich: „Du hast vollkommen recht; also sei es auch! denn, so Ich Selbst Jemanden alle mögliche Bildung habe zukommen lassen, und habe ihm erwiesen alle Geduld, Nachsicht und Milde, und trug ihn nahe auf den Händen, er aber dann noch über einen dickgespannten Weiberhintern Meiner vergessen kann, und sein Herz und alle seine Sinne trotz allen sanften und schärferen Mahnungen in den schmutzigsten und stinkendsten Sumpf wie ein von dir recht treffend bezeichneter Pfuhlpolip seine Freßarme in die Kloake versenket, der ist wahrlich wohl keines besseren Looses werth. Aber siehe, wir haben eben hier mehrere solche Möbels von Menschen, dort, jener Pathetikus ist Einer, und da in dem uns gerade gegenüber stehenden Gemache stehen noch einige Dutzende. Darunter sogar einige Blutschänder, und Einer, Ich sage es dir, Einer, der zwei zehnjährige, eigene Zwillingstöchter in einem Jahre bei Hundertmale genothzüchtigt hat, was den beiden sehr lieben Kindern endlich das Leben, und mit diesem ihre auf der Erde bestimmte Geistesbildung kostete; und siehe, diese argen Gäulböcke sind dennoch hier in einem freien ungerichteten Zustande. Ich frage dich nun, was denn nun für die Folge gerechnet mit diesen und Solchen geschehen solle?!"

10. Spricht die Helena: „Wenn sie schon einmal hier sind, so können wir denn etwa doch noch einen Versuch machen, ob an ihnen denn doch durchaus nichts mehr zu verbessern sein solle?! Ist bei ihnen noch irgend eine Besserung möglich, so solle nichts gesparet werden, sie zu bekehren; solle aber jeder Versuch für ihre Besserung an ihrem hochmüthigen Stumpfsinne scheitern, da verfahre Du mit ihnen, wie mit jenem schalen Feigenbäume, der keine Frucht hatte, daß sie Dich sättigte, als Du eines Abends müde und hungersschwach unter seine Aeste tratest, die Dir nicht geben konnten, was Du gerechtester Weise von ihnen haben wolltest!" —

97. Kapitel. Jesus über Sexlust und Hochmut. Roberts schwieriger Auftrag betreffs des Pathetikus. Dessen Philosophie und Roberts Antwort.

01. RedeIch: „Sehr gut — Meine geliebteste Helena — hast du Mich beraten! Das werden wir auch thun! Gelingt es uns, so sollen sie leben! gelingt es aber nicht, da seien sie verflucht! Wir wollen uns aber auch sogleich an dieses Werk machen! Denn so lange diese scheußliche Art nicht umstaltet, oder vernichtet ist, werden wir von der Erde nie vollends reife und gute Früchte zu erwarten haben.

02. Den Hochmuth kann man um vieles leichter bekämpfen als diese Seuche! Sind die Menschen stolz, hochmüthig und herrschsüchtig geworden, so gebe man ihnen Krieg, Noth, Armuth und Krankheiten, und sie werden bald zum Kreuze kriechen, und werden sich die sie demüthigenden Lektionen sicher auf eine lange Zeit hinter die Ohren schreiben! Aber einen rechten Gäulbock genirt nichts! Wenn er auch alle sogenannten argen Venuskrankheiten ausgestanden hat, und am Ende vor Schwäche kaum mehr gehen und stehen kann, und der Tod von allen Seiten her ihn angrinset, so macht er sich aber dennoch wenig oder nichts daraus, wenn er nur noch einer üppigen Dirne den Steiß befühlen kann! Wenn er schlafen gehet, so ist schier sein letzter Gedanke — Fleisch; und so er erwacht — sein erster Gedanke wieder Fleisch, und sodann den ganzen trägen und schläfrigen Tag über wieder nichts als Fleisch! und so ist seine Rede Fleisch, sein Sinn Fleisch, seine Liebe Fleisch, seine Freundschaft Fleisch, und alles in allem Fleisch!

03. und der dem Fleische stets fest anklebende Hochmuth, der sich nur zu bald kund giebt, so Jemand solch einem dümmsten Fleischesel in die sein Leben allein beseligende Nähe störend tritt, und ihm etwa gar irgend eine freundliche Ermahnung zukommen läßt! Ihres Gleichen, d. h. ihres Geschlechtes dulden sie schon gar schwer, oft auch gar nicht um sich; ja so sie recht in der Brunst sind, da möchten sie wohl am liebsten aller andern Menschen ledig sein, um desto ungenirter mit ihrer geliebten Fleischinhaberin gäulen zu können nach ihrer echten Bockslust! Nur wenn sie zu Zeiten auf eine kurze Frist des Gäulens müde und überdrüssig geworden, da nähmen sie dann auch Besuche an, damit sie sich ein wenig zerstreueten; hat aber dann ihr Sinn wieder neue Nahrung bekommen, dann können sich die Freunde nur gleich wieder empfehlen; denn dann sind sie dem Gäuler schon zu einem Dorn im Auge! Siehe, so sind sie beschaffen auf der Welt, und so kommen sie auch hierher;

04. da du nun das weißt, so wollen wir sogleich einen Versuch an dem Pathetikus ganz ernstlich vornehmen. Der Erfolg solle dich lehren, ob unsere Mühe an ihm den erwünschten Lohn finden wird, oder nicht?! und so denn die Hände an die Arbeit!"

05. Darauf beheiße Ich den Robert hingehen zum Pathetikus, und ihn ganz artigst zu Mir her zu bescheiden. —

06. Der Robert verneigt sich voll der höchsten und freundlichsten Achtung, und sagt: „O Herr! wo Du Selbst Deine Hände an ein Werk legest, da muß es gelingen! Wenn er nur herzubringen sein wird?! aber wie es mir so ganz leise vorkommt, da wird das ein hübsches Stück Arbeit abgeben! — Wie wäre es denn, o Herr, so wir zuvor die 24 Tänzerinnen aus seiner Nähe mehr auf die entgegengesetzte Seite, so mehr gegen Morgen hin, wo sich ohnehin ihre Tanztribüne befindet, bescheiden würden?! denn — so viel ich — und auch sicher alle hier anwesenden hohen Gäste werden bemerket haben, da fängt sich unser Pathetikus miserabilis samt seiner Gesellschaft sehr beträchtlich den sehr reizenden Tänzerinnen zu nahen an! — es wässert ihm schon der Mund zu einer erwünschten Ansprache; aber wie es mir scheint, so ist er um den Anredestoff verlegen!? Daher meine ich, daß es allenfalls nicht schlecht wäre, die Tänzerinnen zuvor auf den bestimmten Ort hin zu bescheiden?!"

07. Sage Ich: „Lieber Bruder! was dir als gut deucht, das ist auch gut vor Mir; denn so Jemand etwas als gut erkennt, und unterläßt es zu thun, der begeht eine Sünde gegen sein eignes Herz; daher thue du alles, was du als gut und gerecht zweckdienlich erkennest."

08. Robert gehet nun schnell zu den Tänzerinnen hin, und bescheidet sie, an den vorbestimmten Ort hinzugehen; die erfüllen sogleich liebfreundlichst des Roberts Willen;

09. aber dafür wird der Pathetikus samt seiner Gesellschaft ganz, wie die Menschen zu sagen pflegen, fuchsteufelswild, geht dem Robert entgegen, und spricht: „Noooo— Musje! diese Holden sind nun lange genug in meiner Nähe gestanden, und ist ihrer bei eurem dummen Geplapper nicht gedacht worden; gerade jetzt, wo ich mit ihnen gerne in eine nähere Bekanntschaft getreten wäre, hat dich müssen der Teufel hierher reiten, um sie mir gerade vor der Nase wegzuschnappen! Ich glaube, unter uns g'red't, du hättest ja wohl an denen genug, die dort an eurem Adams—, Abrahams—, Isaaks— und Jakobs—, Moses— und Gott weiß was noch für Tische, wie die schönsten Schafe versammelt stehen?! Meine Emma—Gundl ist auch dabei, und meine Mariandl, und die schönste Aurora von einer Lerchenfelderin! Freilich blüht bei der, wie's mir vorkommt, für dich verdammt wenig Waizen heraus, weil der Pseudo—Heiland Jesus bei ihr beiweitem mehr zu gelten scheint, als du; aber anschauen darfst sie doch, und dabei als ein über deine hübsch langen Ohren — in sie Verliebter nach und nach ein wenig zu verzweifeln anfangen!

10. O du blitzdummer Kerl von einem R. Blum! Auf der Welt warst ein Esel, und hier bist ein Ochse! also in einer Person die viehische Gesellschaft, die bei der Geburt Christi anwesend war. No, no, schön so, schön! wahrlich, du wirst es in diesem deinem Himmel noch weit bringen! — Glaubst denn du königlich sächsischer Bücherjude, daß ich nicht jed's Wört'l vernommen habe, was ihr dort über die ganze Unendlichkeit Gottes für einen Rath gehalten habt, und wahrlich, Ehre, dem Ehre gebühret, oder was?! die schöne Lerchenfelder Aurora, wahrscheinlich eine neu apokaliptische Plage aus diesem echten 7 Zwetschgen—Himmel, hatte ein sehr bedeutendes Vorrecht zu urtheilen, und ihr weisen Gottes—Ochsen und Esel habt das Vergnügen gehabt, euch an ihrer Weisheit zu sonnen gleich wie die Blattmilben an den herrlichen Strahlen aus dem Steuße eines Johanniskäferleins! ah, das war wirklich himmlisch schön, erhaben und des großen Gottes würdig! — oder was?!

11. und nun möchtest du mich auch hin an jenen saubern Rathstisch ziehen, an dem so Erhabenes von einer mit einer ätherischen Fosforiszenz übertünchten Lerchenfelder Tudl beschlossen wird, sogar ein Gericht über uns Männer, darum wir auf der Welt oft thierisch dumm genug waren, uns so weit zu vergessen, daß wir uns mit solchen Kloaken—Kreaturen abgeben mochten! — Freund! da kannst du hübsch lange warten! Glaubst du denn, daß ich dir nun wie ein Gimpel gleich auf dein dreckiges Leimspindelchen aufsitzen werde? oh, da hat es Zeit, und seine sehr geweisten Wege! Brüderl, kehre halb rechts nur wieder um, und sage deiner fosforstrahlenden Gesellschaft: Nur die Gimpel fängt man so, — andere Vögel sitzen nicht so leicht auf, besonders — wenn eine Lerchenfelder Glorifiszenz Esel auf den Vögelfang mit Einverständniß ihres Pseudo—Jesus aussendet! Wenn's zurückkommst, so richte ihr von mir einen schönen Grueß aus!"

12. Robert, ganz erstaunt über solch einen ultrasozialen Empfang, schaut den P. eine Weile ganz erregt bis zur Zehenspitze an, und ist ganz geladen ihm noch zehn Male gröber zu begegnen; ermannt sich aber dennoch, und sagt dann in einem gemäßigten Tone: „Freund! Du hast mich noch gar nicht vernommen, und also auch gar nicht entnehmen können, warum ich so ganz eigentlich hierhergekommen bin, und was ich dir zu hinterbringen habe! und verdammst mich, ohne einen Grund dazu zu haben!? Lasse mich erst reden mit dir, alsdann richte, so ich etwas Ungebührliches von dir verlangt haben werde!"

13. Fällt ihm der Pathetikus in die Rede, und spricht: „Freund, ohne gerade dir gleich ein Esel zu sein, reichen meine Ohren aber dennoch bis an euren saubern Rathstisch hin, und haben das unliebsame Vergnügen alles zu vernehmen, was dort geredet und beschlossen wird! Und so haben meine Ohren denn auch die Keckheit gehabt, das zu vernehmen, was in eurem hohen Rathe über jene Menschen beschlossen wurde, die leider auf der Welt das sich zu genießen erlaubten, wozu sie durch das Gesetz der Natur bei den Haaren hinzugezogen worden sind!

14. O ihr dummen Kerle von himmlischen Weisen! Wer hat denn die Natur geschaffen, und wer mit allmächtiger Hand eherne Gesetze in sie gelegt?! Siehe, die echte, allein ewig wahre Gottheit! Wie kann aber ein Wurm sündigen, so er das thut, wozu ihn die Gesetze der Natur instinktmäßig antreiben?! Siehe, der ist bei mir weise, der die Gesetze in der großen Natur ihm zu Gunsten benützet, und darnach lebt; ein Esel und Ochse aber ist derjenige, der sich über die Gesetze der Natur hinaussetzend, nur nach einer übersinnlichen Wonne strebet, die sonst nirgends als in seinem dummsten Gehirne zu Hause ist! So ich aber solchen Gesetzen gemäß gelebet habe, sage, wo ist der Gott, der mich deßhalb richten könnte!?"

15. Spricht Robert, noch immer in einem sehr gemäßigten Tone sagend: „Höre Freund! du bist aufgeregt wegen der nöthigen Translozirung der 24 Tänzerinnen, die deine noch unreinen Sinne sehr in Anspruch nahmen; aber mäßige dich nun, und nehme an einen rechten Verstand, auf daß du einsehen magst, ob meine Sendung an dich her einen guten, schlechten oder eselhaft dummen Grund habe!?

16. Du pochest nun gar so mächtig auf die Gesetze der Natur, und willst mir begreiflich machen, daß man ein bornirter Esel sein müsse, so man sich dieselben nicht allzeitig zu einem wollustseligen Zwecke dienstbar zu machen verstehe, oder einer gewissen bigottdummen Schwärmerei wegen nicht zu machen getraue! Ich aber frage dich, und sage: Freund! wie raisonnirst denn du dann darüber, wenn sehr viele der steten Erfüllung der stummen Naturgesetze Beflissene nach kurzer Wollustseligkeit in allerlei körperlich und geistig unheilbares Elend versinken, aus dem sie so zu sagen kein Gott mehr herausziehen kann?! Siehe, z. B. ein der Naturgesetze sehr beflissener junger Mann auf der Welt ersieht eine seine Sinne über alle Maßen bezaubernde Dirne; wie ein Besessener rennt er ihr nach, und setzt alles daran, mit ihr die starke Anforderung der Naturgesetze ins Werk zu setzen. Es gelingt ihm, sich bei der Dirne Gehör zu verschaffen; aber (finis coronat opus) bald nach der an der Dirne vollbrachten Erfüllung des Naturgesetzes meldet sich ein anderes ganz verteufelt schlechtes, widriges und sehr grauslich elend schmerzliches Naturgesetz, nehmlich, das verteufelte Nach—Gesetz der Lustseuche, mit allen seinen unheilbaren Verordnungen! Ein Heer von fürchterlichsten Leiden und unaushaltbaren Schmerzen stürzen mit einer satanischen Wuth der Erfüllung des ersten Wollustgesetzes nach, und quälen den getreuen Erfüller des wollustseligen Naturgesetzes auf eine Weise, die wahrlich für einen ärgsten Teufel zu arg wäre! jahrelang muß nun ein solcher Mensch die zu bereitwillige Erfüllung des ersten seligen Gesetzes, durch ein nachfolgendes höchst unseliges büßen; seine ganze Natur wird verstümmelt, sein Geist nach und nach getödtet, und die eigene Seele verfinstert und zu einem Selbstpeiniger umstaltet!

17. Sage mir, wäre es für diesen Menschen nicht besser gewesen, physisch und geistig, so er dem ersten wollüstigen Gesetze nicht gar so treulich nachgekommen wäre? indem er dadurch ein zweites aus der Hölle über ihn herauf beschwor!? Das zweite ist ebenso wie das erste ein Naturgesetz; bist du für die Erfüllung des ersten gar so sehr eingenommen, warum darauf nicht auch für die Waltung des zweiten?!

18. Du sagtest: Wo ist der Gott, der mich für die Erfüllung der in die Natur gelegten Gesetze richten könnte? — ich aber frage und sage: Welcher Gott hat denn dann das zweite scheußliche Gesetz als eine Folge des ersten gesetzt, so dieses zu gewissenhaft eifrig befolget wird?! Bist du nicht aufgelegt, diesem Gotte ein Loblied zu singen?

19. O sieh', du Blinder! wohl hat Gott alle Gesetze in die Natur gelegt; aber dem freien Menschen gab Er Verstand und Vernunft, daß er die ersten Gesetze seines Fleisches nur sehr mäßig, und das nur im Zustande einer Ehe ordentlich erfüllen solle; für jeden Tritt über die moralische Grenze hinaus hat Er aber auch schreckliche Hinkboten gestellet, die solche Ueberschreitungen stets auf das Empfindlichste durch ein zweites Gegengesetz zu ahnden pflegen!?

20. Wenn wir das aber aus der Erfahrung wissen, wie auch, daß wir nur in der gesetzlichen Mittelstraße wahrhaft glücklich sein können, wie kannst du demnach jene Menschen Esel nennen, die nach der rechten Ordnung Gottes leben; die sich nicht auf die Extreme blind hinstürzen, sondern in Allem ganz bescheiden auf der Mittelstraße einherwandeln?!

21. Sage mir, was Gutes im eigentlichsten Sinne hast du wohl genossen durch dein ganzes irdisches und nun diesseitiges geistiges Leben?! Auf der Welt lebtest du im steten Zanke und Hader mit deinem rechtmäßigen Weibe; deine Huren säckelten dich oft bis auf den letzten Heller aus, so daß du oft lästige Schulden machen mußtest, von denen einige noch bis zur Stunde nicht bezahlt sind!? Ein paar Jahre vor deinem Austritte aus der Naturwelt in diese geistige hat dich noch eine falsche Italienerin dergestalt angesteckt, daß in wenigen Tagen darauf dir das Hören und Sehen zu vergehen hat angefangen. Fünf Aerzte voll guten Muthes, einmal einen reichen Kampel in ihre Obsorge bekommen zu haben, patzten, stachen und schnitten 2 Jahre an deinem durch und durch venerischen Leibe; sie halfen dir aber, wie dich deine Erfahrung lehrt, nicht nur nicht, sondern machten dich geflissentlich noch elender als du ohnehin warst; denn wenn's dich so recht juckte, da bewarfst du sie mit Golde, auf daß sie dir eine Linderung gäben! Ja sie hätten dich noch Jahre lang herumgezogen, wenn die Wiener Geschichte dir nicht den elendsten Lebensfaden abgeschnitten hätte! — Sage mir nun, wie warst denn du mit diesem zweiten Naturgesetze zufrieden, und welche Seligkeit genießest du nun hier?!"

98. Kapitel. Der Pathetikus muß der Wahrheit recht geben. Er fängt an, nach Jesus zu fragen. Selbsterkenntnis dämmert in ihm und zeigt ihm sein Verderben vor dem Lichte Gottes.

01. Der Pathetikus fängt an, sich sehr hinter den Ohren zu kratzen, macht ein verlegenstes Gesicht ums andere, und spricht dann eben auch mit einer sehr verlegenen Stimme: „Ja — hemm — ja — tausend Teufel auf einmal! — hehhhh — ja ja — das ist eigentlich eine verfluchte Geschichte, das ist eigentlich zum Teufelswerden; — ja ja ja ja! da liegt eben der Hund begraben; Nr. 1, wäre freilich nicht übel; aber Nr. 2! ganz gehorsamschder Diener! Da hast du freilich ganz verdammt verzweifelt und vollkommen recht; und mit der Seligkeit hier? — no, Gott steh' uns bei! da hat es seine ganz verzweifelt geweisten Wege! Hunger, Durst, Aerger von allen Seiten, Schande, vollkommene Aufdeckung aller auf der Welt begangenen Sünden, und das gerade im Angesichte Derer, vor denen man so manche saubere Schwachheiten für ewig verdeckt haben möchte! Und man kommt hier aber schon auch zu dem ominösen Behufs mit allem dem Gesindel zusammen, das einen gerade am meisten genirt! Das ist denn ja doch rein zum Teufelswerden! Ich bin sonst äußerlich doch auf der Welt stets ein geachteter Mann gewesen; denn von meinen geheimen Vergnügungen wußte — außer wenigen sehr vertrauten Personen — keine Seele etwas! Hier müssen aber gerade alle auf einen Haufen zusammen kommen? jene, bei denen ich in der größten Achtung stand, wie z. B. jener Max Olaf, jener Baron, meine Gottselige, u. d. m., und daneben aber auch jene männlichen und besonders weiblichen Individuen, mit denen ich leider so manchen lustigen Spaß hatte; mit diesen letzteren kann man sich denn ehrenhalber doch nicht im Angesichte seiner achtbaren Freunde abgeben! und gerade dieses gemeinste Gesindel wird hier so enorm efront, daß es Unsereines Schwachheiten gerade dort ausposaunet, wo man es wahrlich am allerwenigsten ausposaunet haben wollte! Worauf dann die Gesichter der mich stets in größter Achtung haltenden Freunde stets länger und länger werden, und dann mit ihren ellenlangen — Soooooo! — Soooooo! — sich über Unsereinen zu erstaunen anfangen! o, das ist dann für Unsereinen aber schon ein Vergnügen, das zu missen man recht gerne Berge anrufen möchte, daß sie über Unsereinen herfallen sollen! Es stünde Unsereinem freilich wohl die Thüre offen! aber man kann es denn doch nicht so ganz wagen, da man nicht wissen kann, was alles Unsereinem erst dann Draußen zustoßen könnte?! — ja, ja, das ist eine ganz verdammte Geschichte!

02. Da ich mich aber mit dir denn nun schon so in ein miserables Gespräch eingelassen habe, und du mit mir, so sage mir denn auch gefälligst, was es denn im Grunde mit jenem sein sollenden Heilande Jesus für ein Bewandtniß habe? was ist er für ein Wesen? Ist mit Ihm wohl so ein vernünftiges Wörtlein zu reden? und könnte Er Unsereinen ohne weitere Beschämungen so ein bischen auf ein etwas besseres Grasl setzen?! und nota bene, unter uns gesagt, steht er denn wohl irgend in einem besondern übermenschlichen Verbande mit der großen Gottheit?! Denn, weißt du, das kann ich denn doch nicht annehmen, daß Er etwa gar das, nein, nein, ich kann's eigentlich nicht aussprechen! ich meine, — du verstehst mich schon, was ich eigentlich meine! — Es hat wohl ehedem der Max Olaf etwas geschwärmt von einer Gottheitsfülle in eben diesem Jesus! aber, welcher vernünftige Geist kann das annehmen?! Sei so gut, lieber Freund, und gebe mir hierin einige besondere Winke!"

03. Spricht Robert: „Mein lieber Freund P.! Da kann ich dir vor der Hand nichts anderes sagen, als: Gehe hin und überzeuge dich selbst!"

04. Spricht Pathetikus: „Ja, ja, das wäre schon alles recht; aber bedenke du mein Ehrgefühl, und die ganze andere, mir gerade in dieser leidigen Situation, äußerst fatale Gesellschaft! besonders die nun freilich ganz verzweifelt schön gewordene Lerchenfelderin, und mein Weib, mein irdischer Bursche Franz, der M. O. und die verzweifelte allergröbste Mariandl, und so noch Einige! dann ditto von Adam abwärts bis zum Paulus die historisch merkwürdigste Geistergesellschaft! No, die würden Unsereinen doch sicher mit den sonderbarsten Augen ansehen! — mit Ihm zu reden würde ich mir gerade nichts daraus machen; — aber das andere Völkl! du verzweifelte Geschichte! no, das würde seiner Zunge einen so schönen freien Lauf lassen, daß Unsereiner darob vollends vor Schande und Aerger zerplatzen müßte!"

05. Spricht Robert: „Ja, lieber Freund! auf eine ganz radikale Demüthigung muß du dich schon in einem jeden Falle gefaßt machen! denn ohne diese dürfte es wohl mit dir ewig nimmer besser, sondern nur schlimmer von Weile zu Weile zu stehen kommen! Mache dir den Muth, und lasse aus dir machen, was sie Alle wollen; ja gebe du selbst alle deine Schwächen dem Herrn Jesus kund, und fasse Glauben an Ihn, und eine rechte Liebe zu Ihm, so dürfte es geschehen, daß Er dir so Manches Nachsehen möchte! Aber je mehr du selbst von deiner Ehrsamkeit halten wirst, desto ärger wirst du nur zu früh vor Allen, samt allen deinen dir gleich ehrsamen Freunden, auf das allerwaidlichste beschämt werden! denn so gut sonst der wirkliche (Gott und Herr) Jesus—Jehova—Zebaoth ist gegen die, welche sich eines reuigen Herzens Ihm nahen; eben so furchtbar unerbittlich strenge ist Er aber auch gegen Jene, die Seine Güte, Langmuth, Geduld und Liebe auf eine zu lange und schmähliche Probe setzen!

06. Noch ist Er gut, und wartet auf dich! Aber diese Seine Geduld dürfte von keiner langen Dauer mehr sein. Ist Seine Geduld aber über Jemanden zu Ende, dann kommt der alte biblische Mahn— und Lehrspruch in die Anwendung, wo es heißt: Erschrecklich ist es in die Hände des lebendigen Gottes zu gelangen!!! — Darum Freund! ich sage es dir ganz unverholen, für dich ist keine Zeit mehr zu verlieren! — denn Hurer und Ehebrecher werden in das Reich Gottes nicht eingehen! Groß ist Seine Güte, und übergroß Seine Gnade und Erbarmung; aber im Gerichte schonet Er kein Leben; da ist Er unerbittlich! Wen Seine Zuchtruthe trifft, den verwundet Er auf das Schrecklichste für ewig! Daher bedenke wohl, wie du nun vor Ihm, dem allein Allmächtigen stehest, und was du zu thun hast! Denn nach mir wird kein Bote mehr an dich abgesandt werden!"

07. Spricht Pathetikus: „No, no, gar so arg wird es ja etwa dennoch nicht sein, vorausgesetzt, daß man auch hier von irgend einer Humanität etwas kennt!? aber so hier dein Gott Jesus, Seine Apostel, und du samt ihnen noch unerbittlicher als die heidnischen Minos, Aeakus und Radamantus sein solltet, da freilich wäre es hier mit allem Spaße im Ernste vollends zu Ende, und man müßte sich dann am Ende dennoch allem dem fügen, was ihr wolltet!? — Eine freilich ganz verzweifelte Geschichte das! Aber, was kann ein Einzelner gegen eine allgemeine zusammengreifende Macht!? — Also, meinst du denn wohl im Ernste, daß ich hin zu Ihm, d. h. zu deinem sein sollenden Gott Jesus gehen solle?"

08. Spricht Robert: „Ganz gewiß! denn sonst bist du ohne alle weitere Hülfe und Rettung verloren!" —

09. Spricht der Path.: „O du verzweifelte Geschichte! no, no, no, no! — o verteufelt, verflucht! — das wird nun eine Hetze werden, gegen die ein römisches Fegefeuer einer armen Seele eine pure Lumperei ist! — Meine Emma! Auweh, meine Mariandl!! noch mehr Auweh; Max Olaf!!! Auweh, auweh, auweh; — Mein Franz!!! Auweh, auweh, auweh, auweh! — der Kerl ist nur gar zu sehr in alle meine irdischen Lumpereien eingeweiht! Dann die Eltern meiner Emma! — no, no, no, — die werden mir mit ihren Augen sicher die ausgezeichnetste Verehrung zollen, die ich aber im Grunde leider wohl auch verdiene; denn gegen die Emma habe ich schändlich gehandelt! Alles Geld war von ihr; ich ein armer Bauernsohn, war ihretwegen, und eigentlich durch sie nahe ganz allein ein reicher Kavalier geworden, und ich dankte ihr dafür mit der schmutzigsten Untreue, von der Welt; sie liebte mich zum Rasendwerden, und fütterte mich mit allem, was sie nur meinen Augen ansehen konnte, — und ich liebte dafür aus lauter Dankbarkeit — gegen mein reines bestes Weib — die gemeinsten Huren, und vergeudete Tausende mit ihnen auf die wahrlich schmählichste Weise!

10. Nein, nein, Freund! ich kann denn doch nicht hin! denn nun fange ich erst einzusehen an, daß ich im vollsten Ernste ein überaus grobes und eigentlich dummgrauslichs Luder von einem Sünder bin! Nun ist alles eins schon, Jesus hin oder her, Gott oder nicht Gott; aber ich bin wirklich ein grauslichs Mistvieh vor allen Menschen; und es wäre wirklich ein Aberwitz, so ich als ein Schweinhund mich zu jener herrlichsten Gesellschaft hinwagen solle! Ich begreife es wohl zwar noch selbst nicht, wie es nur so kommen mag, daß ich nun auf einmal mein vollstes grauslichs Unrecht sonnenklar einzusehen anfange!? — Aber, es ist richtig so, wie ich es nun einsehe!

11. O du meine arme Emma, was warst du mir? selbst in deinem gerechten Zorne noch ein reiner Engel! und was war ich dir?! — ein schmutzigster Sauteufel, ohne Liebe, ohne Dankbarkeit, ohne alle Achtung sogar! — Nein, nein, Freund! Jemehr ich nun darüber nachdenke, desto klarer stellt es sich heraus, daß ich bis zu diesem Augenblick ein allergemeinster sauteuflischer Lump war, und eigentlich noch bin! und kann mich jener Gesellschaft unmöglich nahen! nun zwar wohl nicht mehr des Ehrgefühls halber, aber desto mehr der schreiendsten Gerechtigkeit wegen. Nein, so ein liebes Weib hatte ich, und konnte an den gemeinsten Huren mein Vergnügen finden!? O du, von aller Gottheit verfluchtes Saufleisch du! — nun eine Speise der stinkendsten Würmer, — um dich in deinen Bocksgelüsten zu befriedigen, konnte ich einen Engel fliehen, und allen Sauteufeln nachrennen!? Nein, diese Erkenntniß muß mich nun nothwendig umbringen!

12. O Menschen, Menschen! die ihr meines Gelichters seid! lasset ab von eurer großen bösen Sauteufelei! ihr werdet bald mir gleich vor euren Richtern stehen; diese werden euch euer eigenes Herz öffnen, und dieses wird euch verdammen; kein Gott wird euch richten, sondern euer eignes Herz wird euch richten und verdammen, und das mit Recht; denn ihr selbst habt durch eure Sauteufeleien euch dazu qualifizirt! lasset daher nach in eurer großen Verblendung, sonst seid ihr verloren durch euch selbst! — Bruder, gehe von mir, denn ich bin ein zu grober Sünder! Heiße mich in die Schweine fahren!"

99. Kapitel. Robert ermutigt den Pathetikus: Eile zu Jesus! — Der furchtsame Sünder zagt. Seine alten Freunde bedrohen ihn. Pathetikus—Dismas fasst endlich Mut und folgt dem Gottesboten.

01. Spricht Robert voll Freuden: „Nun, nun, Bruder Dismas! das freut, das freut mich wahrlich recht sehr, daß du nun endlich auch einmal helle wirst, und dadurch den ersten Schritt zur Erreichung des wahren vollkommensten Lebens des Geistes im Herrn gethan hast; aber nun mußt du dennoch hier nicht stehen bleiben, und dein dich richtendes Herz behorchen, in wie weit es dich verdamme oder nicht, sondern nun mache dich behende auf, und eile hin zum HErrn!

02. Denn glaube es mir, daß auch ich keines leichten Kaufes Ihn als den alleinigen Gott und Herrn der Unendlichkeit anerkannt und angenommen habe; es kostete Ihn und mich eine große Geduld, bis ich aus meinem finstersten Hegelthum und Straußianismus herausgehoben werden konnte, desgleichen auch aus meiner Herrschsucht und Unzucht; aber als ich einmal, natürlich nur durch Seine helfende Gnade, in ein wahres Licht versetzt wurde, da sah ich aber dann auch mit Sonnenaugen mein schreiendstes Unrecht ein, und erkannte in dem Heilande Jesus den alleinigen Gott Himmels und aller Welten! — Und so thue du nun desgleichen!

03. Du hast nun leicht wandeln, da du an mir einen wohl durchgebildeten Vorwandler hast; mir ging es wohl bei weitem schwerer; denn ich hatte Niemanden, der mir in meiner Nacht ein rechtes Zeugniß gegeben hätte über Jesum den Gekreuzigten; ich mußte allein Seinen Worten trauen, und aus deren Weisheit entnehmen, daß Er wirklich das einzig und allein wahre Gottwesen ist! Zudem war ich nicht weniger als du, auch sogar noch hier im Reiche der Geister, von der Begierlichkeit des Fleisches geplagt; aber da ich von der Tiefe der Wahrheit und Weisheit des Gotteswortes Christi überführet war, so that ich denn hernach meinen Sinnen auch eine größere Gewalt an, und ward mit der Hülfe des Herrn dadurch auch bald und leicht Sieger über meine fleischlichen Schwächen, die in meiner Seele von der Sinnenwelt in der Erinnerung mit herüber genommen wurden.

04. Mein eignes Herz war auch mein Richter, und hatte in seinem Unflathe weder eine Ruhe, noch weniger eine rechte Hoffnung, außer die mir sicherst dünkende Anwartschaft auf den ewigen Tod; aber da half mir der Herr aus meiner größten mich für ewig tödten wollenden Noth; mein Herz ward darauf durch meine mächtige Liebe zu Ihm gereinigt, und bekam Raum zur Aufnahme Seiner Gnade; ich aber ward dadurch seliger und seliger! — Das Alles aber wird auch an dir vorgenommen werden, und so du diese Prüfungen ohne Zweifel auch mir gleich gut bestehen wirst, so wirst du dich aber auch bald in meinem seligsten Zustande befinden. Mache dich aber nun auf, und eile mit mir hin zu Dem, Der allein Allen helfen kann!"

05. Spricht der Path. Dismas: „Wäre alles recht, wenn ich dazu den Muth hätte! aber der Muth, der Muth! woher werde ich den hernehmen?! Siehe, ich fange nun wohl zu glauben an, daß jener Jesus das allerhöchste allmächtigste Gottwesen ist; aber mit dem Wachsthume dieses schönen Glaubens wächst auch die Furcht vor Ihm, dem allein Heiligsten! wer wird mich von der großen Furcht befreien?!"

06. Spricht Robert: „Freund! danke dem Herrn für diese Furcht; denn in dieser Furcht hat der Herr Seine Hand an dein Herz gelegt, und hat kräftig angefangen, dein sehr zerstreutes Geistesleben zu sammeln; diese heilige Thätigkeit des Herrn in deinem Herzen dränget deinen Geist, daß er wach werde, und bewirkt in deiner Seele das leidige Gefühl der Furcht! Aber du ermanne dich selbst, und folge mir, da wirst du bald deiner guten Furcht ledig werden! Der Herr Selbst, Der dir diese heilige Furcht giebt, wird sie dir nehmen; daher noch einmal gesagt: Mache dich auf, und folge mir hin zum Herrn!"

07. Spricht der Path. Dismas: „Nun denn, auf dein Wort, Freund Robert, will ich es wagen! Nun solle mir nach wohlverdientem Maße geschehen, was da wolle, so werde ich es ertragen! Denn hatte ich schon keine Ehre in mir, so ich als ein Ehemann mit feilen Dirnen gäulte, warum solle ich nun vor den Augen, ja vor den sichtbaren Augen des allsehenden Gottes eine Ehre haben wollen, deren ich ewig nie als würdig angesehen werden kann! Nur Schande und große Beschämung nun über mich! das sei nun meine Lebensloosung; denn so ich auf der Erde den Gottes—Geist in mir nicht achtete, der mir das Leben gab und erhielt, wie solle ich nun eine Ehre verlangen können von Ihm, Den ich so oft zu Schanden gestellt habe!? — Daher nun nur Schande der Schande über mich!

08. Gott gab mir aus Sich Selbst ein Leben Seines heiligen Geistes, und ich wollte die hohe Heiligkeit dieses Lebens nicht erkennen, und verherrlichen durch eine gerechte Ordnung und Zucht, sondern floh allzeit das rechte Erkenntniß, und verkehrte so das Heilige in Thierisches und Unheiliges, durch die Brechung der wahren Gottesordnung, und hundemäßige Unzucht! Nun stehe ich hier auf wohlverdientem Schandepranger vor Gott und Seinen Heiligen, als ein Unheiligster! Daher noch einmal laut gerufen: Nur Schande mir, wohlverdiente Schande der Schande!"

09. Auf diese laut gesprochenen Worte des Path. Dismas treten seine pathetischen Freunde zu ihm, und sagen: „Aber Freund Dismas! was ist dir, was hast du vor, warum rufst du Schande über dich?! Sind wir denn nicht Alle, wie du, beschaffen?! So du aber Schande über dich rufest, da rufest du sie ja auch über uns, und das kann uns wahrlich nicht einerlei sein! so du uns nicht exemtirest, so solle es dir wahrlich nicht am besten ergehen!"

10. Spricht der Dismas: „Was, was, was wollt ihr echte Schlaraffen von mir?! wollt ihr etwa auch eine Ehre für euer echtes Schlaraffenleben?! O, schreiet nicht zu früh darnach; sie wird euch nicht ausbleiben! Was thatet ihr denn samt mir aus der Welt, das da einer Ehre werth wäre, hier vor Gott und Seinen Heiligen?! Meinet ihr denn, daß auch hier die äußere Silber— und Goldlarve einen Geist, wie etwa auf der Materiewelt, vor öffentlicher Beschämung schützt!? O da irret ihr euch sehr! Der giftige Gold— und Silberdunst, durch den die Menschen auf der Welt ihre Schande bedecken, nützet hier nichts mehr; denn hier kommt nur die nackte Wahrheit an das Licht des ewigen Gottestages, welche zu verbergen es hier für eine längere Dauer kein schnödes Dunstmittel mehr giebt! daher thue ein Jeder von euch nur selbst das, was ich nun thue, so wird er dadurch doch wenigstens diese Ehre seinem Lebensgeiste retten, die er als ein Geist der Gotteswahrheit von seiner Seele mit allem göttlichen Rechte fordern kann! Thun wir aber das nicht, so haben wir in der Bälde die volle Wegnahme des göttlichen Lebensgeistes aus unserer schnödesten Wesenheit zu erwarten, und mit ihr den, sage wohlverdienten ewigen Tod! — Daher Schande über Schande über unsere Seelen, damit dem lebendigen Gottesgeiste in uns die Ehre der ewigen Wahrheit und Ordnung gerettet werde!"

11. Auf diese Worte ziehen sich die Freunde murrend zurück, und kratzen sich stark hinter den Ohren; Robert aber spricht zum P. Dismas: „Nun, nun! Bruder, lieber Bruder! bei dir geht es nun ja mit Riesenschritten vorwärts! Wahrlich, ich sage es dir, so schnell ist es bei mir nicht gegangen! Nun, nun, nun! das freuet mich wahrhaft über die Maßen von dir! Du wirst, wie ich's nun sehe, wahrlich keinen zu schweren Stand vor des Herrn Angesichte haben. Komme nun, komme! wahrlich, ich freue mich auf deine Worte vor dem Herrn!"

100. Kapitel. Dismas bekennt vor Gott seine große Schuld, bittet aber nicht um Gnade, sondern um gerechte Strafe. Fogen dieser verkehrten Bitte.

01. Auf diese Worte des Robert Blum setzt sich der Dismas sogleich in die Bewegung, und gehet mit dem Robert Blum zu Mir, dem Herrn des Lebens, hin, und fällt dort am Tische auf sein Angesicht vor Mir nieder, und spricht laut: „O Herr! ewig unwürdig Dein heilig Antlitz anzuschauen, liege ich im Staube meiner vollsten und schändlichsten Nichtigkeit vor Dir, als ein elender stinkender Wurm, voll Eiter und Hurerei, und des schändlichsten Ehebruches! Und bitte von Dir, mir die vollste Strafe für alle meine irdischen Schandthaten nach Deiner Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Dein Wille geschehe!"

02. Rede Ich: „Dismas! Wer bist du, und um was bittest du? — ist es dir recht, so Ich dir's gebe nach den Worten deiner Bitte? wohl wehe dir dann, so Ich es dir gebe; willst du denn noch unvollkommener werden, als du bist?! so gehe zum Obersten aller Teufel; der richtet mit der Strafe des Feuers! — Ich aber richte und strafe Niemanden, somit auch dich nicht! willst du aber leben, darum du zu Mir kommst, da bitte ums Leben, aber nicht um den Tod! Glaubst du denn, Ich habe ein Wohlgefallen am Tode Meiner Kinder? O du Thor! Bin Ich denn ein Gott des Todes, oder ein Gott des Lebens? Siehe, alle Ewigkeiten, und die Unendlichkeit Meiner Himmel geben Mir das ewige Zeugniß, daß Ich ein Gott des Lebens, und kein Gott des Todes bin, und du möchtest Mich zum Todesgotte machen?!

03. Sage Mir denn, wer du seist, damit Ich sehe, welche Verkehrtheit in dir wohnet? Waren deine Handlungen auf der Erde denn nicht schlecht und schnöde zur Genüge? Daß du nun auch noch hier vor Meinem Angesichte sündigen willst! Ich aber sehe es wohl, wer du bist, und was du willst; darum sei dir eine schwere Antwort wohl erlassen! Erhebe dich nun aber, und ändere deinen Sinn! denn mit dieser Bitte wirst du bei Mir ewig nie weiter kommen, und schon gar nie auf eine solche Meine Geduld und Erbarmung auf die Versuchung stellende Bitte! — Siehe, du batest nun wie ein japanischer Sklave, Mich um eine gerechte Strafe, und dein Herz will eine vollkommene Gnade! Sage, solle Ich denn nun deiner Wort—Bitte, oder dem Wunsche deines Herzens nachgeben?"

04. Spricht Dismas: „O Herr Jesus, du einiger Gott! Habe Geduld mit mir armen Sauteufelsgeiste! — Ich weiß es ja, daß ich ein gröbster Sünder bin, und nicht vermögend bin, auch nur ein weises Wort vor dir zu stammeln; urtheile du aber dennoch nicht nach meinen elenden Worten, sondern nach meinem sehr kranken Herzen, und heile es nach Deiner freiesten Gnade, und meine Zunge solle ewig nimmer erlahmen unter deinem Lobe! — Herr! so Du mich nun verstoßest, wer solle mich dann annehmen und aufrichten!?"

05. Sage Ich: „Hast du doch Freunde in die Menge; sollen denn diese dir nicht zu helfen im Stande sein?! — Gleich und Gleich gesellet sich sonst ja noch immer gerne, und entschuldigt sich gegenseitig, und haltet sich schadlos! warum solle das bei dir denn nicht der Fall sein können? Bedenke! über 60 Jahre lebtest du auf der Erde ohne Meine Hülfe, blos nur mit deinen Freunden, die dich mit allerlei Rath versahen; und du wardst nicht unselig — außer beim Anblicke deines Weibes, so es dich manchmal in einer süßen Stunde zufällig überraschte! So dir Jemand von Mir etwas sagte, und zeigte, wie Mir dein Leben mißfallen müsse, so lachtest du ihn waidlich aus; der dich aber lobte, den küßtest du als einen Freund! Nun liegst du vor Mir, und willst Tod und Leben von Mir; was solle Ich dir geben? Den Tod kann ich dir nicht geben, und das Leben willst du nicht vollends, indem dein Wort nicht eins ist mit deinem Herzen, und alle deine irdischen Handlungen nichts in sich tragen, das da gliche einem Samenkorne des Lebens! Nun prüfe dich danach, und sage, was du willst?!"

06. Spricht der Dismas: „Herr! wo ist der Gerechte, daß er mit Dir einen Streit bestehen könnte; denn wo Du Tausend sagen wirst, da wird er nicht Eins zu sagen im Stande sein, da Deine Weisheit zu groß, und Deine Macht zu unendlich ist! um so weniger kann ich mit Dir streiten und rechten, der ich voll Sünden bin vor Dir — wie vor den Menschen; wohl weiß ich, daß man mit Dir zwar auch als ein Sünder reden kann, und daß Du dem reuigen Sünder auch barmherzig sein kannst, so Du es sein willst! Aber dagegen scheint mir auch das richtig zu sein, daß Du, vor dem die Engel nicht makellos sind, auch das bestgemeinte Wort aus dem Munde eines Dich anredenden Sünders deuten kannst, wie Du es willst, und kannst ihm die Sünden vergeben zum ewigen Leben, oder vorenthalten zum ewigen Tode, und das alles nach der strengsten Gerechtigkeit.

07. Denn die Gerechtigkeit ist eine Ordnung der Macht! Wer im Besitze der vollsten Macht ist, der ist auch im Besitze des vollsten Rechtes, das ihm Niemand je streitig machen kann; ist der Machthaber auch weise, so ist er desto unbesiegbarer, und seine gestellte Ordnung desto unwandelbarer, indem er durch seine Weisheit seiner Macht auch eine desto größere Consistenz bereiten kann. Und so steht bei einem und demselben Wesen Macht und Gerechtigkeit stets in einer und derselben Rubrik. Wenn aber Macht und Gerechtigkeit gleichbedeutend sind, wo solle dann ein ohnmächtiger Sünder sich je von irgend einem ihm zustehenden Rechte etwas träumen lassen?! Was die Macht thut, das ist gerecht; was aber die Ohnmacht thut wider die Macht, das ist ungerecht; denn wäre der Ohnmacht That in sich nach allen Vernunftprinzipien auch recht, was nützete aber das? Die Macht wird es dennoch als ungerecht und strafbar erkennen und erklären, weil des Ohnmächtigen Handlung des Gewaltigen Ordnungsprinzipien zuwider war.

08. Und eben in solchen Verhältnissen befinde ich mich nun vor Dir, o Herr; Du die Allmacht selbst, und ich die höchste Ohnmacht selbst! Ich könnte nun sagen, was ich wollte, so stünde es dann aber dennoch bei Dir, zu thun, was Du wolltest, indem Du der allein Mächtige bist. Ich will und kann daher denn aus den wohlweisesten und vernünftigsten Gründen nichts anderes sagen, als: Herr! Dein Wille geschehe! Ich könnte nun tausenderlei wünschen, so wird aus allen den tausend Wünschen dennoch nur das geschehen, was Du o Herr willst. Ich will daher denn aber auch gar nichts mehr wünschen, sondern mich vollends Deinem allmächtigen Willen unterwerfen, mag dieser über mich Gutes oder Bitteres verfügen! Wird er mich ums kennen glücklicher machen wollen, so wird es gut sein; wird er mich aber zur Hölle verdammen, so werde ich auch zur Hölle müssen! Denn die entschiedenste Ohnmacht kann sich der Allmacht ewig nie widersetzen können! Thue Du, o Herr, mit mir denn nun, was Du willst, mir wird alles recht und gerecht sein müssen! Ich glaube dadurch mit der ersten Anrede meine Ohnmacht gegen Deine allmächtige und somit auch weisest gerechte Anforderung zur Genüge dargethan zu haben, und Du, o Herr, wirst mir thun nach Deinem Vermögen!"

09. Rede Ich: „Nun gut; weil du in die Macht allein alle Gerechtigkeit setzest, so will Meine Macht nun, daß du dich dort gegen Mitternacht hin in dieses Saales Winkel für ewig begiebst; dort sollst du dann von einer kleinen Stechfliege unaufhörlich geplaget werden! Meine Macht will es, und so verfüge dich dahin!"

10. Spricht Dismas stark erschreckt und verlegen: „O Herr! obschon ich mich Deiner Macht fügen muß, so bitte ich Dich aber dennoch allerinständigst, daß Du mir wenigstens die mich verzweifelnd machende Stechfliege erlassen möchtest! denn das wäre ja doch etwas verzweifelt Schreckliches, von solch einem Insekte ewig auf einem Flecke gemartert zu werden!"

11. Rede Ich: „Das weiß Ich; aber Mich rechtfertigt Meine Macht ja; warum willst du denn nun dich nicht allsogleich fügen Meinem allmächtigen Willen?"

12. „O Herr! Du bist allmächtig; aber du bist auch unendlich gut; und so wende Ich mich denn an Deine Güte, und flehe zu Dir um Gnade! — Verschone mich mit der Stechfliege!"

13. Rede Ich: „Du apellirst nun an meine Güte und Gnade, weil dir das Wasser des Todes schon den Mund zu umspielen beginnt; aber Ich frage dich, wie du nun das thun kannst, da du doch früher alles in Meine Allmacht legtest, und mit deinem höchst eigenen Munde sprachst: Herr! Dein Wille geschehe. Dir aber erscheint nun Mein Wille nicht eben sehr angenehm, und so möchtest du in deinem Herzen nun, daß Mein Wille nicht geschehen möchte! Wie aber solle Ich das machen?! Mit dem Munde sprichst du stets was anderes, als was du im Herzen willst; meinst du denn, daß Ich ein Wesen bin, mit dem man förmlich Komödie spielen kann!? o da bist du in einer sehr großen Irre!

14. Siehe, Ich verfahre nicht, wie dumme Eltern, mit Meinen Kindern; dumme Eltern wollen ihre Kinder oft mit einem Scheinernst schrecken; aber die Kinder merken das bald, und lachen sich ins Fäustchen, so ihre Eltern über sie ein falsches Donnerwetter verhängen, werden darauf stützig, und achten wenig der Worte der Eltern! aber so ist es bei Mir durchaus nicht gang und gebe; bei Mir ist überall der festeste unbeugsamste Ernst, und das Leben einer Milbe muß in derselben ernstesten Ordnung, wie das eines Engels erhalten und geleitet werden. Ich bin wie ein Stein von größter Härte und Schwere; der sich an diesem stoßt, der wird zerschellen; auf wen aber dieser Stein fällt, den wird er zermalmen!

15. Ich sage dir, so lange dein Wort nicht aus deinem Herzen kommen wird, wirst du mit mir einen harten Stand haben; denn zwei Stimmen in einem Menschen kann ich nicht hören; wann aber dein Herz eins wird mit deinem Munde, dann will ich das Wort hören, und alle Rücksicht darauf nehmen. Was dir an Mir aber heilig erscheint, dem mußt du auch gehorchen! Die Macht Meines Gottwillens ist dir das Heiligste, wie du es selbst dargethan hast; also mußt du dich auch demselben aber auch fügen, willst du dich nicht als ein Meuterer gegen Meine allmächtige Gerechtigkeit aufwerfen!

16. Aber das sollst du auch wissen, daß nicht nur Ich als Gott einen freien Willen habe, und darum thun kann, was Ich will; sondern auch ein jeglicher von Mir geschaffene Geist hat den gleichen freien Willen, und kann thun, was er will. — Ich werde dich daher auch nicht mit Meiner Allmacht nöthigen, das zu thun, was Ich dir ehedem als ein scharfer Richter geboten habe; du kannst dich auch widersetzen, und thun was du willst; aber welche andere Frucht dann dir daraus erwachsen wird, das wird dir die Folge zeigen! daher thue nun, was du willst."

101. Kapitel. Törichter Trotz des verblendeten Dismas — zum Entsetzten seiner wahren, wohlgesinnten Freunde. Ihre scharfen Urteile.

01. Hier wendet sich der Dismas an den Robert Blum und sagt: „Lieber schätzbarster Freund! wie ich es mir gedacht habe, also ist es auch; mit diesem Jesus ist nichts zu reden und nichts zu machen! Je mehr man sich vor Ihm beugt und demüthigt, desto schroffer und unzugänglicher wird Er auch! Die Folge davon ist, daß man sich von Ihm entfernen muß, und nach aller Möglichkeit zu trachten anfangen, dieses elenden Lebens, um das man nie einen Gott gebeten hat, los zu werden! Denn bei solcher Seckatur pfeife ich auf ein solch verfluchtes Leben, das blos zum Vergnügen einer göttlichen Schmeiß— oder Stechfliege da sein solle! Wohl sehe ich es nun ein, daß meine Ohnmacht gegen die göttliche Allmacht ewig nichts wird auszurichten vermögen; aber danken werde ich der göttlichen Tirannei wohl auch ewig nimmer für ein solches Sauteufelsleben!

02. Bin ich dem Herrn doch so devot als nur immer möglich gekommen, und glaubte, daß Er mich doch insoweit glimpflich aufnehmen werde, wie diese Lerchenfelderin!? Aber welch ein Unterschied ist da zwischen ihr und mir! Sie wird behandelt wie ein Engel, und ich wie ein Verdammter! Und doch war sie so gut eine Hure, wie ich ein Hurenlump. Wer bei solcher Handlung nicht in der Gottheit eine allerlaunenhafteste Willkür ersieht, der muß seine Augen im Steiße und nicht im Kopfe haben! Auf der verfluchten Erde ist man ein Sklave seines Fleisches, und hier ein allerelendstes Scheusal! — und für so ein sauberes Leben solle man etwa gar noch Gott danken?! wann, wann, in allen Teufelsnamen habe ich denn je Gott gebeten, mir ein Leben zu geben, wo sind denn die ewigen Kontraktsbedingungen, unter denen mich die Gottheit zu einem selbständigen Wesen gestaltete?!

03. Die Gottheit hat mich geschaffen, wie ich bin, und hat mir erst nachträglich Gesetze gegeben, die ich bewußter Maßen nicht halten konnte, weil meine ganze Natur dazu gar nicht eingerichtet war! und nun solle ich dafür ewig zur Unterhaltung des göttlichen Muthwillens geplaget werden, weil ich zufolge meiner von Gott eingerichteten Natur nicht so handeln könnte, wie es dem Gesetze Seiner Laune angenehm wäre!? — Kurz und gut, nun ist mir Gott und Teufel ein Ding, das Mächtige spielt mit der Ohnmacht wie die Katze mit der Maus. Wenn es der Katze beliebt, so läßt sie die Maus laufen, und beliebt es ihr nicht, so wird die arme Maus gefressen! Und gerade so handelt die Gottheit mit den Menschen! ein schönes Loos — ein Mensch zu sein!? — Aber nun ist mir schon alles ein Teufel! wo ist derselbe Sauwinkel, da ich ewig von einer Stechfliege solle gepeiniget werden?! Ich werde mich sogleich dahin begeben, und der allergerechteste — Herr Jesus kann dann ein oder 1000 Moskitos über mich senden! Meine Dankbarkeit dafür solle unbegrenzt sein — oder was? Die Gerechtigkeit der Weltfürsten ist bekannt! denn da ist Einer wie der Andere ein Cicero pro domo suo. Aber die Gerechtigkeit Gottes sucht in der tirannischesten Willkür ihres Gleichen. Aber so lange ich noch eines freien Gedankens fähig bin, will ich ihr einen Rezensenten machen, daß ihr die Augen übergehen sollen; und je mehr sie mich plagen wird, desto ärger werde ich schreien wider sie! Und nun in den verfluchten Dreckwinkel hin mit mir, damit ich desto eher aus allen Kräften zu fluchen die schönste Gelegenheit bekomme!"

04. Spricht Robert: „Freund! bei solcher deiner Sprache kann ich mit dir nicht weiter reden; der HErr, gegen Den du zu Felde ziehest, wird dir die Antwort geben! — wir Geister Seiner Gnade haben das Recht der Liebe, die verirrten Seelen durch die Liebe und göttliche Weisheit für das wahre ewige Leben zu gewinnen, und sie zu führen vor des Herrn Angesicht, dessen reinstes Licht sie dann durchleuchtet und wahrhaftigst erwecket zum ewigen freiesten Leben aus und in Ihm. Aber so irgend eine von uns schwächern Geistern gewonnene Seele ein barster Teufel ist, da haben wir kein Recht und Befugniß mehr, uns weiter mit ihr einzulassen; erwarte daher von mir nichts mehr, sondern der Herr wird dir's geben nach deinem Verdienste!"

05. Hier wendet sich der Robert vom Dismas, und gehet zu seinen Freunden hin, die voll Aergers sich über die Frechheit des Dismas nicht genug verwundern können! — Die Verwandten schlagen ein Kreuz ums andere, und sind voll Entsetzens über die Verstocktheit ihres so nahen Anverwandten. Die anwesenden Apostel werden voll bittern Ernstes, und die Väter der Erde erschauern vor diesem Sohne des Gräuels, wie sie es sich gegenseitig laut bekennen! Die Helena brennt vor Grimm gegen dieses Scheusal, wie sie ihn benennt!

06. Der biedere M. Olaf schlägt, mit Thränen in den Augen, die Hände überm Haupte zusammen, und sagt: „O Gott, o Gott! ist es denn wohl möglich, daß aus einem Menschen, der in der Schrift bestens bewandert war, durch die pure Fleischlust so ein aller—efrontester Teufel werden kann?! Um Gottes willen, was ist das!? wer könnte das je glauben?! Nein, nein! Gott zu kennen, Gott vor sich zu haben, seine eigene Nichtigkeit einsehen, und — solch eine Sprache zu führen!!! — O Jesus, o Du mein heiligster, liebevollster, allerwahrhaftigster bester Vater! Mir zerspringt das Herz vor Gram, darum daß Du, o heiligster, ewiger Vater von einem elendsten Wurme des Staubes gar so allerschändlichst verkannt, und allertiefst beleidigt wirst, hier vor uns, Deinen begnadigten Kindern! O Herr, Vater Jesus! räche Dich doch an diesem Elenden! denn er tritt Deine sichtbare Gnade, die Du ihm ertheilen willst, mit den echtest satanischen Füßen, und getrauet sich hier Dir ins Angesicht zu trotzen!"

07. Die gewisse Mariandl schlägt 7 Kreuze über ihre Stirne, Mund und Brust, und spricht dann im noch Wienerschen Dialekte zu dem oben bekannten Franz, dessen Augen auch größer und größer werden: „No, host iena ghört! o der höllischi Sausackre der! waon i hiazt af die Erd zruck denke thua, und mi so erinnern thua, daß de höllische Sausackre mei Liebhobr woar, und wos er mit mi alles tribe had, do möcht i aber schun vor Zorn grod aus der Haut faahrn! Na, hod aber so was a Mohl a menschlichi Seel gsehn und ghört! I bin a a große Sündrin, und waß es a recht guad, daß ich nix als d' Höll verdient han; aber i mieg hiazt grod zerfließa vor Lieb zum Herrn Herrgott Jesus, weil Er holt goar so entsetzlich guad is; und i war auf d'r Welt a nit gar a so große Sündrin wurn, waon i nuar a Bißel a beßri Erziehung ghobt hiet! Aber der höllische Sausackre hod die besti Erziehung ghobt, und immer d' heilge Schrift g'lesen, und aondri geistliche Bücher a no dazua, so daß seini Freund gemant hon, er mießt von Mund ans schnurgrod ins Himmelreich auffohrn! Aber hiatzt zagt sich, was für ein höllischer Sausacker von an Schriftglehrte er woar! fur der Welt hod er wuhl für an ehrlichen Mensche gelte wuhln, aber unser liebesti Herrgott woar ihma a Pomadi, und drum hod er furn Leite a so thaon, als waon er schun 's gaonzi Himmelreich mit a große Löfl gfreße hiate, ober Samsti, waon er sani lustge Zeit hod ghobt, do hod er's Himmelreich schön saubr an guadn Monn sein loße, und waon ma Jehna draon erinnert hod, so woar er glei Fuchsteufels toll, und sagte: Sei still, dumme Gans! was versteast du von dem Reich Gottes!? Sechs Tag ghöre Gott, und einer der Natur! Do hobmer hiazt seine wohre Natur! O du höllischer Sausackre du! Na woart, na woart! In der Höll' werdes di schon sage, was du werth bist! Na, mit unsern liebasten Herrgott so z'reden!? dos hod die Welt no nit gseahn!"

08. Spricht der Franz: „Jo wuhl, jo wuhl, i moan, dös brächt der allerirgest Teifl net zwege! No, waon dös Luadr nöt in die Höll kummt,so wird noch der irgeste Teifl selig! Du waßt, i bin sist a guater Kerl, und winsch kan Hund wos Schleachts; aber dös Vieh kunt i in dr Höll siede und brode seahn, und mi kummet ka Erbarmnus über'n ahn! No, ober i moan, den wird unser liabe Herrgott schun sogn, wie viel hiatzt für iehma gschlohn hod!?"

09. Spricht darauf noch ein andrer Freund des Franz: „Du Fraonz, wie wars denn epr, waon mi badi den Limmel unsern liabe Herrgott z'liab pockete, und frisch von der Leber weg hinaus werfetn, und drauße, woaßt du, so reacht ausn Solz odrischanetn, doß er so auf a holbi Ewigkeit gnua hiat?!"

10. Spricht der Franz: „Waon unsr liebesti Herrgott nix dagegn hiat, do loß i mi so wos net zwa mol sogn! Denn a Gift hob i af dös Luadr schun so, doß i iehn in klane Stickl' zreiße kunnt! Aber sei du hiazt nur ruhbig; wias miar fur kummt, so is der liabi Herrgott a schun gricht, dös Luadr von aner Spitzbubnseel just in d'Höll zhoaßa; sei d'her nuar stadig derwal!"

102. Kapitel. Dismas wird durch das allgemeine Urteil stutzig. Er wendet sich aufrichtig an Jesus um Gnade und Barmherzigkeit, die er dort auch findet. Desgleichen bittet er bei seinen Gläubigern. Bekehrte werden zu Bekehrern.

01. Dismas, der nun solche Urtheile über sich vernimmt, und aus allen Gesichtern nur zu klar entnehmen kann, daß sie ihm durchaus nicht gewogen sind, richtet sich nun auf, und richtet an Mich folgende Worte: „Herr! ich glaube und sehe nun, daß Du der alleinige wahrhaftige Gott und Schöpfer aller Dinge bist; Du allein bist endlos vollkommen in Allem, und Niemand ist Dir gleich! Alles Erkennen, alles Wollen, und alle Thaten in allen Deinen Geschöpfen sind vom Ursprunge an Dein Werk, und somit in sich selbst gut; denn ein ewig vollkommenster Gott kann ja doch unmöglich etwas Unvollkommenes und somit Schlechtes erschaffen haben; Dir allein gegenüber kann es daher auch keine Sünder und Sünden geben! Aber da Du den Menschen also nach Deiner unendlichen Weisheit eingerichtet hast, daß das Wollen, welches Du ihm ursprünglich eingehauchet hast, für die ewige Folge ein von Dir ganz getrenntes, selbständiges, und nach den ihm innewohnenden mannigfaltigsten Erkenntnissen sich selbst bestimmendes Freies werden solle, aber ganz natürlich nur in der Ordnung, die von Dir allerweisest zur Erhaltung des unendlichen Ganzen bestimmet und festgesetzet ist; so kann dann freilich ein Mensch, der mit so zahllos mannigfaltigen Kenntnissen, Fähigkeiten und Inklinationen ausgestattet ist, in der vollsten Trennung von Dir, und in seiner ungebundensten Selbstbestimmungsperiode auf der materiellen Welt wohl nur zu leicht trotz Deines geoffenbarten heiligen Willens so manche Handlungen begehen, die Deiner göttlichen heiligen Ordnung im engern Sinne schnurgerade entgegen laufen müssen, und somit auch zur Sünde werden, obschon alle derlei enge Abirrungen in der großen Allumfassung Deiner Ordnung als vollste Nichtigkeiten angesehen werden können.

02. Aber Du, o Herr und Schöpfer aller Menschen, siehst auch sicher den Grund ein, wie so mancher Mensch nur zu leicht und oft gerade das thut, was er nicht thun solle, und so ganz eigentlich auch im Grunde nicht thun wollte; aber ein sonderbarer Trieb ihn dazu wie bei den Haaren zieht, und ihm eher keine Ruhe läßt, bis er ihn befriedigt hat!

03. Da Dir, o Herr, das alles wie sonst keinem Wesen aus dem tiefsten Grunde des Grundes ewig klar ist und sein muß, so wirst du ja auch meine Thaten, die ohne alle weitere Entschuldigung offenbar allergröbste Verstöße gegen Deine Ordnung sind, denn doch nicht mit jener unbegrenzten Schärfe beurtheilen und richten wollen, als hätte ein zweiter Gott vor Dir gesündiget; sondern denke es gnädig in Deinem heiligsten Vaterherzen: der Sünder, der nun matt, schwach, und hülflos vor Deiner unbegrenzten Macht stehet, war, ist und wird auch ewig bleiben ein aus sich selbst schwacher Mensch, der nur von Dir allein eine volle Kraft bekommen kann, weil Du allein alles in allem bist, aus sich selbst aber bleibt er, was er ist, ein schwacher Schatten des Hauches aus Deinem Munde nur.

04. Und so sei mir als einem allerschwächsten Schatten vor Dir denn auch gnädig und barmherzig! Ich bekenne es ja laut, daß ich vor Dir leider ein gröbster Sünder bin; aber ich erhoffe es auch bestbegründet von Deiner unbegrenzten Weisheit, Güte und Macht, daß Du, o Herr, Schöpfer und Allvater, die von mir begangenen vielen Sünden mir denn doch nicht ganz allein zur Schuldenlast schreiben wirst?! denn, so es irgend eine Hölle giebt, da wird auch sie sicher ihren gehörigen Antheil haben!?

05. So bekenne ich auch, daß ich ehedem freventlich Dir Angesichts gesprochen habe zum sicher großen Aerger aller Deiner hier anwesenden lieben Freunde; aber ich fühle darob nun wahrlich eine tiefste Reue, und bitte aus aller meiner nun mir wohlbewußten Nichtigkeit vor Dir, Dich um eine vielleicht doch noch mögliche Vergebung. Wohl sagtest Du einst Deinen lieben Brüdern, als Dir der Jüngling wegen seinen Reichthümern nicht folgen konnte und wollte, daß ein Kameel leichter durch ein Nadelöhr gehe, als ein Reicher in das Himmelreich! Leider hat sich die ewige Wahrheit dieses Deines Spruchs an mir nur zu praktisch bewähret, und nur zu schwer fühle ich nun den Fluch, der aus Deinem Munde an allen materiellen Gütern haftet;

06. aber ich weiß es auch aus Deinen Worten, daß Du zu Deinen Jüngern bei derselben Gelegenheit geredet hast, und sagtest: Bei den Menschen sei solches freilich nicht möglich! aber bei Gott sind alle Dinge möglich! und so, o Herr! könnte es denn doch vielleicht bei Dir möglich sein, mir meine Vergehen zu vergeben, und dann gnädigst zu gestatten, mich von den Brosamen spärlich zu ernähren, die vom Tisch Deiner Freunde fallen?!"

07. Rede Ich: „Lieber Dismas, diese deine Rede gefällt Mir besser, als alle deine frühern, wo du in deiner großen Verblendung mit Mir rechten wolltest! Dieß dein offenes Bekenntniß hat auch wieder den Riegel an der schon geöffneten Pforte der Hölle vorgeschoben, daß du nun nimmer hinein kommen könntest, so du es auch wolltest; von Mir aus sind dir alle deine Sünden erlassen; aber du siehst hier eine Menge starker Gläubiger, denen du große Summen schuldest; wie wirst du mit ihnen gleich werden?! — Denn siehe, es steht auch geschrieben: So lange ihr nicht den letzten Heller eurer Schuld an eure Brüder werdet entrichtet haben, werdet ihr ins Himmelreich nicht eingehen! — Was meinst du, wie diese Sache zu schlichten sein wird?!"

08. Spricht Dismas: „O Herr! Du weißt es, daß ich hier in jeder Beziehung so nackt und arm bin, wie vielleicht kein zweiter in der ganzen Unendlichkeit; wenn es hier ganz allein auf mich ankommen solle, aus meinem Vermögen, das ich nicht habe, die Gläubiger zufrieden zu stellen, dann sind sie wahrlich sehr zu bedauern; denn da dürften sie wohl ewig keine Vergütung zu erwarten haben! — Aber ich getraue mir in meinem Herzen zu denken: Wenn Du, o Herr, es willst, so dürfte es sicher nicht schwer werden, durch Deine Güte und große Erbarmung aller meiner Schuld an ihnen ledig zu werden!

09. Alles, was ich aber nun aus mir thun kann, ist, daß ich sie vor Dir um Vergebung und Nachsicht bitte, und für ewig treulichst einbekenne, daß ich gegen sie wie gegen Dich allzeit arg und gröblich gesündiget habe! Setze, o Herr, mich hier aber irgend in eine Lage, und ich werde alle meine Kräfte dahin in die Thätigkeit setzen, ihnen nach Möglichkeit alles zu ersetzen, was sich nur immer als von meiner Seite gegen sie darstellen läßt!

10. Die größte Schuld aber wird wohl die an mein liebes Weib, und an den Freund Max Olaf sein!? — Die Beiden aber flehe ich nun nach Dir auch vor allen Andern auch zuerst um eine gütige Nachsicht und Vergebung mit der treuesten Versicherung an, daß ich zur Tilgung meiner Schuld an ihnen ja von ganzem Herzen alles thun will, was sie nur immer in Deinem heiligsten Namen von mir verlangen! Du, o Herr, aber wolle gnädigst stärken ihr und mein Herz zur Vollführung alles dessen, was vor Dir, wie vor allen Deinen Engeln, als recht, billig und gerecht erscheint!"

11. Rede Ich: „Nun gut! so werde Ich für dich ein versöhnendes Wörtlein reden mit deinen Gläubigern, und es wird sich zeigen, was sie ferner verlangen werden? — und so sei du unterdessen ruhig".

103. Kapitel. Emma und Olaf vergeben ihrem Schuldner Dismas. Jesu Zeugnis über den starken paulinischen Geist des Dismas. Ein himmlischer Auftrag an den Neubekehrten.

01. Ich wende Mich darauf an die nun schon sehr heiter aussehende Emma, und an den biedern Max Olaf, und sage: „Nun, habet ihr die Worte eures Schuldners vernommen?" Sprechen Beide: „O Herr Vater! zu unserer großen Freude vollkommen!"

02. Rede Ich: „Gut; was werdet ihr aber nun thun? Werdet ihr ihn richten, oder werdet ihr ihm alles vergeben, und ihn wieder in eure Herzen aufnehmen?" Sprechen die Beiden: „O Du heiligster bester Vater! wir haben ihm schon lange alles vergeben, und sind vollkommen bereit, ihn in aller Liebe wieder aufzunehmen und für ewig zu behalten, wenn so was nur Deinem heiligsten Willen nicht zuwider sein möchte?!"

03. Rede Ich: „Was euch recht und lieb ist in Meinem Namen, das ist auch Mir über alle eure Begriffe recht und lieb. Ja, Ich sage es euch, daß Ich darob eine sehr große Freude habe, daß dieser Geist wieder gewonnen ist; denn Geister seiner Art giebt es wenige; denn er hat einen Paulischen Geist, und gehört zu Meinem Rüstzeuge wider alle ohnmächtigen Feinde Meiner Himmel! Wie hartnäckig er aber ehedem Mir widerstrebte, eben so beharrlich wird er von nun an in Meinem Dienste stehen.

04. Aber nun kann Ich ihn euch noch nicht sogleich wiedergeben, da er Mir früher noch ein tüchtiges Werk verrichten muß; wird er dieß Werk gut zu Stande bringen, dann sollet ihr sein, und er euer Lohn werden!"

05. Spricht der Max Olaf: „O Herr! bin denn ich zu gar nichts zu gebrauchen? O gebe auch mir eine Gelegenheit, etwas in Deinem heiligsten Namen zu thun!"

06. Rede Ich: „Mein lieber Bruder; für's Erste hast du schon Mir einen großen Dienst geleistet, und für's Zweite wirst du schon noch ehestens in die Gelegenheit kommen, Mir gar wichtige Dienste zu leisten! Nun aber ist es zur Vollendung des Brd. Dismas nöthig, daß er Mir einen Dienst der wahren Liebe leistet, und so werde Ich ihn nun allein auf einen guten Fischfang aussenden."

07. Damit ist der Max Olaf ganz beruhigt, und Ich wende Mich darauf an den Dismas, und sage zu ihm: „Mein lieber Dismas! da du dich nun so ganz Meiner Ordnung gemäß umwandelt hast in deinem Herzen, und hast dich endlich einmal vollkommen selbst gedemüthigt vor Mir und vor allen Denen, die noch kurz vorher ein Dorn in den Augen deines irdischen mit herübergebrachten Hochmuths waren, so sollst du aber durch eben diese deine eigene Selbstdemüthigung auch zu großen und wahren Ehren gelangen! Aber da bei Mir jede Ehre rein nur von einer edlen guten That abhängt, so wirst auch du nun eine gute und ersprießliche That aus— und durchzuführen bekommen. Von dem Gelingen wird sehr viel abhängen; aber es wird dir nicht auf Rechnung geleget werden, ob es dir gelingt oder nicht; denn bei Mir gilt blos der gute Wille, eine redliche auf der Liebe beruhende Absicht, und endlich zu dem Behufe nach reifem und besten Ermessen eingeleitete That.

08. Ob darauf das volle Gelingen erfolget oder nicht, das geht dich nichts an; denn jedes Gelingen liegt in Meiner Hand! Ich lasse es auch sogar öfter zu, daß den thätigsten Heldengeistern so manches, das sie, wenn auch auf Meine Beheißung thun, nicht gelingt, um ihnen dadurch zu zeigen, daß da in der ganzen Unendlichkeit kein Geist aus sich selbst etwas zu wirken vermag; sondern da er wirket, muß er stets mit Mir wirken; bei solchem mit Mir vereinten Wirken ist aber dann auch das Gelingen ein sicheres, und dem also mit Mir wirkenden Geiste wird es dann zu Gute gerechnet.

09. Es hat aber wohl ein jeglicher vollendete Geist eine eigene große Kraft, mit der er Vieles wirken kann; aber was er thut wie aus sich selbst heraus, das gereicht ihm vor Mir zu keinem Verdienste, da er dadadurch nur ein Arbeiter für sein eignes Haus ist; so er aber Meine Kraft in sein Wirken aufnimmt, und wirket mit Meinem Finger, so arbeitet er in Meinem Hause, und diese Arbeit wird ihm zu einem rechten Verdienst angerechnet. Daraus kannst du nun entnehmen, wie man hier, in Meinem ewigen Reiche des wahren Lebens handeln muß, um sich vor Mir Verdienste zu sammeln,

10. und so will Ich dir denn nun auch sogleich kund thun, was für ein Geschäfte dich nun treffen wird; und so höre denn: Du hast dort im mitternächtlichen Hintergrunde dieses Saales eine Gesellschaft von deinen ehemaligen Freunden zurückgelassen; ihre Zahl ist in allem genau 30 Köpfe, darunter 10 weibliche, die andern 20 männlich. Diese Alle sind auf der Welt noch um ein Bedeutendes ärger gewesen als du; ihre schnöden Handlungsweisen sind dir bekannt, wie nun nicht minder ihr Grund. Ich gebe sie nun in deine Hand, und gebe dir auch durch diese Meine Worte die volle Macht, zu thun, was du willst. So denn von Mir ausgerüstet, gehe du zu ihnen hin, und gewinne sie, und bringe sie alle hierher! allwo Ich Selbst das Weitere mit ihnen verfügen werde. Gelingt dir das, so sollst du sogleich mit einem Ehrenkleide angethan werden. Fasse aber die Arbeit ja beim rechten Flecke an! sonst wird sie dir viel Mühe machen."

11. Spricht Dismas: „O Herr! schon der Auftrag ist ein zu ehrenhafter für mich, geschweige daß ich für's mögliche Gelingen noch extra mit einem Ehrenkleide solle angethan werden! Denn wird mir diese schöne Mühe gelingen, so wird das nur ganz allein Dein Werk sein, wofür Dir ganz allein alle Ehre gebührt; und wird sie mir nicht gelingen, so wird das ein Zeichen sein, daß ich durchgehends zu wenig mit Dir vereint gehandelt haben mochte; und in diesem Falle werde ich wohl doch sicher auch keines Ehrenkleides für würdig erachtet werden können?! — O Herr! ich werde mit Deiner Gnade wohl thun, was ich nur immer werde thun können, und ich hoffe und vertraue auch fest auf Deinen Beistand gestützt, daß mir dieß Werk gelingen wird! — aber dann bitte ich Dich inständigst, mir dafür keine Ehre anzuthun, wohl aber lasse o Herr es zu, daß ich Dich mit der gewonnenen Schaar loben und preisen werde nach allen Kräften! Denn einem Sünder, wie da ich Einer bin, gebührt wohl für ewig keine ihn ehrende Auszeichnung!

12. Rede Ich: Nun, gut, gut, Mein geliebter Dismas, das ist schon ein guter Anfang, denn wer bei Mir der Erste sein will, der wird der Letzte sein; wer aber der Letzte sein will, und alle seine Brüder ehrt, liebt und bevorzugt, der wird bei Mir der Erste sein, in der vollsten Wahrheit! — Wer das Leben sucht aus sich zu gewinnen, der wird es verlieren; wer aber sein Leben flieht und haßt um Meines wahren Lebens wegen, der wird es gewinnen in aller Hülle und Fülle! und so gehe denn nun dahin, wohin Ich dir die fromme Weisung ertheilet habe."

13. Dismas macht nun eine tiefe Verbeugung vor Mir und vor allen andern Meinen Freunden, und begiebt sich dann schnell zu der obbesagten Gesellschaft hin.

104. Kapitel. Dismas und seine ehemaligen Freunde. Allerlei Einwände der geistig Trägen. Eine Hungerkur für die starrköpfigen Ungläubigen.

01. Allda nach einigen Augenblicken angelangt, wird er von der Gesellschaft sehr kalt empfangen. Dismas aber solches wohl merkend, spricht die Gesellschaft nun also an: „Freunde! wie ihr auf der Erde waret, also seid ihr es auch hier. Eure wahren Freunde waren euch lästig, dafür aber desto angenehmer eure barsten Feinde, die da List genug besaßen, euch Sand in die Augen zu streuen, euch dadurch zu blenden, um euch dann leichter geschliffene Glasscherben für Diamanten, und polirtes Messing für echtes Gold zu verkaufen. Der zu euch je mit der Wahrheit kam, der ward von euch als euer Feind zur Thüre hinaus gewiesen, wer euch aber ungefähr zu schmeicheln verstand, wie ein Fuchs den Hühnern, und wie eine Klapperschlange den Vögeln, den begrüßtet ihr stets mit aller Wärme als euren besten Freund. So lange ich wie eures Gelichters mit euch leider in ein Horn stieß, ehrtet ihr mich, und hieltet mich eurer Freundschaft werth, da ich aber — dem Herrn alles Lob — die Leerheit unseres Zustandes einsehend — mich von euch abwendend dorthin wandte, wo die ewige Wahrheit und Treue waltet, und so vom Wege der Nacht und des Todes abwich, und dafür den Weg des Lichts und des Lebens betrat, und nun eben auf diesem neuen herrlichsten Wege wieder zu euch zurückkehre, um euch Alle auf diesen Weg zu bringen, da empfanget ihr mich kälter als die kälteste Polarnacht den jungen werdenden Tag!

02. O ihr großen Thoren! was wollt ihr denn aus euch machen? Was hat euch denn bis jetzt eure Dummheit getragen, welche Vortheile hatte sie euch gewähret? Betrachtet euch, und betrachtet jene Freunde Gottes dort! wie selig sehen sie aus, und wie entsetzlich unselig ihr! Saget, kann es euch denn nur bei einiger helleren Ueberlegung um Gotteswillen denn wohl ernst sein, für ewig blos eurer großen Thorheit zu liebe in diesem allermiserabelsten Zustande zu verharren?! Aus welchem Grunde wollt ihr denn euch selbst verdammen, so euch Gott selbst glückselig machen und haben will?! Oeffnet doch einmal eure Augen, und schaffet meinen Worten Raum in euren Herzen, damit es Gott und mir möglich werden solle, euch Allen treuherzigst zu helfen. Wie wohl thut es mir nun, daß mir der Herr aus meinem Elende geholfen hat! — Solle ich nun als euer alter Freund nicht euch Allen dasselbe wünschen?! Und so ich blos in der hehren Absicht zu euch komme, redet! warum wendet ihr zornig euer Angesicht von mir ab, und verachtet mich noch oben darauf?! — Wendet euch zu mir her, und leset es aus meinen Augen, ob ich es unredlich mit euch meine! findet ihr eine Hinterlist an mir, da verfluchet mich in Gottes Namen: wann ihr aber an mir doch unfehlbar einen reellsten Freund findet, da nehmet mich auf, und lasset euch von mir zur wahren Glückseligkeit hinführen!"

03. Spricht Einer aus der Mitte der 30: „Freund! du bist entweder ehedem ein gescheiter Mensch gewesen, und bist jetzt zu einem Narren gemacht worden; oder du warst schon früher ein Narr, und bist nun wenigstens ein zehnfacher! Wer hat denn auf der dummen Erde mehr gerechnet, gelesen und geforscht als ich, und manchmal auch du mit mir; und was haben wir am Ende — aufrichtig gesprochen, herausgebracht? siehe, nichts als: Daß der Mensch trotz all seines Mühens über das eigentliche Wesen des Universums kaum so viel herausbringt, wie die dir von mir oft vorgeführte gelehrte, unsere Menschennatur erforschen wollende Laus! Die von ihrer Wißbegierde zu weit getrieben sich einmal die impertinente Freiheit nahm, des Menschenhauptes Hochgebirge — Nase genannt, zu besteigen, und kritisch zu untersuchen; da sie aber dadurch dem Hochgebirge Nase ein bedeutendes Jucken verursachte, so wurde sie von dem immensen Arm ihres Weltkörpers (Mensch) ergriffen, und ohne Gnade und Pardon in ein Minutissimum zerquetscht und zermalmt!

04. und siehe, wir Menschen sind noch viel weniger gegen das unendliche Universum Gottes, als wie da ist eine Laus gegen die Größe und Kraft eines Menschen, und wir allerlausigste Infusionsthierchen des Schöpfungstropfens Erde wollen Gott begreifen; ja ihn sogar als uns ebenbürtig vermenschlichen!? — ist das nicht gerade so viel, ja um's tausend— und millionenfache dummer, als so eine theosofisch sein wollende Laus den Menschen, den sie, wie ein Mensch die Erde, bewohnt, verlauslichen wollte, und sagen: Unsere bewohnbare Welt (ein Mensch nehmlich) ist nichts als eine mit hoher Macht und Kraft ausgerüstete große Laus!

05. „Schau, schau, Brüderl, wo du hingerutschet bist! Wie kann es dir aber auch nur im Traume beifallen, in jenem sonst ganz ehrwürdig schätzbarsten Menschgeiste Jesus die große Gottheit uns nun hier auftischen zu wollen?! — Geh' und werde wieder der alte vernünftige Kapitän Dismas; sonst kann es dir noch ehestens ergehen, wie der eben erwähnten gelehrten naturforscherischen Laus!"

06. Spricht darauf Dismas; „Freund! Solange der Mensch auf der Erde als eine quasi Erdlaus herumkriecht, will ich deine Lausfabel goutiren, aber wir haben bereits das Lausmäßige abgelegt, und dieser Leib, den wir hier haben, ist kein fleischlicher, sondern ein rein ätherisch geistiger Leib, in dem wir alles dessen gewahr werden, was uns der große Meister Jesus auf der Erde verkündiget hat; so wir aber nun sicher im höchsten Grade a priori das an uns bestätiget finden, als das Fortleben nach des Leibes Tode, und die Erinnerung an unser irdisches Leben, und das uns selbst Wiedererkennen, daß wir Dieselben sind, wie und was wir im Leibesleben waren, so wollen wir denn hoffentlich doch nicht zweifeln, daß derjenige Lebenslehrer, der auf der Erde gleich einer Sonne den Sterblichen zuerst die Augen öffnete, und ihnen ihre wahre ewig unvergängliche Heimath, und ihren wahren Vater zeigte und kennen lehrte, denn doch etwas mehr sein mußte, als alle Menschen zusammengenommen, indem Er der Einzige und der Erste war, die Menschen ihrer wahren Bestimmung zuzuführen; und wir nun als Geister die lebendige Ueberzeugung haben, daß es genau also ist, wie Er es durch Worte und Thaten gelehret hat. — Wenn Er es nicht ist, sage, wer ist es dann?

07. Zu allem dem verrichtet Er Thaten blos durch Seinen Willen; im Augenblicke ist es da, was Er will, und es geschieht Alles nach Seinen Worten; unseres Rathes bedarf Er nicht, und so Er Sich von den Menschen auch etwas anrathen läßt, so thut Er das nur, um den Menschen zu zeigen, wie gar wenig nütze alle menschliche Weisheit vor Ihm, dem endlos Weisesten ist, und wie gut es sei, ewig nur von Seiner Weisheit abzuhängen!

08. Wenn ihr dieses alles zusammenfasset, und Jesum aus solchem Lichte genauer betrachtet in euren Herzen, so müsset ihr es ja doch mit den Händen greifen, daß Er nicht nur allein als ein weisester Lehrer, wie sonst Keiner, sondern auch als Das uns gegenüber sein muß, als was Er Sich uns Selbst ohne allen Hinterhalt geoffenbaret hat! Denn man kann ja doch unmöglich annehmen, daß ein sonst so unerreichbar weisester Lehrer neben Seiner unbegrenzten Weisheit die überstarke allereitelste Portion Dummheit besitzen solle — Sich Seinen Jüngern als Gott von Ewigkeit vorzustellen, und als solcher Sich auch anpreisen zu lassen, und vom Satane Gehorsam, Dienst und Anbetung zu verlangen, was meiner Beurtheilung nach so viel sagen will, als: Die ganze geschaffene Naturwelt hat sich Seinem allmächtigen Gottwillen in allem vollkommenst zu unterwerfen, und zwar freiwillig, so sie nicht mit aller Schwere der Macht und Kraft Seines Wortes gerichtet werden will!

09. Wenn ein Wesen voll der höchsten unerreichbarsten Weisheit aber solches mit allem Gottesernste nicht nur von den Menschen, sondern auch sogar von der stummen Natur verlangt; kann man da noch einen Zweifel haben, ob solch ein Wesen, — wenn schon uns Menschen gegenüber in der uns ähnlichen Gestalt — wohl Gott, oder blos nur uns gleich ein Mensch sei!? Ich meine, das nun Gesagte, das sich an Jesu nur zu klar erweist, muß wohl auch jeden Zweifel heben, und in euch die lichteste Wahrheit aufrichten, daß Er ganz vollkommen das allerhöchste Gottwesen ganz allein sei. Glaubet das! und erhebet euch Alle in diesem Glauben! ich will euch dann hinführen zu Ihm, wo Er euch dann Selbst zeigen wird, daß Er Derjenige ist, vor Dessen Namen sich alle Mächte Himmels und aller Welten allertiefst beugen müssen.

10. Ihr wisset es ja auch, daß eben ich aus euch Allen derjenige war und noch bin, der leichten Kaufes wohl je am allerwenigsten etwas angenommen hat? Ich wehrte mich gewiß so lange, als es nur immer thunlich war; aber, als ich durch eine genaue und sehr harte Prüfung zum rechten Licht gelangte, da nahm ich aber auch weltenfest alles das unbezweifelt an, was mir von Jesu die klarste Offenbarung kund gab, und jetzt noch in einem stets helleren Lichte kund giebt. Wenn also ich, als der Hartnäckigste unter euch, Jesum nun als Gott anerkenne und anbete, so glaube ich, daß solches wohl auch bei euch um so leichter stattfinden wird, indem ihr doch Alle auf der Welt gläubiger waret als ich?!

11. Spricht der frühere Wortführer: „Freund! dich hat der Hunger dazu genöthiget! wir aber sind eben noch nicht gar so hungrig! Wenn uns aber der Hunger zwingen wird, dann werden auch wir jenen Schwarzkünstler lieber zuvor für einen Gott halten, als verhungern!"

12. Spricht der Dismas: „O ihr dummen Halbpolypen des stinkendsten Pfützen—Schlammes! Wo hat mich der Hunger zu der Annahme, daß Jesus der einige wahre Gott sei, genöthiget?! Seit ich die Welt verließ, kam noch kein Brosame über meine Lippen! und Niemand von euch hat mich weder essen noch trinken gesehen! und ihr saget: Ich hätte solches aus Hunger gethan?! — Nun sehe ich es wohl klar, daß ihr Alle rein des Teufels seid! Ja, es hat mich ein Hunger dazu geleitet; aber das war kein Magenhunger, sondern ein Hunger im Herzen nach Dem, Der mir das Leben gab, das ich liebte; aber das mir ohne Ihn auch ein unerforschliches Räthsel war! — Dieser Hunger und Durst nach der großen Enthüllung dieses heiligen Räthsels ist nun freilich gesättigt für ewig, und die Sfinx ist besiegt; aber mein Magen ist noch vollkommen leer!

13. So ihr aber saget: Wir haben keinen Hunger, auch den heiligen des Herzens nicht, dann ist mir euer inkurabler Zustand aber auch erklärlich, und auch dessen Grund. Wartet aber nun nur ein wenig; es solle ein ganz sonderbarer Hunger euch zutheile werden! wir werden es dann sehen, wie er euch munden wird?!" (Am 21. Juli 1849)

14. Spricht der Sprecher der Gesellschaft: „Ja, ja, Freund, nur einen rechten Hunger, dann wird sich alles andre dann schon machen; denn für die Hungrigen ist der ein Gott, der ihnen etwas zu essen giebt; jene aber, die keinen Hunger, d. h. weder objektives, noch subjektives Bedürfniß haben, die fragen wenig nach Gott und nach Seinem Reiche, z. B.: Wenn Jemand von einer gewissen Lethargie in seinem ganzen Wesen ergriffen, und dabei von einem Schlafe befallen wird, so daß er seiner Sinne kaum mehr mächtig ist; — predige dem von der Moral und aller Tugend! so wird er nicht darauf achten; denn seine Sinne sind träge, und sein Geist schläft!

15. Willst du aber mit solch einem Lethargisten etwas ausrichten, so heile ihn früher von seinem Uebel, schaffe in seine Seele ein lebendiges Bedürfniß nach dem, was du ihm geben willst, so wird er es denn auch sicher allergierigst an— und aufnehmen, das du ihm bietest; aber ohne dieses Präambulum wirst du bei deinem Patienten schwerlich etwas ausrichten! Möchte auf der Erde wohl je jemand die schwere Musika—Kunst sich eigen machen, wenn nicht schon vorhandene Künstler durch ihre herrlichen Produktionen und durch die damit verbundenen Vortheile in einem andern Menschen den Hunger schaffeten — auch ein Musikakünstler zu werden!? Sage mir! würde die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes wohl statt haben, wenn der Schöpfer nicht in die sonst stumpfe Natur einen so mächtigen Trieb, oder Hunger nach der Zeugung in dieselbe gelegt hätte?! Was würde ein Weib dem Manne sein, so dem Manne zum Weibe keine Neigung eingehaucht wäre?!

16. Du siehst hieraus hoffentlich leicht, daß beim Menschen allenthalben ein mächtiges Bedürfniß nach was immer vorhanden sein muß, so er sich für etwas thatkräftig intressiren solle;

17. und so steht es gerade nun denn auch bei und mit uns; zu allem dem, was du uns nun vorgetragen hast, fühlen wir durchaus kein Bedürfniß in uns; wir sind wie Halbtodte, und haben keine Freude an diesem allerschläfrigsten Hundeleben. Sind wir aber bei so bewandten Umständen durchaus keine Lebens—Freunde, wie sollen uns dann deine Lebenslehren, und — wie? dein einziger Lebensmeister Jesus intressiren?! Schaffe in uns erst einen Hunger, oder fahre mit deinen uns lästigen Thorheiten ab! Unsertwegen kann dein Jesus zehn Male hintereinander das höchste Gottwesen sein; wenn wir aber kein Bedürfniß nach Ihm haben, wenn, sage ich, wir wie Steine nahe ohne Leben und Empfindung hier beisammen kauern, was solle uns da dein Meister Jesus sein?! Schaffe daher mehr Leben in uns, und gebe uns ein Bedürfniß nach Ihm, so wird es sich dann ja zeigen, wie wir uns Jesu gegenüber benehmen werden? vielleicht besser als du?!

18. Diese Rede des Sprechers macht den Dismas stutzen, und er weiß nun nicht, was er aus ihr machen solle? — Ich aber gebe ihm ins Herz, daß er einen recht mächtigen Hunger in ihre Mägen durch sein Wollen in Meinem Namen legen solle, da werden dann diese Halbtodten schon mehr und mehr ins Leben überzugehen anfangen. —

19. Dismas thut das, und die Gesellschaft wird sogleich regsamer. Einige fangen sich sogleich die Bauchgegend zu befühlen an, und sagen zum Sprecher: „Freund! mache, daß wir was zu essen bekommen, sonst fressen wir dich beim Butzen und Stängel auf!"

20. Spricht der Sprecher: „Narren! ich werde nun selbst hungrig wie ein zur Schlachtung durchfasteter Ochse, und habe selbst nichts, damit ich mich sättigen könnte! was solle ich denn euch geben?! Da stehet der Dismas vor euch! den packet! — der wird euch wohl etwas zum essen und trinken zu geben haben; denn er ist ja nun, wie es sich zeigt, ein intimer Freund jenes Lehrers Namens Jesus geworden, der einmal in einer Wüste bei 5000 Menschen mit wenig Broden solle gesättigt haben?! Vielleicht ist da für uns auch noch eine Kleinigkeit übrig geblieben?! Daher also nur den Dismas darum angepackt!"

21. Darauf fangen Alle an in den Dismas zu dringen, und verlangen Speise und Trank von ihm!

22. Dismas aber spricht: „Freunde! ihr verlanget nun etwas von mir, das ich nicht habe; dort am Tische aber sitzet Derjenige, Der alle Sättigung besitzt in Hülle und Fülle! Gehet zu Ihm hin, bekennet vor Ihm eure Gebrechen, demüthiget euch vor Ihm, da werdet ihr dann sicher auch gesättiget werden!"

23. Sprechen die nun stets empfindlicher hungrig und durstig Werdenden zum Dismas: „O du ausgepeitschter Hauptlump von Halbengland! Hast du uns nach deinen eignen Worten den Hunger und den Durst geben können, wie sollst du denn nun nicht im Stande sein, uns Allen durch was immer für ein Mittel die beiden Plagen wieder zu nehmen?! Kannst du das eine, so mußt du auch das andere können! Benehme uns Allen daher nur sogleich den nun nahe schon ganz verflucht quälenden Hunger und brennenden Durst! — sonst sehe zu, was dir widerfahren wird!"

24. Spricht Dismas: „Liebe Freunde! ich bitte euch nun eures eignen Heiles willen, werdet nicht ungestüm! Daß ich euch auf euer eignes Verlangen Hunger und Durst geben konnte, beruht darauf: daß da nie jemand irgend einem Bruder etwas zu geben im Stande ist, was er zuvor nicht selbst hat; was er aber selbst hat, das kann er auch geben, so er's will. — Ich selbst habe in meinem Magen einen wahren Hundertochsenhunger, und kann davon sehr leicht den starken Ueberfluß mit Andern theilen; hätte ich aber auch eine Sättigung, so könnte ich auch diese mit Andern theilen! Aber so ich euch zeige, wo ihr für ewig die vollste und sicherste Sättigung finden müsset, so gehet denn hin, und thuet, was ich euch angerathen habe, so werdet ihr auch eben so bestimmt von Dem alle Sättigung überkommen, Der die ganze Unendlichkeit nährt, sättigt und erhält; und solle euch da die Sättigung nicht werden, dann erst habt ihr das Recht, mit mir zu machen, was ihr nur immer wollt, aber eher nicht! — Dieß Recht, an mir Rache zu nehmen, aber tritt auch erst dann ein, so ihr alles gethan habt, wie und was ich euch angerathen habe. Unterlasset ihr aber auch nur einen Punkt, so habt ihr es euch selbst zuzuschreiben, so ihr nicht gesättiget werden würdet!"

25. Sprechen die Hungrigen und Durstigen: „Haben wir dich denn gerufen zu uns zu kommen?! Du kamst zu uns nicht in unserem Auftrage, sondern im Auftrage deines Gottes Jesus; hat Er dir aber die Macht gegeben, uns mit Hunger und Durst zu schlagen, warum denn nicht auch die Macht uns zu sättigen?!"

26. Spricht der Dismas: „Liebe Freunde! Wer aus uns hat denn eine Macht Gott zu nöthigen? Er ist der allein Allmächtige, und kann thun, was Er will. Er läßt aber gewöhnlich zuvor durch allerlei Apostel den Menschen Bitteres bringen, auf daß sie dann zu Ihm kommen sollen, und Süßes empfangen von Ihm. Die Menschen müssen dadurch zu der Einsicht gelangen, daß alle Menschenhülfe kein nütze ist, und daß sie gleich ist jenem sonderbaren Buche in der Apokalypse, das von einem großen Engel dem Johannes zum Verschlingen dargereicht im Munde honigsüß wohl schmeckte, aber dafür im Magen gar bitter ward! Erwartet daher auch von mir nichts Gutes! — denn so ich selbst schlecht bin, wie könnte ich euch denn Gutes bieten? Der aber Selbst wahrhaftig ist und gut über gut, Der kann daher auch allein das Gute geben! Daher also zu Ihm hin!"

27. Sprechen die Hungrigen und Durstigen: „Wenn alles gut ist, was von Ihm ist; warum bist denn hernach du und wir schlecht? Gehen wir ja doch Alle von Ihm aus!"

28. Spricht Dismas: „Wir aber sind nicht schlecht von Ihm aus; sondern durch uns selbst werden wir erst dann schlecht, so wir zufolge unseres freien Willens uns von Ihm abwenden, und uns die vergebliche Mühe machen, zu thun, als wären wir selbst freie Götter, die vom eigentlichen Gott nichts mehr hören wollen. Da aber der eigentliche Gott das nicht wollen kann, so läßt Er solche eingebildete Götter so oft anrennen, bis sie zu der Einsicht kommen, daß sie denn doch keine Götter, sondern ohne Ihn nur schwache und dumme Menschen sind. Das bedenket auch ihr, und gehet zu Ihm hin, so wird es euch sicherlich wahrhaft geholfen werden!"

29. Spricht die nun schon ganz verzweifelt hungrige und durstige Gesellschaft: „Aber wir wissen gar nicht, was du mit deinem sichern geholfen werden hast! Dummer Teufel! bist du auch zu Ihm hingegangen, als dich der dalkete Blum dazu aufforderte; was ist dir denn dadurch geholfen? Was hast du denn nun mehr, als du ehedem gehabt hast? oder bist du etwa nun satter geworden, als du früher warst? — siehe, so wie uns Allen nun, schauet auch dir der Herr von Hunger bei den Augen heraus! und das nennst Du ein besser werden?

30. O du blitzdummes Luder du von einem Apostel! Geh' und lasse dich nicht auslachen! Komme in der Zukunft, vorausgesetzt, daß es hier eine giebt, selbst mit einem zufriedeneren Gesichte zu uns als dießmal, so wollen wir dir wenigstens ein wenig mehr Glauben schenken, als es nun möglich ist; aber wenn du selbst mit einem allerunzufriedensten und bedürfnißreichsten Gesichte zu uns wiederkommst, so wird es dir kein Pudel, geschweige erst ein Menschengeist glauben, daß du selig, d. h. mit allem versorgt und versehen bist!

31. fahr' daher nur wieder ganz ruhig ab, Dismaserl! denn in diesem deinem uns bis jetzt auf ein Haar gleichen Zustande richtest du nichts mit uns! Bringe uns lieber etwas zu trinken und zu essen, aber hierher, dann werden wir dir auch irgendwo anders hinfolgen; aber von deiner gegenwärtigen Weisheit läßt sich beim besten Gewissen nichts herabbeißen! Denke nach, denke nach — Dismaserl! wie schön dumm du nun bist! du empfiehlst Andern etwas an, was du selber noch nie gehabt hast! Dein Vater muß 'sSchweinerne gern gegessen haben, weil ihm an dir ein gar so saudummer Sohn gerathen ist?"

32. Spricht Dismas: „Freunde! Habe ich euch von dem, was ich nun in Kürze an mir erfahren habe, keine lebendige Ueberzeugung verschaffen können, so müsset ihr mir doch das zugeben, daß ich es mit euch Allen für's erste sicher wohl gemeint habe, und für's zweite kann mir von euch Allen wohl nie Jemand nachweisen, daß ich mich je unartig, roh und grob gegen ihn benommen habe. Aus dem Grunde aber glaube ich von euch mit Recht erwarten zu dürfen, mit mir doch ein wenig artiger und humaner zu reden. Ich ziehe euch ja nicht bei den Haaren hin zum Herrn; wollet ihr hin gehen, so gehet ihr hin; und wollet ihr es durchaus nicht, da wird euch auch kein Zwang angethan werden. — Aber unartig, roh und wahrhaft flegelhaft grob sollet ihr darum nicht sein! Daß ihr nun einen starken Hunger und Durst in euch verspüret, daran bin nicht ich, sondern ihr selbsten schuld; — ihr habt zu eurer mehrern Belebung den Hunger gewünscht; und nicht ich, — sondern der Herr hat ihn euch zukommen lassen durch mein Wort, und durch meinen höchst eignen Magenhunger. Ich aber habe es euch daneben auch sogleich gezeigt, wo und wie ihr den Hunger und den Durst stillen könnet! Warum thut ihr es nicht, so ihr es wißet? Ihr heißt mich einen dummen Teufel, weil ich dem Blum folgte, und saget, daß mir diese Hinreise nichts genützet habe. Ich aber sage es euch, daß mir diese Hinreise gar überaus viel genützet hat; ist auch mein Magen noch leer, so ist aber dennoch mein Herz gesättigt mit der Liebe zu Gott dem Herrn! — und das ist mehr, als ein voller Magen! Es ist viel besser, ein Herz, denn 100 Magen satt machen; denn so das Herz genährt wird, da wird auch des Magens bestens gedacht werden. Aber neben einem hungrigen Herzen kann kein Magen befriedigt werden, außer mit der Kost des Todes zum Tode des Herzens! Thut ihr nun, was ihr wollt! ich aber werde euch für die Folge keinen Narren mehr machen! Wollt ihr Viecher bleiben, so bleibet es; wollt ihr aber hin zum Herrn gehen, so steht euch der Lebensweg offen!"

33. Auf diese Worte des Dismas stutzt die Gesellschaft, und ist unschlüssig, was sie nun thun solle?

34. Der Hauptwortführer aus ihrer Mitte aber tritt hervor, bittet die Gesellschaft um Gehör, und spricht darauf, als ihn Alle darum ersuchen, daß er reden möchte: „Achtbarste Freunde und Schwestern! ich habe nun selbst bei mir viel nachgedacht über die Mission des Dismas an uns, und über seine Rede; und habe, ich muß es euch denn doch offen gestehen, gefunden, daß er denn am Ende doch recht hat. Wir sollen wahrlich denn doch das thun, was er von uns haben will; denn wir können für eine halbe Ewigkeit hin und her witzeln und Rath halten, so werden wir aber dennoch schwerlich je zu etwas Besserem gelangen, als es der gute Bruder Dismas uns gerathen und gezeiget hat.

35. Was geniret uns denn im Grunde auch hin zu jenem Manne zu gehen, von Dem der Dismas nebst allen Andern, die nun schon glücklich sind, aussagen, daß Er die Gottheit Selbst sei? Ich meine also: Ist jener Jesus wirklich Gott Selbst, trotz unseres starren Unglaubens, so wäre unsere Renitenz gegen Ihn mehr als eine Tollheit zu nennen. — Und solle Er das nicht sein, was der Dismas nebst den glücklichen Andern von Ihm aussagen, no so haben wir dadurch wahrlich nichts verloren, so wir Ihn uns zu einem Freunde umstaltet haben; denn so die Andern an seiner Seite es gut haben, warum sollen wir es denn schlecht haben, so es lediglich nur von uns abhängt, sich zu Ihm hin zu begeben, und Ihn durch unsere Herzensfreundlichkeit für uns zu gewinnen? — Ist's nichts, so ist's nichts, und wir verlieren nichts, weil, wir haben — nichts! Alles aber, was wir dadurch erreichen, kann für uns nur ein Gewinn sein; denn wer wie wir durchaus nichts hat, der kann aber ja auch ewig nichts verlieren, sondern nur gewinnen, indem er wenigstens doch etwas Kleines sich eigen machen kann, was ihm früher in seinem neidischen Naturzustande unmöglich war. Gehen wir daher doch zum Herrn dieses Hauses hin, und suchen Ihn für uns zu gewinnen! Es wird sich dann ja ehestens zeigen, welchen Fang wir dadurch werden gemacht haben, so wir Christum werden gesprochen haben? — Was meinet denn ihr in dieser Sache?"

36. Sprechen alle Andern: „Ja, ja, das können wir ja kindleicht thun, weil es uns wahrlich keine besondere Mühe kostet! denn die Köpfe wird er uns ja dennoch nicht vom Rumpfe reißen? — Auf deine recht vernünftige Rede ist aber auch leichter etwas zu unternehmen, als auf die stark geschwollene des Dismas; wir wollen trotz unseres impertinenten Hungers und Durstes zwar nicht behaupten, daß der Dismas dumm geredet hätte; aber nach seiner altgewohnten Sitte, desto geschwollener! und eine geschwollene Rede macht nie den Effekt als eine nüchterne, vernünftige."

37. Es wäre sonst alles recht, spricht ein Anderer aus der Gesellschaft, wenn wir aber nur so um ein Haar besser adjustirt wären! — besonders pitoyable nehmen sich unsere zehn Damen aus! Nichts als Fetzen und Lumpen von der schmutzigsten Art hängen in höchster Unordnung über ihre äußerst unvortheilhaft aussehenden Leiber! — und wir Männer haben eben nicht viel vor! Ich meine daher, so es möglich wäre, daß wir zuvor trachten sollten, zu nur um ein weniges bessern Kleidern zu kommen, und dann zu Ihm hinzugehen; denn in diesen sehr unhochzeitlich aussehenden Kleidern würden wir uns in Seiner mit aller Macht ausgestatteten Nähe denn doch gar verflucht schlecht ausnehmen. Was meinet ihr in dieser Hinsicht?"

38. Spricht der erste Redner: „Freund! ultra posse nemo tenetur! — über's Können hinaus kann Niemand gezwungen werden! So sollen denn die Damen hinter uns einhergehen, und die von uns noch am leidlichsten bekleidet sind, die machen Avantgarde; und so wird es sich meiner Meinung nach schon machen. Dismas als der am besten Bekleidete aber macht ja ohnehin unsern Anführer."

39. Sagen alle Andern: „Nun, gut denn; so du's also für gut erachtest, so wollen wir denn also auch den Versuch machen."

105. Kapitel. Dismas über die Werke des Verstandes und des Herzens. Er bringt die dreißig Schwergläubigen zum Herrn.

01. Spricht Dismas: „Nun, habt ihr euch endlich einmal für den Lebensweg entschieden! da hat's doch ziemlich was gebraucht! recht, recht so, wenn wir thun, wie es der Herr will, da werden wir nie irregehen; aber mit unserem eigenen Verstande, und mit unsern Einsichten sind wir am allerdürresten Holzwege, auf dem man höchstens in eine Köhlerhütte gelangen kann. Wo der Mensch überhaupt seinem kalten Verstande folgt, da kommt er auch gewöhnlich aufs Eis, wo es bekanntermaßen mit dem Feststehen einen sehr bedeutenden Faden hat; nur wo der Mensch dem lebendigen Rathe seines Herzens nachgehet, da ist das grüne Gras nicht ferne, und er kommt, wie man sagt, auf ein grünes Gras, oder respektive auf eine lebendige Hoffnung! und so ist es nun auch mit euch, wie mit mir selbst der Fall; wir haben nun dem Rathe unserer Herzen nachgegeben, und den Rath des Verstandes wie einen Vagabunden und ewigen Schuldenmacher zur Thüre hinausgeworfen; und ich bin ganz fest überzeugt, daß es nun mit uns Allen ehestens bester wird!

02. Denket nun einmal nach, was alles uns unser eigener Verstand gerathen, und welchen Wust von Regeln und Gesetzen er zuwege gebracht hat! Was aber haben sie uns genützt? In der Betrachtung dieses unseres elenden Zustandes findet ihr Alle die überzeugendste Antwort. Nehmen wir alle die großen und nützlichen Produkte der Menschen auf der Erde, als z. B. große Meister in den schönen Künsten, als etwa in der Musik, Poesie und Malerei; alle die Großmeister in diesen Künsten waren Schüler ihrer Herzen, ihres Gemüthes, und ihre Werke stehen groß und unerreichbar vor den halbblinden Augen der aus lauter Verstand zusammengesetzten Nachwelt, die sich die saure Mühe nimmt — die großen Werke eines freien Herzens durch tausend Regeln und Gesetze zu erörtern, von denen dem Großmeister bei der Schöpfung ihrer unerreichbaren Werke sicher nie etwas geträumet hat!

03. Fraget aber! ob je ein solcher nachhinkender Regelschmied etwas Geniales, Freies und Lebensduftiges zuwege gebracht hat? — Sind solcher Regelfabrikanten Werke nicht stets so trocken und steif, wie die Spitze eines Dschimborasso, und so kalt und leblos wie der Nord— oder Südpol der Erde? Ja, ich sage es euch jetzt frei heraus, wie ich's nun klarst erschaue: die Werke des Verstandes kommen mir gerade so vor wie die Fossilien; — da haben wir eine Mumie, einen versteinerten Fisch, Krebse, ein versteinertes Holz, ein Farrenkraut u. d. m.; aber welch ein Unterschied zwischen diesen leblosen Fossilien, und zwischen der lebendigen Wirklichkeit!? — Welch eine verzerrte und zerkrüppelte Steife in der Form selbst; und welch' eine schauderhafte Leblosigkeit! — Daher hinweg nun mit all dem, was nur einigermaßen vom Verstande in uns herrührt, denn an allen Werken des ledigen Verstandes liegt der Fluch! während die geringsten Werke des Herzens in einem endlos großen Werthe sind für alles, was da athmet und lebet. Ein bloßer Verstandesmensch ist ein echter Todtengräber; sein Verstand als ein Konglomerat von tausend Regeln und Gesetzen ist der Spaten in seiner Hand, mit dem der tolle Todtengräber einen Schacht in die vom lebendigen Golde strotzenden Tiefen des Herzens schlagen will; aber seine Mühe ist eitel, und fruchtlos seine Arbeit! — denn das lebendige Gold bleibet nicht haften am plumpen Spaten, wohl aber taubes Gestein und Schlacken, aus dem kein echter Lebenschemiker auch nur einen kleinsten Tropfen echten Goldes bekommt!

04. Aus diesem nur zu wahren Grunde aber wollen wir, wie ich schon früher bemerkte, auch dem Verstande samt allen seinen Elaboraten für ewig den Abschied geben, und uns an die allein auf unser Herz Bezug habenden Wege und Werke halten, und wir werden sicher bald zu einem besseren Ziele gelangen, als das bis jetzt der Fall war.

05. Mit dieser nöthigen Vorbetrachtung können wir aber auch nun ganz getrost uns zum Herrn hin begeben, wo wir in dieser unserer umwandelten Einsicht und Gemüthsstimmung auch zu der erforderlichen Herzens— und Magenstärkung gelangen werden! und so folget mir nun in der Ordnung, die ihr selbst wegen der sehr unvortheilhaften Bekleidung als geziemend angeordnet habt."

06. Nach dieser sehr guten und wahren Rede des Dismas, die von der gesamten Gesellschaft begutachtet ward, gehen nun Alle etwas furchtsam zu Mir her; und als sie nach wenigen Schritten bei Mir anlangen, verneigt sich Dismas abermals tiefst vor Mir, und spricht: „O Herr! durch Deine Gnade, und durch Deine alleinige Hülfe ist mir armem Sünder vor Dir dieß heilige Werk gelungen; alle Dreißig sind mir in Deinem Namen hierher gefolget, wie Du es mir gnädigst aufgetragen hast; nun geschehe mit ihnen wie mit mir Dein heiliger Wille! Aber nur kein Ehrenkleid mir dafür; darum bitte ich Dich! denn ich bin ewig keiner Ehre werth; Dir allein aber sei alle Ehre ewig!"

07. Rede Ich: „Recht gut hast du, Mein lieber Dismas, deine Mission vollendet, und hast dich nun um Meinen Namen sehr verdient gemacht! Ich will dir aber deßhalb auch geben, was und wie es dir gebührt; nachher aber auch deinen Gewonnenen nach ihrem Herzen!" — Mich zum Robert wendend: „Du Robert aber gehe hin, und bringe Wein und Brod und ein rechtes Gewand für den Bruder Dismas! Ich aber werde nun mit diesen Dreißig eine kleine Verhandlung halten; es sei!"

106. Kapitel. Ansprache des Redeführers Bruno. Jesu kritische Gegenfragen. Brunos Demut und Klugheit bewirkt Jesu Gnade.

01. Der Redeführer der Dreißig tritt hervor, verneigt sich tiefst vor Mir, und ebenso auch vor der ganzen Tisch—Gesellschaft, und spricht dann ganz beherzt: „Herr, Schöpfer, Erhalter und Regent der ganzen Unendlichkeit und alles Dessen, was ihre ewig unbegrenzte Räumlichkeit erfüllet! Wir stehen hier als vollste Nichtigkeiten vor Dir, Der Du allein Alles in Allem bist, und erwarten von Dir Gnade und Barmherzigkeit, nicht aber so, als hätten wir irgend auch nur ein scheinbares Recht darauf, da wir Alle größtentheils schwache, und mitunter sogar gröbliche Sünder sind; sondern dieweilen Du Gott, als die reinste und vollkommenste Liebe bist, die sich nicht für die Engel, sondern für die gefallenen Sünder hat an das Kreuz heften lassen! — Du allein bist die Stärke der Schwachen, der Heiland der Elenden, die Hülfe der Nothleidenden! Du selbst offenbartest Dich als Das, und sagtest zu den Sündern: „Kommet Alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch alle erquicken!"

02. Und so wären denn auch wir nun vor Dir vollbelastet von allen Beschwerden des Lebens, die irgend eine Hölle über uns ausgeschüttet hat; nehme sie uns ab nach Deiner Erbarmung, o Herr! Wohl können wir Dir dafür nichts bieten als höchstens 30 mit allerlei Sünden behaftete Herzen, die Dich über alles lieben möchten, so sie sich getraueten! aber ich denke nun, wie ich auf der Erde oft gedacht habe, so ich mich in schwachen Augenblicken einer üppigen Hure bedienet habe: Wenn diese Hure ein Herz hätte, das für mich erglühen könnte, so müßte ich sie auch lieben trotz allen ihren Unzuchtsthaten; denn die wahre Liebe sucht nur das Herz, und schauet nur aufs Herz; für alles andere ist sie blind!

03. So wollest denn auch Du, o Herr, mit uns verfahren! — Sehe nicht auf unsere Thaten, die da allesamt schlecht sind; sondern sehe auf unsere Herzen, die, wenn schon unlauter, aber dennoch nach Deinem heiligsten Vaterherzen gieren wie ein dürres Gras nach einem belebenden Thautropfen."

04. Rede Ich: „Ja, mein lieber Bruno, es ist alles recht gut, wahr und schön, was du nun geredet hast im Namen dieser deiner Brüder und Schwestern; aber in der Schrift stehet es geschrieben, daß da Hurer und Ehebrecher in das Reich Gottes nicht eingehen werden! Ihr aber seid durch die Bank grobe Hurer und Ehebrecher, und seid dabei voll Selbstsucht gewesen. Meine Gnade aber, die ihr wollt, ist das eigentliche Gottesreich. Es fragt sich daher, wie im Einklange mit der Schrift, ihr als Hurer und Ehebrecher Meiner Gnade und Erbarmung theilhaftig zu werden gedenket!"

05. Spricht Bruno: „O Herr, so Du es gestattest, daß ein Sünder vor Dir seinen Mund öffnen darf, so wirst Du es ihm ja auch nicht verwehren, Reue zu fühlen über seine Sünden, und Dich zu flehen um Gnade!? Siehe, Du hast ja trotz dieses schlimmen Richtertextes Deiner heiligen Schrift dem Mörder am Kreuze Dein Reich nicht verschlossen, hast die Ehebrecherin im Tempel nicht gerichtet, und die Magdalena nicht, und kehrtest in's Haus des Zachäus ein; also hast Du auch nun hierso Manche schon beseligt durch Deine Gnade, die Dir dochauch nicht mehr thun konnten als wir. O so sei auch mit unsnicht härter!"

06. Rede Ich: „Ja, ja, aber alle Diese waren nicht gar so grobe Sünder, als ihr es seid!"

07. Spricht der Bruno: „O Herr! Was wohl kann vor Dir groß oder klein sei, ob Sünde oder Tugend!? Du allein bist groß undgut; alles andere aber ist nichts vor Dir; o Herr, der Du für Hunde, für Panther, Löwen, Hyänen und Tiger sorgest, das da böse Thiere sind, so sorge denn auch für uns, wenigstens nach dem Maße, wie für diese Thiere!"

08. Ich winke hier dem Robert zu kommen mit Wein und Brod, Bruno schaut ganz erstaunt dem Robert entgegen; weiß aber noch nicht, was das bedeuten solle.

107. Kapitel. Himmlisches Gnadenmahl. Liebeswetteifer der Neugewonnenen. Bruno wird zur höchsten Prüfung in der Feindesliebe berufen.

01. Robert legt vor Mir das Brod auf den Tisch hin, und stellet ebenso neben dem Brode den Wein; verneigt sich dann, und geht auf seinen Platz. Ich aber nehme das Brod, und frage den Bruno, „ob er wohl wisse, was das sei?"

02. Spricht Bruno: „Herr! das ist Brod der Himmel, eine wahre Speise zum ewigen Leben, und zur Vergebung der Sünden! wohl dem, der es zu essen bekommt!"

03. Sage Ich: „Nun gut denn also! Weil du also glaubest und sprichst, so nehme es hin und esse davon, so viel du magst und kannst!"

04. Spricht Bruno: „Herr! es sind aber hier nebst mir noch neun und zwanzig, die noch hungriger sein dürften denn ich; o lasse es zu, daß ich von diesem Brode zuerst ihnen gebe nach ihrem Bedürfnisse, und am Ende dann erst ich mich sättige mit dem, was da übrig bleiben könnte?!"

05. Rede Ich: „Thue alles nach dem Verlangen deines Herzens!"

06. Da dankt Bruno Mir um das Brod mit Thränen im Auge, und theilt es bis aufs letzte Brodkorn unter die 29 aus, die es eben auch mit dem gerührtesten Herzen sogleich verzehren. Einer aber bemerket es, daß der Bruno sich ganz vergessen hat, tritt zu ihm hin, und sagt: „Aber lieber Freund Bruno! du hast ja bei der guten Theilung des Brodes dich ganz vergessen, und hast Alles, was der Herr nur dir gegeben hat, uns gegeben! ich habe von meinem Stücke noch nichts weggenommen; nimm es hin, und esse es; denn du bist nicht minder hungrig als ich."

07. Spricht Bruno: „Liebster Freund! behalte und esse, was ich dir durch des Herrn alleinige Gnade gegeben habe, und sehe nicht auf mich; denn ich habe mehr Freude, so ihr Alle gesättiget seid, als so ich hundertfach wäre gesättigt worden. Sorget euch nur um mich nicht! denn an der Seite dieses heiligen Gebers darf Einem um die Sättigung wohl ewig nimmer bange werden."

08. Bei diesem herrlichen Benehmen Brunos, wie auch seines Freundes, kommen allen Gästen die Thränen großer Freude, wie auch Mir selbst! Denn es giebt in allen Himmeln nichts Erhabeneres und Ergreifenderes, als wann ein armer und sehr hungriger Mann beim Anblicke seiner gleich armen und hungrigen Brüder seiner selbst gänzlich vergißt, und all das ihm Zugekommene an seine armen und hungrigen Brüder abgibt. Ein Solcher macht aber dadurch auch einen Riesenschritt — und das in's Centrum Meiner Liebe!

09. (Notabene! solches merket auch ihr auf der Erde besonders wohl, schreibet es euch in eure Herzen!)

10. Darauf nehme Ich den Wein und gebe ihn mit der Frage: „Was es sei?" dem Bruno.

11. Dieser spricht voll der dankbarsten Rührung: „O Herr! das ist ein köstlicher Wein aus Deiner Kelter, ja aus der heiligsten Kelter Deines göttlichen Vaterherzens! mit nie zu erlöschendem Danke und voll der höchsten Ehrfurcht wage ich ihn aus diesen Deinen heiligsten Vaterhänden zu nehmen, und so Du es erlaubest, ihn auch meinen armen durstigen Brüdern zukommen zu lassen?"

12. Sage Ich: „Ich habe es dir schon früher gesagt, daß es Mir vollends recht ist, was du nur immer nach dem edlen Drange deines Herzens thust. Siehe, der Wein ist nun dein; thue nun damit, was du willst!"

13. Bruno ganz gerührt, dankt Mir, und reicht den Wein sogleich seinen Brüdern und Freunden. Diese sagen und betheuern, davon nicht eher etwas zu nehmen, als bis er davon getrunken habe. Aber Bruno thut's nun einmal nicht anders, und so nehmen denn die Andern dankbarst den Wein, und trinken davon nach der Herzenslust. — Es bleibet aber auch vom Weine nichts übrig. Obschon aber Bruno nun noch voll Hungers und Durstes ist, so freuet er sich aber dennoch ganz immens, daß nun seine Brüder gestärket sind, und sogleich ein beßres Aussehen überkommen.(Am 1. Aug. 1849)

14. Rede Ich und sage: „Nun, mein geliebter Bruno, sage Mir! wie hat dir denn allhier doch Mein Brod, und wie Mein Wein geschmecket? Bist du nun stärker, als wie du früher warst?"

15. Spricht Bruno ganz beherzt: „Herr! ich habe nur einen Mund, einen Magen und ein Herz; die aber haben 29 Munde, eben so viel Mägen und Herzen, die Alle von meinem Herzen aus auch in meinem Magen und Munde zu Hause sind. Hätte ich das Brod und den Wein allein gegessen und getrunken, so wäre ich auch nur ganz einfach gesättigt und gestärkt worden, was mir eben nicht den größten Nutzen gebracht hätte; da aber an meiner Statt 29 gestärkt worden sind, die ich Alle wie ein zweites Ich in meinem Herzen trage, so bin ich dadurch nun nicht nur einfach, sondern in aller Wahrheit des Herzens 29fach gesättigt und gestärkt worden durch meine große Liebfreude an der Freude der 29 gesättigten und gestärkten armen Brüder und allerärmsten Schwestern! Und so kann ich auf Deine an mich gerichtete heilige Frage auch wahrlich nichts anderes antworten und sagen, als: daß Dein heiliges Himmelsbrod mir gar überaus wohl geschmecket, und der Wein sicher bestens gemundet hat, — Dir allein ewig Dank darum!"

16. Rede Ich: „Liebster Freund Bruno! siehe, du hast auf der Erde wohl recht oft, und sehr gröblich gesündiget! Aber weil du so viel der uneigennützigsten Liebe gegen deine Brüder in deinem Herzen fassest, so wird dir auch viel vergeben werden! Denn jedem Wohlthäter an seinen Brüdern und Schwestern wird hier Barmherzigkeit zukommen, indem er selbst Barmherzigkeit ausgeübet hat; und so denn auch dir, deiner Brüder wegen, und den Brüdern deinetwegen; denn da steht Einer für Alle, und Alle für Einen!

17. Aber es giebt da auch Wohlthäter auf der Welt, die gegen ein junges armes Mädchen sehr barmherzig sind, und suchen ihm nach allen ihren Kräften propter certam quoniam — aus einer Verlegenheit zu helfen! kommt aber eine alte und sehr mühselige Wittwe zu ihnen, so wird sie mit einer Predigt — und einem schlechten Kreuzer abgespeist, und ebenso auch ein alter armer mühseliger Bruder! Solchen barmherzigen Wohlthätern werde Ich sehr wenig Barmherzigkeit erweisen! Denn wer für seine Wohlthaten einen Genuß haben will, und wenn er den nicht haben kann, dann härteren Herzens ist denn ein Stein, der gehört zur Familie aller Teufel! denn auch die Teufel thun Denen Gutes, von Denen sie irgend einen angenehmen Vortheil zu erwarten haben.

18. Du aber hast hier nicht also gehandelt, und übtest Barmherzigkeit aus, hinter der keine unlautere Absicht zu erschauen war, und sollst daher auch bei Mir die höchste Erbarmung wieder finden. Aber bevor ich dir diese im verheißenen Vollmaße werde angedeihen lassen, wirst du mir noch eine Probe deines Herzens ablegen müssen. Wirst du auch diese bestehen, dann soll dir aber auch sogleich Meine Gnade und Erbarmung im vollsten Maße zu theil werden!

19. Da gegen Abend hin ersiehst du eine Thüre, die halb geöffnet ist. Gehe dahin! in selbem Gemache wirst du lauter solche Menschen finden, die auf der Welt deine ärgsten Feinde waren! Suche sie zu gewinnen, und bringe sie zu Mir, so wirst du dann vollkommen sein vor Mir! Denn wer nur seinen Freunden Gutes thut, der hat noch lange nicht alles gethan, auf daß er dann vor Mir sagen könnte: Herr! ich war dennoch ein unnützer Knecht! Wer aber das nicht sagen kann, der ist Meiner wohl noch lange nicht werth! Gehe daher hin, und handle nach Meinen Worten!"

20. Spricht Bruno: „O Herr! Dein heiliger Wille geschehe! Sei was es sei, Dein Wille ist mein Leben, mein Heil und meine höchste Wonne. O wie süß ist es, zu handeln im heiligen Hause des wahren, ewigen, allmächtigen Vaters! — O ihr meine Feinde alle, ihr Brüder, die ihr an und in mir einen Bruder, der euch liebte, hart verkannt habt! — im Namen meines und eures Gottes, Herrn und Vaters komme ich zu euch, um euch zu segnen, und Gutes zu thun, und dadurch auch für ewig zu vergessen jede Unbild, die ihr mir je erwiesen habt!

21. O Gott, o Gott! welch eine Wonne erfüllet nun mein Herz, das sich nun stark genug findet, sich zu demüthigen vor seinen Feinden, vor seinen hochmüthigen und selbstsüchtigen Verächtern! Dunkel ahne ich's nun, was Dein heiliges Vaterherz damals im Angesichte Deiner argen Feinde muß empfunden haben, als Du in Dir Selbst zum Vater riefst: Vater! vergebe ihnen! denn sie wissen nicht, was sie thun! — O Größe, Größe, heilige endloseste Größe! deren nur ein Gottesherz fähig ist!

22. Wahrlich, es ist schön, ja erhebend wunderbar schön, so ein Bruder dem Bruder hilft, und schöner noch ist es, so er ihm hilft, ohne je an ein Entgelt zu denken; aber Höheres und Größeres faßt kein Himmel, als zu segnen die uns fluchen, und wohlzuthun denen, die uns gehasset, verachtet und schädlich verfolget haben!

23. Daher hin, hin, hin, zu meinen Feinden hin! — denn Diese sind wie berufen, mein Herz zu vollenden vor Gott!" — Mit solchen seltenen erhebenden Worten stürzt Bruno zu der bezeichneten Thüre hin.

108. Kapitel. Der Held der Liebe von Feinden umringt. Börsenleute im Jenseits. Die Liebe Christi überwindet alles. Großer Seelenfang.

01. Als er aber in das Gemach seiner Feinde eingehen will, da stellen sich sogleich Mehrere vor die Thüre und sagen mit zornerregter Stimme: „Zurück, Elender! Was haben wir hier mit dir zu thun!? Warst uns doch stets widerwärtiger als der Tod, und ein Gegenstand unseres Hasses und unserer tiefsten Verachtung; was sollen wir denn nun mit dir hier in der Hölle? — Zu allen Teufeln mit dir, du elendste Menschenbestie!"

02. Spricht ganz beherzt Bruno: „Liebe Freunde! Was wohl habe ich euch denn je gethan, darum ihr mir gar so entsetzlich gehässig seid?! Ich will ja Alles thun, was ihr nur immer von mir verlanget nach Recht und Billigkeit, damit ihr mir nur wieder gut werden möchtet?!"

03. Schreien die in der Thüre: „Du elende Menschenbestie kannst nichts thun, um uns eine bessre Meinung von dir anzubinden, und wir brauchen auch nichts von dir, außer — daß du uns verlässest! denn deine Gestalt widert uns mehr als die unterste Hölle an; — ein Teufel ist ein Gott gegen dir! Und so weiche gutwillig von uns, sonst zerreißen wir dich in Stücke!"

04. Spricht Bruno: „Wenn euch das mit mir aussöhnen kann, so lasse ich mich gerne kreuzigen von euch! aber nur versprechen müßt ihr mir, daß ihr dann keinen Groll mehr auf mich habt!"

05. Sprechen die Wütheriche: „Glaubst du denn, daß uns das zur Ehre gereichen würde, so wir unsere Ehrenhände an den Leib eines Schandbuben legeten?! Wir — und dich kreuzigen, das wäre doch eine barste Schande für uns! höchstens dich niederschlagen wie einen allerschäbigsten Hund, und das nur so im Vorbeigehen, das könnten wir dir anstandshalber aus ganz besonders menschlichen Rücksichten thun, wenn wir gerade gut gelaunt wären! Aber mit dir uns eine größere und mehr Aufsehen erregende Mühe zu nehmen wäre wahrlich unehrsam, kleinlich und lächerlich von uns! Fahre daher ab, und ärgere uns nicht länger durch deine scheußliche Gegenwart!"

06. Spricht Bruno: „Aber schätzbarste Freunde! ich muß es euch nun offen gestehen, daß es mir leider nur zu bekannt ist, daß ihr mich auf der Welt allzeit gehaßt und wie und wo nur immer möglich verfolget habt; wie sehr ich aber auch immer mich bemühet habe, davon auf den Grund zu kommen, so war es aber dennoch allzeit vergeblich! Ihr verfolgtet mich blos nur, weil ich euch nicht zu Gesichte stand. — Hier auf dieser Welt aber haben wir doch Alle unsere Gesichter sehr stark verändert. Ich denke nun ganz anders, als wie ich je auf der Erde gedacht habe, und bin auch ein ganz anderer Mensch geworden; dasselbe dürfte denn doch auch mit euch der Fall sein?!

07. Saget mir doch, was ich denn auf der Welt doch gegen euch verbrochen habe? — Ich bin jetzt wahrlich in der Lage, euch Allen das tausendfach zu ersetzen, was immer ich euch irgend — wenn schon mir unbewußt — schulde; nur vergebet es mir, und werdet freundlicher gegen mich, als ihr es bis jetzt waret! — welches Vergnügen kann es euch wohl gewähren, so ihr mich als einen armen Teufel hasset?! ich prätendire keineswegs eure Freundschaft; denn das wäre von euch als meinen erklärten Feinden gegenüber wohl zu viel verlangt! aber darum darf ich euch ja dennoch bitten, daß ihr von eurer deklarirten Feindschaft gegen mich abstehet, und das um so leichter, indem ihr mich ohnehin für zu gering haltet, daß ich von euch würdiger Maßen könnte gekreuziget werden?!"

08. Sprechen die Wütheriche: „Was nützt da dein Reden und dummes Protzmaulen! Du bist einmal ein Sch..kerl, und bleibst das auch in alle Ewigkeit! Ins Gesicht thust du, als wärest du der rarste und biederste Mensch; hintendrein aber bist du dann ein Luder aller Luder, und ist dir niemals zu trauen! Weißt du, wie du mit uns auf der Börse gehandelt hast?! Du sahst nichts als ein fortwährendes Sinken, schrecktest uns die Aktien heraus, und kauftest sie dann selbst! O Lump! stelle dich nur nicht so unschuldig, wir kennen dich! Fallen etwa auch hier die Kurse, weil du nun gar so sehr unsere Freundschaft suchst?!"

09. Spr. Bruno: „Ah! da steckt es also?! O Freunde! wenn euer Groll auf mich von da herrührt, da hoffe ich, daß wir mit einander ehestens die besten Freunde werden; denn da kann ich euch im Voraus die treueste und wahrste Versicherung geben, daß ihr mit eurem Hasse gegen mich rein auf dem aller—chinesischesten Holzwege seid! Sehet! fürs erste konnte ich doch eben so wenig wie ihr im Voraus bestimmen, ob die Kurse steigen oder fallen werden, und für's zweite könnet ihr mir ewig nicht beweisen, ob ich eben diejenigen Aktien aufkaufte, die ihr mit Verlust an die Bank zurück verkauftet; ich kaufte, weil ich Geld hatte, und ihr verkauftet, weil euch's Geld ausgegangen ist! Ich habe euch doch bei Gott nicht und nie gefragt, wie es mit dem Kurse stünde; aber ihr umlagertet mich auf der Börse nahe an einem jeden Tage, und fielet mir mit euren stets gleichen Fragen oft zum Eckel lästig! Was habe ich davon denn wohl für Vortheile haben oder ziehen können? — O sehet, wie seicht euer Groll auf mich basirt ist? Habe ich euch doch nie weder zum Kaufe, und eben so wenig zum Verkaufe genöthigt; daß ich euch aber allzeit, so viel es auf einer Börse nur möglich ist, immer die Wahrheit über den besonders in Kriegszeiten sehr schwankenden Kursstand benachrichtigte, so ihr mich darum fragtet, das habt ihr ja selbst bei dem täglich neuen Kursrufe auf das eklatanteste ersehen können! Wer aber müßigte euch, eure Papiere beim niedersten Kursstande zu verkaufen, und beim höhern zu kaufen?! ich sicher nicht, und tausend Andere auch nicht! Ihr waret selbst so thöricht, und kamet dadurch unter die Scheibe! Aber euch selbst wolltet ihr solche Dummheit nicht zumuthen, weil ihr euch für zu spekulationsweise hieltet. Habt ihr aber dann an euch selbst eine derbste Spekulationssünde begangen, so wälztet ihr dann die Schuld auf den nächsten Besten, der in seiner Spekulation irgend klüger war, als ihr! Fraget euch aber nun in dieser Geisterwelt doch einmal ganz ernst, ob solch euer Haß — besonders gegen mich — doch nur wenigstens einen Scheingrund für sich hat? Lasset euch doch nicht auslachen! Was konnten mich eure, und euch meine Papiere geniren? Ich kaufte, ihr auch, so es euch räthlich dünkte; oder ihr verkauftet, und ich kaufte! das ist doch etwas ganz Natürliches! Woher dann euer Groll auf mich?! Falsche Gerüchte aber habe ich nie ausgestreut, und mich auch nie einer Illusions—Laterne bedient!"

10. „Gut!" sagt Einer aus der Haßgesellschaft, „du hast richtig also gehandelt, wie du es nun vor uns Allen durchs Wort wiedergegeben hast; aber das kann unsern Groll, Grimm und Haß gegen dich nicht vermindern, weil du auf der Welt, was wir Alle erst hier so recht radikal einsehen, stets anders dachtest, als wie der Sinn deiner süßen Worte lautete; sagtest du schwarz, so war es sicher weiß; und sagtest du weiß, da war es schon ganz sicher schwarz. Hättest du in der Börsenspekulationssache durchaus keine Vorsichtskenntnisse, so hättest du doch unmöglich, und das aber allzeit, so sicher, wie nur etwas sicher sein kann, schwarz für weiß, und so auch umgekehrt prognostiziren können. Siehe, wir Alle fragten dich nicht, um von dir von der Stirne weg die Wahrheit zu erfahren, sondern gerade das Gegentheil; und das Gegentheil war dann die volle Wahrheit. Aber das merkte dein tückevollster Scharfsinn doch nicht, daß wir deine Aussagen verkehrt benützten, und dadurch sicher zu deinem geheimen großen Aerger einen 50 pfündigen Huchen aus dem Strome der Papierspekulation zogen. Daß es uns gerade nicht allzeit glückte, das bringt des Spieles Laune mit sich; aber hätten wir allzeit nach deiner Aussage gehandelt, da hätten wir sicher in kürzester Frist alles verludert, was wir hatten! Sieh', also steht es, und von daher datirt sich auch unser gerechter Haß gegen dich! — Erweise uns aber das Gegentheil, so wollen wir dich sogar um Vergebung bitten, und deine besten Freunde sein."

11. Spricht Bruno: „Gut, ich nehme euch beim Worte. Beantwortet mir aber zum Voraus einige Fragen. Frage Nro. 1: War ich auf der Börse mehr als ihr, etwa so ein Direktor, Buchhalter, Kassier oder Sekretär, oder ein Rechtskonsulent, oder sonst was dergleichen?" — Sagen die Grolligen: „Nein, du warst wie wir blos nur ein Intressent!"

12. Spricht Bruno: „Gut, Frage Nro. 2: Wer auf der Börse ist denn so ganz eigentlich in alle die finanziellen Geheimnisse eingeweiht? Antwort: Die Bank— und Börsenamtsleute. — Gut; Frage Nro. 3: Werden die vielen Bank— und Börseintressenten von den unterrichteten Amtsleitern wohl allzeit mit der Wahrheit abgefertigt? Antwort: Nein, wenn es etwas schief gehet, so erfährt man schon gar nie die Wahrheit. — Gut; Frage Nro. 4: So aber bei solchen zweifelhaften Gelegenheiten schon Niemand aus der Intressentenmitte zur Wahrheit gelangen kann, wie und wodurch hätte denn da ich zur Wahrheit gelangen sollen? Antwort: O gar leicht! auf dem Wege der Bestechung kann ein Lump hinter so manches kommen, was einem ehrlichen Kerl verborgen bleibt! — Gut! Ex cantu cognoscitur avis! Aus dem Gesange erkennt man den Vogel; oder wie der Schelm so der Helm. Bringet mir alle Bank— und Börsebeamten her und sie sollen reden, ob ich je aber auch nur den Geringsten mit einem Heller wegen Verrath eines Bankgeheimnisses bestochen habe? aber von euch wohl sprach die sogenannte böse Welt, daß ihr bei einer sehr kritischen Gelegenheit einem Eingeweihten einen heimlichen, 1000 Dukaten schweren Rippenstoß sollet versetzt haben, auf daß er euch eine kleine Vorenthüllung gäbe, wie die Sachen sich gestalten dürften, worauf ihr dann aber auch schon am nächsten Tage eure fast sämtlichen Papiere mit einem bedeutenden Verluste gegen klingende Münzen umtauschtet, und mit denselben dann in's Ausland einen geheimen Handel unternommen habt, und dadurch zum zweiten Male eingegangen seid. Saget, habe da auch ich durch mein Scwarz für Weiß euch dazu bewogen?"

13. Hier stutzen die Groller, und wissen nicht, was sie darauf erwidern sollen. Aber Bruno spricht weiter und sagt: „Freunde! habe ich euch etwa auch dazu den Rath ertheilet, daß ihr in Gesellschaft 30,000 fl. c. m. in Zwanzigern in einem Keller habt einmauern lassen? Als aber dann in Wien das liebe Standrecht publizirt worden ist, und die strengen Hausuntersuchungen angeordnet wurden, und im verhängnißvollen Keller die guten Croati die hohlklingende Mauerstelle aufbrachen, um etwa verborgene Waffen zu entdecken, aber statt den Waffen den für sie noch erfreulicheren Fund von baaren 30,000 fl. c. m. fanden, und ihn bis auf den letzten Groschen in den sichern Empfang nahmen? Ich meine, dazu hat wohl mein Schwarz für Weiß keinen Beitrag gemacht. Ihr waret, kurz gesagt, allzeit selbst die Schuld an euren Verlusten; ihr haltet euch aber noch immer für kluge Spekulanten, und meinet im höchsten Grade irrig: Ich sei in eure Spekulationsgeheimnisse eingeweiht gewesen, und habe an euch einen Verräther gemacht? Wie aber wäre so was doch möglich, da ich außer auf der Börse euch wohl nie mit meiner Gegenwart belästiget habe, wie auch auf der Börse nie, außer ihr fielet wie ein Schwarm Moskitos über mich her?! Ich trage an allem eurem Unglücke nicht die geringste Schuld, dessen könnet ihr vollends versichert sein; Gott ist mein Zeuge. Meinet ihr aber noch, daß ich euch unglücklich gemacht, so beweiset es mir vor Gott! und ich will alles thun, um meine Schuld an euch 100 fach abzubüßen. Redet nun, wie euch diese Sache vorkommt."

14. Sagt darauf Einer nach einem etwas längeren Nachdenken: „Die Sache verhält sich allerdings also, wie du sie nun uns Allen dargethan hast; aber so du daran denn schon durchaus nicht betheiligt gewesen sein solltest, da begreifen wir aber dennoch nicht, wie du zu dieser genauen Kunde und Evidenz unserer Verhältnisse gekommen bist! Hättest du an unseren höchst mißlichen Lebensverhältnissen durchaus keinen intressirten Antheil, wie wohl könnten sie dir dergestalt bekannt sein, als hättest du sie selbst angeordnet und geleitet? Es werden in Wien wohl noch eine Menge solch höchst unangenehmer Vorkommnisse stattgefunden haben, wie da die unsrigen waren, sage, sind sie dir ebenso bekannt, wie die unsrigen?"

15. Spricht Bruno: „Alle sicher nicht, aber gar viele gewiß, ohne daß ich an ihnen eben mehr oder weniger einen Theil hatte, als an den eurigen. Wußtet ihr doch auch allzeit, wer vom Gerichte eingezogen wurde, und warum? ohne darum irgend elende Denunzianten an den Gerichtsbetheiligten zu sein; warum solle dann ich es nicht auch in eine Erfahrung gebracht haben können, wie es euch ergangen ist in der Zeit der großen Trübsal, da ihr mir von der Börse aus nur zu wohl bekannt waret, ohne an euch einen schändlichen Denunzianten gemacht zu haben? gebet ihr mir nun darüber eine genügende Rede und Antwort, und erweiset es mir, daß derjenige, der wie zufällig vom Unglücke seiner Bekannten Kunde erhält, auch am selben darum eine Schuld haben müsse. Zeiget es mir, in welchem Gesetze das als ein kulpatives Verbrechen ausgeführt ist?"

16. Die Groller stutzen nun, und wissen nicht, was sie thun sollen? Eine gute Rede fällt ihnen nicht ein, und mit einer seichten trauen sie nicht mehr aufzutreten. Ebenso steht es auch mit ihrem Zorne, Hasse und Grimme; sie möchten noch sehr gerne weiterhin nahe unversöhnlich zornig verbleiben; aber sie haben dazu bei weiserer Ueberlegung nun allen Grund verloren, und mit diesem verliert sich denn endlich doch auch der Zorn. So stehen sie nun ohne Grund zum Zorne, und somit ohne Zorn vor Bruno, und ärgern sich nun über sich selbst, da sie nun keinen Zorn, Haß und Groll auf den Bruno haben können.

17. Nach einer ziemlichen Weile tritt Einer hervor und spricht: „Dumm, dumm, dumm ist das, ja ganz verzweifelt dumm, daß wir dir nun nichts vernünftig Geltendes mehr entgegen stellen können, und müssen daher nothgedrungen von unserem Zorne gegen dich rein abstehen. Wie gerne hätten wir dich so aus dem Salze durchgeprügelt, wann wir dir nur wenigstens eine scheinbare Schuld hätten andichten können! Aber du bist ein zu gescheidtes Luder, daß man dir nicht an den Leib kommen kann, und so müssen wir nolens volens dir obendrauf noch sogar Freunde werden; das bringt wirklich alles Vieh auf der ganzen Erde auf einmal um. Aber was willst du denn nun ferners noch mit uns? Was sollen wir nun thun?"

18. Spricht Bruno: „Freunde! sehet ihr nicht in diesem großen Saale den großen Rathstisch, und Alle, die um denselben versammelt sitzen, und einen mächtigsten Rath gleich über die ganze Unendlichkeit halten?"

19. Spricht der Redner: „Wir sehen gottlob nichts, auch keinen Saal und keinen Rathstisch; nur diese wahrhaftigste Kneipe, die voll Dunkelheit ist, sehen wir, und dich auch; ob sie aber irgend einen Ausgang hat, das sehen und wissen wir nicht.Wasaber willstdu mit deiner für uns wahrlich unsinnigsten Frage?"

20. Spricht Bruno: „Ich will damit nichts anderes, als euch zu dem Herrn und Heilande Jesus hinführen, damit Er euch reinige, und darauf für ewig wahrhaft glückselig mache! aus welchem Grunde ich einzig und allein von eben diesem Herrn und Heilande Jesus an euch abgesandt wurde. Ob ihr Ihn nun sehet oder nicht sehet, so folget mir aber dennoch liebewillig dahin, wohin ich vor euch hingehen werde. Am rechten Orte und an der rechten Stelle wird euch schon ein rechtes Augenlicht werden!"

21. Spricht der Redner: „Das wird etwas hart hergehen; denn für's Erste besitzest du unser Zutrauen noch lange nicht in dem Maße,daß wir dir nun gleich so blindlings folgen sollten, als wärest du uns ein schon Gott weiß wie lange und mächtig erprobter Freund gewesen, und für's Zweite sind wir Neukatholiken, die wohl wissen, was sie von dem Juden Jesus zu halten haben, und sind nicht so dumm wie manche Andere, die Ihn sogar zu einem Gotte gemacht haben, wie einst die Griechen ihren Herkules, und noch andere Helden aus der grauen Urzeit! Daher mußt du dir zu unserem Besten schon etwas Klügeres und deßhalb Annehmbareres ausdenken, so es dir ernst sein solle, uns am Gängelbande herumzuführen."

22. Spr. Bruno: „Freunde! da könnte ich wohl eine Ewigkeit nachdenken, und mir würde dennoch nichts Klügeres beifallen. Der römisch—katholische Glaube ist zwar wohl unendlich dumm, albern und seicht in gar vielen Stücken; aber der neukatholische ist es noch um ganze 1000 Male blinder und dummer. Leugnet er nicht das Leben der Seele nach dem Tode? und doch lebet ihr nun nach dem Tode eures Leibes fort. Dieser Umstand beweiset ja schon mehr als zur Uebergenüge, welch Geisteskind der Neukatholizismus ist. Ferner leugnet er nicht nur die evidenteste Gottheit Christi, sondern à la Strauß und Hegel jede Gottheit ganz beim Butzen und Stengel weg; wer aber kann solch einer verdammlichen Lehre anhangen, besonders hier in der ewigen Geisterwelt, die hinsichtlich des Fortlebens der Seele gegen eure nun doch sicher lebendigste Ueberzeugung einen gar so ungeheuren Fehlschuß gemacht hat. Eine Lehre aber, die einen so ungeheuren Fehlschuß gemacht hat, wird doch in allen ihren noch handgreiflichen, aus der Moderluft der barsten Selbstsucht gegriffenen Prinzipien nicht glaubwürdiger sein, als in ihrer schnödesten Annahme der Sterblichkeit der menschlichen Seele! — Ist aber bei einer Lehre ein Hauptlehrsatz grundfalsch, so können die andern davon mehr oder weniger abgeleiteten Sätze und Theoreme doch unmöglich anders, als ebenfalls grundfalsch sein. Werfet daher eure ganze neukatholische Lehre zum Plunder, und folget mir, wohin ich euch führen will; ich stehe euch dafür, daß es mit euch in Kürze besser gehen werde!"

23. Spricht der Redner: „Freund, du bist ein ganz verteufelt gescheiter Kerl! man muß dir recht geben, will man es, oder will man es nicht; denn du redest wie ein gedrucktes Buch. Aufrichtig gesagt, es thut mir nun recht von Herzen leid, daß wir Alle dir früher so hart und beleidigend entgegen gekommen sind. Aber ich hoffe, du wirst uns das wohl vergeben können, besonders wenn du bedenkest, wie wir zu allen unseren Zeiten mit der barsten Finsterniß in allem von der Geburt an geschlagen worden sind. Bedenke, wie in Wien alles so bestellet war, Pfaff und Beamte, die arme Menschheit in des Geistes dickste Nacht zu versenken, sie einzuschläfern durch zotige Komödien, Bälle, geduldete Hurerei u. d. m. Unter solchen allen Geist tödtenden Auspizien war es ja doch unmöglich, sich in ein reineres Wissen emporzuschwingen. Wie wir aber erzogen wurden, so sind wir noch, nehmlich: blind, taub und stumm an der Seele und am Geiste, und können daher das Schwarz vom Weiß kaum unterscheiden. Habe daher Nachsicht und Geduld mit uns, und führe uns denn in Gottes Namen irgend wohin, wo wir doch etwas mehr Licht bekommen werden, als es bis jetzt der Fall war."

24. Spricht Bruno: „Ganz wohl und gut; daß ich mit dem geduldigsten und zornlosesten Herzen zu euch hiehergekommen bin, das brauche ich euch nun hoffentlich wohl nicht mehr zu beweisen; denn mein ganzes Benehmen gegen euch ist dafür ein sprechendster Beweis. Ich habe euch alles vergeben, und bin nun wie allzeit euer Freund in aller Wahrheit; und so glaube ich denn nun auch, daß da zwischen uns nun kein Hinderniß mehr obwalten dürfte, das uns beirrte, jenen Weg einzuschlagen, auf dem ganz allein es möglich ist, hier in dieser Welt sich in einen solchen Lebenszustand für ewig zu versetzen, in welchem es dem Bedürfnisse der Seele und des Geistes gemäß möglichst selig zu bestehen ist. Fasset sonach Muth und einen festen Willen, und folget mir! Alles Uebrige aber erwartet getrost von Dem, Der allein helfen kann, mir schon geholfen hat, wie vielen meinen anderen Freunden, und also auch euch sicherst helfen wird; denn nicht umsonst hat Er mich an euch abgesandt. So viel eurer auch sind, ob 100 oder 1000, das ist gleich; folget mir Alle, und es solle euch Allen geholfen werden."

25. Sprechen nun alle die Vordern: „Wir, die wir uns von der Börse her kennen, sind unser nur etliche Zwanzig; aber hinter uns giebt es dir eine nahe unzählige Menge lauter allergemeinstes Gesindel, ob diese dir auch folgen werden? das ist eine ganz andere Frage! möglich, aber sehr wenig wahrscheinlich, denn die sind zu tief in der Nacht zurück. Versuche es! — uns ist das ein Gleiches, ob sie mitziehen oder nicht.

26. Sagen die vielen Hintergründler: „Gar so dumm, wie die Herren da vorne meinen, sind wir nicht. Daher, nichts für ungut, ihr Herren, werden wir denn auch so frei sein, euch als eine wahre Tausendgesellschaft zu begleiten. Denn der euch helfen wird, der wird sicher auch uns nicht zur Thüre hinausweisen. Verstehet ihr das? — Also denn auf gut Glück zur Ehre Gottes nur aufgebrochen!"

109. Kapitel. Gute Eintracht unter den Wahrheitshungrigen. Das Heer von Weltblinden kommt vor Jesus. Brunos Lebensgeschichte.

01. Sagen darauf die ehemaligen Groller: „O unsertwegen habt ihr euch gar nicht zu genieren; hier in dieser Welt hat ja ohnehin jeder Standesunterschied vollends aufgehört, und Platz werden wir im unendlichen Raume hoffentlich auch haben. Und so könnet ihr, ohne darum eigne Worte zu machen, mit uns ganz unbeirrt und ungeniert dorthin ziehen, wohin uns der Freund Bruno führen will!"

02. Sagt darauf Einer aus dem großen Hintergrundshaufen: „So ist's recht, so ein Wort lassen wir uns gefallen! Vor Gott ist alles gleich, Fürst und Bettler, Wolf und Lamm; aber der Fürst darf nicht über den Bettler hinweg blicken, und der Wolf darf nimmer nach dem Blute des Lammes gieren. Sind wir unter uns quitt, so werden wir es auch vor Gott und mit Gott sein. Denn Seinetwegen hat Er uns keine Gesetze gegeben, wohl aber unser selbst wegen; tragen wir aber auf unsern gegenseitigen Schuldtafeln keine gegenseitig obligaten Noten, so werden wir sicher auch im großen Buche des Lebens im großen Ordnungsbureau Gottes keine finden. Sollt ihr irgend gegen uns was haben, so löschet es für ewig von der Schuldtafel, gleichwie wir Alles vollends gelöscht haben, was immer wir auf unsern Vormerktafeln gefunden haben!"

03. Spricht der eine Redner des Vorgrunds: „Schön, sehr schön von euch! Was ihr thatet, das thaten auch wir; und somit sind wir nun Freunde und Brüder und Schwestern! Aber nun winkt uns der Freund Bruno, ihm zu folgen, und so wollen wir diese unsere Privat—Unterredungen aufheben, und ganz stumm dem Freunde Bruno folgen."

04. Auf diese Worte erheben sich Alle, und folgen dem Bruno geradewegs dahin, wohin er ganz heitern Muthes voranzieht.

05. In wenig Augenblicken mit der ganzen großen Karawane bei Mir angelangt sagt Bruno: „Herr! da wären sie Alle, die jenes trübe Gemach gefangen hielt; ich habe schlechtweg meinen Auftrag erfüllet; nun geschehe, o Herr, mit ihnen ohne mich, Dein heiliger und ewig bester Wille! Blind sind sie Alle; gebe ihnen daher das Licht, daß sie Dich sehen mögen, wie ich Dich nun sehe, in aller Deiner Milde und Vaterliebe!"

06. Sagt Einer aus der Gesellschaft: „Freund Bruno! sind wir denn schon am Ziele unserer kurzen Wanderschaft? Und mit Wem hast denn du nun so in die Geisterluft hineingeredet?" — Spricht Bruno: „Wir sind nun vollkommen am Ziele, und Der, zu Dem ich nun geredet habe, ist der Herr, Gott Jehova, Jesus Zebaoth. Bittet Ihn um Licht, wie ich Ihn schon gebeten habe, so wird euch dann auch sogleich Licht werden; und ihr werdet Ihn dann eben so sehen können, wie ich Ihn nun sehe!"

07. Spricht ein Anderer aus der Gesellschaft: „Sage uns doch, ob wir uns nicht in dem großen Saale befinden, da wir früher waren, und nachher aber wegen unserer Arroganz und Impertinenz in jenes finstre Loch getrieben worden sind, und zwar von dem nie zu höflich gewesenen Sachsen Robert Blum, so wir uns nicht irren?"

08. Spricht Bruno: „Ja im selben Saale befindet ihr euch! und der Brd. Robert ist nicht ferne von euch." — Spricht der Redner: „Da war ja auch, wie wir uns so ganz leise erinnern, der Herr Jesus, an den wir aber damals nicht glaubten, zugegen, und hatte viel zu thun mit der Kukuk—scheckichten Lerchenfelder Leanerl. Damals sahen wir Ihn und die Leanerl auch; warum können wir Ihn denn jetzt nicht sehen, wie auch die Leanerl nicht?"

09. Spricht Bruno: „Der Grund liegt ganz einfach darinnen, daß ihr zu grob sinnlich geworden seid; aus solcher groben Sinnlichkeit aber läßt sich durchaus nichts Geistiges schauen, wahrnehmen und begreifen, wie ich solches aus der eigenen Erfahrung weiß sowohl aus der Periode meines irdischen, wie nun aus den verschiedenen Zuständen dieses meines geistigen Lebens.

10. Als ich auf der Erde noch als ein recht zarter und gottesfürchtiger Knabe mich im Hause meiner recht frommen Eltern aufhielt, da hatte ich allerlei recht herrliche Gesichte; ja es war mir manchmal, so ich mein Morgen— oder Abendgebet verrichtete, als umschwebeten mich Engelsgestalten, die mich stärkten, und in meiner Brust so sehr ein himmlisches Gefühl erweckten, daß es mir dabei gar nicht selten also vorkam, als befände ich mich schon wirklich in irgend einem Eden Gottes. Also hatte ich auch in dieser meiner irdisch frommen Lebensperiode oft so wunderbar herrliche und nicht selten sehr bedeutungsreiche Träume, daß sich dieselben mein irdischer Vater nach meiner Erzählung nahe allzeit von Wort zu Wort in ein ganz eigenes Protokoll aufzeichnete, und daraus so manche moralische Deduktionen machte, ja manchmal sogar daraus kommende Ereignisse für den Kreis unserer ziemlich starken Verwandtschaft weissagte. Als ich aber nachher als ein erwachsener Jüngling aus dem väterlichen Hause kam, und stets mehr und mehr Geschmack an der Welt fand, da war es dann mit meinen himmlischen Gesichten auch bald gar; meine lustigen Freunde disputierten mir alles bei Butzen und Stengel weg, und machten mir meine Jugend lächerlich und fad, so daß ich mich am Ende derselben förmlich zu schämen anfing; und so ging ich mit Riesenschritten in die lustige Welt über, ward am Ende ganz grob materiell sinnlich, und hatte von allen meinen herrlichen Knabengesichten kaum noch eine Erinnerung. Erst in meiner letzten Zeit bekam ich manchmal gewisse Mahnungen, die ich aber leider auch nicht eher würdigte, als bis es wahrhaftigst zu spät war. Nun erst sehe ich alles ein, wie alle diese Geschichten an mir sich bethätigt haben und warum? Aber hier läßt sich daraus freilich sehr wenig, oder auch wohl gar nichts mehr machen; denn hier kommt es nun blos darauf an, welche Beschaffenheit das arme Herz der Seele anzunehmen noch irgend eine schwache Fähigkeit besitzt. Ist dasselbe noch einer reinern Erkenntniß und eines bessern Willens fähig, so ist es wohl für uns; ist aber das Herz ein Luder, wie man zu sagen pflegt, so ist alles dann ein Luder. Aus dieser meiner getreuesten Beschreibung meines eigenen miserablen Lebens, wie es sich entwickelte und gestaltete, könnet ihr Alle nun überdeutlich abnehmen, woher es so ganz eigentlich kommt, daß ihr hier in geistlicher Hinsicht vollends blind noch seid; wendet euch aber nun vollernstlich an den Herrn Jesum in euren Herzen, und bittet Ihn allein um das rechte Licht, und es wird, und es muß euch Licht werden!"

11. Die ganze große Gesellschaft fängt nun sehr darüber nachzudenken an, und Viele fangen an, ihre Hände an ihre Brust und an ihr Herz zu legen.

110. Kapitel. Jesus über Seelenfischfang. Brot, Wein und himmlische Bekleidung als stärkende und erbauende Gnadengaben.

01. Ich aber sage zum Bruno: „Mein lieber Bruno, du bist wahrlich ein guter Fischer, denn mit einem Zuge hast du Mir ein volles Netz gebracht, und das ist eine wahre Meisterschaft, die ihres guten Lohnes werth ist in allem Vollmaße. Es wird sich nun freilich erst zeigen, so wir diese Fische aus dem Netze heben werden, ob nicht mehrere darunter sind, die ausgeschieden und wieder zurück ins Meer geworfen werden müssen ob ihrer etwa doch zu großen Magerkeit; aber das macht auf dein Verdienst vor Mir keinen etwa weniger verdienstlichen Eindruck; denn die Sonderung ist allein Meine Sache, während dir als einem von Mir ausgesandten Fischer allein nur das Fangen der Fische obliegt. Jeder Fischer aber hat schon alles gethan, so er sein Netz voll gefüllet, und hat nicht darauf zu sehen, ob die Fische gut oder schlecht seien; Ich aber als der Herr kann dann erst bestimmen, welche Fische Mir taugen, und welche Mir nicht taugen!

02. Gehe du aber nun zum Robert hin; er wird dir geben eine rechte Stärkung, bestehend aus Brot und Wein, und ein dir geziemendes Ehrengewand."

03. Spricht Bruno: „O Herr! ich bin wohl kaum deiner allergeringsten Gnade werth; wie solle, wie könnte ich von Dir dann solch eine allergrößte und höchste annehmen!? — Herr! — was du mir zu viel thun willst, das thue lieber diesen armen Fischlein, die vor Dir etwa doch zu mager aus dem Netze dürften gehoben werden; mich aber belasse, wie ich nun bin; denn wahrlich, in Deiner heiligen Nähe bin ich weder hungrig noch durstig, und Dein Wort ist mir das allerkostbarste Ehrengewand!"

04. Rede Ich: „Mir gefällt deine große Demuth und deine ebenso große Nüchternheit über die Maßen wohl; aber wegen eben dieses Meines großen Wohlgefallens an dir mußt du schon auch das thun, was ich dir nun anbefohlen habe. Siehe, auch Mein Petrus wollte es einst nicht zugeben, daß Ich ihm die Füße waschen möchte; als ihm aber von Mir der Grund gezeiget wurde, da wollte er am ganzen Leibe dann gewaschen werden, was aber auch wieder zu viel gewesen wäre; Ich gab ihm aber dann den vollen Grund zu verstehen, und er ließ sich darauf nur die Füße waschen. Und siehe, also ist es nun auch hier mit dir der Fall. Du mußt darum zuerst mit Brot und Wein gestärket, und durch das himmlische Ehrenkleid geläutert werden, auf daß dann aus deiner Sfäre heraus diese deine Fischlein können erleuchtet, gestärket und wahrhaft belebet werden. Wärest du aber zuvor nicht dazu eingerichtet, so könnte es auch mit diesen deinen hierhergebrachten Fischlein durchaus nicht vorwärts kommen. Den Grund davon wirst Du erst später vollkommen einsehen. Gehe daher, und thue, wie Ich es dir ehedem angerathen habe, und es wird darauf mit dem Auslösen dieser Fische sogleich gut zu gehen anfangen."

05. Als Bruno solches vernimmt, da wird er ganz heiter und voll Freuden, und spricht: „O Herr Vater! wenn so? dann will ich ja gleichwohl essen und trinken für Tausend, und mit dem Ehrenkleide der Sonne angethan werden!"

06. Sage Ich: „Esse, was dir gegeben wird, und trinke desgleichen, und das Kleid, welches dir gereichet wird, das ziehe an, und deine Fischlein werden sobald das Augenlicht bekommen — zu sehen Mich, und Alle, die hier um Mich versammelt sind!"

07. Als Bruno solches vernimmt, verneigt er sich sogleich tiefst vor Mir, und eilet darauf sogleich zum Robert hin. Dieser reicht ihm freundlichst ein mäßiges Stückchen Brodes, und eben in einem kleinen kristallnen Becher etwas Weines! Bruno verzehrt das Brod so zu sagen auf einen Schluck und Druck, und ebenso auch den dargereichten Wein: empfindet aber darauf noch einen sehr bedeutenden Appetit. Robert aber macht keine Miene, diese Dosis zu repetieren, sondern holet sogleich das bewußte Ehrenkleid, welches Bruno auch sogleich anziehet in der Meinung, er werde dadurch etwas mehr satt werden? aber dem ist es nicht also! Denn nun wird er erst so recht hungrig und durstig, und bittet den Robert noch um eine Dosis Brotes und Weines.

08. Dieser aber bescheidet ihn zu Mir, und sagt: „Das abgängige wird dir beim Herrn werden. Gehe nun hin! ich thue, was ich thue, allein nur nach dem Willen des Herrn! Also sei es!"

111. Kapitel. Bruno ist selig, verspürt aber noch immer Hunger und Durst. Warum? — Schaffe den kleinen Richter aus dir! Winke über die himmlische Ordnung.

01. Bruno solches vernehmend begiebt sich sogleich zu Mir her, nun schon mit einer weißen Faltentoga angethan, die mit rothen Streifen verbrämt ist, und sagt: „Herr! ich armer Sünder danke Dir für diese große unschätzbare Gnade, deren Du mich nun allerunverdientester Maßen gewürdigt hast. Ich bin nun für meinen Theil glücklich, überglücklich; nur ein Bischen Hungers verspüre ich noch, und eben so auch etwas weniges von einem Durste; aber das macht nichts, denn die Seligkeit, die nun vor Dir und von Dir ausgehend mein ganzes Wesen durchströmt, macht mir weder Hunger noch Durst empfinden. Kurz — ich bin nun selig, und mein Herz fühlt zum erstenmale eine wahre, reine himmlische Liebe zu Dir, o Herr! und so auch zu allen diesen meinen armen Brüdern und Schwestern. O, das ist eine Liebe, von der den schwachen Sterblichen wohl äußerst selten etwas in den Sinn kommen dürfte. Denn selbst die besten Menschen auf der Erde lieben sich selbst um reine Tausendmale mehr als ihre allerinnigsten besten Freunde; um wie viel weniger werden sie dann erst ihre Feinde lieben!? Also lieben die Männer die Mägde auch nur des Genusses wegen, also nur sich selbst in den Mägden; aber die Mägde ihrer selbst willen lieben sie nimmer. Denn liebeten sie dieselben rein, da würden sie mit ihnen nicht Dinge begehen wollen, durch die sie den armen Mägden allzeit schaden müssen; sie wollen die Armen wohl genießen, aber von einer Dir wohlgefälligen und liebgerechten Versorgung wollen sie sogar dann nichts wissen, wenn sie selbe auch bestens zu leisten im Stande wären. Die Männer halten große Stücke auf ihre Ehre; aber so sie die armen schwachen Mägde mit allem Spotte und aller Schande versehen durch ihre Gailheit, das macht ihnen nichts, wenn nur sie bei Nacht und Nebel mit ihrer Ehre davon kommen. Wie sah ich in Wien tausend gaile Böcke in der Nacht Gassen auf und Gassen ab rennen, um irgend eine arme verführte feile Dirne für ihren sinnlichsten Genuß auf einige Minuten zu gewinnen! Haben sie den erbärmlichen Zweck ihrer nächtlichen Herumrennerei erreicht, und ihre scheußliche Lust befriedigt, so gaben sie dann der armen nahe zu Tode geschändeten Maid einige elende Groschen; und bat sie um noch ein paar Groschen mehr, so wurde sie mit den schmählichsten Worten, — mitunter auch Schlägen traktiert, und zu allen Teufeln verwünscht. Und das heißt auf der Welt nun auch Liebe!!!" O du verfluchte Liebe! — Herr, habe Erbarmen mit den Mägden, die durch der Männer schändlichste und gewissenloseste Gailheit zu Huren gemacht worden sind; aber den Männern gebe für solche Verdienste auch den bestverdienten Lohn in der Hölle bei allen Teufeln.

02. Denn so mächtig mein Herz nun von der reinen himmlischen Liebe auch erfüllet ist, und wie sehr ich auch allen armen Sündern und Sünderinnen die vollste Vergebung ihrer Sünden von ganzer Seele wünsche, und für sie auch alles zu thun bereit bin; so fühle ich aber dennoch gegen solche gewissenloseste Gailböcke nicht die geringste Erbarmung, und hätte eine wahre Freude daran, sie so lange in der Hölle brennen zu sehen, bis sie ihre Gailheit bis zum letzten Tropfen würden abgebüßet haben. Ich wünsche wohl niemanden etwas Böses; nein! das wünsche ich nicht; aber den Bösen wünsche ich auch so lange nichts Gutes, als bis sie desselben durch eine wahre und vollkommene Buße sich als würdig erwiesen haben. Wohl wird es auch unter diesen von mir hierhergebrachten Fischen einige faule Nattern und Schlangen geben, die sich auf der Welt mit der raffiniertesten Gailerei sehr abgegeben haben; aber für sie bitte ich Dich dennoch um Gnade und Erbarmen; denn es sind darunter meistens solche, die auch nicht wußten, was sie thaten. Aber es giebt anderorts Viele, die gar wohl wissen, was sie so ganz eigentlich thun, für diese Lumpen bitte ich nicht, die sollen alle Schärfe Deines Gerichtes verkosten!"

03. Rede Ich: „Mein lieber Bruno! du verspürest noch einen Hunger und einen Durst! — Weißt du aber auch, woher das kommt? — Siehe, das kommt daher, weil in deinem Herzen noch ein kleiner Richter sitzt! — Dieser Richter ist an und für sich zwar sehr billig und gerecht, aber das ist dennoch nicht in Meiner Ordnung.

04. Willst du aber ganz nach Meiner Ordnung sein, da mußt du auch diesen Richter aus deinem Herzen schaffen, und du wirst darauf ewig keinen Hunger und keinen Durst mehr empfinden, denn sieh! — Ich ganz allein bin ein Richter, gut und gerecht, in aller Fülle Meiner Macht und Kraft! und dennoch richte Ich Selbst Niemanden; sondern ein Jeder richtet sich nach seiner Liebe; ist diese rein und gut, so wird auch sein Gericht über ihn selbst gut und rein sein; ist aber seine Liebe unlauter und schlecht, so wird desgleichen auch sein Gericht. So Ich aber aus Meiner Macht und Kraft schon Niemanden richte, um wie viel weniger darfst dann du erst Jemanden richten.

05. Wie die Welt, und wie die Wiener beschaffen sind, und welch ein Geist sie belebt, das weiß Ich am allerbesten. Sie haben sich gebettet ohne Meiner; daher aber ruhen sie nun auch so, wie sie sich gebettet haben für Zeit und Ewigkeit. Sie übten allerlei Blutschande aus; daher ruhen sie nun auch auf blutigen Lagern. Wohl schreit dieses Blut vielfach um Rache zu Mir. Aber Ich will es dennoch nicht rächen, sondern lasse es ganz einfach nur zu, daß sich die Blutschänder aller Art unter einander wie die Tiger zerfleischen und sich unter einander geben den Lohn, den sie sich gegenseitig verdient haben; und das ist die Hölle im Vollmaße; und eine andere Hölle giebt es nirgends, als eben diese nur, die aus der Selbstsucht im Herzen des Menschen von selbst sich gestaltet und aufbauet.

06. Wer sich selbst nicht verdammet, den verdammen auch wir nicht; — wer sich aber aus der argen Liebe seines Herzens selbst verdammet, der solle auch verdammet sein! Kurz und gut, einem Jeden werde, was er selbst will, und so ihm das wird, was er will, unbeschadet für alle Andern, die etwas Anderes wollen, so ist das wohl das höchste und vollendetste Recht, das je Jemanden zu Theile werden kann. Es solle wohl von unserer Seite nie ermangeln, Allen nach ihrer Fassungskraft den rechten Weg zu zeigen, und sie durch eine rechte Belehrung hinzulenken; wollen sie denselben wandeln, so wird es für sie wohl und gut sein; wollen sie aber das durchaus nicht, no — so werde ihnen darob von uns aus keine Strafe zu theile, sondern blos das nur, was sie selbst wollen; und sie haben dadurch des Gerichtes und der Strafe in Ueberfülle! Wollen sie sich aber mit der Zeit, durch ihre Leiden genöthigt, wieder auf den guten Weg begeben, so sollen ihnen ewig nie hemmende Schranken in den Weg geleget werden.

07. Siehe, das ist die wahre himmlische Ordnung der reinsten Liebe Meines Herzens; diese Ordnung muß auch ganz die deines Herzens werden, so wirst du so vollkommen sein, wie Ich Selbst, und wirst nimmer irgend eine drückende Leere in deinen Eingewaiden verspüren. Auf diese Weise nun gesättigt und durch und durch erleuchtet, wird es dir ein Leichtes sein, allen diesen von dir Hierhergebrachten aus deiner eigenen Ueberfülle überall zu helfen, wo sie nur immer irgend einer Hülfe bedürfen. Du wirst sie sättigen und ihnen den Durst stillen; die Nackten wirst du bekleiden, die Gefangenen frei machen, die Traurigen wirst du trösten, und die Elenden heilen; und den Blinden wirst du selbst also am ehsten die Augen öffnen; und den Tauben hören machen das Wort des Lebens. So nun ausgerüstet und vollends gesättigt wende dich nun wieder zu deinen Fischlein, und öffne ihnen die Augen und die Ohren ihres Herzens für ewig!"

112. Kapitel. Bruno belehrt seine Zöglinge. Einwürfe eines Grobians betreffend Wiedergeburt und Willensfreiheit. Bruno klärt ihn auf.

01. Diese Lehre umstaltet den Bruno ganz himmlisch; und er wendet sich darauf auch sogleich zu seinen Fischlein, und fängt sie an zu lehren recht und gerecht!

02. Als er aber mit seiner Lehre zu Ende kommt, spricht Einer, der ein Neukatholik (Freidenker) ist, aus der ziemlichen Anzahl seiner Glaubensgenossen sagend: „Freund! deine Worte waren gewählt, und deine Syntax sucht ihres gleichen; aber wozu alle diese Unkosten von theosofischen Weisheitsfrasen? — Siehe, Mose erzählt in seiner Genesis: Als Gott Sich an das Schöpfungswerk machte, da war es Nacht in der ganzen Unendlichkeit; und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht in allen den endlosen Räumen. Als die Unendlichkeit auf diese Art erhellet ward, da erst begann der Allmächtige Gottes—Geist, der in der Mitte über allen den Gewässern und ihrem chaotischen Inhalte schwebte, eben diese Gewässer, und ihre Chaos zu theilen und zu ordnen. Und siehe, Freund, das war wahrlich vollends eines Gottes würdig weise gehandelt. Aber du fängst mit uns gerade den verkehrten Weg an zu gehen. Was nützt all das ellenlange weise Geplapper von der himmlischen Farbenordnung den Blinden? Was nützt es zu hören den Feind durch's Dickicht hereinbrechen, so man blind ist? Wohin wird man fliehen vor ihm? Wird man nicht, da man sich vor ihm zu entfernen wähnt, ihm gerade nur entgegen eilen? Also sprachst auch du nun viel und ganz wohl geordnet über Christum und über Seine alleinige Gottheit, über Seine Liebe, Güte und Erbarmung, und ebenso von Seiner nächsten Nähe; aber was nützt uns alles das, so wir keine Augen haben, Ihn zu sehen, und darnach zu beurtheilen, ob Er es wirklich ist?

03. Daher sage auch du, so dir irgend eine Macht eigen ist, gleich der Gottheit über uns: Es werde Licht! dann wird sich alles andere, so wir einmal geläutertern Gesichtes sind, von selbst geben. Aber so du sprichst, was du alles siehst, wir aber außer dir nichts erschauen und vernehmen können, auch das Gemach nur so, wie eine ganz ordinäre Bauernstube, in der wir wie Pöckelheringe zusammengepförchet sind, von der du sagst, daß es ein außerordentlich großer Saal sei; wie sollen wir da deinen Worten vollsten Glauben beimessen können? Besinne dich daher ordentlich, und thue, was uns zuerst noth thut, so wirst du hoffentlich auch nicht wider die Ordnung der Himmel handeln, indem doch diese Ordnung das erste Werden aller Dinge bedingte.

04. Wir begreifen das noch immer nicht, warum wir jetzt weniger sehen, als wir gleich im Anfange unseres Hierseins sahen? Daher ist uns die rechte Eröffnung unserer Augen auch ein erstes Bedürfnis, auf daß wir zu der Einsicht kommen, warum wir nun weniger sehen, als wir im Anfange sahen. Anfangs unseres Hierseins sahen wir recht gut den sehr geräumigen Saal, also auch den seinsollenden Heiland Jesus, den R. Bl., Messenh., Jellinek, Becher, die Leanerl, den Pathetikus Dismas, seinen Freund Max Olaf, und ein paar Dutzend der saubersten Tänzerinnen, und nun sehen und hören wir aber allesamt nichts von ihnen, und von den noch vielen Andern. Wo liegt denn da der Hund begraben?

05. Wir haben dich darüber schon einmal gefragt, und du hast uns darüber keinen befriedigenden Bescheid geben können, wohl aber auf die Geduld mit dem Versprechen gewiesen, daß uns allen Gott der Herr Selbst die Augen eröffnen werde. Aber nun geschieht von allem dem nichts. Führe daher du an uns das aus, was ich nun von dir gebeten habe, so wird sich dann, wie gesagt, alles andere von selbst geben."

06. Spricht Bruno: „Freunde! nur noch eine kleine Geduld, und es solle euch dann vor allem das werden, darnach ihr nun bester Maßen ganz besonders dürstet. Du hast mir zwar recht weise die Ordnung Gottes bei der Welterschaffung vorgeführt, um dadurch meiner an euch gerichteten Lehre ein starkes Gegengewicht zu stellen. Aber ich muß mit euch nicht wie Gott mit den Urgewässern seiner ewigen Ideen bei der Schöpfung verfahren, sondern so nur, wie eine Wehemutter mit einem neugebornen Kindlein. Bei dem Kinde ist die Oeffnung der Augen doch auch nicht das erste; wie solle sie bei euch es sein? Lasset euch erst willigst aus dem Mutterleibe eurer Sinnlichkeit vollends herausheben, dann erst wird es sich zeigen, wie viel des Gotteslichtes ihr auf einmal werdet zu ertragen im Stande sein, und so sei es, und so geschehe es im Namen des Herrn!" (Am 10. August 1849)

07. Spricht ein Anderer daneben, d. h. neben dem frühern Redner auftauchend, mit satyrischen Spottungen, und mit einer sarkastischen Zunge, sagend: „No, no, Liebster! auf diese Art bist du ja eine himmlische Schwerenothsmutter geworden! Schade, daß so was die heiligen Patres Liguorianer auf der Erd' noch nicht erfahren haben; die hätten dich vielleicht schon als einen Gnadenpatron unter dem Namen Hebammius coelestis in einem Hochaltare entweder gemalt oder aus Holz geschnitzt und falsch vergoldet, und hätten dir zu Ehren sich schon einige gute Messen für die Erreichung leichter Geburten um einige Hundert Silberlinge heruntergestochen. Nein, du bist schon einmal ein grundgescheidter Mann; zu helfen weißt du dir schon aus jeder Verlegenheit.

08. Aber mein lieber St. Hebammius coelestis! sage mir als ein in allen nativitatibus wohl erfahrener Patron: Wie oft muß denn so ganz eigentlich eine Menschenseele geboren werden, bis sie endlich einmal sagen kann: Nun, gottlob, bin ich aus dem letzten Mutterleibe an ein beständiges Tageslicht gebrochen! Ich glaube, dahin wird's bei dieser deiner Himmelsverfassung wohl ewig keine Seele bringen. Kein Wunder, daß ein Nikodemus einst Christum, Der ihm von einer Wiedergeburt des Geistes etwas vorsagte, entgegen zu fragen sich genöthigt fand: Ob er denn wieder in einen Mutterleib wird hinein schlüpfen müssen. Mir scheint, eure ganze himmlische Weisheit ist aus sonst nichts, als lediglich aus Geburt und Tod, und dann wieder aus Wiedergeburt, und also auch aus Wiedertod zusammengestoppelt. Sag' uns das doch einmal recht aufrichtig, wie oft du an uns noch deine himmlische Hebammschaft ausüben wirst, bis wir zum wahren Augenlichte gelangen werden. Licht! Licht, Freund Hebammius! dann wird alles ohne viel Hebammerei anders und offenbar besser werden, denn ohne Licht ist jedes Mundwetzen eine Altweiber—Dummheit. Verstehst du das?"

09. Spricht Bruno: „Freund! mit dem Grobianismus hat es hier im Reiche der Geister noch keine Seele gar zu weit gebracht, das kannst du dir vor der Hand ganz ernstlich gesagt sein lassen! Ich werde dich dafür zwar ewig nie richten und strafen; aber du wirst dich dadurch vom Ziele deiner Bestimmung von selbst nur stets mehr und mehr entfernen, anstatt dich zu nahen demselben. — Was fragst du denn, wie oft du noch werdest aus irgend einem Mutterleibe geboren werden, bis du zu einer volllichten Wahrheit bleibend und unwandelbar gelangen würdest? Ich sage dir darauf: Wohl noch einige 100 Male, so du verbleibest in solcher deiner eigensinnigen und über die Gebühr gröbsten Gemüthsverfassung!

10. Ist es denn wohl gar so schwer, seinen eigenen Willen zu verabschieden, und an dessen nichtswerthe Stelle den Willen der göttlichen Ordnung zu setzen, und denselben thatsächlich zu befestigen?! — Siehe, hättest du das schon auf der Erde gethan, da wärest du auch schon lange aus dem letzten Mutterleibe herausgeboren worden, und befändest dich auch schon längst im wahrsten Lichte alles Lichtes; aber es hat dir wohl nie gemundet, deinem Herrlichkeitswillen nur den geringsten Abbruch zu thun, und so muß es dir denn nun auch munden, blind zu sein, gleich allen Denen, die so beschaffen waren, und noch sind, wie du es warst, und leider — trotz vielfacher bittersten Erfahrungen — noch bist.

11. Wolle was anderes, als was du willst; d. h. wolle du, was Gott will, so wirst du zum Lichte gelangen; willst du aber nur stets, was du eigentlich willst, da wird es mit dir wohl ganz verzweifelt lange nicht anders werden, als es eben jetzt ist. Hast du diese Worte wohl verstanden?"

12. Spricht der Grobianus: „Jau! Brüderchen St. Hebammius — jau — jech hobs verstunden! Männike! hör emal, Männike! du bist aber sehr dumm, und redest etwas daher, was weder einen Fuß, und noch viel weniger einen Kopf hat! und wenn es schon irgend einen Kopf hat, so dürfte der wohl so ein verabschiedetes Exemplar von einem auf Reisen begriffenen Stockfische sein.

13. Aber sage mir, wer kann denn seinen eignen Willen verbannen, und dafür einen ganz fremden in seine Seele einpfropfen? Schau, du sagst, daß du sehend bist, und wir sind blind; aber es ist dann doppelt merkwürdig, wie du als ein Sehender das nicht einsiehst, daß ich den Willen eines Fremden ja doch unmöglich anders, als nur durch meinen höchst eigenen Willen zu meinem eigenen machen kann. Hätte ich aber schon durchaus keinen eigenen Willen, da möchte ich denn doch von dir erfahren, mit welchem Willen ich das wollen solle können, was irgend jemand Anderer mir zum Wollen auferlegen solle. Geh' und lasse dir mit deiner himmlischen Weisheit ein wenig heimgeigen! ich habe dich wohl immer für ein wenig dumm gehalten; aber daß du so enorm dumm wärest, das wäre mir nicht einmal bei einer Traumschmeißerei eingefallen! Nein, keinen Willen haben, und dabei aber dennoch unbeugsam wollen, was ein Zweiter will, das will noch mehr sagen, als jemanden eine Herrschaft schenken, während man selbst nicht einmal der Inhaber eines Schneckenhauses ist. Sage mir Männike doch jefälligst, heste diese Weshet von enen Pater Liguorianer, oder etwa gar vom hl. Ignatius von Loyola dich egen jemacht haben jethun? oder hast dir eenmal dein Jehirn mit eenen schlecht osjebachnen Schöps'nen verdorben?

14. Aber nun Spaß bei Seite; sage mir ganz aufrichtig, bist du wohl wirklich so dumm, oder foppst uns blos so zu deinem Privatvergnügen? Schau, schau, ein Mensch ohne Willen wäre ja doch nichts anderes als ein organomechanisches Uhrwerk ohne Feder oder Gewicht. Ich meine, der Mensch kann wohl seinen Willen einem andern auf eine Zeit lang zu Diensten stellen, und das wollen und thun, was irgend ein anderer haben will, mag es nun etwas Vernünftiges oder etwas Unvernünftiges sein; denn keine Einsicht kann definitiv einen einmal gefaßten Willen ändern. Aber seines eigenen Willens ehedem ganz ledig werden, so wie ein schwangeres Weib ihrer Frucht, und sich sodann erst einen andern Willen gewisser Art einsetzen lassen, als wie ein Pfropfreis auf einen abgeschnittnen und gespaltnen Wildling, Freund! das geht sogar über den Horizont des letzten Fixsternes beiweitem hinaus; haue du dir so ganz evangelisch wohlgemeint beide Hände, und zugleich auch beide Füße ab, und lasse dir dann ein paar fremde, wann's leicht sein kann, anheften, und wir werden sehen, welche Bockssprünge du damit machen wirst. Also nur gescheute, Freunderl, gescheute! Hast du eine Kraft, so handle zu unserem Besten! Aber mit deinen ganz leeren Worten verschone uns für immer, o Herr Brunissimus!"

15. Bruno wendet nun Alles auf, sein etwas erregtes Gemüth zu beruhigen; aber der Grobianus will ihm nicht so ganz aus dem Herzen weichen. (Am 21. August 1849) Nach einer Weile, nachdem er sein Inneres mehr und mehr beruhiget hat, spricht er zum Grobian, sagend (Bruno): „Freund! aus deiner ganzen absichtlich beleidigen wollend gestellten Einrede habe ich mehr als klar entnommen, daß du meine an euch gerichtete Anrede nicht im geringsten verstanden hast. Ich habe euch vorerst zu einer gerechten Geduld ermahnet, ohne die kein Mensch je zu etwas Ausgezeichnetem gelangen kann, denn die sogenannten Ueberskniebrecher haben noch nie etwas Großes geleistet. Darauf habe ich euch gezeiget, wie ein Mensch nur dadurch am ehesten vorwärts und zu einem erwünschten Ziele gelangt, wenn er seinen eignen nichtswerthen Willen dahin gefangen nimmt, daß er durch ihn den Willen eines Weisen in sich aufnimmt, und dann nicht mehr den (verkehrten) eigenen, sondern lediglich nur den (besseren) fremden Willen als volle Thatkraft in sich wirken läßt.

16. Ich meine, diese Sache sollte doch klar sein? Aber du findest in dieser wichtigsten Wahrheit nur eine Dummheit, weil du die Sache dahin auffassest, daß man ehedem sich ganz willenlos machen müsse, um dann einen fremden Willen erst als den eigenen in sich wirkend aufzunehmen. Wer aber hat dir je eine solche Lehre gegeben? Das weiß ich so gut als du, und vielleicht noch etwas besser, daß man ohne Willen das, was ein Zweiter will, durchaus nicht wollen kann; denn ein Mensch ohne Willen wäre entweder ein stummster Automat, oder eine barste Statue. Und so versteht es sich ja doch von selbst, daß ein Mensch nur so gestaltig seinen Willen in den eines Andern übergehen lassen kann, wenn er eben mit dem eigenen Willen den Willen eines Andern will, fest will, und darnach seine Handlungen einrichtet.

17. Der Wille ist der Arm der menschlichen Bedürfnisse; wer demnach seinen Willen bestens ändern will, der muß zuvor seine Bedürfnisse ändern. Ist dem Menschen die Trägheit ein angestammtes Bedürfniß, so bindet dieß Bedürfniß der Seele die Nothwendigkeit auf, nichts zu thun. Ist dem Menschen die Befriedigung seines Fleisches ein Bedürfniß, so muß die Seele alles aufbieten, um eine Sättigung dem Fleische zuzuführen. Der Mensch aber hat auch ein höheres Erkenntnißvermögen, durch das er das Schädliche der groben Bedürfnisse einsieht; damit kann er solche unlautere Bedürfnisse bekämpfen, sie endlich ganz verbannen, und an ihre Stelle bessere, d. h. göttliche setzen, und das heißt dann seinen materiellen Willen gegen einen wahren göttlichen vertauschen. Das aber ist es auch, was ich von euch im Namen des Herrn verlange.

18. So ich aber nur das, und nichts anderes von euch verlange, da sage du mir, aus welchem Grunde du gegen mich also empörend roh und grob aufgetreten bist?"

19. Spricht der Grob.: „Hättest du früher auch so, wie nun, deutsch, d. h. verständlich mit uns gesprochen, so wäre ich dir auch ganz anders entgegengetreten; aber du hast ehedem nur hochweise und sehr orthodoxisch mit uns parliret, daß wir dich selbst mit dem besten Willen nicht anders hätten verstehen können, als wie wir dich verstanden haben, und die für dich ein wenig unangenehme Folge war, daß ich dir deshalb im Namen dieser meiner zahlreichen Brüderschaft einige wohlgemeinte Komplimente habe müssen zukommen lassen, die ich aber nun wieder zurücknehme, weil ich aus deiner letzten, deine früheren unklaren Worte berichtigenden, Rede ersehen habe, daß du denn doch nicht gar so einfältig bist, als für wie sehr stark einfach dich zu halten ich mich des guten reellen Umstandes wegen für berechtigt fühlte, aus dem uns Allen entweder Heil oder Verderben zutheile werden könnte. Jetzt aber nach dieser deiner letzten Berichtigung stehen die Aktien beiweitem besser, und wir Alle sehen nun die Nothwendigkeit dessen recht wohl ein, was du über die gute Geduld, und über den gewissen Austausch des menschlichen Willens geredet hast; ja, ja, auf diese Art kann es auch gehen, wenn auch mit manchen Schwierigkeiten. Denn ein berittenes Pferd nimmt allzeit schwerer eine andere Dressur an als ein Remont, aber das thut nichts zur Sache, wo im Hintergrunde die Jungfrau Geduld am rechten Flecke weilt.

113. Kapitel. Rede des Grobians über die Entstellung der Religion durch das Priestertum.

01. „Daß wir Menschen nun aber so ganz unmenschlich dumm sind, besonders in den Dingen der Religion Christi, das kann uns kein Gott für übel nehmen. Denn die frühere Metternich'sche Regierung, die mit tausend mal tausend Spitzelaugen best versehene Polizei als rechter Arm der Camerilla, und endlich das mit ihr in bester Harmonie stehende hohe und niedere Pfaffenthum haben mit der lieben Lehre Christi ja doch so gewirthschaftet, daß es am Ende doch schon sogar dem letzten Sauhalter auf den Pußten Ungarns auffallen mußte, wie die vom größten Wohlleben strotzenden Diener der hl. Religion den andern Gläubigen und ditto getauften Bekennern der allein seligmachenden römisch—katholischen Kirche nichts so sehr an's Herz legten, als die liebe himmlische Armuth, Liebe, Geduld und den unbedingtesten Gehorsam, vorerst gegenüber der Kirche und ihren göttlichen (oder was?) Dienern, und dann aber auch gegen den Staat, in so ferne natürlich dieser die Sache der allein seligmachenden Kirche begünstige!

02. bin ich doch selbst zu öftern Malen mit den allereinfachsten Leutchen darüber zu reden gekommen, die solche Lumpereien ebenso gut wie Unsereiner beurtheilten, und daraus den Schluß machten und sagten: Die Religion sei nichts anderes, als ein schon in alten Zeiten fein ausgedachtes Mittel, die armen Menschen zu blenden, und sie durch höllische und himmlische Vorspieglungen, und durch allerlei auf diese beiden Bezug habenden Lügen und glänzenden Betrügereien dahin zu verhalten, daß diese dann aus Furcht vor der Hölle, oder aus großem Wunsche nach dem Himmel, für die arbeitsscheue Priesterkaste arbeiten, ihr die besten Bissen zubringen, und selbst aber schlechter leben sollen als der gemeinste Kettenhund, natürlich alles zur größeren Ehre Gottes (oder was?), woraus denn dann doch allerdeutlichst hervorginge, daß es entweder nie einen Jesus gegeben habe, oder so es schon einen gegeben habe, da kann Er doch unmöglich Gottes Sohn gewesen sein! Denn wenn man die erschaffene Einrichtung der Welt, die unendlich weise ist, betrachtet und erforschet, und daneben aber dann die löblichen Grundsätze der römisch—katholischen allein seligmachenden Religion, wo man so zu sagen ganz ohne Gedanken, so als schon ein quasi Vieh, alles glauben muß, wenn es auch noch so dumm und widersinnig wäre, wenn es nur vom Papste ausgehe, und wenn man dazu noch bekennen muß, daß nur sogestaltig die römische Lehre die allein rein christliche sei (?) — so muß man ja doch mit sogar verbundenen Augen sehen, daß derselbe Gott, Der die Erde mit allem, was auf ihr ist, und Sonne, Mond und alle die Sterne so höchst weise erschaffen hat, auf der andern Seite zur Erweckung und Belebung des Geistes der Menschen denn doch unmöglich eine Lehre könne gegeben haben, die sogar einem Sauhalter keine Ehre gemacht haben würde, so er sie erfunden und der Menschheit zu ihrer Beseligung gegeben hätte.

03. Siehe, Bruno, so filosofiren nun ganz einfache Leutchen, und das mit gutem Grunde; frage, wie sollen dann erst wir Gebildetere filosofiren und urtheilen, gegenüber den uns nur zu aufgedeckten Dummheiten, Lügen und schreiendsten Betrügereien der römisch—katholischen Kirche?! und in welch' einem Ansehen muß da erst der Stifter einer solchen Lehre stehen, die sich wie Wachs oder Gyps in alle erdenklichen Miß—Formen umwandeln läßt?!

04. Man sagt freilich: Das Papstthum sehe der reinen Christuslehre ebenso ähnlich als ein schmutziger Courir—Stiefel einer medizeischen Venus; aber das ändert mein Urtheil über's Christenthum und dessen Stifter nicht; denn was von Gott ausgeht, das kann keine menschliche Selbstsucht, und stellete sie sich darob auch auf den Kopf, nur im geringsten ändern; sie kann wohl Fruchtbäume veredeln, aber ihnen eine andere Form zu geben vermag sie nimmer, wie sie auch keinen Baum schlechter zu machen im Stande ist, als wie er als wild der Natur entstammt. Wäre sonach die Lehre Christi göttlich, da solle es doch mit allen Teufeln hergehen, daß daran die elende Menschheit etwas nach ihrem selbstsüchtigen Belieben zu ändern im Stande sein solle! Und solle es der Gottheit wirklich nur daran gelegen sein, durch eine Lehre von der vollsten Freiheit der Menschen eben den Menschen auch jene Conzession mit der Lehre gegeben zu haben, daß sie auch mit ihr nach ihrem Belieben Schindluder treiben mögen, wie sie wollen!? Dann Freund, adieu Gottheit! Denn dann muß es sogar ein Blinder einsehen, daß der Menschheit solch eine Lehre noch viel weniger nützt, als gar keine.

05. Ich meine aber: Vor einer rein göttlichen Lehre solle doch ein jeder Mensch, wie vor einer ausgehenden Sonne, die höchste Achtung und Ehrfurcht haben, und am allermeisten der Verkündiger und Ausbreiter solcher einzigen Lehre. So aber eben die Pfaffen gerade diejenigen es sind, die in der Wahrheit die reine Lehre Christi, die doch eine Gotteslehre sein solle, am wenigsten respektiren, sondern sie als ein reines Menschenwerk zu ihren herrsch— und selbstsüchtigsten Zwecken ummodeln, wie sie dieselbe am besten brauchen können, ja, man kann es sagen, nachgerade nur das schroffste Gegentheil von dem sind, als was die ursprüngliche Lehre gebietet, muß da nicht ein jeder nur einigermaßen hellerdenkende Mensch bei sich selbst also zu denken und zu schließen anfangen: Eine Lehre, die sogar von den Priestern keine Achtung in der That genießet, sondern blos nur durch äußere nichtssagende, die arme Menschheit mit aller Blindheit zu schlagen beflissene Ceremonie, kann nicht göttlich sein. Denn vor rein göttlichen Dingen hat sogar das Vieh eine Achtung; um wie viel mehr der mit Vernunft begabte Mensch.

06. Wer kann beim Anblicke der aufgehenden Sonne ohne Achtung vor der großen Gottheit dastehen, wen ergreift der Anblick hoher majestätischer Gebirge nicht? Wer kann ohne Achtung gleichgültig das Meer ansehen, und höhnisch lachen bei einem gewaltigsten Meeressturme? Wessen Brust wird nicht mächtig erschüttert beim mächtigen Rollen der Donner Gottes? Siehe, das sind göttliche Dinge, vor denen der stupideste und eigennützigste Pfaffe eben so vor Ehrfurcht bebet wie der gemeinste Sauhirte. Aber das seinsollende Wort Gottes ist ihm Pomade. Wie sieht es dann da mit der Göttlichkeit aus? Wenn das seinsollende Gotteswort aber den Pfaffen tatsächlich nichts als eine verkäufliche schlechte Pomade ist, was solle es dann uns Laien sein, die wir keine Doktoren der Gottesgelahrtheit sind, besonders so wir nur zu oft und zu klar zu der Einsicht durch die Thaten der Pfaffen ordentlich bei Haaren hingerissen werden, daß die Gotteslehre von Christo noch weniger als eine schlechte Pomade sein muß, ansonst sie doch unmöglich mit ihr solchen Mißbrauch treiben könnten.

07. So der Mensch auf diese Weise aber doch nothwendig vor solch einer Lehre einen Degout (Abscheu) bekommen muß, ist es dann etwa zu wundern, daß sich hernach ein jeder nur etwas über's gemeinste Leben erhebende Mensch aus den soliden Bedürfnissen seiner Natur Lebensregeln formet, und nach denselben vernünftig lebt, und alles mit Ziel und Maß genießet, was ihm die liebe und wahrhaftige Gottheit auf dem natürlichsten Wege zum Genusse darstellet.

08. Ich habe gegen die Grundsätze der reinen Urlehre Christi nichts einzuwenden; sie sind gut, und den gegenseitigen Bedürfnissen der Menschheit ganz naturgerecht angepasset; aber was nützt das, so man sie, um ein guter Katholik zu sein, sogar nicht einmal in ihrer Echtheit erkennen, geschweige denn erst anwenden kann und darf. Da die Gottheit aber doch sonst alles leitet, ordnet und erhält, was sie einmal geschaffen hat, sollte es Ihr denn nicht auch möglich sein, ihre eigne Lehre vor solchen Verwüstungen zu verwahren, wie es deren besonders in der römisch—katholischen Kirche nur leider — zu ungeheuer viele giebt (?!) wenn die Lehre wirklich aus ihrem Munde gleich der ganzen Schöpfung gekommen wäre? Wo aber ist eine solche Verwahrung ersichtlich? Freund! auf der ganzen Erde mir bekanntermaßen nirgends!

09. Wenn die Sache sich aber — sage — tatsächlich so und nicht anders verhält, da bitte ich, und wir Alle dich, zeige uns, wo es dann stecken mag, so die Lehre Christi etwa dennoch göttlich sein solle, daß sie vorerst gerade von Jenen, die ihre Göttlichkeit am tiefsten fühlen sollten, als eine barste Nullität betrachtet, und dann auf alle nur erdenklich mögliche Weise gemißbraucht wird, und darauf, als nothwendige Folge, dann natürlich auch bei allen ein wenig nur hellersehenden Menschen in Mißkredit kommt.

10. Rede! und erweise uns die Göttlichkeit der Lehre Christi; alsdann wollen wir dir aber auch Alles aufs Wort glauben, was du uns nur immer von den Pflichten, die Gott durch Seine Lehre von den Menschen zu ihrem eignen Besten fordert, versagen wirst; und haben wir je dawider gesündiget, so wollen wir gerne unsere Sünden bereuen, und womöglich abbüßen — sogar mehr als alle Ignatius von Lojola, wenn es sein müßte!

11. Aber natürlich müßtest du uns auch beweisen, daß der Mensch ohne Gesetze auch sündigen kann. Wir aber hatten als hellerdenkende Menschen aus übersichtlichen Gründen nothwendig kein, und am wenigsten ein positives göttliches Gesetz, außer das in unserer Natur, das wir auch stets beobachtet haben, und konnten daher auch keines befolgen. Bitte nun, Freund, so du Lust hast zu reden, so rede! sonst aber lasse uns gehen, dahin uns unsere Sinne den geraden Weg weisen werden!"

114. Kapitel. Brunos durch Jesus inspirierte Antwort. Ein Beweis der Göttlichkeit der Lehre Jesu ist ihre unerschöpfliche Fülle und Mannigfaltigkeit. Vergleich mit menschlichen Lehren.

01. Nach dieser ziemlich klar gefaßten Rede unseres Gröblings wendet sich der Bruno an Mich, und bittet Mich um eine rechte Erleuchtung, damit er einen wirksamsten Gegensatz auf diese Rede dem Redner und dessen Genossen in einer wohlgeordneten Rede entgegenstellen könne.

02. Ich aber sage, und bedeute ihm: „Rede, und sorge dich nicht um die Worte; auf deiner eigenen Zunge wirst du die rechte Entgegnung finden."

03. Auf diese Meine Zusicherung wendet sich der Bruno wieder an den Redner, und sagt: „Freund, so du eine rechte Geduld mit wahrer Aufmerksamkeit verbunden besitzest, so will ich deiner Aufforderung bereitwilligst entgegenkommen". Spricht der Gröbling: „Nur zu! an der rechten mit aller Aufmerksamkeit verbundenen Geduld solle es weder mir, noch jemand anderem aus dieser Gesellschaft fehlen. Aber nur nicht übers Alter Christi hinaus darfst du deine Rede dehnen!"

04. Spricht Bruno: „Ganz wohl, liebe Freunde, meine Rede soll ganz kurz und gut sein, und so vernehmet mich:

05. „Alle zeitlichen Gaben der Gottheit an die Menschen sind so gegeben und gestellet, daß der unvollendete Mensch mit seinem Naturverstande, der die Gaben durchaus nicht zu würdigen versteht, an ihnen stets etwas zu tadeln hat. Dem Einen scheint die Sonne im Sommer zu heiß; ihm wäre ein ewiger Frühling lieber; wieder einem Andern ist der Winter ganz entsetzlich lästig; ein ewiger Sommer wäre ihm denn doch bei weitem lieber; ein Dritter schimpft sogar über den Mond, darum dieser nicht stets im Volllichte bleibet; Einem ist das menschliche Leben zu kurz, dem Andern oft so langweilig, ja und bis zur Verzweiflung langweilig, daß er sich selbst dasselbe gewaltthätig abkürzt. Wieder will Einer, daß die ganze Erde (meerlos) ein fruchtbarer fester Boden wäre, während ein Engländer das Meer noch beiweitem ausgedehnter haben möchte, als es an und für sich ohnehin ist. So wollen Einige lauter Aecker, Andere lauter Wiesen, wieder Andere lauter Gärten; noch Andere lauter Städte und Festungen, und so tausend verschiedene Dinge; ja ich habe kaum je zwei Menschen kennen gelernt, die ganz auf ein Haar ein und dasselbe wolleten!

06. Also können die Menschen aus eben dem mit allen göttlichen Gaben unzufriedenen Grunde auch diese Gaben nicht lassen, wie sie gegeben sind, sondern sie umwandeln dieselben stets nach ihrem Belieben, und nach ihren irdischen Bedürfnissen; die Thiere werden gefangen, abgerichtet, geschlachtet, und ihr Fleisch unter allerlei Zurichtungen verspeiset; die Bäume und Pflanzen, deren Früchte den Menschen Nahrung geben, werden auf bestimmten Aeckern nur gezogen, so wie der Weinstock auf eigens dazu bestimmten Plätzen. Vom Schöpfer aus müßte eigentlich alles wie Kraut und Rüben untereinander wachsen; aber mit dieser Ordnung ist der Mensch nicht zufrieden, und macht ihm selbst eine bessere; also wäre von Natur aus angezeigt, daß die Menschen nackt herumwandeln sollen, und Sommers und Winters unter freiem Himmel, oder in zufälligen Höhlen und Grotten kampiren! Allein sie sind mit dieser ihre feine Haut etwas zu sehr kitzelnden Bescherung durchaus nicht zufrieden, und machen sich deßhalb zweckmäßige, ja mitunter sogar sehr luxuriöse Kleider, mit denen sie ihre Haut bedecken, und bauen sich aus demselben Grunde allerlei Häuser und Wohnungen, und thun sich in selben gütlich!

07. Warum pfuschen denn die Menschen da in die erhabene Gottesschöpfung hinein? und zeigen dadurch der Gottheit tatsächlich, daß sie mit der ersten vom Schöpfer gestellten Ordnung durchaus nicht zufrieden sind? Ein Glück für die Gestirne des Himmels, daß sie von menschlichen Händen nicht können erreicht werden, sonst hätten sie schon lange eine andere Ordnung erhalten. Was läßt der Mensch wohl unangetastet, das er mit seinen Sinnen, und besonders, das er mit seinen Händen erreichen kann? Ich sage dir, nichts! sogar den Himmel nicht; — denn der Eine malt sich ihn so, und ein Anderer anders; sollen aber alle die von Gott erschaffenen Dinge auf der Erde darum nicht von Gott erschaffen worden sein, weil die ungenügsamen Menschen ihre Hände an selbe gelegt haben, und manche sogar ganz umstaltet? — Freund! beantworte mir vorerst diese Frage; sodann wollen wir von der Gotteslehre sehr vernünftig und weise weiter miteinander reden!"

08. Spricht der Redner: „No, no, die Sache läßt sich hören! wie ich nun so ganz leise zu verspüren anfange, so dürfte es dir, so du dir konsequent verbleibst, wohl gelingen, uns auch die Gottheit Christi begreiflich zu machen. Fahre aber nur weiter fort, denn es ist wahrlich sehr interessant, dich in dieser Art reden zu hören!"

09. Spricht Bruno weiter: „Gut, so ihr das von mir Gesagte einsehet, so will ich denn — im Namen des Herrn — weiter die Sache Gottes vor euren Augen und Ohren kund thun, und so höret!

10. Mit der Lehre Gottes (Bibel) ganz kurz gesagt, verhält es sich gerade also, wie mit der andern Schöpfung; sie ist vor den Augen des eigentlichen Weltverstandes eine höchst unordentlich aussehende Dummheit; der Weltverstand sucht da vergeblich irgend eine feste Ordnung, die er eine natürliche Logik nennt; — wunderliche Thaten und moralische Lehren in zumeist mystischen Bilderleins sind nahe so wie Kraut und Rüben untereinander gemengt; hier liest man ein Wundermärchen, dort einen Verweis; auf einer andern Seite eine an und für sich zwar auserlesenste Moral; aber sie hängt mit den andern Erzählungen, Gleichnissen und Begebnissen für den Weltverstand oft noch weniger zusammen, als die ordnungsloseste Flora einer gut gedüngten Bauernwiese, auf der ein Botaniker die heterogensten Muster für sein Herbarium beisammen findet. Das aber widerspricht der göttlichen Ordnung in der Gotteslehre an die Menschen dennoch nicht im geringsten, sondern bestätigt dieselbe vielmehr; denn eben dadurch zwingt die Gottheit die träge Natur der Menschen zum fortwährenden Denken und verschiedenartigen Suchen, in dem sich ordentlich zurecht zu finden, was ihr im Anfange, und in der Aeußerlichkeit der Gotteslehre gar so unordentlich und wie zufällig ohne alle Logik hingeworfen vorkommt.

11. Was wohl würdet ihr von der Gottheit halten, wenn sie z. B. auf der Erde die Sache so eingerichtet hätte, daß auf deren Boden nur auf bestimmten ganz mathematisch scharf abgemarkten symetrisch gleich großen Plätzen nur eine bestimmte Fruchtgattung, auf andern wieder eine andere Fruchtsorte fortkäme; würde aber dann ein Hausvater eine andere Fruchtgattung, die besser und ergiebiger wäre, auf einer solchen Fläche ansäen, und darauf nichts ernten, wie sähe es dann mit seinem Haushalte aus?

12. Daher hat der endlos weise Schöpfer der Welten, Pflanzen, Thiere und Menschen nur dort eine unwandelbare feste Ordnung gestellet, wo sie nothwendig ist, und heilbringend den Menschen; aber Dinge, mit denen sich der freie menschliche Geist zu beschäftigen hat, sind von Gott darum ganz bunt durcheinander geschleudert, damit an ihnen der Geist die beste Gelegenheit finden möge, sich im Fleiße zur Erreichung gewisser geordneter Vortheile zu üben, um dadurch jene Fertigkeit und andauernde Kraft sich eigen zu machen, die hier in dieser reinen Geisterwelt die eigentliche freie liebthätige ewige Existenz bedingt!

13. Also ist aber auch die Gotteslehre, wie schon früher bemerkt, so gegeben und gestellet, daß aus ihr wie aus dem Erdboden jeder Geist seine ihm zusagende Nahrung gleich einer Pflanze saugen, sich ernähren, wachsen und zur Vollendung gelangen kann.

14. Wie auf dem Erdboden zwei verschiedene Pflanzen recht gut fortkommen, und ihre Reife erlangen können, ebenso können auch aus derselben Gotteslehre zwei und mehrere konfessionell noch so verschiedengestellte Geister ganz ungehindert ihre geistige Vollendung erlangen, wenn sie ihrer Konfession nur treu und gewissenhaft folgen.

15. Daß aber keine Lehre auf der ganzen Welt, wie eben die Gotteslehre Jesu Christi eine solche Menge Kultusarten zuläßt, das ist hauptsächlich ein großer Beweis für die Göttlichkeit dieser Lehre, und ebenso für die ihres erhabensten Verkünders und Stifters. Wäre diese Lehre ein Menschenwerk, so wie etwa ein aus Wachs oder Holz nachgebildeter Baum oder Strauch, so könnte auch Niemand aus ihr irgend einen Zweig weiter verpflanzen; und thäte das Jemand, so wäre er höchstens als ein Narr auszulachen. Da aber die Gotteslehre aus dem Gottesmunde Christi kein durch Menschenhände künstlich geschnitzter, sondern ein ewig wahrer mit aller Lebenskraft in allen seinen Zweigen versehener, also nur von Gott selbst geschaffener und gepflanzter (ewiger Lebens—) Baum ist, so geschieht es denn auch, daß Seine Pfropfreiser (Konfessionen) überall grünen, und bei gerechter und richtiger Pflege auch unfehlbar gute Früchte zum Vorscheine und zum ewigen Lebensgenusse bringen.

16. Betrachtet aber nun dagegen menschliche Lehren, z. B. die Filosofie, die Mathematik und dergleichen mehr; sie sind wie eine Maschine, die nur unter einer bestimmten Form und Einrichtung die stets gleiche Wirkung hervorbringt. In der Mathematik ist auf der ganzen Welt ohne alle Sektirerei 2 mal 2 = 4; ein Aristoteles läßt nur eine Sekte, nehmlich die rein aristotelische zu, so ein Wolff, ein Leibnitz, ein Fichte, ein Kant, und so ein Hegel; denn sie alle pflanzten nur todte Bäume und Sträucher!

17. Aber nicht also verhält es sich mit der Gotteslehre Christi; jeder verpflanzte Zweig fasset Wurzeln, grünet fort, wächst bald groß zu einem Lebensbaume, und trägt Früchte. Und das ist der gewichtige Unterschied zwischen einem Gotteswerke, und zwischen dem todten eines Menschen, und zugleich der größte Beweis für die unläugbarste Göttlichkeit einer Lehre, die unter allen Zonen und unter den verschiedenartigsten Kultusformen bei gerechter, guter und gewissenhafter Pflege, stets dieselben Lebens—Früchte trägt!

18. Habt ihr aber irgend noch etwas dagegen einzuwenden, so steht es euch nun frei. Ich werde euch im Namen des Herrn keine erläuternde Antwort schuldig bleiben."

115. Kapitel. Kritik am Papsttum Roms. Brunos klare Beleuchtung dieser Sache. Vom Nutzen der Nacht. Ein Katholik und seine Bedenken.

01. Spricht der Redner: „Freund! du hast die Sache des Gotteswortes mit einer erstaunenswerthen scharfen Konsequenz dargethan, und ich muß dir nun im Namen aller dieser Gäste dafür sogar danken; denn du hast uns dadurch einen entschieden wichtigsten Dienst geleistet. Aber nun kommt noch eine Hauptfrage hinzu. Beantwortest du uns auch diese auf die gleiche Weise überzeugend richtig, dann sollst du uns Alle vollauf gewonnen haben, und wir werden dich zum Oberhaupte unserer Gesellschaft machen. Die Frage aber lautet also:

02. „So nach deiner wahrhaft weisen Erörterung — Christus der Herr und Gott Himmels und der Erde ist, so fragt es sich, welche Glaubenssekte der Erde ist der Wahrheit am nächsten, und wie stehet es bei Christo ganz vollernstlich mit der römisch—katholischen Kirche? Wer kennt nicht das alte elende welt—, selbst—, und im höchsten Grade herrschsüchtige Getriebe der Alleinseligmacherin? Das Wort Gottes, verkümmert, und verkrüppelt wie kaum irgend ein Weinstock in Sibirien, ist da nur ein elend gleißnerisches Aushängeschild; ein von Motten zernagtes Schaffell, hinter dem der ewig blut— und golddürstige Wolf seine reißende Gier verbirgt. Alle möglichen Stürme haben sich an ihr versucht; was nur irgend eine Kraft hat, machte sich daran, diesem Wolfsdrachen das geduldige Lammsfell vom schändlichen Leibe zu ziehen, aber leider waren bisher alle die großen und größten Anstrengungen rein vergeblich! Dieser Gog und Magog, dieser Moloch, dieser siebenköpfige Drache, diese alte Welt... lebt, gedeiht und vegetirt unverwüstbar fort, und treibt zum größten Theile wissentlich, und nur zum niedern Theil, besonders bei der geknechtetsten untern Klerisei und ihren blindesten Anhängern, ihr schändlich ruchlosestes Metier weder aus dem Himmel, noch aus der Hölle her ganz unbeirret fort!

03. So Christus, der die Schändlichkeiten der jüdischen Pfaffen bei allen Gelegenheiten doch so nachdrücklichst gerüget hatte, Gott ist, und lebet, wie wir nun nach unserer Leiber Tode — so sage uns, wie kann Er solchen Gräueln der Gräuel nun gut schon über 15 Jahrhunderte ganz so gemächlich zusehen, wie diese schwarzen Gottesdiener mit Ihm ein beiweitem ärgeres Schindluder treiben, als alle jene altrömischen Henkersknechte, die Ihn an das schmähliche Kreuz geheftet haben? Mehr als 4fünftel der christlichen Menschheit steht dieses arge Treiben — — — nur zu klar ein, und sagt: Unter allen christlichen Sekten ist Rom die älteste, und muß sonach auch am besten wissen, was sie von Christo und Seiner Lehre zu halten habe. Durch ihre der Lehre Christi schnurgerade entgegenlaufenden Handlungen aber zeigt sie, daß sie in sich selbst an diese Lehre noch nie geglaubet hat, und somit noch weniger an Christum, aus Dem sie im Grunde macht, was sie nur immer will, sie backt Ihn, sie verkauft Ihn, ja sie richtet und verflucht Ihn sogar zur Hölle, so Er es wagete, etwa auch mit einer andern Sekte Gemeinschaft zu machen. Dadurch werden alle sonst noch so treuen Bekenner Seiner Lehre in ihrem Glauben erschüttert, und sind auf diese Weise dann gerade mit eiserner Macht genöthiget, solch einer Lehre, die sich ganz gutwillig zu den größten Schändlichkeiten gebrauchen läßt, mit der gerechtesten Verachtung den Rücken zu kehren!

04. Sage! so es einen Christus giebt, sieht Er das nicht, was nun schon die gemeinsten Menschen mit Händen greifen? oder will Er es nicht sehen, oder ist das etwa am Ende doch noch Sein Wille, daß die römisch—katholische Anstalt ebenso bestehe und fortwalte, wie sie noch allzeit bestanden und schändlich genug gewaltet hat? — Sage uns! Muß Rom also bestehen? und hat Christus im Ernste ein Wohlgefallen an dessen Werken?! — Kann Er im Ernste nur lateinisch? und liebt über alles die leerste nichtssagende Zeremonie? Er, der zu Seinen irdischen Lebzeiten doch nichts so sehr bedrohet hat, als die schändlichste Augendienerei?! Also, Freund! dieß Räthsel noch löse uns, und wir sind dann ganz dein und deines Gottes!"

05. Spricht Bruno : „Freund! diese deine Einwurfsfrage wegen Rom und dessen Kirche und Diener ist ganz richtig und bestbegründet, und es läßt sich für dieselbe wahrlich sehr schwer nur irgend eine Bevorwortung anbringen; aber nichts destoweniger muß der Herr dennoch irgend einen Grund haben, daß Er sie bestehen läßt. Es ist ganz vollkommen wahr, daß das Gottes Wort Christi sogar bei den Erzjuden und Stockmohamedanern ein beiweiten größeres Ansehen genießt, als eben bei den allersinnlichsten Römlingen — , und daß sie aus Christo machen, was sie wollen, und Sein heiligstes Wort verdrehen und beschnatzeln und beschneiden, wie es in ihren betrügerischen, herrsch— und habsüchtigsten Kram gerade am allermeisten und besten taugt; aber da denke ich also:

06. Dieser nun schon sehr alt gewordene Baum hat in geistiger Hinsicht nahe dieselbe Entartung und förmliche Degenerirung erlitten, als der alte Kastanienbaum in Sizilien nahe am Aetna, dessen Kern schon vor nahe 1000 Jahren morsch, faul und todt geworden ist; da aber dieser Baum nach allen Richtungen in seiner Jungzeit kräftige und mächtige Wurzeln, und ebenso auch sehr starke und weitausgebreitete Aeste und Zweige getrieben hat, die natürlich mit den Wurzeln in der beständigen Korrespondenz stehen, so hat sich mit der spätern Zeitenfolge zwischen den Wurzeln und Aesten eine neue Stamm— oder Rumpflinie gebildet, so daß aus dem ehmals Einen gesunden Baume nun ein Vielbaum entstanden ist, der blos in der Krone, und lange nicht mehr in den Wurzeln und in dem Stamme, als ein und derselbe Baum zusammenhängt; — dieser seines hohen Alters wegen merkwürdige Baum trägt aber wohl noch hie und da sparsam Früchte; aber sie sind geschmacklos, hart und nahe ungenießbar; der Grund davon dürfte wohl der sein, weil der Baum den ersten Hauptlebenskern schon lange gänzlich verloren hat; es haben sich wohl aus den starken Seitenwurzeln in den getheilten Blattstämmen auch eigene Kerne gebildet; aber damit ist dem Hauptstamme wenig oder nichts geholfen, von dessen alleiniger Vollgesundheit auch die volle gesunde und wohl genießbare Frucht abhängt. Dieser Baum wird nun mehr als eine historische Rarität, denn als eigentlich ein nutzbarer Baum angesehen, erhalten, und von dem einfachen Volke unter allerlei Märchen und Fabeln, die sich an alles sehr Alte eben so gerne, wie das Moos an alte Baumstämme ankleben, verehret, und von manchen gar stockblinden Narren sogar als ein Heiligthum angebetet. Das Beste an diesem Baume ist, daß er bei plötzlich eingetretenen Unwettern den Wanderern irgend einen dürftigen Schutz gewährt!

07. Und ebenso, kommt es mir wenigstens vor, verhält es sich mit dem in hohem Grade zerrissenen Bestehen der römisch—katholischen Kirche; sie hat keinen eigentlichen Stamm, und keinen Kern mehr; sie besteht wohl noch, und hat noch äußerlich das Ansehen von einem Lebensbaume; aber im Grunde des Grundes ist sie eben so wenig mehr ein eigentlicher Lebensbaum, als wie der alte sizilianische Kastanienbaum ein nützlicher Fruchtbaum mehr ist. Sie vegetirt wohl noch, und hat in ihren Extremitäten noch ein Aeußerlichkeitsleben, trägt auch noch Blüthen und Früchte; aber sie sind nicht mehr zu genießen, sind holzicht hart, und geschmacklos, und werden von einigen Reisenden nur als eine Rarität gekauft, und mit sich genommen; das Beste an den altrömischen Kastanienbaume ist, wie bei dem sizilianischen, daß Reisende, d. h. durch politische Stürme bedrängte Fürsten unter seinen weit ausgebreiteten Aesten einen Schutz suchen, und ihn auch — freilich nur höchst dürftig finden; aber wie der sizilianische natürliche schon eigentlich lange todt ist, und nun seiner gänzlichen Auflösung entgegen gehet, so nun auch der geistliche altersschwache Baum Roms; ich sage dir: Bald wird Rom nur mehr in den Geschichtsbüchern existieren, — gleich wie der sizilianische Kastanienbaum in den Chroniken dieses Landes.

08. Es ist allerdings wahr, daß an der Stelle, wo nun dieser Baum noch stehet, eine Menge anderer frischer und vollgesunder Bäume stehen könnten; aber so es gerade Gott dem Herrn noch genehm ist, solche Raritäten in der Wirklichkeit bestehen zu lasten, wozu Er sicher Seinen besten Grund hat, wozu sollen sie dann uns genieren, wo wir Alle doch wahrhaftig schon gar lange und mit dem besten Gewissen von der Welt von ihnen durchaus keinen Lebensgebrauch gemacht haben, und fürder in alle ewigen Zukünfte noch weniger einen Gebrauch machen werden!

09. Uebrigens kommt mir die römische Kirche aber auch so vor, wie eine Glaubensnacht, darum sie bei ihren sogenannten gottesdienstlichen Verrichtungen stets Lichter anzündet, zum Zeichen, daß es in ihr auch am hellsten Tage Nacht ist! — Die Nacht aber hat auch ihr entschiedenes Gute, denn sie giebt den Müden Ruhe! — und wo haben die Geistesmüden mehr Ruhe, als in der Nachtkirche Roms? sie brauchen nichts zu denken, nichts zu forschen, und nicht vorwärts zu schreiten, sondern ganz ruhig an den Gütern ihrer Mutter (Nacht) theil zu nehmen, und sie können ruhig — schlafen! — erwachen sie aber dann vom Schlafe durch irgend einen moralischen oder politischen Rumpler geweckt, so sucht Niemand so emsig ein Licht, als eben diejenigen, die sich in der Nacht befinden!

10. Und so glaube ich, dürfte es denn wohl auch sein, daß der Herr aus eben diesem Grunde die römisch—katholischen Nächtlinge duldet, gleichwie die natürliche Nacht neben dem Tage, auf daß die Menschen in dieser Nacht einen desto größeren Appetit nach dem Lichte bekommen sollen! Ich habe mich wenigstens noch allzeit überzeugt, daß die Blinden noch allzeit größere Freunde des Lichtes waren als die Sehenden; und so mag es wohl auch sein, daß aus allen christlichen Glaubenssekten keine so viel nach wahrem Lichte forscht, als eben jene, die das wenigste Licht hat, d. h. die der Nachtkirche zuständigen Bekenner. Ich meine, daraus dürfte euch so ziemlich einleuchtend sein, warum der Herr die alte Römerin duldet, und wozu sie eigentlich gut ist? Habt ihr noch irgend ein Bedenken, so gebet es mir nur ganz offen kund, an der Antwort solle es nicht fehlen."

116. Kapitel. Entstellung der reinen Gotteslehre aufgrund der menschlichen Willensfreiheit. Katholische Glaubensgeschichte. Der Herr liebt Roms Lämmer. Das Ende Seiner Langmut.

01. Spricht der Redner: „Schätzbarster Freund, wir sehen nun wirklich ein, was an der Römischen Alleinseligmacherin ist, und daß die Gotteslehre Christi ganz wohl eine echte Gotteslehre sein kann, und auch sicher ist, obgleich sie von der allerbornirtesten Sekte Roms auf das gräuelhafteste gemißbraucht wird. Aber nur das noch sehen wir Alle nicht ein, wie denn der Herr zulassen hat können, daß diese Kirche, die in der ersten Zeit doch so zu sagen ganz rein apostolisch gewesen sein solle, in diesen letzten Jahrhunderten bis unter den Hund herabgesunken ist, so daß sie nun ganz und gar nimmer zu der Einsicht gelangen kann, daß sie so ganz eigentlich nach dem reinen Sinne des Evangeliums gar keine Kirche mehr ist. Ihr lateinisches Geplärr, ihre Ohrenbeichte, ihr Meßopfer, und ihr sonstiges heiliges Firlefanz und sinnlosestes Klinkl—Klankl, und besonders das allen gesunden Menschensinnen und aller Natur widerstrebende Cölibat sind ja doch Erscheinungen, über die sich in der Zeit schon sogar nur einigermaßen gebildetere Pudels zu mogiren anfangen, anderer über alle Begriffe dümmsten kirchlichen Gebräuche und Disziplinar—Geschichten nicht zu gedenken. Denn würde ein Mensch streng nach den römischen Gesetzen leben, so müßte er aber schon so ein dummes Luder sein, daß er dem ersten Narrenhause in Paris sicher keine Schande machen würde. Und siehe, solch eine großartigste Narrenkreirungsanstalt duldet der Herr, Dessen Lehre ein Centralsonnenlicht den Menschen der Erde sein solle. Siehe, darin liegt der eigentliche Hund begraben, und das ist des Pudels ominöser Kern. Darüber, Freund, gebe uns noch ein mögliches Lichtlein!"

02. Spricht Bruno: „Liebe Freunde! das eigentliche Wie — und warum dieses der Herr zulassen kann, müsset ihr euch aus dem heiligsten Begriffe der nothwendigsten Freiheit des menschlichen Willens erklären, ohne welche Freiheit der Mensch nicht Mensch, sondern ein bloßes Thier, oder ein possirlicher Automat wäre. Da aber der Mensch, um ein Mensch zu sein, einen vollkommen freien Willen haben muß, dem zufolge er thun kann, was er nur immer will, so ist es anderseits aber auch einleuchtend klar, daß es ihm auch in Hinsicht auf die noch so rein göttliche Lehre frei stehen muß, sie anzunehmen, oder nicht anzunehmen, oder als echt oder nicht echt anzuerkennen. Da aber dem Menschen solches zustehet, so ist es dann aber auch klar, daß sich mit der Zeit gar leicht aus der reinen Lehre Christi ein allerfinsterstes Papstthum hat herausbilden können.

03. Denn es haben sich ja doch schon zu den Zeiten der Apostel Negozianten mit der Wunderlehre Christi vorgefunden; ja Christus Selbst hatte einen, der Ihn verrieth, bei Sich; wie sollen sich da in den spätern Zeiten nicht Negozianten (Geschäftsleute) in die Menge vorgefunden haben, da sie schon Erfahrungen vor sich hatten, nach denen die Lehre Christi als eine geduldige Kuh angesehen ward, die ohne viel Futter eine ungeheure Menge Milch giebt. Da aber gold— und geldsüchtige Menschen das nur zu gut eingesehen haben, so machten sie aus der Gotteslehre eine Verkaufswaare, und handelten damit in allen Landen der Erde, und machten die besten Geschäfte. Das war schon die erste böse That; als aber die Kaufleute (römische Pfaffen aller Art) sahen, daß die Waare ihrer reinen geistigen Form nicht mehr gar zu gierig gekauft ward, besonders bei den Prunk und Zeremonie liebenden Asiaten, da richteten sie auch bald ihre Waare so ein, wie sie es glaubten, daß sie den Morgenländern am meisten zusagen dürfte, und sehet, der neue Handel ging dann wieder gut von statten.

04. Aus dieser Handelsepoche datirt sich aber auch hauptsächlich zuerst die freche und willkürliche Beschnatzung und Beschneidung der Reinlehre Christi, die Erfindung des Fegfeuers, der Ablässe, der Bruderschaften u. d. m. — Auch die famosen, und den verschmitzten Kaufleuten Roms gar sehr viel tragenden Kreuzzüge gehören dieser zweiten Epoche an. — In der noch etwas spätern Zeit, als die Menschen ein wenig einzusehen begonnen haben, zu wessen Nutz und Besten die Kreuzzüge Roms so eifrig und unter ungeheueren Ablässen gepriesen und mit aller Energie betrieben wurden, hat man dann dieser zu grellen Betrügerei dennoch Einhalt thun müssen, um sich vor aller Welt nicht gar zu bloß zu stellen; denn man ist sehr überrascht dahinter gekommen, daß die Kaufleute Roms mit den Sarazenen in der innigsten Geschäftsverbindung standen, und diesen allzeit treulichst kund gaben, wann sie wieder von einem fetten Kreuzzuge würden besucht werden, von welcher Seite er kommen wird, und wie stark er sein wird; wo es dann den wohlunterrichteten Sarazenen freilich stets ein Leichtes sein mußte, die blinden Kreuzritter auf das Zweckmäßigste zu empfangen!

05. Als also die Menschen hinter diese Betrügereien kamen, was die fleißig beichthörenden Pfaffen nur zu bald erfuhren, da warf man sich auf die Mystik, eigentlich Escamotie (Schwarzkunst), errichtete Wallfahrtsorte mit Mirakelbildern, hüllte sich ganz in's Latein ein, produzirte wunderthätige Reliquien, und baute große Tempel mit viel Wunderaltären, goß große Glocken, u. dergl. m. Damit handelte man bis zur Stunde; aber da in der Zeit die Menschen den Pfaffen denn doch schon wieder, und das stärker denn je, über den Kopf zu wachsen anfangen, und sogar vor dem beheiliggeisteten Manne — keinen Respekt mehr haben, so geht nun diesen Kaufleutchen der Faden aus, und sie wissen nun nicht, wie sie die Sache anstellen sollen, um ihrer sehr verlegenen Waare einen ergiebigen Absatz zu verschaffen.

06. Aber Freunde, dießmal wird sich's nicht mehr thun. Die Bibeln sind nebst andern hellen Schriften zu sehr unter's Volk gekommen, und diese Kaufleute haben zu offenbar gezeigt, daß sie für Alles zu haben sind um Geld, und so hat sich sogar Maria, die lange ihre Hauptstütze war, samt ihrem hölzernen Christuslein bei ihnen zu empfehlen angefangen, was für diese Kaufleute ein außerordentliches malum Omen ist. Es wird ihnen nun bald nichts mehr übrig bleiben, als ihre in den Geschäftsbüchern treu aufgezeichnete Chronik skandalös. Denn ich möchte beinahe um meine ganze Seligkeit wetten, daß sie in Bälde gerade vor den Völkern nicht viel anders dastehen werden, als wie eine sich stets sittlich und fromm gebährdende Tochter vor ihren ehrlichen Eltern und andern Anverwandten, so sie von ihnen in der Unzuchtsstube einer schändlichen Kupplerin als eine feile Dirne ertappt wird. — Oder sie, die Kaufleute, werden müssen stark handeln lassen; was aber auch ein Argumentum gegen sie sein wird, eins so schreiend wie das andere.

07. Und so wird der Herr Seine Lehre reinigen zur rechten Zeit, auf eine Art, die aller Welt wie ein Blitz in die Augen springen wird. Im Ganzen aber schadet es gerade Niemanden, wenn Er der Römerin secundum ad nominem angehört; denn ich kann euch Alle versichern, daß der Herr die römischen Lämmer sehr lieb hat was denn auch ein Hauptgrund ist, warum Er diesen Taubenkrämern und Geldwechslern nicht schon lange ihre schnöden Buden umgeworfen, und die Krämer mit Stricken aus dem Tempel getrieben hat. Aber was bisher noch nicht in aller Eklatanz geschah, das stehet nun vor der Thüre,

08. darum alle Ehre Ihm allein, der die Seinen stets so sanft mild leitet, wie eine Henne ihre Küchlein. Ich meine nun, daß ihr nun bezüglich der Römerin vollends im Klaren sein dürftet, und so wendet euch denn nun allein an Jesum Christum, auf daß euch Allen ein volles Licht für ewig werden möchte."

117. Kapitel. Die Zweifler glauben nun, fürchten aber zum Teil, schuldbewußt, den Gang zu Jesus. Zwiegespräch eines Kirchengebundenen und eines Freien. Humor im Geisterreich. Brunos klärende Rede.

01. Spricht darauf der frühere Redner, der vor dem hier sogenannten Grobianus gesprochen hatte, sagend: „Ich und meine Nachredner sind von der Klarheit deiner Rede ganz durchdrungen; die Wahrheit ist durchgehends schlagend da; es ist so, es war so, und es wird auch unfehlbar also werden, wie du es nun in ganz vollkommen profetischem Geiste vorausgesagt hast. Also ist auch der Jude Jesus der Christ sicher das, was die gute Tradition von Ihm zeigt, und was du nun von Ihm ausgesaget hast. Aber um desto wahrer alles das ist, um eben desto schwerer ist es nun für uns, daß wir uns könnten an Ihn wenden. Denn wir sind allzumal grobe Sünder gewesen, und haben Seiner göttlichen Lehre nicht geachtet; wird Er nun, so wir uns auch noch so bittend an Ihn wenden möchten, uns nicht sogleich zurufen: Weichet von Mir, ihr Thäter des Uebels, Ich kenne euch nicht!?"

02. Spricht der zweite Redner: „Oh, oh, oh! wo denkst du schon wieder hin? Mir scheint, in dir spuken noch immer so ein halbes Dutzend ganz gemüthlicher Liguorianer herum. Glaubst du denn im Ernste noch an eine Hölle und an ein Fegefeuer? Nein, so was könnte mir wohl sogar nicht einmal in einem Traume einfallen! Christus wird doch, meine ich, so um ein hübsches Stückchen weiser sein, und besser auch als wir beide; sag' mir, könntest du sogar bei deiner einmaligen nicht unbedeutenden Herzenshärte Jemanden in die jesuitische Hölle hineinverdammen, und das auf ewig, so es eine gäbe? Ich sage, da müßte man geradewegs ein Teufel sein, um so was zuwege zu bringen. Wie stellst du dir hernach aber Christum vor, wenn du Ihm so was zumuthen kannst?!"

03. Spricht der Erste: „Du hast zwar wohl recht; aber weißt du, das sind auch Seine eigenen Worte, denen zufolge Hurer, Ehebrecher, Diebe, Mörder, Betrüger, Meineidige, Geizhälse und Hartherzige nicht ins Reich Gottes eingehen werden. Es heißt: Wer glaubt und getauft wird, der wird selig. Wir sind zwar wohl getauft worden, aber geglaubet haben wir nie etwas, außer das wir mit Händen greifen konnten, alles andere waren bei uns Narrenspossen. Wir können also vor Christo dem Herrn nun mit gar nichts auftreten, das für uns auch nur einen günstigen Schein hätte. Er ist wohl unendlich gut, aber er ist auch ebenso unendlich heilig, und deßhalb ebenso gerecht! Wie wir uns aber mit Seiner Gerechtigkeit zurecht finden werden, das ist eine ganz andere Frage?"

04. Spricht der Zweite: „Aber ich bitte dich, rede doch nicht gar so geschwollen und lehmlacket. Hast denn unsern Freund und Führer Bruno nicht reden gehört, wie die Sachen stehen? Er ist von Christo dem Herrn an uns abgesandt worden, um uns zu gewinnen, und hinzuführen eben auch vor den Herrn. Er hat uns nun gewonnen; warum sollen wir denn nun noch Umstände machen? Das wissen wir Alle, daß wir vor Gott keinen Schuß Pulvers werth sind; aber so Er uns gnädig und barmherzig sein will, warum sollen wir uns da spreizen wie eine Jungfrau auf einer Bauernhochzeit, und gschamig thun, wie eine sächsische Prinzessin, wenn sie von ihrem königlichen Gemahls zum ersten Male auf's Eh'bett begehret wird. Da heißt es mit beiden Händen zugreifen, wenn uns der große Herr der Himmel etwas geben will, und nicht allerlei jesuitische Bedenken tragen, die ohnehin für jeden Pudel zu schlecht und zu dumm wären, so man sie ihm selbst linea recta unter den Schweif hängete."

05. Spricht der Erste: „Aber wenn du nur um ein bischen feiner wärest! Auf der Welt warst du stets so ein gerader Michel, und hier bist du um kein Haar anders. Wirst du etwa im Angesichte des HErrn und aller Seiner heiligen Freunde auch so reden? Da wirst du sicher beben, wie das Laub der Espe bei einem großen Sturme!"

06. Spricht der Zweite: „O je, o je! Ich habe gemeint, du hättest blos so mit einem halben Dutzende Liguorianer noch zu thun; aber wie ichs nun merke, so steckt noch ein ganzes Jesuitenkollegium in dir! Aber hast du denn auf die klarsten Worte Bruno's nicht acht gegeben? Der hat die römische Betrügerei doch so klar enthüllet, als wie klar da einstens der berühmte Spiegel von Arkadien war, und du schwärmst nun noch als wie ein sterbender Pater Kochheim. Geh! laß dich nicht auslachen, sieh, dem Freunde Bruno wird schon ordentlich nicht recht gut, wenn er dich ansieht, weil du nun gar so ein blitzdummes Gesicht machst, und darauf los redest, als wie ein Wiener Fiaker am Charfreitage, wann die Liguorianer seine Pferde mit Weihbrunn besprengen, nöthigenfalls auch klystiren. Schäme dich hier im Geisterreich als selbst Geist mit derlei Albernheiten zu kommen! Schau, Christus der Herr müßte dich gerade selbst auslachen, wenn Er dich mit diesem Mölker—Bastei—Löwengesichte sähe!"

07. Spricht der Erste: „Aber um Gotteswillen, Freund! ich bitte dich, bezähme deine grobe Zunge, sonst kommst du noch offenbarlichst in die Hölle. Denn es giebt eine Hölle, wie es einen Himmel giebt. Lege doch deiner Zunge ein Bischen einen Zaum an, sonst wirst du ohne weiters verdammt! Denn du hast ja ein gottloses Maul!" — Spricht der Zweite: „Freund Bruno! sei so gut, und tröste doch diesen Helden ein wenig; sonst erleben wir noch hier in der Geisterwelt das famose Malheur einer Hosenverunreinigung. Die Voranstalten dazu scheinen schon so ziemlich getroffen zu sein."

08. Die ganze Gesellschaft geräth darüber in eine Lache, und der erste Redner spricht: „Aber Freund Bruno! ich bitte auch, diesem Verunglimpfer meines guten Namens sein zu ungebührlich weites Maul ein wenig zu stopfen. Denn was geht das ihn an, wenn ich ein Freund der Diener Gottes war? Lasse ihn doch nicht solche Anspielungen machen, daß mich darob Alle auszulachen anfangen!"

09. Spricht Bruno: „Sei gescheidter, dann wird dich Niemand auslachen; nehme an, was ich hier geredet habe, so wirst du wohl daraus kommen! Aber so du hier mit lauter gar so jesuitisch aussehenden Bedenken kommst, und dadurch mein Werk an euch Allen verzögerst, so hat der Freund Niklas recht, wenn er dich ein wenig rippelt. — Wer ist denn vor Gott gut und gerecht, und wer hat Verdienste vor Ihm, dem Allmächtigen? Hat Er denn nicht Selbst gesagt: So ihr alles gethan habt, da müsset ihr noch sagen, daß ihr faule und unnütze Knechte waret; so Er aber also geredet hat, was urtheilen wir denn, ob wir gut oder schlecht seien, oder ob wir welche oder keine Verdienste vor Ihm haben? Siehe, wir sind Alle zusammen vor Ihm schlecht, und haben gar keine Verdienste. So Er uns aber gnädig und barmherzig sein will, was sollen wir uns denn da dagegen stemmen, als so es wirklich Menschen gäbe, die vollends gerecht sind, und vor Gott entschieden Verdienste haben sollen?! O sieh, das ist eitel! Wir Alle sind schlecht, und Gott allein ist gut; so Er uns aber nun etwas Gutes aus Seiner ewigen Güte heraus thun will, so ist es an uns zu thun, wie einst der Sünder Zachäus, als ihn der Herr vom Baume herabsteigen ließ, und in seinem Hause einkehrte, und dann mit ihm das Mahl hielt. Also ruft nun auch uns derselbe Herr; und so thun wir denn auch, was einst Zachäus gethan hat."

118. Kapitel. Bardos Rechthaberei und Empfindlichkeit. Niklas' scharfe Zurechtweisung. Die Schar, im Geiste vereint, darf Jesu Herrlichkeit und Gnade erfahren.

01. Spricht der erste Redner Bardo: „Nun denn, in Gottes Namen, ich will ja wohl nachgeben, wenn es also ist; aber daß der Niklas durchaus kein feiner Geist ist, das muß er doch selbst einsehen; er ist noch wie er auf der Erde war — ein grober, roher und ungeschliffener Mensch. Darum aber, daß der Niklas ein Neukatholik war, und als solcher an den Herrn Jesum gar nicht mehr geglaubet hat, braucht er sich auch nicht eben gar zu viel einzubilden. Denn die haben wollen die Welt zum Himmel machen, und haben uns Katholiken ausgelacht und dumme Schafsköpfe benamset; aber nun sitzt der gute Niklas mit gar vielen seines Glaubens, samt uns alten Katholiken, im gleichen Pfeffer als Geist, und deswegen braucht der Niklas gerade nicht gar so grob mit Unsereinem zu sein. Bin ja doch auch ich mit ihm nicht grob gewesen."

02. Spricht etwas lächelnd der Niklas: „Mein schätzbarster Freund Bardo! Nichts für ungut, so ich etwa ein wenig zu hitzig geworden bin! aber ich habe es wenigstens gut gemeint, was mir Niemand negiren kann. Uebrigens muß ich aber dennoch offen bekennen, daß mir zehn wohlgemeinte Grobheiten allzeit lieber sind, als eine einzige Dummheit, die nicht einer hitzigen Sau zu einem Bade dienen kann. Ich muß dir offen bekennen, daß mir eine neukatholische Ohrfeige zur rechten Zeit lieber ist, als ein römisch—katholischer Judaskuß. Denn die Ohrfeige wird mich nüchtern machen, und zu irgend einem bestimmten Entschlusse bringen; aber so eine leere römisch—katholische Liebfreundelei sieht dem Freunde nie ins Auge, sondern allemal nur in dessen Geldbeutel! Wahrlich! Die 30 Silberlinge hängen der römisch Katholischen überall an, gleich wie der Kuh ihr allzeit sehr schmutziger Schweif. Sag mir, ob je ein eigentlicher römischer Katholik anders zu Gott betet, als um von Gott etwas von Gott zu bekommen?! — Der Bettler betet um ein Almosen, der Landmann um eine gute Ernte, der gläubige Beamte um eine gute Bedienstung, die Jungfrau um einen schönen und wohlhabenden, angesehenen Mann u. s. w., ein jeder um etwas anderes; aber Gott die Ehre zu geben, darum nur, weil Er als Gott das endlos vollkommenste Wesen ist, — Freund Bardo, meine Seligkeit gebe ich für einen Papisten, so er je aus dieser allein reinen, uneigennützigen Absicht zu Gott gebetet hat. Bilde dir daher auf deine römisch—katholische Sanftmuth nur nicht gar zu viel ein; denn diese ist wirklich nicht gar zu weit her! Uebrigens meine ich, daß es nun denn doch schon einmal an der Zeit wäre, dem Rathe des Freundes Bruno nachzukommen, denn des leeren Strohes hätten wir Beide nun, wie ich's glaube, zur Genüge mit einander abgedroschen."

03. Spricht Bardo: „Leeres Stroh, so, leeres Stroh! Das ist kein leeres Stroh! Verstehst du? Denn wenn man Jemanden einen Esel, wenn auch umschriebenermaßen, nennt, so ist das bei mir kein leeres Stroh."

04. Spricht Niklas: „Was denn hernach? vielleicht gar ein Limoni—Gfrornes etwa, oder ein ungarisches Rebhendl? Wenn es dich denn gar so pitzelt, weil ich dir ein wenig die Wahrheit gesagt habe, so sage mir dafür denn eine zurück, und wir sind dann miteinander quitt! — Schau, schau, siehst denn du das noch nicht ein, daß uns Allen nun an Christo dem Herrn mehr gelegen sein muß, als an unserer gegenseitig gekränkten dummen Ehre? Was ist denn alle Ehre ohne Gott? oder was hättest du denn davon, wenn ich dich für einige durchaus nicht vorsätzliche Beleidigungen mit aller Ehre vergolden würde, du dadurch aber von Christo noch länger geschieden bleiben müßtest? Ich meine, von solch einer Ehre würden wir beide ganz verdammt wenig herabbeißen. Daher Freund Bardo, nun nichts mehr von derlei irdischen Dummheiten; sondern wir vereinigen uns Alle nach dem Rathe Bruno's, und bitten den Herrn Jesum um Licht, um Gnade und um eine uns Allen noth thuende Erbarmung. — Ich will den Vorbitter machen, und ihr bittet dasselbe mir laut, und vom Grunde des Herzens nach, so ihr natürlich es wollet?! — Spricht Bardo: „Eh, warum solle ich denn gerade dir nachplappern! ich werde doch etwa selbst auch im Stande sein, eine Bitte zu formuliren!" — Spricht Niklas: „Nur zu, habe gar nichts dawider; denn ein Jeder muß es am allerbesten wissen, wo ihn der Schuh am meisten drückt! Ich aber werde nun einmal meine Bitte laut vortragen, und es stehe einem Jeden frei — sich daran betheiligen zu wollen oder nicht."

05. Hier spricht die ganze 1000—Gesellschaft: „Bitte, bitte, Niklas! wir werden dir nachbitten!"

06. Spricht Bardo: „Wegen meiner, ich aber werde doch allein für mich bitten, denn ich weiß schon warum und was." — Spricht Niklas: „Thue was du willst, aber um das bitten wir Alle dich, daß du uns fürder nicht störest; daher bitte in der Stille."

07. Nach diesen Worten fällt es Allen, bis auf Bardo, wie Schuppen von den Augen, und Ich Selbst stehe — unweit des großen Rathstisches, um den noch die ganze schon bekannte Gesellschaft versammelt sich befindet — knapp vor dem Niklas. Alle getrauen sich nun kaum aufzuschauen, und können sich über die Größe und Pracht des Saales, wie über die Frische und Schönheit der Gäste nicht genug verwundern.

08. In diesem Momente tritt auch der Bruno in der höchsten Ehrfurcht vor Mich hin und spricht: „O Herr! Dir allein alle Liebe, Ehre und Anbetung! Sieh', ein allerunnützester Knecht stehe ich hier vor Dir, und übergebe Dir diese Schaar, die, wie ich überzeugt bin, nun ganz Dir im Herzen angehört."

09. Rede Ich:„Sehr gut hast du es gemacht; deine große Geduld und Demuth haben dies nicht geringe Werk musterhaft zu Stande gebracht. Wahrlich, weil du bei diesem deinem ersten Geschäfte in Meinem Reiche dich so musterhaft benommen hast, so sollst du gar bald über Größeres gesetzt werden, und dieser dein Freund Niklas solle dir zur Seite stehen, denn auch er hat gegen das Ende deiner Verhandlung mit dieser 1000—Gesellschaft entschieden viel dazu beigetragen, daß sie nun, bis auf einen leichten Eigensinnler, als vollkommen gerettet vor Mir, ihrem Gotte, Herrn und Vater stehet, und fähig ist, von Mir fernere und größere Gnaden zu empfangen!

10. Wahrlich, keine Gewinnung der Geister ist segensreicher, als die durch ein wahres Wort, und durch eine weise Lehre! Ihr habt aber hier allein durch Wort und Lehre diese Heerde gewonnen, was vollkommen Meinem Willen, und Meiner Ordnung gemäß ist; daher aber ist diese Heerde nun auch schon vollkommen frei, und kein Wunderwerk hält ihr Herz gerichtet; sie ist daher auch ganz fähig, sogleich größere Gnaden zu empfangen; und das macht Mir wahrlich eine große Freude! Euer Lohn solle aber daher auch ein großer sein.

11. Als alle die Früheren zu Mir kamen, da hatten sie Hunger und Durst; denn sie konnten nur mehr durch wunderbare Thaten und Erscheinungen zu Mir gebracht werden; euch aber hungert es nun nicht, und Niemand bis auf den Bardo hat einen Durst! — Der Grund davon ist, weil ihr Alle allein dem Worte gefolget seid. Und das ist recht, und so ist es Mein Wille!

12. Gehet ihr Beide, du Bruno, und du Niklas zum Robert hin; der wird euch neue Kleider geben; Ich Selbstaber werde den Bardo ergreifen,und ihm geben, was er haben will – Süßes oder Bitteres!"

13. Niklas, ganz zerknirscht vor Liebe und Dank, möchte noch etwas reden; — aber Ich sage zu ihm: „Freund! du hast schon geredet; — denn Ich verstehe Mich auf die Zunge des Herzens; daher gehe nur ganz getröstet hin zum Robert, mit Bruno; — im neuen Kleide werden wir dann noch gar Vieles miteinander zu reden und zu schlichten bekommen; es sei!"

119. Kapitel. Seelenheilung des Bardo. Gute Rede des Niklas von den Führungen Gottes. Dankbare, himmlische Verbrüderung aller. Häusliche Aufgaben Roberts.

01. Die Beiden bewegen sich nun sogleich zum Robert hin, der sie überaus freundlich aufnimmt. Ich aber sage zum Bardo, der Mich noch nicht sieht: „Thue dich auf, du Finsterling, und gebe Mir Antwort, und zeige Mir deines Hochmuthes Grund!"

02. Bardo erschrickt gewaltig, als er Mich sogleich erkennend vor sich stehen erblickt! — Er versucht zu reden, aber die Zunge versagt ihm den Dienst, und so stammelt er blos so hin und wieder, als wie Einer, den in den größten Spekulationssorgen der Schlaf übermannt. Er meint in seinem zitternden Herzen aber nun nichts anderes, als daß Ich ihn schon im nächsten Augenblicke zur Hölle verdammen werde.

03. Aber Ich sage zu ihm: „Blinder, wie eitel doch ist deine Furcht! Wann kam ich denn zu denen, die verdammt durch sich selbst, um sie noch mehr zu verdammen? Ich komme, so Ich komme, zu helfen, aber nicht zu richten und zu verdammen. — Ich sehe aber in dir eine starke Krankheit, und die heißet Hochmuth, und darüber sollst du Mir, der Ich dir helfen will, eine genügende Auskunft geben, nicht um Mich etwa über dich in Kenntniß zu setzen; denn Mir sind alle Dinge von Ewigkeit her wohl bekannt; sondern damit du selbst dich deiner Bürde entledigest vor Mir.

04. Sieh, als dein Freund Niklas euch Allen vorbitten, und dadurch einen Bittleiter machen wollte, da wolltest du nicht mithalten, sondern — du wolltest ganz für dich allein bitten; — und du batest auch, aber wie und um was? für dich selbst wolltest du gerade nicht viel, dafür aber desto mehr Demüthigung für Alle, die dich je beleidigt haben, und am allermeisten für den Niklas, der sich fürs Erste vor dir beim Bruno hingestellet hatte, und streitig gemacht deine Volksvertreterschaft, da du doch der erste warest, der mit dem Bruno im Namen der ganzen Gesellschaft Worte zu tauschen begann, und fürs Zweite, darum er es am Ende sogar gewagt hatte, dir — freilich auf eine nicht feine Art — einige sehr bedeutende Wahrheiten ins Gesicht zu sagen!

05. Bedenke nun aber auch, ob das wohl recht ist, so du dem, der dir dein bester Freund ist, eine große Demüthigung an den Hals wünschest, weil er als Freund es gewagt hatte, dir ganz gebührendermaßen die Wahrheit zu sagen?! Solltest du dem nicht vielmehr nur alles Beste wünschen, der dir als ein wahrer Freund die Wahrheit sagt, und dich dadurch von der verderblichen Stufe des Hochmuthes und der Selbstsucht zurückzieht, als daß du ihm ein stark demüthigendes Gericht über den Hals wünschest?!

06. Meinst du denn, hier im Reiche der ewigen unverhülltesten Wahrheit geht es auch so zu, wie auf der Erde, wo die Blinden nur die Schmeichler und die Feigen und feilen Lobhudler als ihre Freunde halten und ehren; jene aber, die ihnen die Wahrheit sagen, als ihre ärgsten Feinde verabscheuen und verfolgen, — gleich wie es die Juden an Mir thaten, der Ich auch keck genug war, ihnen die nackte Wahrheit unter die Augen und Nase zu reiben!

07. O Mein lieber Bardo, hier ist es ganz anders! hier gilt nur die nackte Wahrheit ganz allein, und die mit ihr gepaarte reine Liebe; alles andere ist ein Greuel vor Mir, und muß von diesem Meinem Reiche ewig ferne bleiben! Nun weißt du aber auch aus Meinem höchst eigenen göttlichen Munde, wie sich hier die Sachen der gegenseitigen Freundschaft verhalten; darum bekenne nun aus dir selbst, daß du an dem Niklas im hohen Grade Unrecht geübet hast, und gehe hin und vergleiche dich mit ihm; alsdann komme wieder hierher, und Ich werde dir zukommen lassen, was recht ist, und was dir gebühret!"

08. Als Bardo solche gewichtigste Worte aus Meinem Munde vernimmt, da fängt er an in sich zu gehen, und sagt bei sich im Herzen: „Ja, ja, der Herr, der Allmächtige hat es gesprochen! Wer kann sich wider Seine Weisheit und Allmacht auflehnen? Es ist schon also, und ewig recht! Der Mensch ist ein Feind der Wahrheit, besonders wo sie ihm zu nahe tritt; aber er thut ihr groß Unrecht, zumal so er bedenkt, daß sein Leben nicht nur bis zum Rande des Grabes, sondern endlos weit über dasselbe hinausreicht und zwar lediglich in der Wahrheit und Liebe bedingt! — Der Herr Selbst hat es mir gezeigt, und hat mich tiefst belehrt; — und so will ich denn auch, wie schwer es mir auch immer ankommen solle, thun, wie es der Herr will! — Muth und Entschlossenheit gehört zu allen großen Dingen, und so will ich denn auch muthig und entschlossen hin zum Freunde Niklas gehen, ihm alles bekennen, und ihn dann um seine Freundschaft demuthsvoll bitten! — ja, so sei es!" Darauf begiebt er sich sogleich hin zum Niklas, um seinem guten Vorhaben nachzukommen.

09. Niklas aber kommt ihm nun schon umgekleidet entgegen, umarmt ihn, und spricht: „Freund! — auf der Erde benöthigen die Blinden auch der That; denn sie sehen nicht des Willens ernste Kraft. — Hier aber, wo man mit starkgeöffneten Augen den vollen Ernst des Willens gar wohl erschauet, fragt man nicht nach der dem Willen folgen sollenden That, sondern allein nach dem Ernste des Willens; ist dieser in der Ordnung, dann ist auch Alles in der Ordnung! Hier ist nur der Wille unser, alle That aber ist des Herrn!

10. Und siehe, so sind wir nun die besten und intimsten Freunde für ewig, und alle unsere früheren irdischen Differenzen haben für ewig aufgehört! — Den Freund Bruno aber wollen wir auch allzeit recht von ganzem Herzen hochachten und lieben als einen allerwärmsten Freund; denn seinem Muthe und seiner großen Geduld haben wir Alle hier die volle Rettung vom Untergange zu danken! — natürlich, wie es sich von selbst versteht, der unendlichen Güte, Milde und unbegreiflichen Herablassung des Herrn — aber Alles! denn Er war, ist und bleibet ewig der Haupt— und Urgrund alles Heils! Also haben wir auch noch mehrere hier uns vorangehende Freunde lobend anzuerkennen; denn sie waren uns ein starker Magnet, die uns schon auf der Erde sehr angezogen haben, und sind auch hier die handgreifliche Veranlassung gewesen, daß wir durch sie dieß unser Heil in ihrer Wohnung gefunden haben!

11. Dem Herrn Vater Jesus aber sei alle Ehre, Dank und Anbetung und Liebe dafür, daß Er unsere Wege so gezeichnet, und unsere Schritte so geleitet hat, daß wir trotz aller unserer bösen Ohnmacht, und wider allen unsern Glauben nun am Ende unserer lange andauernden Blindheit dennoch dahin gelangen mußten, wohin wir nach Seiner Ordnung zu gelangen hatten!

12. Wahrlich, Seine Rathschlüsse sind unerforschlich, und unergründlich Seine Wege! — Es geht mit dem Menschen nicht anders dem Anscheine nach — als einem Schiffe, das oft ohne Segel und Ruder von den Winden auf dem Meere wie zufällig hin und hergetrieben wird; wer sollte dabei denken und sagen: Siehe, dieß Fahrzeug, aller seiner leitenden Organe ledig, wird dennoch nach einem besten Plane geleitet! — Aber man bedenkt nicht, daß auch die Winde des Herrn sind, und Er allein ihnen die Richtung und Kraft ertheilt; das Schiff kommt endlich dennoch an ein sicheres Ufer, als hätte es der erfahrenste Steuermann geleitet; und sieh, das ist ein Werk des Herrn, Dem allein darum alle Ehre und aller Preis gebühret für ewig!

13. Also hat aber der Herr auch unsere Wege also geleitet, daß am Ende wir durch unsere wahrlich groben Sünden den Weg zu Ihm nehmen mußten! O wie endlos gut und weise muß Er sein, und wie unermeßlich liebegewaltig! Kurz, nun sind wir für ewig gerettet; — daher seien wir auch voll des besten Muthes, und voll der innigsten Liebe zu Ihm, dem Retter aller unserer Retter!"

14. Nach diesen Worten umarmen sich die Beiden mit unsterblichen Armen, darauf den Bruno, dann den Dismas, der sich auch zu ihnen hinbegab, und den Max Olaf, der den Dismas zurecht brachte, hauptsächlich aber den Robert, der zur endlichen Wiederbringung des Dismas kräftigst gewirket hatte.

15. Nach dieser Szene begiebt sich Niklas mit Bardo zu Mir, und spricht: „Herr! wir beide stehen wie Ein Herz vor Dir; vergebe auch Du uns, wie wir uns gegenseitig alles für ewig vergeben haben! — auf daß wir Dich dann wie aus einem Herzen über alles lieben könnten!"

16. Rede Ich: „Wenn ihr miteinander gleich seid, dann ist auch alles gleich und eben vor Mir! Eure Schuldtafel ist vernichtet! — Gehet aber nun mit Robert und all den andern Freunden hin zu dem großen Goldschranke; dort werdet ihr für diese tausend Armen eine rechte Menge Kleider finden; nehmet sie, und theilet sie an die noch Armen aus, denn sie sehen noch sehr nackt aus; dann aber kommet, auf daß Ich euch segnen und weiter führen kann, im Reiche des Lichtes! Also sei es!"

120. Kapitel. Bekleidung im Jenseits. Segensrede Jesu an die Neugewonnen. Blum und seine Freunde werden zur Ordnung des Speisesaals beschieden. Ihre verwunderlichen Erfahrungen dort.

01. Alle begeben sich nun urplötzlich hin zum Robert, und dieser führt die ganze große Schaar zu dem großen Goldschranke, öffnet ihn, und theilet Allen die neuen Kleider aus, die sie auch sogleich anziehen, und sodann in und durch die Kleider ein besseres Aussehen bekommen, und voll frohen Muthes werden!

02. Es ist aber im Reiche der Geister ein bedeutender Unterschied zwischen Solchen, die durch ihr innerstes Erkenntniß, das rein durch Liebe zu Mir erwecket wird, sich von selbst zu Mir wenden, — und zwischen Jenen, die nur durch einen weisen Unterricht von Außen her zu Mir gekehret werden; — die Ersten bekommen eine neue Kleidung wie von innen heraus; die zweiten aber müssen sichtlich ihr altes Weltkleid ausziehen, und dafür ein neues himmlisches aber dann auch wie von Außen her anziehen. Diese kurze Erläuterung wird hier deshalb gegeben, auf daß da in der Folge Niemand einen Anstoß finden solle, indem es hie und da bei andern Szenen vorkommt, daß manche Geister plötzlich wie aus sich heraus in eine neue Kleidung gerathen, ungefähr also, als wie ein Baum im Frühjahre! — während die Geister dieser Szene zumeist von Außen her, als wären sie auf der Erde noch, neubekleidet werden müssen.

03. Wir sehen nun vor uns die ganze große Gruppe schon neu bekleidet voll heitern Muthes dastehen; alle preisen Mich heimlich, und Manche können Meine Herablassung nicht tief genug bewundern! — Andere betrachten die Urväter und die Apostel mit einer gewissen heiligen Scheue, und wieder Andere wagen es freilich ganz schüchtern ein Gespräch mit den Aposteln anzuknüpfen. Aber Petrus bedeutet Allen, sich zuvor zu Mir hin zu begeben, und allda zu empfangen den verheißenen Segen, alsdann werden sie schon in allerlei Weisheit wie von selbst eingeführet werden! — Auf diese Mahnung Petri eilen nun Alle zu Mir hin, danken Mir für die schönen Kleider, und bitten Mich um den verheißenen Segen.

04. Ich erhebe darauf sogleich die Hände über Alle und sage: „Nehmet alle hin den verheißenen Segen zur wahrsten Stärkung eurer nun noch schwachen Liebe und Weisheit, ohne welche es unmöglich wäre, in Mein eigentliches Himmelreich einzugehen. Da ihr nun aber Meinen Vatersegen empfangen habt, so seid ihr nun aber auch fähig, einen starken Schritt weiter zu machen in Meinem Reiche. — Ihr habet euch auf der Erde oft gefragt, wenn ihr manchmal einen Blick zu den Sternen emporgerichtet habt: Was etwa doch diese Sterne sind, was der Mond, was die Sonne? und noch so manches Andere! — Einige aus euch meinten dieß, Einige jenes, ja Einige meinten wohl auch gar nichts! Allein das thut nun fürder nichts zur Sache; denn ihr Alle habt das Irdische überwunden, und stehet froh, munter und tief erbauet vor Mir, eurem Gott, Vater und Erlöser, als vollendete Kinder, und habt das Recht, in alle die großen und endlos vielen Wohnungen eures himmlischen Vaters eingeführt zu werden. Und so denn bereitet euch Alle wohl vor! — Denn von nun an erst beginnt eine wahrhaft große Einführung in alle die Werke, die euch durch euer ganzes Leben als ein allerverhülltestes Räthsel täglich vor den Augen schwebten.

05. Dies Haus aber, in dem ihr gefallen, und nun wieder erstanden seid, wird euch so lange als eine allgemeine Wohnung dienen, in der ihr Mich allemal wieder finden werdet, so ihr von einer großen Wanderung ein wenig müde euch eine Erholung wünschen werdet.

06. So ihr aber durch die vielen großen Erfahrungen in der Liebe zu Mir ein rechtes Uebermaß erreicht haben werdet, dann wird auch ein Jeder in sich selbst sein höchst eigenes Wohnhaus finden, das er dann seligst bewohnen wird für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten!

07. Auf daß ihr aber Alle die vor der Thüre harrenden großen Erfahrungswanderungen in Meinen Reichen vollgestärkt machen möget, so wollen wir vorerst Allesamt ein wahres Lebensmahl zu uns nehmen, — und du Robert, und alle deine Hauptbrüder gehet, und öffnet die mittlere Thüre gegen Mittag, dort wird sich euch ein neuer Saal zeigen; in diesem Saale werdet ihr eine Menge Tische und Stühle finden. Ordnet sie, und besetzet sie wohl mit Brod und Wein! — Ich aber werde sodann Selbst diese Gäste alle einführen in den großen Saal des Friedens und der Ruhe. Da sollen sie Alle gesättiget werden! Gehet nun, und thut, was Ich euch nun anbefohlen habe!"

08. Robert begiebt sich nun mit den andern Freunden in den vorbezeichneten Saal, der überaus groß, und mit einer Menge großer und kleiner Tische versehen ist; aber diese Tische stehen noch in einer Unordnung, welche Unordnung entsprechend gleich ist jener des Geistes, in der der Geist zwar schon im Vollbesitze von allerlei liebthätigen Grundsätzen ist; aber sie sind noch nicht geordnet, und daher zu den verschieden guten Zwecken auch noch nicht anwendbar, weil der Geist es noch nicht merken kann, was da No. 1, was No. 2, was No. 3 — u. s. w. folgen solle! — Aus diesem Grunde müssen diese Geister denn nun auch gehen voraus, um die Tische, die gleich sind den Liebthätigkeitsgrundsätzen, zu ordnen; und werden sie geordnet sein, so komme dann Ich Selbst, und führe die Gäste in den geordneten Wohl— und Liebthätigkeitssaal ein, wo sie die höheren Gnaden und Gaben auch in einer höheren und reineren Ordnung empfangen und genießen sollen!

09. Als Robert, mit seinen Freunden, als da sind: der Messenh., Becher, Jell., Max Olaf, Dismas, Niklas, Bardo und noch einigen sich dazu frei Anbietenden, die vielen Tische in einer ziemlichen Unordnung untereinanderstehend erschaut, macht er große Augen, und spricht: „Freunde! da werden wir eine ziemliche Weile zu ordnen und zu stellen haben, bis alles so dastehen wird, wie es so ganz eigentlich dastehen solle. Es ist nur mit der verschiedenen Größe der Tische so fatal; einige sind höher, einige, wie ichs merke, niederer; andere sind schmäler, einige wieder kürzer, als einige andere; so sind auch die Stühle und Bänke nicht gleich! — Das wird ein schönes Stück Arbeit absetzen?! — Ich bin aber auch ein schöner Hausherr, weiß nicht einmal, was alles sich etwa noch irgendwo in diesem Hause vorfindet, und wie es geordnet sein solle?! — und ich solle vollauf der eigentliche Besitzer und Eigenthümer alles dessen sein, wovor — ich nun mit euch allen meinen lieben Freunden dastehe wie eine Kuh vor einem neuen Thore. O! das ist eine saubere Hausherrschaft! — Aber — was ist da zu machen? Wir werden uns denn doch müssen an die Arbeit machen, und diese Geschichte ordnen, so gut wir es nur immer vermögen."

10. Spricht Messenh.: „Es ist wahrlich sonderbar! im früheren Saale waren wir schon wie ganz vollendete Weise, und hier — nur um einen Saal weiter, stehen wir schon wieder so schön dumm da, als hätten wir nie das Einmaleins kennen gelernt. Es handelt sich hier blos nur um die ordentliche Zusammenstellung dieser Tische und Bänke und Stühle, und wir stehen da wahrlich wie die schönsten Ochsen am Berge, und wissen nicht, was wir zuerst angreifen sollen. Welcher Tisch ist No. 1, also oben an, der welche No. 2 — , und so weiter? wie werden wir die niederen zu den höheren stellen, und die schmalen zu den breiten?"

11. Spr. Becher: „Freunde! — machet, was ihr wollt, ich helfe überall; aber verlanget nur keinen Plan von mir; — denn wahrlich in dieser ungeheuer großen Halle komme ich mir aber schon so dumm vor, als wäre ich erst aus dem Mutterleibe gekrochen!" — Spricht Jell.: „Ja, ja, es ist diese Sache, wie es mir heimlich vorkommt, viel bedeutungsvoller, als wir sie uns vorstellen! — Ich meine: Der gute, beste Herr hat uns Alle hier ein wenig anrennen lassen?! — und es wird uns am Ende dennoch nichts übrig bleiben, als zu Ihm zu gehen, und Ihn zu bitten um einen rechten Plan! — Denn wir können da eine halbe Ewigkeit harren, studiren und simuliren, — und wir werden dennoch mit gar nichts zu einem Ende kommen! — Bei tausend Tische, und einige tausend Stühle und Bänke von der verschiedensten Größe! — Diese alle so zu sagen — unter ein Dach zu bringen, das vermögen wir nicht! — Daher senden wir Jemanden an den Herrn, auf daß er sich erkundige nach der rechten Ordnung!"

12. Spricht Robert: „Da gehe ich selbst, und ihr bleibet unterdessen hier, und beschauet unterdessen die andern Wunderlichkeiten dieses Saales!"

13. Nach diesen Worten kehrt Robert in den früheren Saal zurück, und — macht ganz übergroße Augen, als er diesen Saal ganz leeer findet, d. h. leer von menschlichen Wesen; die Einrichtung, und Thüren, Wände und Fenster, aber sind dieselben, wie sie früher waren! — Es rührt sich auch nirgends etwas, und kein Laut läßt sich von irgend woher vernehmen. Robert schaut zu den Fenstern hinaus, sieht aber Niemanden; er öffnet andere Thüren; aber überall ist nichts von dem zu erspähen, was er sucht! Er gehet sogar in des Hauses großen Hofraum hinaus, und es rühret sich nirgends etwas! — Als er trotz alles Suchens und Rufens nichts findet, kehrt er ganz betrübt wieder zurück, wo er seine Freunde nicht minder betrübt antrifft.

14. Bei ihnen angelangt spricht er (Robert): „Gott Lob und Dank, dass ich doch euch noch hier antreffe! denn der drausige Saal ist so leer von allen Wesen, wie ein Eispol der Erde. Kein HErr, und kein anderes Wesen ist irgendwo mehr vorhanden, auch in allen den Nebengemächern nicht, deren ich doch eine Menge durchsucht habe. Das bringt wahrlich ein Vieh um, und hätte es ein noch so zähes Leben! Nun erst stehen wir so recht wie die dummsten Ochsen am Berge hier. O du verzweifelte Geschichte! — Was machen wir nun?!"

15. Spricht ganz erstaunt Jell.: „Das ist nicht übel, o — das ist ganz absonderlich sonderbar nicht übel! In Gottesnamen, sei's nun, wie ihm wolle; fangen wir denn doch an — so gut es geht, diese Tische zu ordnen; werden sie geordnet sein, und besetzt mit Brode und Weine, so wird es sich dann ja zeigen, ob wir die Gefoppten sind!?"

16. Beruft Robert den Max Olaf, und sagt zu ihm: „Bruder! Du bist auf der Erde so ein Seemann, Ingenieur und Geometer gewesen; daher dürftest du denn auch am ersten mit diesen Tischen und Bänken eine gute Ordnung zu treffen im Stande sein?! — Gehe und überschaue die Geschichte! — Denn nun bleibt uns schon nichts anderes übrig, als das zu thun, was der Herr uns ehedem anbefohlen hat, und wie es auch der Bruder Jellineck meint!"

17. Spricht Max Olaf: „Mehr, als man im Stande ist, kann kein Gott von Jemanden verlangen! und so wollen wir die Beordnung dieser Tische auch sogleich ins Werk setzen! — Die großen von gleicher Höhe und Breite stoßen wir zuoberst des Saales zusammen, an diese die ein wenig niedreren und schmäleren; an diese wieder die um etwas weniges niedreren und ebenfalls um etwas weniges schmäleren, und so fort in der Ordnung, bis wir auf diese Art alle werden zurecht gebracht haben. Im Ganzen formiren wir ein langes Viereck, oder aber auch ein Kreuz, was nahe noch entsprechender wäre, da wir mit dieser Arbeit schon so ein eigentliches Kreuz haben! — Und eben auf die gleiche Weise verfahren wir denn auch mit den Bänken und Stühlen. Haben wir diese Arbeit, wie ich's hoffe, recht bald beendet, dann wird es sich ja wohl zeigen, ob der Herr kommen wird, wie Er es verheißen hat; kommt Er aber nicht, so gehen wir dann auch ins Freie hinaus, und suchen unsere Gesellschaft in allen Winkeln dieser Welt. Und so fangen wir in Gottes Namen denn diese Geschichte an zu ordnen!"

18. Mit dem Plane des Max Olaf sind Alle einverstanden, und legen ihre Hände auch sogleich rasch an's Werk, und nach einer guten Weile stehen Tische, Bänke und Stühle in der Ordnung, und zwar in der Form eines Kreuzes. — Robert öffnet darauf mehrere Schränke, die alle voll Brodes und Weines sind; das Brod in der Form der gewöhnlich runden Laibe, und der Wein in mit goldenen Deckeln versehenen Bechern. Robert bestellet nun auch mit Hülfe der übrigen Freunde alle Tische mit Brod und Wein;

19. und als auch diese Arbeit zu Ende ist, spricht er (Robert): „Herr! der Du allsehend, allhörend und allwissend bist, Du siehst nun sicher, daß wir die von Dir uns gegebene Aufgabe, so gut es nur immer sein konnte, allergetreuest gelöst haben; Du hast uns verheißen, sofort mit all den übrigen Gästen hierher zu kommen, und uns Alle für höhere Geschäfte der Himmel zu stärken und zu segnen! — O so verziehe denn nun auch nicht, und komme zu uns, die wir gar so schwer nunmehr Deine heilige, allbelebende und allbeseligende Gegenwart missen!"

20. Sprechen darauf auch alle die Anderen das Gleiche; — aber es bleibt alles in der tiefsten Ruhe, und Niemand vernimmt irgendwo ein Geräusch oder irgend eine andere Stimme. Aber das macht unsere Tischordner nicht irre, sie warten ganz geduldig eine geraume Weile.

21. Als aber trotz dieses geraumen Wartens noch Niemand zum Vorscheine kommt, da spricht Robert: „Das ist wahrlich sonderbar! — solle der Herr uns eigens versuchen wollen, oder haben wir etwas verschuldet? Oder ist diese ganze lange Geschichte seit unserer Ankunft in dieser Welt denn doch nur ein Traum? es ist wahrlich sonderbar, ja übersonderbar! Was thun wir aber nun?! Tretet zusammen, liebe Freunde, und machet Rath und Vorschläge! Sonst bekommt diese Sache ein wahrhaft verzweifeltes Aussehen."

121. Kapitel. Ansichten und Ratschläge der Freunde in betreff der sonderbaren Lage. Dismas trifft das Rechte und bringt die Herzen in Ordnung. Roberts Dank. Vom Segen der Nächstenliebe. Kriegsgefallene als neue Gäste.

01. Tritt Bardo zum Robert hin, und spricht: „Freunde! ich kann es durchaus nicht leugnen, daß dieß gänzliche Verschwinden des Herrn samt der ganzen großen, theils heiligen, und theils aber eben noch nicht sehr heiligen, Gesellschaft mir ebenfalls sehr sonderbar vorkommt, aber ich denke mir's nun also: Ist die frühere ganze Geschichte mit tausend weisesten Vorkommnissen blos nur eine leere traumähnliche Erscheinung gewesen, was ich aber nun durchaus nicht mehr glauben kann, so sind wir frei, und somit für alle Zukunft unsere höchst eigenen Gesetzgeber, und können daher thun, wie wir es für uns und unsere Bedürfnisse am allerbesten finden, und keine fremde Macht kann uns darin beirren. Ist aber alles das, was wir nun seit schon einer sehr geraumen Weile in dieser Welt erlebt, gesehen, geschauet und erfahren haben, reine geistige Wahrheit und Wirklichkeit, — und der von uns Allen gesehene, und gefühlte, und gehörte und über alles geliebte Jesus — der HErr; dann ist diese unsere nun wahrlich nicht unbedeutende Verlegenheit nichts als eine zu unserem Heile bestens berechnete neue Probe, die uns Seine Liebe, Gnade und Erbarmung zukommen läßt, um uns dadurch wahrscheinlich freier, selbstständiger, selbstthätiger und somit gewisserart geistig männlicher zu gestalten. Daher meine ich also: Wir sollen in der Liebe zu Jesu dem Herrn, wie wir Ihn gesehen und gesprochen haben, und wie Er uns belehret, erhoben und mit Seiner allmächtigen Schöpferhand gesegnet hat, wachsen und sehr zunehmen, so wird Er sicher sehr bald in unserer Mitte sein, mit allen den lieben Brüdern und Schwestern. Das ist mein Rath; weiß aber Jemand etwas Besseres, so bitte ich, daß er damit zum Besten Aller auftrete!"

02. Spricht darauf Niklas: „Bruder! ich muß dir's ganz offen bekennen, daß ich mit dir eine recht große Freude habe; denn du triffst nun mit deinem wahrlich großen Scharfsinne den Nagel aber schon allzeit auf den Kopf. Es ist so, wie es du nun gesagt hast, und es muß also sein, und es kann unmöglich anders sein! — Ich habe zwar unsern Freund Bruno eher verstanden als du; aber nun könntest du wahrlich unser Aller Führer sein. Ja, ja, an der Liebe zu Jesu dem Herrn hapert es sicher bei uns Allen, und darum läßt Er uns nun ein wenig sitzen und schwitzen! — Die schöne Helenah, aus Lerchenfeld bei Wien gebürtig, wird sicher nicht ohne Ihn sein, so wie wir nun; — warum? — weil sie Ihn schon gleich Anfangs bei Seiner schwächsten Seite zu fassen gewußt hat, nehmlich im Herzen! — Wir aber als halbausgebackene Weisheitskrämer glaubten, daß wir's ganze Himmelreich mit dem Löffel rein aufgefreßen hab'n; stehen aber nun da wie die allerschönsten Ochsen vor einem ganzen Tschimborasso!

03. Daher ganz richtig gesagt: Mehr Liebe! ja vielmehr Liebe als Verstand — müssen wir dem Herrn zum Opfer bringen, da wird Er nicht verziehen; — aber so wir gewisserart mit einer himmlischen Grandezza die Befehle des Herrn vollziehen, und uns dabei als göttliche Geschäftsträger einen siriusgroßen Himmelsfleck einbilden, als wären wir doch etwas mehr als so manche andere Gottesgnadenschlucker, — da kann es dann freilich auch gar nicht fehlen, daß wir an uns Dinge erleben müssen, die uns Allen allerdings sehr sonderbar vorkommen müssen! Ich meine aber vielmehr, daß wir selbst eigentlich noch sonderbarer sind, als diese Erlebnisse! — ? — Was meinet ihr? habe ich recht oder nicht?"

04. Sagen Alle: „Ganz vollkommen; so ist es auch! Wir selbst sind an alledem schuld? Aber der Herr kennt ja unsere Dummheit?! Und — wird sie uns etwa wohl Nachsehen?!" (Am 15. Sept. 1849)

05. Tritt der Dismas etwas näher und spricht: „Liebe Freunde! erlaubet auch mir ein Wörtlein. Was da die Nachsicht unserer Dummheit betrifft, so meine ich, daß mit solch einer Erwartung wir ganz rein auf dem morschesten Holzwege sind; denn so es sich darum handelt, daß des Menschen Geist erst dann vollendet anzusehen ist, so er durch seine eigene Kraft, das heißt, durch die ihm von Gott von Urbeginn an gegebene innere Lebensmacht sich aufrichtet, regenerirt, und in die erkannte Gottes—Ordnung eintritt, und in derselben dann also wie in seinem höchst eigenen Lebenselemente sich thatkräftig fortbewegt, so dürfte es da mit einer gewissen barmherzigen Nachsicht von Seite des Herrn einen sehr mächtigen Faden haben. Ein Uhrmacher, dem es daran liegt, ein gutes Uhrwerk zu Stande zu bringen, wird wohl sicher alles aufbieten, daß das Räderwerk in der strengsten Ordnung sich befinde, und wird dann, so das Räderwerk durchgeprüft ist, endlich auch dem Räderwerke eine mit verhältnißmäßiger Spannkraft versehene Triebfeder beigesellen, damit das Werk dann in die erwünschte ganz freithätige Wirkungssfäre trete, und der Absicht des Uhrmachers entspräche. Was aber würden sogar wir von dem Uhrmacher sagen, so er dann, wenn das Uhrwerk einmal komplet beisammen ist, aus lauter Barmherzigkeit gegen sein eminentes Werk, die Feder im Uhrwerke aus dem Grunde nicht möchte frei wirken lassen, weil dadurch etwa dem zarten Räderwerke denn doch zu hart geschehen möchte?! Er will sich daher aus purer Schonung für sein Meisterwerk die löbliche Mühe nehmen, mit höchst eigenen Fingern die Uhrzeiger zeitgerecht herumzuschieben. Freunde! ich glaube, so ein Uhrmacher dürfte doch etwa für ein Narrenhaus eine hinreichende Reife haben. Ihr saget: Das ist richtig und vollkommen wahr! Nun gut, liebe Freunde; so wir aber schon ganz richtig solch einen barmherzigen Uhrmacher doch offenbar für einen Narren erklären müßten, wie können wir denn nur mit einigen Funken helleren Verstandes ausgerüstet annehmen, daß der Herr, als der ewig weiseste Werkmeister aller Dinge im endlosesten Raume, gerade in der Periode, wo es sich um unsere selbstständige Vollendung handelt, uns am sogenannten barmherzigen Gängelbande für ewig Herumschleppen solle, gleich wie ein Ochsenhirte eine Kuh am Stricke, damit sie ja nicht vermögen solle, einen über der Grenzschnur stehenden Grashalm abzufressen!

06. Wir haben nun eine Kraft, und haben der Gotteslehre im Ueberflusse; und so heißt es nun selbstthätig uns so gestalten, als wie es die von uns Allen wohl erkannte Ordnung Gottes erheischet. Das Erste ist ganz richtig die Liebe; aber keine Zwangsliebe, sondern eine freie Liebe, wie deren unsere Herzen fähig sind; denn Gott mehr lieben als man kann, wäre eine Thorheit; Gott aber weniger lieben, als es unsere Herzen verlangen, wäre eine sträfliche Lässigkeit, und müßte uns endlich in den Stand des Halbtodes setzen, aus dem wir uns schwerlich mehr von selbst emporraffen könnten! Haben wir aber das rechte Maß der Liebe, so werden wir auch das rechte Maß der Weisheit haben, und mit diesem Maß auch das Entsprechende der geordneten Kraft, mit der wir dann als freie und vollendete Geister aus uns selbst, wie aus Gott heraus, uns freithätig werden bewegen können. Gott ist sicher die höchste Ordnung Selbst in Allem; wollen wir aber diese Ordnung fassen, so müssen wir selbst in uns zur wahren Ordnung in Allem gelangen, und das durch uns selbst, ansonst wir nie auf eine wahre vollkommene Freiheit einen Anspruch machen können.

07. Die von uns bewerkstelligte, und früher vom Herrn zu dem Zwecke gebotene in die Ordnungbringung dieser früher durcheinander gemengten großen und kleinen Tische und Bänke ist mehr als ein sicherster Fingerzeig Gottes, was wir an uns, aus und durch uns selbst noch zu thun haben, um für die ewige Folge vor Gott bestehen zu können. Daher heißt es nun, diese Erscheinung weniger sonderbar, als vielmehr höchst nothwendig finden, sie aber dankbarst auch also benützen, wie es der Herr will.

08. Ich meine, so wir nun recht nachdächten, wie wir etwa noch beschaffen sind, ob wir wohl von allen Leidenschaften ledig sind? oder ob wir nichts mehr in uns verspüren, ob sich nicht etwa noch so irgend ein Fünkchen Hochmuthes in uns vorfindet, und ob wir wohl das Gute allein des Guten willen in uns thätig aufnehmen, so dürften wir es dann etwa doch nimmer gar zu schwer haben, in die endliche Vollendung des Geistes überzugehen, und den Herrn als Vollendete nach Seiner Ordnung mit Seinen Gästen zu erwarten; aber so wir diese Erscheinung als eine Art Ansetzerei von Seite des Herrn betrachten, und uns darob hin und her mehr oder weniger verwundern, so dürften wir freilich noch sehr weit vom eigentlichen Ziele entfernt sein!

09. Es ist nicht genug, daß wir gleich belebten und wohl eingerichteten Maschinen das thun, was der Herr von uns verlanget, sondern wir müssen in uns selbst den wahren Grund davon erforschen und einsehen; dadurch erst können wir uns selbst in eine lebendige Gottesordnung stellen, und aus der heraus das gewärtigen, was uns verheißen ist. An dieser äußern Beordnung dieser Möbel liegt wenig, oder nahe gar nichts; denn ein leisester Gedanke genügt aus dem Herzen Gottes, und eine ewig unübertreffliche Ordnung ist da; aber wenn diese Beordnung dieser Möbel ein Fingerzeig Gottes ist, daß wir im zweiten Saale unseres Herzens, der ein Saal der göttlichen freien Weisheit ist, alle unsere Lebensgeräthschaften in eine bestimmte Ordnung bringen sollen, da liegt dann wohl ungeheuer viel an dieser Erscheinung! Ich glaube diese vor uns liegende Sache nicht von einer falschen Seite beleuchtet zu haben; weiß Jemand aus euch aber noch etwas Besseres, so trete er damit auf in des Herrn Namen!"

10. Spricht Robert: „Freund, ich bin vor Verwunderung über deine große Weisheit ganz hingerissen. Du warst doch ehedem ein hartnäckiger Opugnant gegen die Annahme der Göttlichkeit des Herrn Jesu Christi, und es hat uns viele Mühe gekostet, bis du dich zurechte fandest; denn dein pathetisches Ehrgefühl, und mitunter deine Weibersucht, die in dir noch verborgen stak, haben deine Augen eine sehr geraume Weile allerdichtest umhüllt gehalten, und wir hatten um dich keine geringe Sorge; aber nun bist du uns Allen nahe um eine halbe Ewigkeit, wie man so zu sagen pflegt, voraus! Du hast uns Allen nun eine so große Wahrheit enthüllet, daß ich offenbar bekennen muß: Wir Alle wären ohne dich vielleicht erst nach der irdischen Zeit genommen in tausend Jahren hinter diese allerwichtigste Enthüllung gekommen! Bruder! Du hast uns Allen einen so großen Dienst erwiesen, daß ich mich ganz unvermögend fühle, dir dafür zur rechten Genüge dankbar sein zu können!

11. Siehe, hier dieß Haus hat der Herr mir für ewig zu eigen gegeben; ich selbst kenne nur den wenigsten Theil seiner innern Schätze; wenn es dich freuete, so gäbe ich es dir auf der Stelle vollkommen zu eigen; wohl hast du uns keine sichtbaren Schätze gegeben, deren Werth so wie die Schätze nur ein beschränkter sein kann; aber du hast uns Worte, heilige Worte wie aus Gottes Munde selbst gegeben, die uns aufgerichtet haben in unserer Oede, die Brüder engst an einander binden, und ihnen Den Gott, der wie verloren schien, wiederbringen; o Bruder! da ist ein Wort mehr werth als Hunderttausende von solchen Häusern! Darum nimm, was ich dir geben kann; es ist hier mein höchster Besitz, außer dem Herrn und dir selbst, das ich dir aber nicht bieten und geben kann, indem für's Erste nur du uns den Herrn für unsere Herzen wahrhaft wiedergegeben hast; und für's Zweite du dir selbst zu höchst eigen angehörst. O du mein geliebtester Bruder du, wie unbeschreiblich lieb und theuer bist du uns Allen nun geworden! Wie lange ist es wohl, als wir mit leidigem Bedauern auf dich herabschauten; und nun stehest du so hoch über Allen. Aber wie wohlthuend ist deine Höhe nun für uns Alle! Ich bitte dich darum, so es dir genehm ist, uns noch mit einigen unschätzbarsten Worten zu erquicken, und aufzurichten!"

12. Spr. Dismas: „Liebe Brüder! habt ihr nie gehört, daß da stets eine Hand die andere wäscht und reinigt? so ist es auch hier; euer Brudersinn hat mich ehedem gereinigt, und gehoben aus der Tiefe meiner höchst eigenen Verworfenheit; denn ich war damals ein Bürger der Hölle meinem Innersten nach. Ihr aber habt es verstanden, mein Innerstes zu ergreifen, zu waschen und zu reinigen, und ich ward dadurch gerettet. Ihr seid nun aber blos nur in eine kleine Verlegenheit gerathen wegen einer kleinen Selbstordnungsprobe, die der Herr in diesem zweiten Saale gnädigst uns hat zukommen lassen, und da habe ich aus meinem Innersten einige Worte geholt, daß sie euch erquicketen; sie haben, wie ich es sehe, dem Herrn allein alles Lob, die erwünschte Wirkung wohl nicht verfehlt, und es macht mir wahrlich die größte Freude, daß ihr durch meine schlichten Wörtlein also erquicket worden seid;

13. aber darum verdiene ich noch gar lange nicht, daß du Robert mir dein Haus, das der Herr aus deinem Herzen erbauet hat, hier als ganz zu eigen schenken sollest, was nach meiner schwachen Meinung auch gar nicht so leicht möglich sein dürfte? Denn sieh, das Haus samt allen seinen Herrlichkeiten ist so ganz eigentlich entsprechend dein höchst eigenstes Herz, aus dessen Gottes— und Bruderliebe der Herr dieses herrliche Haus gestaltet hat; würde ich nun dieses Haus von dir als ein Geschenk annehmen, so würde ich dir auch mit Einem dein Herz und dein Leben nehmen, weil dieß Haus der tieferen Wahrheit nach deines Herzens liebthätiges Wesen selbst ist.

14. Aber geistig in diesem deinem Hause mit dir wohnen ist in diesem Reiche eine ganz natürlich leicht mögliche Sache; denn wie schon auf der Erde ein guter edler Mensch gar manche Brüder und Freunde in seinem Herzen mehr denn sich selbst schalten und walten läßt, und es ihnen oft zur ganz freien Disposition stellet, so thut er es hier noch um so mehr und um so leichter, weil hier der Herr alles das in die plastische Erscheinlichkeit treten läßt, was auf der Welt blos nur beim so viel als möglich thätigen Wunsche verbleibet. Kurz, auf der Welt bleibt es blos bei den edlen Luftschlössern; hier aber werden sie zur tastbaren Wirklichkeit; aber diese Wirklichkeit bleibt in sich dennoch, was sie auf der Welt war, nehmlich: das Herz und dessen liebthätige Einrichtung.

15. Wie aber schon auf der Welt wahrhaft edle Menschen als echte Gotteskinder sich nicht selten ihr Herz aus dem Leibe reißen möchten, so es möglich wäre, und geben ihren Brüdern, also möchtest auch du liebster Bruder nun dein höchst eigenes Herz mir zum Geschenke machen, was von dir überaus edel ist; aber so etwas ist auch hier ganz vollkommen unmöglich; und so es auch möglich wäre durch die Macht des Herrn, da wäre es aber dennoch sehr unnöthig und zwecklos; denn wo die wahre Bruderliebe Gesetze über Mein und Dein giebt, da kann es wohl ewig keine Grenzstreitigkeiten geben; denn kein Gesetz sichert Jedem das eigentlich Seinige so treu und mächtig, als das heilige und lebendige Gesetz der Nächstenliebe, demnach ein Jeder das Seinige stets Allen freudigst zur freiesten Benützung stellet; was aber Einer thut und übet, das thun und üben dann auch alle Andern, und so ist es hier die reinste Unmöglichkeit, daß da Jemand je zu kurz kommen könnte. Hier erwahrt sich vollkommen der alte apostolische Spruch: Quam amoenum et jucundum est habitare fratres in unum! (Psalm 133,1)

16. Wir Alle wohnen nun wahrhaft in dir, wie du in uns Allen; und siehe, wer aus uns kann sagen: Brüder! ich habe zu wenig. Ein Jeder hat das seinige, und je mehr er hat und giebt, desto mehr empfängt er wieder; denn wie wir Alle an deinem Herzen uns sättigen, desto mehr wird dagegen auch dein Herz wieder zurück gesättigt. Die Herzen sind hier wie die Meere; eines ergießt sich stets in das andere, und doch hat nie eines zu wenig Wasser. Und so brauchst du dein Haus mir nicht zu schenken; denn ich genieße dasselbe also, als wäre es mein eigenes; dafür aber steht dir auch das meinige zur vollkommen freiesten Disposition offen.

17. Nun aber horchet; ich vernehme Stimmen im nebenanstoßenden ersten Saale; gehen wir zur Thüre, und sehen da, was es etwa giebt?

18. Spricht Robert: „Dank', dank', dank' dir, liebster Bruder, für diese abermals überherrliche Belehrung, die wahrlich nichts mehr zu wünschen übrig läßt. Aber da ich nun auch sehr viele Stimmen vernehme, so ist es schon an der Zeit, daß wir Alle uns zur Thüre begeben, um nachzusehen, was es da gibt. Und so gehen wir hin; aber du Bruder gehe mir zur Seite, denn du bist mir ein mächtiges Bedürfniß geworden."

122. Kapitel. Eindringen vieler erregter Kriegsgefallener. Rede des Führers. Sein Aufruf zum Gebet.

01. Alle bewegen sich sogleich zur Thüre, und schauen etwas verstohlen durch dieselbe, in den bekannten großen Vorsaal in der ganz natürlichen Hoffnung, den HErrn an der Spitze der ebenfalls auch bekannten Gäste zu erblicken; aber dem ist nicht also! Eine große Menge von allerlei menschlichen Wesen dringen in den Saal ein, und verlangen stürmisch den Herrn dieses Palastes.

02. Spricht Robert zum Dismas: „Bruder! das ist ja eine ganz verzweifelte Bescherung! An der Stelle der nun schon so sehnlichst erwarteten Gäste an der Seite des Herrn, kommt und dringt ein sehr zweideutig aussehendes Gesindel in dieß Haus, und verlanget ganz keck und stürmisch den Herrn dieses Hauses, der ich leider zu sein die sogestaltig traurige Ehre habe! Was wollen sie doch hier, um des Herrn willen? Giebt es etwa auch hier Räuber und Mörder? Wahrlich, das wäre doch so eine hübsche Zulage für Gottes Himmelreich. Schaue sie nur, was sie für gluthentbrannte Augen haben, aus denen doch alles eher als irgend ein leisester Funke Demuth und Sanftmuth herausblicket. Nein! hörst du! Wenn dieses Gesindel nicht geradewegs der Hölle entsprungen ist, so leiste ich auf alles Verzicht; sage mir doch, was wir nun mit diesem Gesindel machen sollen. Diese Kerls wären im Stande, uns sogar hier im Himmelreiche, wie man zu sagen pflegt, von Haus und Hof zu jagen. Da vorne schaut Einer ja gar entsetzlich grimmig aus. Wie das wogt und tobt! Der ganze Saal ist nun schon gedrängt voll, und noch sehe ich durch die Thüre des Vorsaales, wie sich sogar der Hofraum stets mehr und mehr anfüllet. Wenn das noch eine Weile so fort geht, so werden wir ohne weiters erdrückt. Auch der sehr üble ganz bestialische Gestank will meinen Nüstern nimmer behagen. Ah das ist wahrlich eine ganz unerwartet höchst fatale Erscheinung! Aber nur, was nun machen?"

03. Spricht Dismas: „Gar nichts vor der Hand; denn sie sehen uns nicht, wie auch diese Thüre nicht, und können daher auch hier nicht eindringen. Uebrigens scheinen sie erst von der Erde in diese Welt eingewandert zu sein, und ich werde mich kaum irren, höchst wahrscheinlich von den Schlachtfeldern Ungarns und mitunter auch Italiens; denn ich vernehme ganz deutlich ungarische Flüche, und mitunter auch wälsche Scheltworte! Wir müssen sie nothwendig eher recht abkümmern lassen, wodurch sie etwas sanfter werden, dann erst wollen wir uns ihnen nahen und zeigen; denn jetzt in dieser ihrer ersten Zorn— und Rachefurie wäre mit ihnen wenig oder nichts zu machen. Behorchen wir sie aber ein wenig, auf daß wir die Richtung ihrer Herzen erkennen mögen.

04. Siehe, da vorne nimmer ferne von uns scheinen die drei Weisel (Führer) zu sein; denn wie sie sich gebärden, so gebärdet sich dann auch die ganze übergroße Menge. Daher nur aufgepaßt, wir werden da ganz merkwürdige Dinge vernehmen! Sieh', der mittlere wendet sich nun um, und gebietet Stille, Ordnung und Ruhe; er wird nun sicher eine Anrede an den ganzen großen Troß halten? Diese Anrede wird sicher von großer Bedeutung für uns sein; daher wollen wir sie auch mit aller Aufmerksamkeit behorchen! Es wird nun schon stiller und ruhiger, und es kommen auch keine mehrere Unholde mehr nach, was sehr gut ist; daher nun nur aufgepaßt; er gebietet nun die vollste Aufmerksamkeit, und räuspert sich bereits! Horchet! er spricht

05. (Ein Führer der Neuen): „Meine theueren Kampfgenossen! Auf dem sogenannten Felde der Ehre für's Vaterland haben wir verendet, wie das Vieh in der Schlachtbank eines feisten Fleischers! Was haben wir nun davon? Nach Oben strebten wir, und tief nach Unten sind wir gekommen! Als tapferste Helden kämpften wir mit aller Verachtung des Todes, und glaubten an kein Jenseits; denn unsere große Filosofie zeigte uns die Nichtigkeit der Mythe von Christo, und wir lachten über das sogenannte Evangelium; nun aber sind wir de facto in der offenbarsten Hölle, was durchaus kein Traum und noch weniger irgend ein Irrglaube ist; denn wir fühlen das nun um so mehr, als uns Alle, wahrscheinlich aus purer Dankbarkeit für unsere großen Heldenthaten — irgend ein Teufel diesen wahren Höllenpalast finden ließ, und dann in denselben also hineintrieb, wie auf der Erde irgend ein Schweineschlächter seine erkaufte Schweinsheerde! Nun sind wir hier eingezwängt, gleich wie die allerschönsten Pöckelhäringe, ringsum finster wie in einer unterirdischen Höhle; nirgends mehr irgend ein Ausweg! Der eigentliche Herr dieses Hauses ist nirgends zu entdecken; es wird auch wahrscheinlich nirgends Einen geben, und so haben wir nun erst den wahren Lohn aller unserer irdischen Mühen und Bestrebungen.

06. O wäre es doch möglich, das allen unseren Kameraden auf der Welt kund zu machen, welch ein Lohn hier ihrer harret! wahrlich, nicht Einer würde mehr das verfluchte Feld der Ehre suchen und betreten; wären wir in allen Teufelsnamen ganz hingeworden, so würde alles gut sein; denn wer nicht ist, und nicht lebt, der empfindet auch nichts mehr! Aber dem ist es leider nicht also! Wir empfinden erst hier so recht intensivst, daß wir sind, und leider fortleben im größten Elende, und in der allergräßlichsten Noth. Wir leiden an allem Guten den größten Mangel, und haben dafür den schrecklichsten Ueberfluß an allen erdenklichen Leiden, Hunger, Durst, Hitze und Kälte zugleich. Allerlei Schmerzen nagen gleich Würmern in unseren Eingewaiden; kein Licht erquicket unsere Augen, und die Stimme der Freundschaft scheint für ewig verklungen zu sein. O, das ist ein herrlicher Lohn für unsere unerhörten Mühen, Leiden und Entbehrungen aller Art, die uns das schöne Feld der Ehre in so reichlichstem Maße hat allergnädigst angedeihen lassen!

07. Das ist also das Loos des stolzen hochtrabenden Herrn der Erde, daß er am Ende lebendig von ihm gefressen wird, und dann als ein sich selbst mächtig bewußtes Wesen in der ewigen schmerzvollsten Finsterniß schmachten und verzweifeln kann. O du verfluchtes, betrugvollstes Leben eines Menschen, und ganz besonders eines Helden! — Was ist aber da nun zu machen? Geflucht hätten wir hoffentlich genug, und es hat uns nichts geholfen, wie wäre es denn, so wir einmal beten möchten? Vielleicht könnte uns irgend ein kurzes Gebet nützen? Kann denn Niemand aus euch Allen so irgend ein lausig's Gebet auswendig?"

08. Spricht Einer aus der Mitte: „Herr Kommandant! Ich kann das von Koschut!" — Spricht der Kommandant: „Dummer Esel! das könnten wir gerade brauchen! Koshut ist damit auf den Hund gekommen; was wird es uns dann nützen?! — Kann Niemand ein anderes?" —

09. Spricht ein Italiener: „Signore Generale! io schon kann altre che! — einer Sönheit vor hani Kebete! hani Kebete von die santa Maria, un hani de lo santo Giuseppe! ho — san er Sönheit von hani Kebete!"

10. Spricht der Kommandant: „Halte dein Maul, dummer Esel von einem Italiener! Solche Dummheiten gingen uns hier gerade noch ab! Melde sich irgend ein Anderer, aber mit etwas Vernünftigem! Nein, so ein Maria— und Josephsgebet ginge uns gerade noch ab! Kann aus euch Allen ins Kukuks—Namen Niemand das sogenannte alte Vaterunser beten? Wer es kann, der melde sich!" — Tritt Einer hervor, und sagt: „Herr General! ich hob amohl glernt, wie war i noch Bub, hob i glernt Vaterhunser; is Kebet schönes, und is a wunderlich! Aber kann i hitzt nit mehr konz (ganz), aber was kann i no, un dos will i vorweten (vorbeten)!" — Spricht der General: „No, so bete er denn, wie viel, und so gut er's kann!"

11. Beginnt darauf der sich zum Vorbeten Angebotene also: „Also wetet mi noche, und soget: Vode hunse, Du bis in Himmel, — nun wort a bißl! wie haßt weite? — a, — waß i schun; — Vode hunse, du bis in Himmel, — dei Nohm gheilig! — Dei Wille gschitt im Himmel und af Erd! — Nun wort wiede a Bißl! — Wie haßt i hitzt weite? — Bitt um Verzeihung, Herr General, weil geht mi so schlechte; aber nu Gedul, wird schun olle werdn! — Aha, waß i schun, wie geht weite! — Gieb uns heutige Brod! — und — und — ha, waß i schun; — Gib uns heutige Brod! — und — führ nit in Versuchung!"

12. Spricht ein Andrer: „Oha, vergeb uns unsere Sünden, wie wir sie vergeben unsren Schuldnern, kommt noch früher!" — Sagt der erste Vorbeter: „Bitt di, beth du s'letzti Stuck a aus, weil waß i nit kanz kut!" — Spricht der Zweite: „No gut; weiter heißt es dann: führ uns nicht in die Versuchung, sondern befreie uns von allen blitzdummen Kerle, die schon in sich das größte Uebel sind, Amen!" — Spricht der Erste: „Ho, a so haßti nit af die Letzte! — haßte nu: erles uns von halle Uibel Amen! — Aber hob i di schun vestande, daß hast du mir gemant, daß bin i a dumme Kerl! — bis du selbe ha nix beße! — weil glaubst a, daß bist du ha kscheide Kerl; aber i sage di, du bist de kanne kscheide Kerl, ober bist de dumme Kerl selbe! hitzt waß du!"

13. Spricht der General: „Nur keine Zänkereien! wir sind hoffentlich unglücklich zur Genüge durch des Schicksals ewig unbesiegbare Macht; warum sollen wir uns da noch durch gegenseitige Witzeleien und Ehrverletzungen noch unglücklicher machen, als wir es ohnehin schon sind?! — Und — was kann so ein Gebet nützen, wo der Eine gut die Hälfte nicht mehr beten kann, und ein Zweiter ihn darum lächerlich zu machen sucht?! Das heißt alles nichts! Trete Jemand vor, der dieß Gebet ordentlich beten kann; sonst ist es offenbar besser gar nicht zu beten!"

14. Tritt eine Dame vor und sagt: „Herr General! ich kann dieß Gebet wohl, aber deutsch zu beten kommt mir so läppisch vor, und ist auch gewisser Art so gemein; aber französisch oder englisch könnte ich damit schon ganz famos dienen!"

15. Spr. der General: „Meine liebe Dame! ich bitte Sie, treten Sie wieder dorthin, von woher sie gekommen sind, und beten sie für sich englisch oder chinesisch; wir aber verstehen bisher nur allgemein deutsch, obschon es unter uns recht viele Ungarn und Slaven giebt. Ich glaube, daß es in der Welt keine Sprache mehr giebt, die der Gottheit lästiger und abgeschmackter sein dürfte, als eben die französische und englische, weil sie eine Sprache des Hochmuths ist; und möchten wir dann in solch einer Sprache beten? — No da würden wir uns bei der Gottheit ein Bildchen einlegen, um das uns sicher kein Teufel beneiden würde! Ich frage daher noch einmal klar und deutlich: Wer aus euch Allen kann das Vaterunser gut deutsch beten? der trete hervor, und bete gut deutsch vor."

16. Tritt ein Pastor vor, und spricht: „Herr General! so das nichts macht, daß ich ein Lutheraner bin, da möchte ich es versuchen, hier einen Vorbeter zu machen!?" — Spricht der General: „Mir ist das wohl höchst einerlei, ob Lutheraner, Römisch—Katholik, oder Türke; aber es giebt in dieser großen Gesellschaft, deren Führer ich bin, leider eine beiweitem größte Menge finsterer Römlinge, und diese könnten sich dann doch stoßen daran; daher danke ich Ihnen vor der Hand für diesen Antrag, von dem ich erst dann Gebrauch machen werde, wann sich in der römisch—katholischen Gemeinde wirklich Niemand vorfinden sollte, der dieß Gebet gut vorzubeten im Stande wäre. Bleiben Sie unterdessen aber nun hier bei mir!"

123. Kapitel. Ein Mönch will Messe lesen um Geld. Der General wettert über das Papsttum. Robert möchte helfen. Jesus kommt.

01. Ist denn unter dieser großen höchst armseligen Gesellschaft Niemand dabei, der aus der römisch—katholischen Konfession das alte Vaterunser klar, deutlich und gut deutsch beten könnte? Wer es kann, sei verpflichtet, es Allen laut und gut vorzubeten.

02. Auf diese Aufforderung tritt ein noch bekutteter Mönch hervor, und spricht: „Herr General! ich kann dieß Gebet wohl; aber es wird uns nichts nützen, denn wir Alle sind ohne die letzten heiligen Sterbsakramente gestorben, und haben keine Beicht abgelegt, weßhalb wir uns im Zustande der gänzlichen Gnadenlosigkeit befinden; in solchem Zustande aber könnten wir uns nun die Zunge herausbeten, und es würde uns Allen dennoch nichts nützen, zumal wir respective brevi manu von Gott aus schon für ewig verdammt sind. Wir werden in diesem traurigen Zustande wohl bis ans jüngste Gericht verharren; da wird uns dann die schreckliche Posaune in unsere Leiber zurückrufen, in denen wir dann werden vor den unerbittlichen Richterstuhl Gottes hintreten müssen, und da de facto empfangen die ewige Verdammniß, und werden geworfen werden in die ewige allererschrecklichste Feuerqual.

03. Ich kennne nur ein einziges Rettungsmittel, und dieses heißt die heilige Messe, die allein Gott wohlgefällig ist. Ich habe hier zwar keine Gelegenheit und keine Behelfe, eine zu lesen; aber so Sie, Herr General, mich unterstützen wollten und ich von allen diesen unglücklichen Mitmenschen eine kleine Prämie bekäme, da möchte ich dennoch eine solche auswendig lesen, und wir Alle möchten dadurch wohl gerettet werden. Denn nur die Messe kann uns helfen, alle andern Gebete sind zu nichts nütze."

04. Spricht der General: „Schau, daß du weiter kommst, sonst packe ich dich, und werfe dich wenigstens 10 deutsche Meilen weit von uns hinweg! du Hauptlump! wenn du die Messe als ein einzig gültiges Rettungsmittel ansiehst, ohne das wir Alle verloren sind, und hast dabei nicht so viel Brudersinn und Nächstenliebe, uns, die wir sämtlich nichts haben, unentgeltlich zu retten, so bist du schlechter als alle Diebe, Mörder, Räuber, Hurer und Ehebrecher der ganzen Erde, und verdienst nicht einmal den schlechtesten Namen eines Menschen. Du bist hier, was du auf der Erde warst, ein Gottesdiener ums Geld; ohne Geld aber kann von dir aus die ganze Welt verdammt werden, und du wirst dich darum nicht im Geringsten abhärmen, sondern dich dabei ganz wohl befinden. Gehe mir aus den Augen, und lese deinen lateinischen Quark, wo du willst; aber uns verschone damit; denn wir sind zum größten Theile Deutsche und Slaven, und wollen und werden daher auch deutsch oder slavisch beten. Halb rechts! Marsch!"

05. Der Mönch entfernt sich auf diese sehr militärisch gehaltene Einrede des Generals, und dieser ruft nun die Slaven auf, daß Jemand aus ihnen das Vaterunser beten möchte.

06. Und sogleich tritt ein Pole heraus, und spricht: „General, ich kann es in fünf Sprachen!" — Spricht der General: „Gut, so bete ers zuerst deutsch und dann slavisch! aber gut, vernehmlich, und erbaulich."

07. Der Pole betet nun sogleich ganz nach dem Wunsche des Generals vor, und Alle beten ihm von Wort zu Wort nach; nur der Mönch, der die Messe lesen wollte, und einige seines Gelichters nehmen daran keinen Theil, und sind darob voll Aergers und Ingrimms, darum der General sich nicht ihres lateinischen Gottesdienstes habe bedienen wollen. Die Umstehenden aber merken das, daß diese Geistlichen nicht nur nicht mit beten, sondern nur schmähliche Gebärden schneiden, und der Messen lesen wollende Mönch bei der Bitte: zu uns komme dein Reich, gesagt hatte: zu euch komme die Hölle. Deßhalb packen sie diese heiligen Gottesdiener sogleich zusammen und schleppen sie vor den General hin, und erzählen ihm alles, was diese während des Gebetes für schmähliches Unwesen getrieben haben!

08. Der General, ganz erbost über diese ärgerlichsten Gottesdiener, spricht zu denen, die sie vor ihn hingeschleppt haben: „Gebt euch ruhig! ihr wisset es doch hoffentlich, daß dieses Pfaffengeschmeiß auf der Erde noch allzeit mit seltener und geringer Ausnahme alles eher war, als das, was es hätte sein sollen; und so darf es euch hier um so weniger wundern, wenn der allerletzte Sauhirte von der Ketschkemeder Heide noch ein beiweitem besserer Christ und Gottesbekenner ist, als so ein Pfaffe. Wer hat Christum gekreuziget? die Pfaffen; damit sie aber in diesem brutalsten Werke nicht aus der Uebung kommen möchten, so haben sie die Messe erfunden, in der sie als tagtägliche Gottesscharfrichter fungieren können. Denn die ganze Messe ist nichts als eine grob unsinnige zeremoniell—formelle Rekapitulation der einstigen wirklichen Kreuzigung Christi. Was man von solchen „Gottesscharfrichtern" erwarten kann, läßt sich leicht einsehen und mit den Händen begreifen. Denn wer Jemanden richtet, der muß entweder mächtiger sein denn der, den er richtet, und ist somit sein Herr, oder er maßet sich das Richteramt an, und thut, als wäre er ein Herr dessen, den er wenigstens in seiner Idee richtet. Der Pfaffe aber richtet, verurtheilet und tödtet Christum den Herrn täglich, und macht Ihn auch wieder lebendig, um Ihn wieder zu tödten, weil er einen beständig lebendigen nicht brauchen kann! — Ist er dann als Gottesrichter nicht mehr als Gott Selbst?! — Wer kann es leugnen, daß es nicht so ist in der alleinseligmachenden römisch—katholischen Kirche? — So sich aber dieß schwarze Pfaffenpack schon über Gott Selbst ein Todesurtheil, und sogar die wirkliche Gottestödtung anmaßet, wie solle es uns dann wundern, so es uns so oft zur Hölle verdammt, als wie oft es ihm nur immer beliebt.

09. Ich habe in meinem irdischen Leben die Weltgeschichte studiret, und habe aber noch allzeit gefunden, daß, wo es sich irgend um Hauptniederträchtigkeiten handelte, die Pfaffen meist obenan waren! — was aber auch ganz natürlich ist; denn von den privilegirten Gottesscharfrichtern läßt sich doch ewig nichts Gutes erwarten. Nehmet nur die gegenwärtige Revolutions— und Kriegsgeschichte. Wer hat sie angezettelt? die Pfaffen!

10. In der Schweiz haben sie angefangen, und sind dafür gehörig geplätscht worden, und mußten in alle Winde das löbliche Fersengeld nehmen. Das ärgerte diese Brut ganz entsetzlich. Darauf wurde der Papst von allen Seiten torquirt, diese Greuelthat womöglich auf der ganzen Erde zu rächen; denn die Schweiz wäre für eine solche Missethat viel zu wenig gewesen, weil das Volk dieses Hochlandes gleich wie etwa einst Adam, sich nicht nur für sich, sondern für und in allen Völkern der Erde an der Heiligkeit der Priester Gottes versündigt habe. Denn es hat, nehmlich das Schweizervolk, sogar die unverzeihliche Keckheit gehabt, als es einige Male sehr hungrig war, sich an den heiligen mit den besten Weinen gefüllten Kellern, und an strotzend vollen Speisekammern der Gottesdiener zu vergreifen, weil die Gottesdiener so nichts hergeben wollten, natürlich aus purer christlicher Nächstenliebe. Und diese Greuelthat hatte die reinen heiligen Gottesdiener dann so aufgebracht, daß sie nur gleich die ganze Erde verfluchten, und darauf auf allen möglichen Wegen die Menschen aufzuhetzen anfingen, damit ihr Fluch über die Erde in die blutigste Erfüllung gehen solle. Und sehet, sie haben ihre ihnen selbst gestellte Aufgabe sehr effektvoll gelöst, aber dabei auch Gottlob ihnen selbst eine Wunde versetzt, die höchst wahrscheinlich auch kein irdisch Kräutlein mehr heilen wird! — Ich meine, ihr habt mich verstanden, und wisset nun, wie ihr mit den Pfaffen daran seid; daher seid nun darob ganz ruhig, wenn euch diese Schwarzen auch tausendmal die Hölle wünschen; denn ihr wisset es ja, daß man von den Dornhecken keine Trauben lesen kann, und von den Disteln keine Feigen!

11. Wer einen Menschen kennen will, der betrachte sein Thun; denn jeder Mensch ist aus seinem Thun am leichtesten zu erkennen! — Das Herz der Fleischer und Jäger ist stets roh und gefühllos; und das Herz der Scharfrichter wird sicher noch roher und gefühlloser sein. So aber schon diese Menschen doch sicher kein Herz haben können, außer das eines Wolfs oder eines Tigers; was für Herz aber muß erst dann in der Brust derer pulsen, denen es sogar erbaulich dünkt, Gott selbst tagtäglich ans Kreuz zu heften, und zu tödten. So es aber schon sehr bedenklich ist, mit Vieh— und noch weniger mit Menschenschlächtern einen Freundschaftsbund zu schließen, um wie viel weniger mit den sicher im allgemeinen allerherzlosesten Gottesschlächtern?! —

12. Die Geschichte aller Zeiten, und insbesondere die von Spanien zeigt nur zu klar, wie überteuflisch grausam die Gottesdiener mit ihren verirrten Schäfleins umgegangen sind. Lasset daher diese Schwarzen am Leibe, Seele und Geiste gehen, wohin sie wollen, und fluchen, so viel sie nur immer wollen; wir Alle aber wollen uns von nun an als wahre Brüder verhalten, und einander rathen und helfen, so gut es geht!

13. Ich denke, so es irgend einen Gott giebt, woran ich eigentlich noch nie gezweifelt habe, und hier um so weniger zweifle, weil ich nun sehe, daß wir nach dem Tode des Leibes wirklich fortleben, so muß Er nach der Betrachtung der weisesten Einrichtung der ganzen Schöpfung sicher weiser und besser sein, als Seine seinsollenden Diener, die Er in der Person Christi zu den Zeiten Jerusalems Selbst gehörig gewürdiget hat, und gezeiget, wessen Geistes Kinder sie sind! — Und wir dürfen darum der nahe sichern Hoffnung sein, daß Er uns auch sicher besser richten wird, denn dieses finsterste Pfaffenpack!"

14. Die ganze Gesellschaft bricht in einen Jubel aus, als sie vom General so eine energische Rede, an die etlichen Pfaffen gerichtet, vernommen hatte. Aber die Pfaffen machen dazu die grimmigsten Gesichter, und der vorerwähnte Mönch, dem es nicht mehr möglich ist, seine schäumende Wuth zu verbeißen, fängt an in den Boden zu stampfen, und der Hölle zuzurufen, daß sie sich öffnen solle, und jählings verschlingen solche greuelhafte Frevler. Aber die Gesellschaft läßt sich das nicht zu lange gefallen, packt den Gottesdiener beim Kragen, und wirft ihn in der besten Form vors Haus hinaus; wo er auch ganz ermattet eine Weile liegen bleibt.

15. Zugleich aber spricht auch der an der Thüre des zweiten Saales von dieser neuen Gesellschaft noch immer nicht bemerkte Robert zum ebenso nicht bemerkten Dismas: „Bruder! die Rede und Gesinnung des Generals gefällt mir, bis auf die etwas zu starke Auftragung über das Wesen der Pfaffen sehr gut; so es thunlich wäre, möchte ich denn doch diesen armen Narren ihren noch sehr trüben Zustand ein wenig Verbessern?"

16. Spricht Dismas: „Nur noch eine kleine Geduld, und die Sache wird sich wie von selbst machen! — Nur müssen wir den Herrn haben, und ich fühle es, daß Er kommt! — und, da sieh zum Fenster hinaus. Schon ist Er da, mit allen den uns wohlbekannten Gästen. Gehen wir Ihm nur schnell entgegen! O, Er ist es, Er ist es!"

124. Kapitel. Roberts Wiedersehensfreude. Jesu Sorge um den hinausgeworfenen Mönch. Robert als Hausherr erhält eine Gehilfin in Helena. Himmlische Eheschließung. Ein Mönch und sein Erleben der ewigen Liebe.

01. Alle die acht Männer begaben sich nun eiligst hinaus vor's Haus, wo sie des Herrn ansichtig geworden sind; und als sie hinauskommen, finden sie Ihn, d. h. Mich, gerade mit dem hinausgeworfenen Mönche beschäftigt, welcher Mönch Mich aber natürlich noch lange nicht kennt.

02. Der Robert tritt sogleich hin, und richtet mit Thränen in den Augen folgende Worte an Mich, sagend: „O Herr Vater! Du lieber heiliger Vater! wo warst denn Du nun so eine geraume Weile, daß wir Dich trotz alles Suchens, Fragens, Rufens und Rathens nicht finden konnten!? Ach wie doch gar so traurig, öde und leer war es hier, als wir Dich im Hause nirgends mehr finden konnten, — wie gar schlecht ging es uns mit der in die Ordnungstellung der großen und kleinen Tische! Ja, kurz; es war ohne Dich nahe nicht mehr zum Aushalten; nun aber, weil Du nur wieder zu uns in Dein Eigenthum gekommen bist, ist schon auch alles wieder gut, ja alles unaussprechlich gut! O Herr Vater! ich könnte nun vor Freude gerade ausgelassen werden gleich dem lieben Bruder David vor der Bundeslade! Aber nicht mein Füße, sondern mein nun seligstes Herz solle hüpfen und springen vor höchster Freude und Wonne! O wie ewig wahr ist es doch, was Du gesagt hast: Ohne Mich vermöget ihr nichts! ich setze noch hinzu, und sage es laut: Ohne Dich, o Du lieber heiliger Vater, ist überall vollkommen nichts! Alles ist öde, leer und bis zum Verzweifeln traurig! Aber von nun an wirst Du uns denn doch nimmer verlassen?"

03. Rede Ich: „Ich habe euch ja auch dießmal nicht verlassen; Ich führte diese deine Gäste, als Meine Kindlein nur ein wenig in den großen Garten dieses Hauses, und zeigte ihnen die mannigfachen ganz neuen Anlagen, an denen Alle ein übergroßes Wohlgefallen hatten, sogar der Adam, Noah, Abraham, Isak und Jakob; und du hattest unterdessen die schönste Weile, den großen Speisesaal in die sicher beste Ordnung zu bringen, was auch zu Meiner Freude geschehen ist; daß du Mich auf einige Augenblicke gerade mit den Augen nicht wahrnehmen konntest, das hat ja doch gar nichts zu bedeuten, da Ich mit der gleichen Liebe bei euch war, und habe dem Bruder Dismas Selbst Worte auf die Zunge gelegt, die er zu euer Aller tiefster Belehrung und Beruhigung gesprochen hat; nun aber bin Ich wieder sichtlich bei euch, und will und werde mit euch wieder in dieß Haus einziehen, und allda heilen die vielen Kranken zum Leben!

04. Da vor uns haben wir schon so einen Patienten, der nun noch ganz taub, blind, stumm und lahm zugleich ist; diesem muß zuerst geholfen werden; und er wird uns sodann die Andern bearbeiten helfen. Der General hat ihn zu derb angegriffen, und ihn gewisser Verbrechen beschuldigt, an die dieser Arme in seinem ganzen Leben wohl nie gedacht, geschweige sie ausgeübet hat! Das war nicht recht von dem sonst ganz nach Wahrheit und Licht lechzenden Generale! Dieser Mensch ist nur, wie alle seinesgleichen taub, blind, stumm und lahm, und da muß ihm geholfen werden. Denn ein eingefleischter römischer Katholik sein heißt: geistig taub, blind, stumm und lahm sein (?). Ein Zustand, in dem Niemand als zurechnungsfähig betrachtet werden kann. Aber für seinen innerlichen priesterlichen Hochmuth war diese erste Kur, wenn auch etwas stark angreifend, dennoch wieder gut; denn er sieht es nun in sich ein, daß er gefehlt hat, indem er allen Andern etwas glauben machen wollte, an das er selbst noch nie geglaubet hat, denn die Hölle gebrauchte er blos als ein Schreckmittel, und den Himmel als eine süße Lockspeise; aber er selbst glaubte bei sich weder an das eine wie an das andere; die ganze Religion war bei ihm ein altes mythologisches Mittel, die Völker der Erde in dem Gehorsam gegen die weltlichen Gesetze zu halten. Und den Gottesdienst verrichtete er stets nur als nothwendiges Blendwerk für die geistig blinde Menge, hielt aber selbst nie etwas darauf, und sagte gleich einem gewissen Papste oft bei sich, und auch nicht selten in Gegenwart seiner vertrautesten Kollegen: die alte Mythe von Christo ist gar nicht übel! Man kann aus ihr machen, was man will, und sie trägt ihren Dienern sehr viel Geld und Ansehen, und das ist aber zugleich auch das Beste an ihr; ansonst denn doch die alte griechische viel besser und erhabener gewesen wäre!

05. Aber Ich sage es euch: Das alles thut dennoch nichts zur Sache; denn er ist in solche seine große Blindheit hinein mit aller Gewalt gezwängt worden, und war ein dreifacher Sklave Roms! Kann man aber einen Sklaven darum züchtigen, darum er sich hat von seinem Herrn, der mächtiger war denn er, die Augen ausstechen, und die Ohren ausbrennen lassen. Ich meine, darüber läßt sich weiter nichts mehr sagen, als: Hilfe dem, der derselben bedarf! Daher gehe du Bruder Robert nun sogleich ins Haus, und bringe Wein und Brod heraus. Denn dieser muß eher eine volle Stärkung bekommen, auf daß er fähig wird, für die nähere Lebensfolge von uns belehrt und geordnet zu werden. Daher begebe dich nur schnell ins Haus, und thue, was Ich dir nun anbefohlen habe!"

06. Robert begiebt sich nun auch sogleich ins Haus, und bringt in ein paar Augenblicken eine tüchtige Flasche Weines, und einen ganzen Laib Brodes und spricht: „Herr Vater! hier ist es schon! wie werden wir aber diesen Armen damit laben? Denn er liegt ja, als wäre er todt, mit dem Gesichte am Boden! Wir werden ihn doch offenbar eher vom Boden aufrichten müssen."

07. Rede Ich: „Liebster Robert, nur eine kleine Geduld! unsere Nähe wird ihn schon gar bald aufrichten! Aber es sind das immer sehr gefährliche Patienten; daher muß man sich mit ihnen schon ein wenig mehr Weile nehmen. Aber Ich sehe, daß dir der Wein und der ganze Laib Brodes ein wenig schwer zu halten ist; wie wäre es denn, so dir die liebe Helena, die dich hier so teilnehmend betrachtet, ein wenig unter die Arme griffe. Wenn du so eine Wirthin hättest, was meinst du, ginge da dein Hauswesen nicht um ein bedeutendes besser von Statten?"

08. Robert schmunzelt ganz verlegen, und sagt nach einer Weile: „Wäre alles unaussprechlich gut, wohl und recht, wenn sie nur nicht gar so ungeheuer schön wäre. Aber sonst so eine Gehülfin! O Herr! von Dir mir gegeben! würde freilich aus diesem meinem Einen Hause zehn tausend Himmel machen! Aber sie ist zu schön, ja zu ungeheuer schön, lieb und herrlich für mich!" (Am 27. Sept. 1849)

09. Rede Ich: „Du warst ja doch sonst ein übermäßiger Freund alles Schönen, und dabei freilich auch Nützlichen; dein Wahlspruch lautete ja sogar: Das Schöne muß nützlich, und das Nützliche schön sein, sonst ist das Schöne nur halbschön, und das Nützliche nur halb nützlich! Und siehe, dieser dein Wahlspruch ist auch von Ewigkeit her Meine höchst eigene Handlungsmaxime gewesen, daher denn alle Meine Werke nicht nur nützlich, sondern auch nach dem Grade ihrer Nützlichkeit eben so schön als wie nützlich sind; denn die Nützlichkeit entspricht Meiner ewigen Liebe und Güte; und die Schönheit Meiner Weisheit und Wahrheit. Und so kannst du hier im Reiche der Himmel nie eines ohne das andere haben; je schöner hier sich dir etwas darstellet, desto nützlicher ist es auch!

10. Die liebe Helena ist wohl wahrlich gar überaus schön; aber sie ist eben deßhalb auch ein ebenso überaus nützliches Wesen. Daher scheue dich nicht so sehr ihrer Schönheit wegen, da sie nicht so schön wäre, wenn in ihr nicht ein gleich großer Grad des Nützlichen vorhanden wäre. Du wirst erst durch sie ein vollkommener Mensch und Engel, und sie durch dich noch schöner, vollkommener und nützlicher! Ich gebe sie dir zu einem wahren himmlischen Weibe, mit dem du stets weiser, glücklicher und seliger werden wirst; reiche ihr daher deine Rechte, und drücke sie an deine Brust! und die Erfüllung dieses Meines Willens ist der ewige Segen für euch."

11. Robert ganz schwindelnd vor Wonne spricht: „O Herr, vergieb mir meine große Schwachheit! Aber hier muß ich dir offenbar gestehen, daß ich die Bitte: Herr! Dein Wille geschehe! wohl nie leichter und seliger ausgesprochen habe, wie diesmal. Und so komme denn her an meine Brust, du überhimmlisch schöne und herrliche Helena; was der Herr Vater Jesus Jehova Zebaoth mir gnädigst gegeben hat für ewig, das hat Er durch mich auch dir gegeben für ewig; und so wollen wir denn seligst Eins sein in allem, in der Liebe, in der Wahrheit, in aller Liebthätigkeit, und dadurch Eins in unserem heiligsten liebevollsten Vater!"

12. Spricht die Helena ganz strahlend von himmlischer Schönheit: „Des Herrn Name sei gepriesen ewig, und Sein heiliger Wille geschehe! Ebenso aber wird mir auch ewig heilig sein dein Wille, da ich nun klarst erschaue, daß du keinen andern Willen mehr in deinem Herzen birgst, als allein den heiligen des himmlischen liebevollsten Vaters aller Menschen und Engel! — Sollte dein Herz je nach großen Thaten in der Liebe auf Augenblicke matt werden, da solle es an dem meinen eine reiche Sättigung und Stärkung finden; und sollte ich je im heiligen Wollen irgend eine Schwäche gewahren, da wird dein Herz mich stärken und kräftigen in allem, was dem heiligsten Vater wohlgefällig ist; und so will ich denn im Namen unseres heiligsten himmlischen Vaters sein und bleiben für ewig dein himmlisches Weib, das mit dir und in dir leben und handeln wird als Ein Wesen mit und in dir ewig! Des heiligsten Vaters Gnade, Liebe, Weisheit, Ordnung und Wille sei unser Segen für ewig!"

13. Robert ganz über alle Maßen gerührt, drückt die Helena an seine Brust, und küsset sie drei Male auf die Stirne, und darauf sie ihn ebenso oft auf den Mund, und nimmt ihm darauf sogleich den Wein und das Brod ab, und spricht (Helena): „Als nun für ewig dein Weib lasse dir deine Mühe von mir geringer machen. Es ist genug, daß du ordnest im Namen des heiligsten Vaters; handeln werde dann schon ich als dein rechter Arm!"

14. Rede Ich: „Gut, gut, Meine geliebtesten Kinder; ihr seid nun gesegnet und Eins, und werdet es bleiben stets seliger für ewig;

15. aber unser Werk ist dadurch nicht zu Ende. Nun heißt es erst so recht an's Handeln übergehen; aber jede Handlung wird von nun an leichter und schneller beendet werden können, indem du Mein geliebter Robert als ein vollendeter Bürger des Himmelreichs dastehest, und hast nicht nur eine überweisende Macht durch die Wahrheit des Wortes, sondern auch eine richtende durch den Liebewillen aus Mir, die du aber jedoch nur dann gebrauchen wirst, wo die erste durchaus nicht ausreichen solle! Und so bücke dich denn zu diesem Patienten nieder, und hauche ihn an, auf daß er erstehe zur Heilung!"

125. Kapitel. Das geistige Erwachen des Mönches. Selbstgespräche als Seelenspiegel. Jesus als Lebensanker des Schiffbrüchigen.

01. Robert bückt sich sogleich, und behauchet den ehedem hinausgeworfenen Mönch; und dieser fängt sogleich an sich zu rühren, als wie ein aus einem tiefsten Schlafe Erwachender.

02. Als er sich nach einer Weile vollends aufrichtet, da fragt er (Mönch): „Wer hauchte denn ein Leben in mein Eingewaide, da ich doch todt war, getödtet von meinen Feinden?" (In der Geisterwelt werden Alle, die von einem Hause hinausgeworfen werden, wie todt auf eine Weile; denn hinausstoßen oder hinauswerfen heißt in der Geisterwelt so viel als gewaltsam richten oder tödten.) „Wo bin ich denn nun? Es ist Nacht und sehr finster, wohin ich auch wende meine Augen; und kein Laut wird vernommen von meinen Ohren. Ob ich auch lahm bin, weiß ich kaum; denn ich fühle keinen Boden unter mir. O, wenn ich doch nur einen kleinsten Lichtschimmer irgendwo wahrnehmen könnte!

03. War auf der Welt ein Priester, verrichtete meinen vorgeschriebenen Dienst mit allem Eifer; freilich waren damit zumeist pure irdische Interessen verbunden, und von einem Glauben an alle meine Verrichtungen war freilich auch wohl nicht viel vorhanden. Aber dessen ohngeachtet verrichtete ich mein Amt gewissenhaft, und war dabei nie verdrossen; aber welch einen schauderhaften Lohn habe ich nun im Reiche des Todes geerntet! O Gott! so Du irgend Einer bist, oder Du unerbittlich hartes Fatum! warum mußte ich denn zu einem denkenden, seiner selbst bewußten Wesen werden? Warum geführt durch alle die unnatürlichsten Lebensverhältnisse, die mit allem Fluche belastet sind? Ja, ich war und bin noch ein ganz unnatürliches Wesen; aber wer wollte es denn so, daß ich das und nichts anderes werden mußte? Was wohl kann ein Kind dafür, daß es blind zur Welt geboren wird, und es dann keinen Arzt mehr giebt, einem Blindgebornen den Staar zu stechen? O hartes Fatum, das da mich werden hieß! wo bist du, daß ich zu dir hin mich wende, und dir fluche? Denn mein ganzes Leben bisher war nur ein ununterbrochener Fluch; ich selbst bin ein Fluch, und meine Thaten können darum auch nichts als ein Fluch sein! Aber dennoch sei ferne, daß ich fluchen solle; ich will nicht mehr fluchen; denn es ist genug, daß ich selbst ein Fluch bin."

04. Sage Ich zum Robert: „Nun behauche ihm die Ohren!" — Robert thut das,

05. und der Mönch horcht und spricht nach einer Weile: „Wohin, wohin bin ich denn gekommen? denn nun vernehme ich ja wie ein Rauschen großer Gewässer, und unter dem Rauschen wie Stimmen von allerlei Vögeln! Hm, hm, das ist wahrlich sonderbar, und das Rauschen wird mächtiger, und stärker das Getön der Vögel! Werden die Wässer mich denn überfluthen, und die Vögel dann sich sättigen mit meinem Leichname? o gräßlichs Fatum! warum öffnetest du dem Tauben das Ohr? warum muß ich denn, darum ich untergehe, zuvor vernehmen die schreckliche Stimme des Verderbens! Kannst du, lüsterner Verderber, denn nicht wie ein Meuchelmörder dich über mich endlos Schwachen und Ohnmächtigen hermachen? Aber was hadre ich denn hier? was nützt es mir? Verlesen ja doch auch die harten Menschenrichter auf der Erde denen ihr Todesurtheil eher, als sie dieselben wirklich tödten wollen! Denn der grausamen Härte des Menschenherzens genügt nimmer der alleinige Tod ihres wehrlosen, unglücklichen Bruders; sondern er muß zuvor auch gequälet werden. Thun es die Menschen also, warum solle sich da das harte Fatum ein Blatt vor den Mund nehmen? Also nur zu mit dem Rasseln mit den Ketten meiner ewigen Vernichtung, auf daß mich zuvor etwa doch die gütige Verzweiflung tödte!"

06. Ich sage darauf zum Robert: „Nun behauche ihm die Augen." Robert thut es,

07. und der Mönch fängt darauf an — die Augen sich zu reiben und spricht: „Was war denn das? ich vernahm ja deutlich einen Hauch über meine Augen gleiten, und nun sehe ich plötzlich als durch eine Abenddämmerung hindurch, und sehe und gewahre unter mir nun wieder einen festen Boden! Also kehrt bei mir die Erinnerung wieder zurück, und da, da sieh, da ist ja wieder dasselbe Haus, aus dem mich meine echten Feinde hinausgeworfen haben. Ja, ja, es ist auf ein Haar dasselbe, und ich vernehme nun anstatt des ominösen Wasserrauschens die vielen Stimmen meiner Feinde, und das Vögelgetöne sind Stimmen in meiner Nähe; aber ich mag Niemanden entdecken!

08. Nun glaube ich doch wieder an irgend einen Gott, und der General drinnen im Hause, der meine Messe gewisserart nicht ganz mit Unrecht verschmähte, hatte Recht, daß er die Gottheit als viel besser pries, als ich sie ihm darzustellen bemühte. — Aber wie die Arbeit, so auch der Lohn! habe ich schlecht gearbeitet, so kann mir auch kein bess'rer Lohn zu Theile werden. Recht haben sie gehabt, daß sie mich herausgeworfen haben. Warum wollte ich sogar noch hier ein finstrer Esel sein?"

09. Sage Ich zum Robert: „Behauche ihm nun den Mund und die Brust." Robert thut sogleich, was Ich ihm sage,

10. und der Mönch spricht: „O wie herrlich und überaus wohlthuend umwehte ein zartes Lüftchen meinen Mund! war das etwa eines Engels sanftester Kuß? ja, ja, so können, so müssen die Engel küssen! Denn ich gewahrte es ja auch in meiner Brust, die ein wonnigstes Leben durchdrang, daß meinen Mund ein Engel geküßt haben mußte, ansonst es mir nimmer gar so wonnigst hätte zu Muthe werden können. Es ist wahrlich sonderbar, es wird nun auch auf eine ganz eigenthümliche Weise heller und heller in mir, und meine Hände werden voller, und in den Füßen empfinde ich ein wohlthuend Drängen. Es ist, als ob eine ganz neue Lebenskraft mein ganzes Wesen zu durchströmen begänne.

11. Und ach, da sieh, es wird auch die ganze Gegend heller, und das Haus in allen seinen schönen Bauformen bestimmter ersichtlich. Ach, das ist wohl ein gar wunderherrliches Haus! Drei Stockwerke! und diese herrlichen Arkaden und Balkone unter den Fenstern! Diese imposante Größe und Höhe! Nein, es kommt mir die ganze Sache wie ein Traum vor! Ich habe ja doch schon ehedem dies Haus gesehen, als uns Alle der General hierher brachte, und dann in dasselbe Haus einführte; aber ich kann mich nicht erinnern, daß es damals gar so herrlich ausgesehen habe.

12. Ich möchte wohl nun wieder in dies Haus gehen; aber da würde ich sicher schnell wieder hinausgeworfen werden; daher bleibe ich denn doch lieber hier im Freien, und bewundere so ganz im Stillen dies ungeheure Prachtgebäude, das nun mit dem Zunehmen des Lichtes, das denn doch von Morgen her zu kommen scheint, stets größer und prachtvoller zu werden scheint. Ja, ja, ich bleibe hier! denn es wird mir nun gar so wohl zu Muthe.

13. Ich begreife nur nicht, wie es mir hier nun gar so heimelich vorkommt, es ist, als ob ich schon Gott weiß wie lange hier zu Hause gewesen wäre, und doch ist mir diese Gegend so fremd, als einem Menschen nur je etwas vollends Fremdes und nie Gesehenes Vorkommen kann und mag. Es hat viel Aehnlichkeit mit dem Gefühle, das ich auf der Erde empfand, wenn ich mich in Hochgebirgsgegenden befand. Ach, herrlich, herrlich ist es hier! — Es harmonirt aber auch alles, dieser weitgedehnte Garten mit den wunderherrlichsten Anlagen, der schöne Gebirgskreis, der diese Villa in weiter Ausdehnung unter den herrlichsten Formen umgiebt, und sich besonders gegen Morgen stets höher und höher erhebt, und gegen Abend und Mitternacht in eine unabsehbare Ebene verflachet. O, das ist herrlich, das ist unbeschreiblich herrlich!

14. Aber da ganz in meiner Nähe ersehe ich ja einen gar herrlichen Pavillon; wie wäre es denn, so ich ihn bestiege? Da müßte sich diese Gegend ja noch wunderherrlicher ausnehmen! Kraft habe ich nun in den Füßen, es ist zwar hübsch hoch hinaufzusteigen, aber das macht nichts; nur hinauf, hinauf mit mir! doch nein, ich bleibe dennoch hier unten, es könnte so was dem Eigenthümer dieses Hauses denn doch nicht angenehm sein, und so will ich mich hier selbst verleugnen, und meiner zu viel begehrenden Neugier Zügel anlegen. Es ist hier nun schon alles gut; aber wie es nun um mich her und auch in mir stets lichter und heller wird, so merke ich aber auch, daß es gleichen Schrittes in meinem Magen heller wird. Das heißt, ich fange an zu verspüren, daß der Mensch auch im Geisterreiche hungrig und durstig werden kann. So ein Stückchen Brodes und etwas Trinkbares zu dieser Gott Lob allgemeinen Beleuchtung der Geisterwelt könnte sich wahrlich nicht schlecht ausnehmen!"

15. Sage Ich zum Robert: „Stelle ihm nun Brod und Wein vor." Robert nimmt seiner Helena schnell das Brod und den Wein ab, und giebt es in den Schooß des Mönches; der, sich hoch erfreulich verwundernd, wohl das Brod und den Wein sogleich erschauet, aber noch nicht die ihn umgebenden Geber.

16. Er betrachtet eine Weile das Brod und den Wein, und spricht dann zu sich (Mönch): „Gott Lob! nun wäre freilich alles beisammen. O du göttlich's Tischl deck' dich! No, no, so thut es sich ja Gott Lob in der Geisterwelt; eine bezaubernde Aussicht, und so eine Einsicht für einen lichten Magen, wahrlich, da wird es schon auszuhalten sein, so in alle Ewigkeit, Amen. — Aber nur keine Nacht mehr in dieser Gegend; denn die Nacht war hier sehr schauderhaft.

17. Aber nun möchte ich dann doch auch wissen, wer hier so dienstfertig ist? Geister sind es in jedem Falle, und das sicher lauter gute. Aber ich bin ja nun doch hoffentlich auch ein Geist! Wie kommt es denn, daß ich als selbst Geist diese guten, mir unsichtbar dienenden Geister oder Engel nicht sehen kann? — Wahrscheinlich werde ich noch viel zu unheilig sein, um die reinen, heiligen Engelsgeister zu schauen! Aber das Brod und den Wein sehe ich doch. No, es ist schon auch also gut; hab ich nur Brod und Wein vor der Hand, das andere wird sich nach der Hand etwa wohl machen. In Gottes Namen, und Seinen Segen dazu, werde ich denn doch mich zuerst an's Brod machen, und dann aber auch an den überaus gut aussehenden Wein. O, in Gottes Namen, o in Gottes Namen! Gott segne es! Ihm allein alle Ehre, alles Lob und aller Preis!"

18. Nach diesen Worten bricht er sich ein tüchtiges Stück Brodes vom ganzen Laibe, fängt an es zu essen, und findet es wunderbar wohlschmeckend; daher er sich sogleich über den ganzen Laib hermacht, und spricht, als er damit ganz vergnügt fertig ist:

19. „O Gott Lob, Gott Lob! das war ein Brod, so wohlschmeckend wie eine vollkommen reife Ananas aus Brasilien. Es war gar nicht mehr zum Aufhören, als man einmal hineinbiß! Nun aber will ich auch beim Weine zusprechen. In Gottes Namen, in Gottes heiligstem Namen! Ist fast mehr als eine Maaß; aber das macht nichts, hab' ja öfter auf der Erde auch bei so guten Versehgängen ein Maaßl, und manchmal noch etwas darüber, etwa so einen heiligen Johannessegen mitgenommen. No, no, in Gottes Namen; es wird sich schon auch hier thun! o du liebs, liebs, liebs Weinle du! was für eine herrliche Goldfarbe, und was für ein nahe Finger hohes Oelrafl (Oelranft)!"

20. Hier setzt er die Flasche an, und setzt sie nicht eher ab, als bis der letzte Tropfen draußen ist. Nun kann er sich nimmer genug verwundern über die enorme Güte des Weines, und wird nun ganz über die Maßen heiter und fröhlich, und dabei sehr andächtig gestimmt, so daß er am Ende als nur in einem fort (Mönch): „O Gott Lob, o Gott Lob" herausbringt. —

21. Nach einer Weile seiner andächtigen Ergießungen richtet er sich endlich ganz auf, und spricht bei sich: „Wie doch hat mich dieses Mahl gestärket! Das war kein irdisch Brod, und kein irdischer Wein! Das war ein wahrhaftiges Brod aus den Himmeln, und ein wahrhaftiger Wein aus den höchsten Himmeln! Denn das Brod war ganz Nahrung, und der Wein ganz Leben. — Nun erst lebe ich wahrhaft wieder, und der Tod scheint für ewig von mir gewichen zu sein. Am Ende ist die alte Mythe von Christo, der das Abendmahl im Brode und Weine seinen Jüngern gegeben habe, und dessen Genuß anbefohlen zur Gewinnung des ewigen Lebens, denn doch nicht gar so leer, als wie sie freilich ganz heimlich von dem gebildeten höhern Klerus geglaubt ward!

22. Es ist zwar wohl in dieser alten Christuslehre, die durch die vier mythischen Evangelisten sich bis auf diese Zeit — freilich wohl schon sehr verkrüppelt — erhielt, so manches Widersprechende enthalten, das ein gesunder Geist eben nicht so leicht verdauen kann, wie ich nun dies Brod und diesen Wein, das alles ich nun zu mir genommen habe; aber dem ungeachtet enthält sie doch wieder andere höchst konsequente Dinge, aus denen man eben nicht gar so unklar ersehen kann, daß der Stifter solch einer Lehre, vorausgesetzt, daß er einmal existiret hat, durchaus kein gewöhnlicher Mensch, sondern offenbar ein Gott sein mußte, und nun diese Neubelebung durch Brod und Wein geben mir einen nahe unwiderlegbaren Beweis, daß Christus auf der Erde einst wirklich existirt hat, und daß es mit Seiner Gottessohnschaft eben nicht gar so schlecht aussehen mag und kann, als wie es heimlich die hohe Klerisei meint.

23. Wer weiß es, oder wer kann es wissen, ob es sich denn nun in dieser schönsten Geisterwelt doch nicht einmal begeben kann, daß ich irgend wo mit dem Geiste Christi zusammenkäme! O Gott! wenn ich solches erlebete, dann würde ich Christum aber doch so lange bitten, mir zu gestatten, dem Papste und sämtlichen Kardinälen einen sicher sehr unwillkommenen Besuch abzustatten, und ihnen zu zeigen, wer Christus ist, und wessen Geistes Kinder sie sind. Freilich würde das eben nicht viel nützen; denn diese Alle sind zu sicher von aller Welt gefangen. Aber wohl thäte es Unsereinem, wenn man diesen jedes bessern Gefühls baren Rothmäntlern, diesen offenbarsten Widerchristen zeigen könnte, daß Christus keine Fabel, wie sie es dafür halten, sei, sondern wahrhaft Der und Das, als Wen und als was Er Sich Selbst geoffenbart hat! Augen wenigstens müßten sie machen so groß wie der allerschönste Vollmond.

24. Aber ich vernehme nun auf einmal ein Gelispel wie von Menschen um mich her, und das Morgenlicht wird stärker und stärker; darum stille nun, ganz stille! vielleicht vernehme ich ganz wohl artikulirte Worte und Sätze."

126. Kapitel. Der Mönch vernimmt die heilige Lehre von Jesus, dem Gekreuzigten. Der geistig Blinde wird sehend, erkennt Jesus und dessen endlose Gnade.

01. Nun horcht der Mönch dem Gelispel nach, und vernimmt ganz leise die Worte: „Jesus der Gekreuzigte ist allein Gott über alle Himmel, und über Alles, was den unendlichen Raum erfüllet; Er allein ist der Urschöpfer aller Dinge, aller Engel, Menschen, Thiere, Pflanzen und aller Materie. Er ist der Vater Seinem urewigen Liebewesen nach, der ewige Sohn Seiner Weisheit, und der allein heilige Geist Seiner unendlichen Macht, Kraft und Wirkung nach.

02. An diesen Jesus wende dich im Herzen wahrhaftig und getreu, und liebe Ihn, Der dich so sehr liebte und liebte, daß Er aus Liebe zu dir, wie zu allen Menschen, die Menschennatur annahm, und des Leibes bittersten Tod über sich kommen ließ, auf daß dir und allen Menschen ein ewiges Leben ermöglichet werden möchte.

03. Das ewige, Gott vollends gleiche seligste Leben ist durch Ihn allein ermöglicht worden, und gegeben als ein unendlicher Schatz aller Kreatur; und es bedarf nun nichts mehr und nichts weniger, als diese heilige große Gabe des heiligen Vaters liebewillig zu verlangen, und allerdankbarst anzunehmen, und der Mensch ist selig lebend in Ewigkeit in der Gesellschaft Gottes wie ein zweiter Gott.

04. Gott, der da ist unser Aller Vater Jesus, ist die reinste Liebe, die Niemanden richtet, und Jeden seligst machen will; aber nur muß der Mensch auch das wollen, was Gottes reinste Liebe will, sonst kann er nicht selig werden. Denn Gott thut Niemanden einen Zwang an, am allerwenigsten in dieser Welt der Geister; daher wird aber auch Jedem nur das zu theile, was er selbst will. Was du demnach willst, das wirst du auch empfangen.

05. Es giebt aber kein Leben und keine Seligkeit außer in der reinen Gottesliebe; wer diese in sich aufgenommen hat, und selbst das will, was diese heilige Liebe, der lebt und ist selig für ewig."

06. Als der Mönch diese Worte aus dem Gelispel vernommen hatte, staunt er nicht wenig, und spricht wieder bei sich selbst: „Merkwürdig, merkwürdig! eine ganz neue Lehre über Gott! Also keine drei gesonderten Personen! Merkwürdig, merkwürdig! auf der Erde wäre das die größte Ketzerei, wäre himmelhoch verschieden von der römisch— katholischen Lehre; aber ich finde sie dennoch ganz natürlich, und viel wahrer als die römisch—katholische. Was mich aber sehr wundert, daß dieser Geist, der aus der Luft zum Erstaunen weise zu mir geredet hat, von der allerseligsten Jungfrau Maria, und von den anderen lieben Heiligen mit keiner Silbe etwas erwähnet hat, daß man sie um ihre mächtige Fürbitte angehen solle. Das ist schon durchaus nicht katholisch, aber das macht gerade nichts. Der höchst wahrscheinlich das herrlich gute Brod, und den besten Wein ehedem mir zukommen ließ, hat nun auch diese Lehre mir gegeben; war das erste überaus gut, so ist es auch die Lehre. Sei ihm nun, wie ihm wolle, ich werde diese Lehre denn doch annehmen.

07. Muß offen gestehen, so der Teufel selbst von solcher Lehre durchdrungen wäre, da müßte er selbst selig sein, oder er müßte schon der allerdummste Teufel sein, so er einen Geist, wie ich einer bin, zu Gott dem Herrn wenden wollte, o, das thut ein Teufel sicher nicht, und solch ein Brod wird in der Hölle sicher nicht gebacken, und solch ein Wein nimmer gekeltert. Daher ist alles aus den Himmeln, Brod, Wein und Lehre, und ich will sie annehmen. — Aber wenn es so ist, wie es auch sicher so sein wird, dann freuet euch, ihr Kardinäle, und du Papst auch; ich werde in eurem Gehirne ganz kurios zu spuken anfangen. Ich will Jesum so lange bitten, bis Er mir das gewähren wird. Der Geist hat mir gesagt, daß man das alles haben kann, was man selbst will; gut, ich will aber die römische Kurie in die engste Enge treiben und ihr ein Licht anzünden, vor dem sie erschauern solle. Aber nun nichts mehr davon! Jetzt heißt es, sich also ganz ernstlich an den Herrn Gott Jesum wenden, alles andere wird dann erst von da ausgehen und unternommen werden."

08. Sage Ich zum Robert: „Berühre nun seine Augen!" Robert thut es, und der Mönch erschaut nun zu seinem größten Erstaunen die große Schaar Seliger samt Mir um ihn her versammelt, aus der er aber dennoch Niemanden erkennt. Er betrachtet bald den Einen, bald den Andern, und gebärdet sich wie ein vom Schlafe Trunkener;

09. nach einer ziemlichen Weile kommt er erst zur volleren Besinnung, und fragt ganz schüchtern den ihm zunächst stehenden Robert (Mönch): „O du lieblicher, himmlischer Freund! sage mir doch, wo ich denn bin! und so du es nicht für zu unartig nimmst, daß ich mir die Dreistigkeit nehme — dich sogleich mit Fragen zu belästigen, so sage es mir auch, mit wem ich in dir, du lieber, himmlischer Freund, zu reden die hohe Ehre und Gnade habe?"

10. Spricht Robert: „Du bist Nr. 1 hier auf meinem himmlischen Grunde und Boden, und dieß Haus, das da vor dir in einer unbeschreiblichen Größe, Pracht und Majestät sich darstellet, ist mein himmlisches Wohnhaus für ewig. Ich aber bin der nun selige Geist des auf Erden dir nur zu wohlbekannten unglücklichen Robert Blum, und dieß allerschönste Weib an meiner Seite ist mein von Gott dem Herrn mir gegebenes und für ewig angebundenes Weib! Nun weißt du, um was du gefragt hast; und nun rede du, wie dir die Sache vorkommt, und was du vor allem wünschest?"

11. Der Mönch, ein wenig seinen Kopf hin— und herschüttelnd, und dazu etwas mit den Achseln zuckend, spricht: „Du — der — Robert Blum? — und im Himmel? der Hauptketzer Robert Blum — und im Himmel!? — Ah, ah, ah, da geht es doch nicht mit richtigen Dingen zu! und das solle dein Grund und dein Haus sein. Giebt es denn im Himmel auch Gründe und Häuser? Der Himmel bestehet ja nur aus lauter lichten Wolken, auf denen die himmlischen Bürger in der Luft gleich den Engeln herumschweben, und Gott von Angesichte zu Angesichte schauen, und in einem fort ausrufen: heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott Zebaoth, Himmel und Erde sind Seiner Herrlichkeit voll. Die Ehre sei Gott dem Vater, und dem Sohn, und dem heiligen Geiste, als es war, jetzt ist und es sein wird in alle ewige Zeiten, Amen! Von alledem ist aber hier auch nicht eine allerleiseste Spur, wie könnte das sonach der Himmel sein? Das wird vielleicht nur so ein neukatholischer Himmel sein, den euch Gottes Gnade zuläßt, wahrscheinlich nur bis zum jüngsten Tage hin, um euch für so manches Gute, das ihr auf der Erde gewirket habt, zeitlich zu belohnen; aber nach dem jüngsten Tage wird auch dieser Himmel schier vergehen, und in die Hölle verwandelt werden. Gott gebe es, daß ich Unrecht haben möchte! und dieß Haus, das du dein nennst, wird wahrscheinlich auf lockerem Sande und nicht auf einen Felsen gebauet sein; und so des jüngsten Tages Stürme an seine Wände schlagen werden, da wird es schier nur zu bald und leicht in den nichtigsten Schutt zusammenstürzen.

12. O die Sache, die Sache kommt mir ganz und gar nicht richtig vor. Sage mir, wo ist denn hernach Gott der Herr mit allen Seinen heiligen Engeln? und allen den sonstigen Heiligen, so das der Himmel ist?"

13. Spricht Robert: „Sehe dich nur nach rechts um, und du wirst dir zu allernächst Gott den Herrn Jesum, und hinter Ihm die heil. Apostel ganz klar erschauen, und hinter den Aposteln die Urväter der Erde von Adam angefangen!"

14. Der Mönch sieht sich nun ganz schüchtern um, und ersieht und erkennt sogleich an mir Jesum den Gekreuzigten, und so auch die Apostel, die er aus den ihm bekannten Attributen, die an den Gewändern der Apostel ersichtlich sind, erkennt. — Er fällt sogleich auf seine Knie vor Mir nieder, und spricht: „Herr Gott Jesus! So Du es bist, wie Du Dich zeigest, so sei mir armen Sünder gnädig und barmherzig! denn ich bin ein grober und großer Sünder!"

15. Und Ich sage: „Thomas! stehe auf! schaue und lebe! Ich bin das Alfa und das Omega, der Erste und der Letzte. Warum aber zweifelst du noch an Mir, und an der Wahrheit dieses Meines Himmels?"

16. Spricht der Mönch Thomas: „O Herr! Du fragst mich, als könnte ich Dir etwas sagen, das Du nicht wüßtest! Siehe gnädigst Dich nach Meinem Herzen um, und Du wirst noch jene Urschriftzüge im selben finden, die Deine allmächtige Rechte in dasselbe gezeichnet hat. In diesen Zügen spricht sich eine unendliche Größe, Majestät und Erhabenheit aus, unter der allein Dich mein Herz fühlen konnte, und es war darum stets außer Stande, Dich anders sich vorzustellen, als wie es Dich nach der heiligen Urschrift in sich selbst besaß. Jede kleinliche, ja wie bei der römisch—katholischen Kirche sogar schändlich schmutzige und herrsch— und habsüchtige Vorstellung von Dir konnte daher in diesem meinem Herzen nimmer Platz fassen! Aus diesem Grunde konnte ich denn auch den Glauben an die Gottheit Jesu des Gesalbten nie so ganz vollkommen annehmen, obschon ich streng genommen an der Möglichkeit nie gezweifelt habe; aber freilich müßte die Gottheit Christi evidenter hervorgetreten sein, ungefähr so, wie bei den Aposteln, so ich zu einem festen Glauben hätte sollen genöthigt werden. Aber das war sicher aus göttlich wohlweisesten Gründen nie der Fall; sondern Christus oder Sein Geist ließ es noch allzeit zu, daß die römische Kurie aus Ihm machen durfte, was sie nur immer wollte, ja nicht selten Dinge und allerschuftigste Spekulationen, von denen die ältere Zeit mit all ihrem Götzenthume sich nie etwas hätte träumen lassen können!

17. Welch einem nur einigermaßen geweckteren Geiste hätte bei der genauen Kenntniß der römisch—katholischen Theologie, die in manchen Stücken sogar für die Säue zu dumm wäre, nur in einem allerentferntesten Sinne einfallen können, solch eine Lehre für reinst göttlich zu halten? Ich selbst habe aus rund ausgestochenen Oblaten mehrere tausend allerechteste Christuse gemacht, und habe sie dann wieder getödtet und zum größten Theile auch selbst beim Butzen und Stengel aufgefressen. Was aber solle ein ehrlicher Mensch sich von einer Gottheit denken, oder vielmehr von einer Lehre, die einem unter solchen Auspizien aufgebürdet wird, über die ein jeder ehrliche Chinese hoch aufzulachen genöthiget wird. Wie oft habe ich nach einer verrichteten Messe gedacht, wenn ich darauf die große schöne freie Erde betrat, und einen Blick zur großen Sonne, und Abends zu den Miriaden Sternen sandte: Also Der, den du heute Morgen durch die sogenannte Consekration aus einer runden Oblate aus Stärkmehl gebacken zum allerhöchsten Gotte machtest, und Ihn darauf als quasi lebendig gegessen hast, soll' dieß alles gemacht haben?! O Herr! das war für den Glauben eines Sterblichen denn doch ein wenig zu viel! Wer das ganz ruhig glauben kann, dem ist es wahrlich nicht zu gratuliren; denn der kann doch kein noch so kleines Fünklein irgend eines Geistes in sich besitzen; er ist und bleibt eine blos durch ein elektrisches Fluidum auf eine kurze Zeit belebte materielle Maschine, der es eins ist, ob sie äußerlich mit Koth, oder mit Gold überzogen wird, und ob deren inneres Räderwerk aus Holz, Eisen, Kupfer oder Gold ist. Wohl verrichtete ich den sogenannten Gottesdienst vor den Augen der total blinden Welt vollkommen vorschriftsgemäß; aber ich selbst glaubte doch unmöglich daran, weil die Urschrift in meinem Herzen und in der ganzen Schöpfung mich denn doch allzeit eines ganz Andern belehrte.

18. Daß aber dadurch auch der wirkliche Christus, Der solchen Unsinn, und solche Greuel duldete, und nimmer mit einer himmlischen Gegendemonstration zuwege kommen wollte, bei mir und vielen Andern in einen Mißkredit kam, wirst Du, o Herr, sicher noch endlos klarer einsehen denn ich! Jetzt glaube ich freilich wohl an Deine ausschließend alleinige Gottheit, da Du nun wieder ganz so da bist, wie Du einst sicher auf der Erde unter den sterblichen Menschen gewandelt und gehandelt hast; aber an einen Oblatchristus aus Stärkmehl glaube ich auch jetzt nicht, und werde auch nie glauben.

19. Siehe Herr! das stand und stehet noch in meinem Herzen geschrieben! das ist mein Leben, weil ich es als etwas rein Göttliches in mir selbst ansehe, und somit habe ich armer Sünder Dir Allwissendem nichts als das mit höchst mangelhaften Worten äußerlich dargethan, was Du als der alleinige Urheber alles dessen schon von Ewigkeit allerklarst eingesehen hast, und so denn geschehe mit mir Dein allein heiliger Wille!"

20. Rede Ich: „Gut, Mein lieber Thomas; es ist alles ganz in der Ordnung, was du geredet hast; aber daß du Mir darum gewisserart einen Vorwurf machst, daß Ich der römischen Kirche ob ihrer Greuel noch nie eine energische Gegendemonstration zukommen ließ, da thust du Mir Unrecht! Betrachte du alle die Trennungen von der Römerin! Siehe, das sind ganz gewaltige Gegendemonstrationen! aber sie fruchteten wenig, weil ich den Drachen noch nicht richten wollte, wegen Meiner Liebe! Weiter betrachte du die große Verbreitung des reinen Wortes durch die Druckschrift in allen Zungen! aber sie fruchten wenig, weil Ich den Drachen noch nicht richten wollte, wegen Meiner Liebe! Wieder weiter betrachte die zahlreich zu allen Zeiten von Mir Selbst erweckten (neueren) Profeten; diese übten eine starke Gegendemonstration aus; aber es fruchtete wenig, weil Ich den Drachen noch nicht richten wollte, wegen Meiner Liebe! Dann betrachte du noch die tausendfachen Demüthigungen, die Ich als starke Gegendemonstrationen der Römerin habe zukommen lassen von allen Seiten; aber sie fruchteten auch bisher noch wenig, weil Ich den Drachen noch immer nicht richten wollte, wegen Meiner Liebe!

21. Von nun an aber wird es ohnehin mit der Römerin ein ganz stark anderes Verhältniß zu nehmen anfangen; ihre Weltmacht wird sehr erschüttert werden, und eine offene Zunge gegen sie allenthalben gestattet; wird sie solch eine Demonstration auch noch nicht fruchtend berücksichtigen, so wird der Drache gerichtet werden, wegen Meiner zu lange gemißbrauchten Langmuth.

22. Ich meine, du wirst nun auch wegen der Römerin, und wegen Meinen von dir vorgeworfenen Vernachlässigungen in der Ordnung sein, und so schließe dich nun vollends an Mich an, und gehe mit uns Allen in dieß Haus, zu einem schon bereiteten Mahle."

23. Spricht Thomas: „O Herr! Du ewiger Heiland aller kranken Seelen und Geister! eines Mahles, das Du Selbst für Deine verdientesten und Deiner Gnade würdigsten Diener bereitet hast, bin ich wohl ewig nicht werth! das wäre ja gar zu viel Gnade und Erbarmung für mich, der ich stets ein nur zu großer Sünder nun dastehe, indem ich auf der Erde doch allzeit gröbst gesündiget habe vor Dir und allen Deinen lieben geheiligten Brüdern. Mit hinein ins Haus werde ich wohl gehen, aber theilnehmen an einem so heiligen Mahle würde ich's mir ewig nimmer getrauen, indem ich da gar leicht das Loos eines Judas Ischariot an mir selbst erfahren könnte, und das wäre denn doch etwas überaus Erschreckliches!"

127. Kapitel. Überschwengliches Gotteslob des dankbaren Mönches Thomas. Sanfte Belehrung Jesu über die Schlichheit der Liebe. Gewinnung der 3000 Kriegsgefallenen.

01. Rede Ich: „Mein lieber Thomas! du bist noch sehr blöde; dem Judas hieß Ich nicht Brod mit Mir in die Schüssel zu dunken; denn Ich wußte es, daß es ihm zum Gerichte gereichen wird, indem er unwürdig war, zu essen mit Mir das Brod des Lebens. Dich aber beheiße Ich Selbst, weil Ich in dir keine Unwürdigkeit entdecke, und so kannst du das schon ohne alles Bedenken thun, was Ich von dir nun im Reiche der Geisterwelt verlange. Zudem hat hier ja auch alle Zurechnungsfähigkeit für ewig aufgehört, indem da jede That ohnehin die Folge hinter sich hat, wie sie begangen wurde; da giebt's nun kein Gericht, und kein Urtheil mehr, indem ein jeder Geist nach seinen Thaten auch vollkommen sein eigener Richter ist. Daher hast du für die Folge auch von keiner Seite her mehr eine fremde außer dir seiende Einwirkung zu befürchten, sondern alles nur aus und von deiner höchst eigenen Seite; was du willst, das wirst du auch thun, und das Thun wird dich richten nach deinem Willen, der die eigentliche Triebfeder jeder Handlung ist.

02. Und so komme, und mache dir von nun an durchaus keine Skrupel mehr; denn das wird man von dir denn hoffentlich doch erwarten dürfen, daß du keine Handlung begehen wirst, die dir nothwendig ein Leiden aufbürden müßte. So du z. B. hungrig bist und durstig, da wirst du doch etwas zu essen und zu trinken haben wollen, um nicht des Hungers und des Durstes Schmerz zu tragen. Wolltest du aber trotz eines großen Hungers und Durstes dennoch nichts essen und trinken, was auch ein dem Essen und Trinken ganz entgegengesetztes Handeln wäre, da müßtest du dir dann freilich wohl auch den Schmerz gefallen lassen, den der Hunger und der Durst als eine nothwendige Folge schon für ewig in sich bergen. Oder möchtest du wohl in einen Feuerofen gehen, in dem es lichterloh brennt? Sicher nicht, da solch eine Handlung oder That dir den größten Schmerz bereiten müßte. Oder würdest du eine scharfe Ruthe zur Hand nehmen, und dich damit selbst züchtigen? — Das wirst du sicher auch bleiben lassen; denn du weißt es, daß die Ruthenhiebe stets mit Schmerz verbunden sind.

03. Was du aber dir selbst nicht anthun möchtest, das wirst du auch deinen Brüdern nicht anthun, indem das die Liebe deines Herzens sicher nimmer zulassen würde, da sie wohl weiß, daß es auch den Brüdern wehe thut, was ihr selbst den Schmerz bereitet, und weil hier im Geisterreiche die Ordnung schon für ewig also bestellet ist, daß da eine jede gute oder schlechte That, wenn schon an einem Zweiten verübt, auch alle Male auf den Thäter mit der gleichen Empfindung rückwirkt, was auch mehr oder weniger unter verschiedenen Variationen schon in der naturmäßigen Welt der Fall ist!

04. Du weißt nun durch diese Meine beispielsweise Erörterung, wie sich die Sachen hier verhalten, und so meine Ich, daß du nun auch darin kein Verbrechen mehr erschauen wirst, so du, nach Meiner Beheißung an dich, das ohne weitere Gewissensangst thun wirst, was dir nur ganz allein zu deinem höchst eigenen Besten gereichen kann, und auch unfehlbar gereichen wird!

05. Siehe, Ich bin ja allmächtig, und könnte dich zwingen, dahin augenblicklich zu gehen, wo Ich dich haben will! da Ich dich aber schon zum Guten mittelst Meiner göttlichen Allmacht nicht zwinge, sondern nur mittelst der sanftesten Belehrung, durch die dein Herz, dein Verstand und dein Wille nur gestärkt, nie aber irgend geschwächt werden können, um wie viel weniger werde Ich dich dann erst durch Meine Allmacht zu etwas Argem zwingen! — daher du ganz wohl einsehen kannst, daß von Mir aus nichts so sehr berücksichtigt wird, als des Menschen vollends freier Wille! Und so kannst du es nun denn wohl ganz beherzt wagen, das freiwillig zu thun, was zu thun Ich als dein Gott, Schöpfer und Vater, voll der mächtigsten Liebe, von dir, ohne die geringste Beschränkung deines Willens verlange?!"

06. Spricht Thomas: „O heiligster, liebevollster Vater! Nun giebt es in meinem Dich allein über alles liebenden Herzen keinen Anstand mehr! Was Du nur immer wünschest, solle stets meines Herzens heiligstes Gesetz sein! — O wie gar so herrlich, mild, sanft und weise ist Dein heiliger Vaterwille! Wo wohl ist noch ein Herz, das ihm widerstehen könnte? O wie selig ist nun mein ganzes Wesen, daß ich Dir folgen darf und kann! Wer auch solle da nicht zugleich von den Seligkeiten aller Himmel auf das lebendigste durchdrungen sein, dem Du Selbst zur Seite stehest, und ihn an Deiner allmächtigen Vaterhand führest in das Reich des ewigen Lebens! O du heiliges Haus der Häuser, das Gott betritt, und wer kann lobend genug erwähnen des großen Mahles im Hause der Himmel aller Himmel, das Gott Selbst bereitet hat allen denen, die Sein heiligstes Vaterherz erwählet hat zu Seinen Kindern, und Seine endlose Weisheit zu ihren getreuen Knechten? Ihr seligsten Brüder und Schwestern alle, die ihr hier überaus zahlreich versammelt seid, o saget es, aber so laut, daß davon der ganze endloseste Raum vor tiefster Erfurcht erbebe, — fühlet ihr es wohl ganz, erfasset ihr die endlose heilige Tiefe, daß dieser unser Lehrer und Führer Gott! Gott! Selbst es ist! Wir sind bei Gott, ja bei dem großen Schöpfer der Ewigkeit und Unendlichkeit, bei dem Vater sind wir! O saget es, saget es! fühlet ihr es wohl tief genug, Wer Der ist, Der uns nun führet in Sein Haus?!"

07. Rede Ich im Gehen ins Haus: „Gut, gut, mein lieber Sohn Thomas! Es ist Mir eine rechte Freude, daß du in deinem Herzen Gefühle aufkeimen läßt, die Meiner Liebe würdig sind, und viel Aehnliches haben mit den großen Mich preisenden Flammengedanken der Cherubim und Serafim, die da sind Meine Austräger Meines Willens in Ewigkeit; aber so erhaben auch solche Gedanken und Gefühle sind, deren Tiefe und Größe nur ewige Geister zu fassen vermögen, so ist's Mir dennoch lieber, wenn Mich Meine Kindlein so recht herzlich „Vater" nennen, und Meine Freunde zu Mir sagen: „Lieber Bruder!" als wenn die größten Lobengel Mich mit den tiefsten Weisheitsliedern besingen, und am Ende ganz ermattet zusammensinken, so sie nach ihren großen Akklamationen zur Einsicht kommen, und einsehen, daß alle ihre größten und flammendsten Gedanken nicht einmal den Saum Meines Kleides zu berühren im Stande sind, während Meine ganz einfachen Kindlein mit Meinem Herzen und Gedanken seligst spielen können, und allzeit bei Mir wohnen, und an Meinem Tische das Brod des wahren Lebens genießen!

08. Siehe, die Meine Größe, Macht und Stärke besingen, und den ewig unendlich großen Gott preisen, die sind außer Mir, und betrachten Mich ungefähr also, als wie du auf der Erde den gestirnten Himmel oft betrachtet und überaus erhaben besungen hast, aber dabei dennoch nicht wußtest, was die von dir besungenen Sterne sind, und was in ihnen ist; die aber zu Mir sagen: O lieber Vater! O Du mein göttlicher Bruder! die sind bei Mir, und sogar in Mir. Sie besingen und preisen Mich wie wahre Kindlein ihren allein wahren Vater, und betrachten Meine Größe, Macht und Stärke nicht mehr aus irgend einer gewisserart heilig scheuen Ferne, wo sie stets eine große Kluft von Mir trennt, wie dich einst von den Sternen, die du besungen, sondern sie sind selbst auf den Sternen bei ihrem Vater im Vollgenusse jener heiligen Wirklichkeit, die von den Großsängern kaum geahnet wird!

09. Merkst du nun diesen gewichtigen Unterschied? Ja, du merkst ihn nun schon! und weil du ihn merkest, so bist du auch schon um vieles glücklicher, als du ehedem warst, und das ist gut und recht, und Mir am meisten wohlgefällig, weil es also in Meiner Ordnung ist. Du wirst gar bald an Meiner Seite die ungeheuersten Großwerke voll Wunder über Wunder zu schauen und zu genießen bekommen; wenn du da allzeit groß— erhaben fragen würdest: Wer fühlet es tief genug, und wer empfindet es ganz, was Gott ist!? Siehe, da würden dich dann Meine lieben Kindlein auslachen, und dir sagen: Aber kindisch schwacher Bruder Thomas! was schwärmst denn du da für Unsinn zusammen. Wer kann es ewig je tief genug, und ganz fühlen und empfinden, was Gott in Sich Selbst ist! Wie kann das Endliche das Unendliche je erfassen? Siehe, das ist eine eitle Schwärmerei; Gott ist unser Aller Vater, und wir lieben Ihn über alles, und Er ist bei uns, und führet uns, und wir sehen Ihn, wie lieb und endlos gut Er ist, und das ist ja beiweitem mehr; Gott als den heilig besten Vater über alles lieben, ist ja endlos mehr werth, als Ihn läppischer Weise ergründen wollen! Was wohl ist eines Menschen würdiger, sich in große Gedanken vertiefen, und so ein armer Bruder an dem Großdenker vorüberzieht, ihn dieser vor lauter großen Gedanken gar nicht bemerkt; oder die großen Gedanken Gott dem heiligen Vater überlassen, und mit liebfreundlichen Augen den armen Brüdern dienstfertig entgegenkommen. Lassen wir daher das Große den Großen über; wir aber bleiben in der Liebe allein so hübsch klein beisammen, und wir werden glücklicher sein, als die großglücklichen Großen! —

10. Siehe Thomas! So würden alle diese Brüder mit dir reden, und du könntest ihnen nicht Unrecht geben; daher aber bleiben wir denn auch so hübsch klein beisammen! denn um den ganzen Himmel zu sehen, braucht man ja gerade nicht eben so große Augen zu haben, als wie groß der Himmel selbst ist; man erreicht dasselbe auch mit den gewöhnlich kleinen Augen! Verstehst du das?

11. Ja du verstehst es nun schon; und so wollen wir nun sogleich uns an das Mahl machen, da wir uns Alle nun schon in dem großen Saale befinden, wo die Tische schon bestellet sind."

128. Kapitel. Thomas im Himmelssaal. Seine Bitte für die unter dem General noch im Vorsaal harrende Schar seiner früheren Gegner. Er wird mit Ehrenkleid und Weisheitshut angetan. Seine erste Aufgabe in Begleitung des Dismas.

01. Thomas verwundert sich nun, daß er, ohne es vollends wahrgenommen zu haben, sich nun schon im großen Speisesaale mit all den andern Gästen befindet, und zwar im Angesichte einer bestbestellten Mahltafel, die im Ganzen und zwar nach der Berechnung einer Kreuzform vom Max Olaf also gestellet ward.

02. Nachdem er sich so zu sagen mehr und mehr ausgewundert hat, spricht er (Thomas): „Herr, Du lieber Vater! Welche Größe, und welch eine namenloseste Pracht ziert doch diesen Speisesaal! O Gott, o Gott! da hätte ja die 100fache Bevölkerung der ganzen Erde ganz bequem Platz! Diese unabsehbaren Colonnaden nach allen Seiten hin! Diese wahre Himmelshöhe! Die einer Sonne gleich leuchtenden Verzierungen des majestätisch gewölbten Plafonds und der dreifachen Galerien! die hohen vielen alle Lichtfarben spendenden Fenster, und dieser ganz reine Goldboden machen alle meine Sinne erbeben vor zu großer Bewunderung und Ehrfurcht! Wer, wer hat denn das gebaut? O, ich frage ja hier wie ein Blinder! Du, Du ewiger Meister der Werke, von denen die Unendlichkeit strotzt, bist der alleinige Erbauer solcher Wunderwerke! ewig nimmer kann Dich selbst der feurigste Geist eines Cherub's, wenn dessen Wesen schon aus den hellsten Flammen Deiner Weisheit geschaffen ist, genug lieben, loben und preisen; geschweige so ein Wurm des Staubes, wie ich einer bin! O herrlich, herrlich, herrlich!!! Nein so ein Anblick! wahrlich, das übersteigt — ich möchte sagen — millionenfältig jede Fantasie, selbst eines tiefsinnigsten Erzengels.

03. Ein Weiser der Vorzeit hatte Recht, als er von Deiner bodenlosen Güte zu tief ergriffen, endlich laut ausrief: „Vater, Vater! höre doch endlich einmal auf zu segnen! denn so Du ein Kind züchtigest, da hast du ein gemessenes Ziel; aber so Du es darauf als gebessert zu segnen anfängst, da hat dann des Segnens nimmer ein Ende. Und beinahe möchte ich hier schon auch also auszurufen anfangen. Denn solch eine nie geahnte Größe Deiner Gnade, Güte, Liebe und allerbarmenden Milde, Sanftmuth und Herablassung ist für einen schwachen Geist auf einmal zu viel!

04. Rede Ich: „Nun, nun, schon gut, schon gut, Mein liebster Thomas! Mache nur nicht gar so viel Wesens! Ist denn für Mich das gar so was, wenn Ich ein solches Haus also werden lasse nach dem guten Maße des Herzens dessen, dem es nun vollends zu eigen gegeben ist. Sieh, das alles entspricht dem Herzen unseres auf der Erde stets unglücklichen Robert, und ist noch lange das Herrlichste und Großartigste nicht, was dieß ganze Haus enthält. Du wirst in der Folge noch ganz andere Dinge zu sehen bekommen; da kannst du dann deiner Fantasie einen ganz freien Lauf lassen. Nun aber setzen wir uns allesamt zu Tische!"

05. Der Thomas, einen schüchternen Blick nach dem ersten Saal werfend, dessen Thüre offen stehet, spricht: „O Herr, Du liebevollster, heiliger Vater! Da sieh einmal zur Thüre hinaus! dieses Elend! eine sehr große Schaar unglücklicher Seelen! könnte denn nicht auch ihnen geholfen werden? Sie sind nahe Alle im Grunde auch besser denn ich, darum sie mich ehedem auch als den Schlechtesten gebührlichster Maßen hinausgeworfen haben, was ich ihnen auch schon lange gänzlich verziehen habe. Vergebe ihnen auch Du, o allerbester Vater, und lasse sie Alle an diesem überreichen Mahle theilnehmen!"

06. Rede Ich: „Ja, du Mein allerliebster Bruder Thomas, wenn du Mir mit solchen Angelegenheiten deines Herzens zu kommen anfängst, da wirst du freilich bald auszurufen anfangen müssen: Vater! höre auf zu segnen! Siehe, mit diesem deinem Herzenswunsche hast du selbst wie mit einem Zuge alle deine Schulden vor Mir getilget, und dir muß daher sogleich ein neues Strahlenkleid, und ein wie die Sonne leuchtender Weisheitshut angethan werden! Robert! dort gegen Mittag siehst du einen neuen großen Schrank aus reinem Golde; gehe hin und hole ein Kleid und einen Hut. Denn dies ist das wahre Kleid aller Jener, die mit der Weisheit im gleichen Maße Liebe paaren!"

07. Robert eilet sogleich hin, und bringet zum Erstaunen aller Gäste ein noch heller strahlendes Kleid als das der Helena, und einen runden Hut, ungefähr in der Form eines sogenannten Kardinalshutes, der aber überaus stark leuchtet.

08. Als Thomas das Kleid und den Hut ersieht, so sagt er ganz bebend vor zu großer Freude: „Aber, Vater, Vater! Du wunderheiligster Vater! so etwas soll mein sündigstes Wesen zieren! O Gott, o Gott! o Du mein süßester Jesus, Du! Nein, nein, das ist für ewig zu viel, zu viel! Ach dieser Glanz! und das solle ich anziehen! ich, Einer, wie sonst nicht leicht ein Anderer! Du weißt es schon, was ich meine."

09. Rede Ich: „Ja, ja, du, ob deines mir wohlgefälligen Herzens mußt es anziehen! mache nur geschwinde, denn wir haben nachher noch sehr viel zu thun!" — Thomas nimmt das Kleid und den Hut, das sich im Augenblicke des Ergreifens auch schon vollkommen auf seinem Leibe best angepaßt befindet, worüber er sich schon wieder nicht genug erstaunen kann.

10. Als er nun also neu bekleidet dastehet, sage Ich zu ihm: „Nun Bruder! du bist jetzt vollendet und gesättigt mit Meiner Gnade, Liebe und Weisheit; das Mahl hier, wie du siehst, ist bereitet, und es mangelt hier auch nicht an würdig gemachten Gästen; aber, wie du es ehedem selbst Mir gar wohlgefällig gewünscht hast, da Draußen in dem Vorsaale befinden sich bei 3000 noch sehr arme Geister, unter der Anführung eines gewissen Generals, den du wohl kennst; dieser Mann hat ein gutes und verständiges Herz, und sein Wort ist von großer Wirkung bei seiner bedeutenden Schaar. Gehe du nun mit dem Bruder Dismas, den der General auf der Welt, und namentlich in Wien sehr gut gekannt hat, hinaus in den Vorsaal, und suche den biedern Mann für Mich, nach der Freiheit seines Herzens zu gewinnen, und durch ihn dann auch die ganze große Schaar; hast du diese deine erste Mission in diesem Reiche des wahren Lebens gut ausgeführet, so sollst du nach dem Mahle über Großes gesetzt werden. Denn Ich sage es dir, in Meinem Reiche giebt es gar viele, und von dir noch nicht geahnet große Bedienstungen und Anstellungen aller Arten und Weisen. Gehe daher nun schnell; an dem Dismas wirst du einen überaus weisen Helfer haben."

11. Spricht Thomas: „O Du guter, heiliger Vater! Wie sehr doch sorgest du für das verlorne Schäflein, für den verlornen Groschen, und wie unbegreiflich für den verlornen Sohn! Heil, Ehre, Preis, Ruhm und alle Liebe und Anbetung Dir allein darum ewig."

129. Kapitel. Thomas und Dismas im Vorsaal bei dem General und seinen Dreitausend. Aufklärung über Jesus und den Heilsweg. Wirkungsvolle Rede des Generals an seine Schar. Jesus an der Türe des Lebenssaales.

01. Nach diesen Worten nimmt er den freundlichen Dismas bei der Hand, und begiebt sich sogleich hinaus in den Vorsaal zum Generale,

02. der sich über und über zu erstaunen anfängt, als er den ihm bestbekannten Mönch Thomas auch in dieser leuchtenden Kleidung, mit dem Dismas vor ihm, in einer allerfreundlichsten Stellung erblickt. Er reicht sogleich Beiden die Hände und spricht (General): „Grüße euch, liebe Freunde! tausendmale willkommen! Aber Freund Thomas, wie seht Ihr aus? ehedem, als meine Schaar wider meinen eigentlichen Willen die Hände an Euch legte, wegen dem mißlungenen Vaterunser und wegen der projektirten Messe, und wegen noch so manchen nicht mehr zu erwähnenden Worten, da waret Ihr ja schwarz wie ein alter Mohr, und nun leuchtet ihr wie die Sonne. Saget mir doch, wie denn das zugegangen ist, daß Ihr in einer so kurzen Zeit zu solch einer enormen Glorifizirung gekommen seid? Habt Ihr das denn doch durchs Messelesen erhalten, und durchs lateinische Vaterunser? Das ist ja wahrlich was Außerordentliches! Habt Ihr etwa gar die Gottheit aufgefunden? O saget, saget es mir, welchen Weg Ihr eingeschlagen habt, daß Ihr zu solch einem wahren Heile gelanget seid?"

03. Spricht der Thomas: „Mein schätzbarster Freund! Verspreche du mir, das ungezweifelt zu glauben, was ich dir sagen werde, so sollst auch du mit dieser ganzen Schaar dich sogleich auf demselben Grunde und Boden befinden, auf dem nun ich und dieser dir ebenfalls von Wien aus wohlbekannte Bruder Dismas uns befinden."

04. Spricht der General: „Ich erkenne es aus Eurem Leuchten, daß Ihr Euch auf dem Boden der Wahrheit befindet; denn die Lüge kann nicht leuchten, weil sie hohl und nichts ist; und so will ich Euch denn auch aufs Wort glauben, was immer Ihr mir sagen werdet; daher redet nur geschwinde, denn ich brenne vor Begierde, aus eurem Munde eine leuchtende Wahrheit zu vernehmen!"

05. Spricht Thomas: „Gut, so höre denn! Jesus, der Gekreuzigte, ist nicht nur der Sohn des lebendigen, allmächtigen Gottes, sondern Gott, der Allmächtige, Selbst, in aller Fülle der urewigsten Allmacht und Allkraft! Durch Ihn und in Ihm ist allein das Heil und das wahre ewige Leben zu finden und für ewig zu haben. Wende dich samt der ganzen Schaar an Ihn, und es wird euch Allen im Augenblicke geholfen sein. Er ganz allein hat mir und diesem Bruder geholfen, ohne mein und sein Thun in eine Rechnung zu ziehen, da Er endlos gut ist, und richtet Niemanden; Jedem aber giebt Er, darnach sein Herz sich sehnet. Wer guten Willens ist, dem wird ein Uebermaß des Guten zu Theile aus seinem eigenen Willen. Nun weißt du aber auch schon Alles, und kannst thun, was du willst; dein höchst eigener Wille wird dein Richter sein."

06. Spricht der General: „Was sagst denn du, Bruder Dismas, dazu?" — Spricht Dismas: „Was der Bruder Thomas weisest gesagt, das sage auch ich, nach der Fülle der Wahrheit."

07. Spricht der General: „Zwei solche Zeugen genügen, und somit glaube ich euch alles auf's Wort. Nun aber lasset mich auch einige Worte an diese schon ziemlich geweckte große Schaar richten!" —

08. Darauf wendet sich der General zu der Menge und spricht: „Habet nun alle Achtung auf das, was ich euch nun verkünden werde. Ihr Alle samt mir habet es seit unserem sehr traurigen Hiersein nur zu tief und hart empfunden, in welch einem unbeschreiblich unangenehmen Zustande wir uns bisher befunden haben. Wir riefen, und Niemand meldete sich, wir klagten und weinten, und es kam uns kein Tröster entgegen; wir suchten, und fanden nichts; wir fluchten, und es that sich kein Schlund auf, daß er uns verschlänge; wir begannen dann auch zu beten, so schlecht wir es eigentlich nur immer zuwege bringen konnten; denn das haben wir wahrlich nie gelernt; aber auch das Beten schien uns im Stiche lassen zu wollen; kurz und gut, uns blieb am Ende nur noch die Verzweiflung übrig. Ich tröstete euch wohl, so gut es mir nur immer möglich war, aber was half das alles, so sich der Tröster bei sich beiweitem unglücklicher fühlen mußte, als wie die es waren, die er tröstete.

09. Als mich selbst nun schon aller Muth samt irgend einer Hoffnung zu verlassen anfing, da sandte die Gottheit, die von uns lange Verbannte und nicht Geglaubte, uns Allen zwei Retter, und zwar uns wohlbekannte; diese verkünden uns die nahe Rettung durch die alleinige Annahme der einzigen Gottheit Jesu Christi, des Gekreuzigten; was hindert uns hier, wo wir doch bei Gott nichts zu verlieren, noch etwas zu gewinnen haben, alles das treuherzigst anzunehmen und fest zu glauben, was diese zwei lichtumflossenen Freunde uns sagen. Schlechter als es uns hier bis jetzt ergangen ist, kann es uns wahrlich in einer barsten Hölle nicht ergehen. Wir haben dadurch nur eine, nach diesen Zweien zu urtheilen, gegründete Hoffnung auf die mögliche Verbesserung unseres Looses zu überkommen; und das ist ja schon in sich selbst etwas Ungeheueres, gegen unsere nunmalige verzweifelte Lage.

10. Bedenket das von mir zu euch Allen freundlichst Gesagte, und thuet darnach! Schaden kann es uns ewig keinen bringen! — Zudem übt an uns hauptsächlich jener Pater, den ihr früher hinausgeworfen habt, den Akt dieser Freundschaft aus; der wird uns am wenigsten belügen, indem er ehedem lange genug das herbe Loos mit uns getheilet hat, und daher in seinem jetzigen sicher sehr glücklichen Zustande nur zu gut empfindet, wie es uns, seinen früheren Genossen, zu Muthe sein kann, uns in solch einem miserabelsten Zustande zu befinden, und das durch eine vielleicht schon kaum mehr meßbare Zeitdauer. Und so Freunde aut Caesar, aut nihil! (entweder Alles oder nichts!) Jesum Christum für unsere Herzen um jeden Preis!"

11. Die ganze Schaar schreit: „Ja, ja, lieber General! wir Alle sind ganz Ihrer Meinung; was Sie sagen und wollen, das werden wir auch thun. Jesum Christum! Der uns helfe, um jeden Preis! Hilft Der uns nicht, so sind wir verloren und rein hin!"

12. Spricht der General zum Thomas: „Freund! vergebe es mir, so ich dich von nun an auch als kein General mehr, sondern als ein Bruder anrede; denn ich meine, daß alle die weltlichen Titulaturen hier für mich zu Ende sein werden. Also noch einmal, liebster Freund und Bruder! du hast nun selbst vernommen, wie schnell diese ganze große Schaar, die aus allen möglichen nationalen Elementen zusammengesetzt ist, sich wie Ein Mann für die allein gute Sache erklärte; Jesus ist ihr — wie mir selbst — nun Alles in Allem! was geht uns nun noch ab, das wir zu erreichen trachten müssen, um Jesu, dem Herrn von Ewigkeit, nur etwas würdiger zu werden, als wir es nun sind?"

13. Spricht Thomas: „Es stehet geschrieben: Wer an den Sohn Gottes glaubt, und daß Er Selbst ist und giebt das ewige Leben, der wird selig werden." Ihr aber glaubet es nun, und werdet deßhalb auch pur durch Seine Gnade — selig. Aber etwas gehet euch noch ab, wie ich es so aus deinen Aeußerungen entnehme, die wohl recht sehr gläubig klingen, aber dabei doch etwas lebenstrocken sind; dieses Abgängige aber ist die Liebe eben zu Jesu, dem Herrn; öffnet Ihm euer Herz! lasset es in aller Liebe erbrennen zu Ihm, und Er wird euch Selbst, ich sage es euch, so ihr's wollt, tausendmale auf mein ewiges Leben wahrlich, wahrlich entgegenkommen, und wird euch aufnehmen und weiter führen. Denn Seiner Güte, und Seiner Liebe und Erbarmung hat es ewig kein Ende!"

14. Spricht der General: „Freund! wohl klingen unsere Worte etwas rauh, und trocken scheint ihr Sinn zu sein; aber sie kommen aus einem wahren und aufrichtigen Herzen, und so kannst du versichert sein, daß unsere Herzen dem Herrn Jesu sicher wärmer entgegenschlagen werden, als die so mancher feinen Christen, die recht viel und schön denken und erhaben sprechen, aber dabei sehr wenig fühlen. Wir haben schon auch noch etwas Verstandes, aber freilich nicht von sehr hoher und feinster Bildung; dafür aber desto mehr Herz auf der Zunge; und ich meine, das wird dem Herrn der Herrlichkeiten doch auch nicht unangenehm sein. Du kannst somit denn auch vollauf versichert sein, daß wir in der Liebe zu Gott Jesu, dem Herrn, nicht schwächer sein werden, als in unserm nun kernfestesten Glauben an Ihn! Du hast nun auch diese unsere Zusicherung, die durchaus auf festem Grunde stehet; sage! was gehet uns noch ab?!"

15. Spricht nun Dismas: „Es gehet euch Allen nun nichts ab; daher sage es der ganzen Schaar, sie möge ihre Augen aufthun, und sehen auf die offenstehende große Thüre, die aus diesem Saale in den großen anstoßenden Lebenssaal führet; dort stehet Er schon mit weit ausgebreiteten Armen, um euch Alle aufzunehmen in das große Reich Seiner Gnade und Erbarmung!"

16. Hier wendet sich der General schnell nach der klarst ersichtlichen offenen Thüre, und sieht und erkennt Mich sogleich. Von der größten Freude ergriffen ruft er mit einer echten Kommandanten—Stimme aus: „O Du angebetetster Herr über alle Himmel und Welten. So, so endlos herablassend kommst Du Erhabenster uns Elenden entgegen. O Du Heiliger, Heiliger, Heiliger! — Brüder und Schwestern! hebet empor eure Augen, und schauet! Der Herr, Gott, Jesus, der für uns am Kreuze den größten Heldentod starb, und am dritten Tage aus höchst eigener Macht wieder vom Tode erstand, als ein Sieger aller Sieger, kommt uns entgegen! Fallet nieder, und betet und lobet Ihn aus der tiefsten Tiefe eures Herzens! — Nun saget lebendigst: O unser heiliger Vater, der Du kommst aus Deinen Himmeln zu uns armen Sündern, hochgelobet, gepriesen und geheiliget werde Dein heiligster Name! O vergebe uns unsere Sünden, und strafe uns nicht nach unseren schlechten Thaten, sondern lasse uns Deine heilige Gnade nach dem Maße Deiner Erbarmung anstatt des strengen Gerichtes angedeihen! Dir, o Herr, Vater Jesus, sei ewig allein all unsere Liebe, Ehre, Ruhm und Preis!"

130. Kapitel. Die gerettete Schar vor Jesus. Des Generals Theowald Lebensweg zu Gott. Das Geheimnis des Erdendaseins im Jenseits beantwortet. Jesu Licht— und Lebensworte an den General und seine Schar.

01. Bei diesen Worten des Generals richtete Alles die Augen nach der großen Saalthüre, und fällt bei Meinem Anblicke sogleich auf die Knie nieder, und betet, lobet und preiset Mich, so gut es nur immer gehen kann bei der völligen Unkultur der Seelen, die hier freilich einem noch sehr unverdorbenen Geiste zur Wohnung dienen, und daher auch in diesem Zustande mehr Gefühls— als irgend ein Verstandesleben verrathen. Ich belasse sie eine kurze Weile in diesem ihrem höchst andächtig erbaulichen Zustande, damit sie sich in ihrem Innern sammeln können.

02. Den General aber berufe Ich zu Mir; er entschuldigt sich zwar mit seiner Unwürdigkeit, Mir näher treten zu können; Ich aber verweise ihn auf den Zachäus des Evangeliums, der ein großer Sünder war, und Ich aber dennoch in seinem Hause einkehrte, und mit ihm das Mahl hielt!

03. Auf diese Belehrung bekommt er denn sobald mehr Muth, nähert sich Mir aber wohl mit der höchsten Ehrfurcht, und spricht bei Mir angelangt (General): „O Herr, vergieb, vergieb mir und uns Allen unsere große Dreistigkeit, daß wir es auch nur wagen können, Deiner endlosesten Heiligkeit in's Angesicht zu schauen! Aber was können wir armen Geschöpfe dafür, daß das Verhältniß zwischen uns und Dir, dem ewigen Schöpfer, gar ein so entsetzlich armseliges und völlig nichtiges ist. Wir Alle zusammen sind vor Dir o Herr ein vollkommenes Nichts, und Du allein bist Alles in Allem. Es ist schon eine unglaubliche Seligkeit, daß ein Geschöpf, das auf der Erde blos für die Vergänglichkeit geschaffen zu sein schien, denn doch nach dem Wegfalle des Fleisches einmal in den Zustand jenes Dich schauenden Vermögens gelangen mag, das auf der Erde — wenigstens bei mir — kaum geahnet, geschweige geglaubet ward; was solle ich hier wohl noch Größeres wünschen können! — O Gott, Du endlos Erhabener! Welch eine Wonne durchströmt hier mein ganzes Wesen, daß ich Dich endlich einmal sehe, und die heiligst allmächtige Stimme Deines Mundes vernehme!

04. O wie oft fragte ich auf der Erde: Giebt es einen Gott, oder giebt es keinen? und so es einen Gott giebt, wo ist Er, wie kann Er aussehen? Ist der jüdische Lehrer Jesus wohl, was die Legenden von Ihm aussagen? Er, ein Mensch, wie unser Einer, solle Gott sein? Gott?! der den unendlichen Raum mit zahllosen Myriaden von Geschöpfen und Wesen aller Art aus Ihm Selbst erfüllet hat; der der Sonne das Licht gab, der das Meer der Erde in seinem großen Bette hält, den Winden und Stürmen gebietet, und die zahllosen Sterne in den endlosen Fernen kreisen macht?— — Aber auf alle diese schönen und sicher wichtigsten Fragen bekam ich nimmer eine meine Seele befriedigende Antwort, und der eitlen Frage Klang verschwamm im großen Meere der die Erde umgebenden Luft, und ich horchte vergebens einer Antwort entgegen; denn der Himmel war verschlossen, und der Sterbliche fragte vergeblich nach dem ewig Lebendigen; nur irdische, selbst sterbliche Menschen bemühten sich manchmal — mir eine andere Meinung von Gott beizubringen; sie erzählten mir Deine irdischen Wunderthaten, die wie Märchen klangen, und daher auch viel zu schwach waren, meinem forschenden Geiste das zu geben im Vollmaße, darnach er forschte! Kurz, ich suchte, und fand nichts; ich fragte und bekam nichts, das ist — keine Antwort; ich klopfte auch überall an; aber es war nirgends Jemand darinnen, der zu mir der verlangten großen Wahrheit gemäß gesagt hätte: Tritt herein, Freund, hier sollst du finden, was du suchst!

05. Und so kam ich endlich denn auch so zu sagen gänzlich um allen Glauben an einen Gott; alles ward dann ein Werk des Zufalls durch die stumm wirkenden Kräfte der Natur; und das warf mich dann aber auch in den Wirbel der Weltereignisse, in denen ich eben den irdischen bösen Tod fand, der mir die Pforte, die ich nicht geahnet hatte, zu diesem Leben öffnete; und nun bin ich hier, und schaue ein andres Leben, und schaue — auch Dich, der Du allein mir das Leben gabst! — O Wonne, o Wonne! — Das Reich des vielen Fragens ist zu Ende, und in Dir, o Herr, stehet nun die große lebendige Antwort, für ewig vor mir! — Ja so ist es — das Erdenleben ist nichts als eine große Frage, die aber erst hier beantwortet wird! — O Dank Dir, ewiger Dank Dir, darum Du des Wurmes im Staube gedenkest!"

06. Rede Ich: „Mein lieber Theowald! Des Lebens Verhältnisse auf der Erde sind andere, wie die dieser geistigen ewig unvergänglichen Welt; aber sie müssen so sein, damit aus ihnen dieses wahre vollkommene Leben werden kann. Freilich wohl ist ein jeder noch im Fleische lebende Mensch berufen, schon auf der Erde durch die genaue Beobachtung Meines Wortes, das da hauptsächlich in den bekannten 4 Evangelien geschrieben stehet, die Bahn zu brechen, um sich dieses vollkommenen Lebens zu versichern; aber da ein jeder Mensch, um ein ewig lebender Mensch zu werden, auch seinen freiesten Willen hat und haben muß, so geschieht es denn — besonders in dieser Zeitenfolge — nur zu leicht und häufig, daß sich die Menschen ihre Ohren von der Sirenenstimme der Welt übertäuben lassen, und blenden ihre Augen vom trügerischen Lichte des Weltglanzes;

07. sogestaltig kommen dann solche Menschen auf der Welt aber auch schwer, oder oft auch wohl gar nicht dahin, wozu sie berufen sind, sondern gerade dahin, wohin sie eigentlich gar nicht kommen sollten, nehmlich zur Eigenliebe, Selbstsucht, Herrschlust, Habsucht, Geiz, Neid, Fraß, Völlerei, Wollust, Unzucht und Hurerei! Diese Stücke aber verzehren das Leben, statt daß sie dasselbe mehreten, und so kommt es dann, daß es nach der Ablegung des Fleisches gar Vielen so ergeht, wie es dir und deiner Schaar ergangen ist; sie müssen dann in dieser Welt sehr verlassen werden von allem, was je ihre rohen Sinne zu sehr beschäftiget hatte, und müssen sehr elend werden, damit sich ihr Leben in solch geistiger Einöde und Wüste wieder sammeln und finden kann; hat es sich gefunden, so wie das eurige nun, dann kommt auch die Hülfe, die da vonnöthen ist, aber doch so, daß sie nicht als aufgedrungen, sondern als rein von dem Bedürftigen selbst verlangt erscheint!

08. Aus dem Grunde sagte dir auch Mein Bote Thomas, daß dein Wille der alleinige Richter und Geber von allem ist, was du willst, Gutes oder Schlechtes; du verlangtest aber darnach Gutes, und verlangtest Mich Selbst, und siehe, so stehet nun vor dir wahrst und lebendigst, was du in deinem Herzen wolltest. Von nun an erst wird dir Mein besonderer Wille kund gethan werden; wirst du diesen zu deinem eigenen machen, so wirst du leben ein wahres seligstes Leben! Gehe, und künde solches auch deiner Schaar!" (Am 13. Okt. 1849)

09. Der G. Theowald thut solches sogleich, und die ganze Schaar nimmt das alles ganz unbedingt wie ein Militärkommando an, und fügt sich in allem, was der Gen. Theowald von ihr verlangt. Als er sogestaltig seinen Auftrag bald und gar sehr leicht ausrichtet, kommt er schnell wieder zurück, und sagt: „Herr Vater, Gott Jesus von Ewigkeit! Es ist geschehen, was Du von mir und durch mich auch von der ganzen Schaar verlangtest; Dein allein heiligster Wille sei unser ewiges Gesetz! Da Du sagtest, uns Allen erst nun Deinen besonderen Willen kund zu thun', so bitten wir Dich, o Du heiligster, erhabenster, weisester und liebevollster Vater, nun darum! Wir Alle betheuern es Dir auf das gewissenhafteste, daß wir von Deinem einmal vernommenen Willen in unserem eigenen Walten und Handeln nie auch nur ein Häkchen werden fallen lassen!"

10. Rede Ich: „Nun, nun, es macht Mir eine rechte Freude, von euch Allen wie aus Einem Munde das zu vernehmen! Aber dessen ungeachtet solltet ihr euch denn doch ein wenig prüfen, ob ihr wohl schon fähig seiet, alles, was Ich will, in euren Herzen als willkommen, und dadurch dann auch erst als vollkommen ausführbar anzunehmen?!"

11. Spricht der Gen. Theowald: „O Herr! Wer wohl kennt es besser als Du, wessen unsere Herzen fähig sind! Daher überlassen wir dies alles für ewig Dir ganz allein! Denn Du wirst uns sicher nicht mehr aufbürden, als was wir zu fassen und zu tragen im Stande sind; daher werde von uns auch nichts anderes erwogen, als: ob wir wohl in so weit als würdig von Dir angesehen werden, um Deinen heiligsten besonderen Willen in unsere noch sehr unreinen Herzen aufzunehmen. Denn wie ein Judas möchten wir wohl durchaus nicht unsere unlautersten Hände in das große Heiligthum Deines lebendigen Willens tauchen, um uns dadurch leicht möglicherweise den ewigen Tod zu holen. Ich meine, daß für uns Alle zuvor noch eine ganz tüchtige Läuterung von nöthen sein wird, bis wir würdig werden, von Dir, o heiligster Vater, den heiligsten Willen zu vernehmen."

12. Rede Ich: „Meine lieben Kinder! Ich muß es euch offen bekennen, obschon ihr nahe sämtlich Kinder der Welt seid, so seid ihr aber dennoch in Vielem klüger als die Kinder des Lichtes. Ihr habt Mich so ganz beim rechten Fleck gepackt, und habt euch dadurch so Manches erspart, das ihr sonst noch nothwendig hättet zu bestehen gehabt; aber weil ihr so klugen Herzens seid, und weil ihr so viel Liebe und Volltrauen zu Mir in euren Gemüthern aufkeimen lasset, so solle euch auch Vieles erlassen werden. Seid aber froh, daß ihr auf der Erde keine Diktatoren waret; denn diese werden Mich in einem ganz andern Gewande zu Gesichte bekommen! Erhebet euch nun Alle! und höret, was Ich nun zu euch sagen werde: 13] Der Größte unter euch sei euer Diener und Knecht; und die gegenseitige tatsächliche Liebe sei euer aller Gesetz. Thomas und Dismas seien eure Lehrer, und ihre Worte betrachtet als die Meinigen, und thuet darnach, so werdet ihr fähig werden, vollends in Mein Reich einzugehen; liebet sie als eure intimsten Freunde und Brüder; denn ihnen ist es von Mir gegeben, euch den wahren Weg in das ewige Leben zu führen. Diese werden euch auch mit allem versehen, was euch vorderhand noth thut!"

131. Kapitel. Das große Mahl. Der General und sein Freund Kernbeiß über die göttlichen Wunder. Thomas dankt ihnen für die früher an ihm betätigte Kur. Blick auf die irdische Hölle. Neue Gäste: Unglücksscharen politischer Todesopfer.

01. Nach diesen Worten trete Ich wieder aus der Thüre, und beordre den Robert, daß er mit Hülfe der ehemaligen Tänzerinnen eine hinreichende Menge Brodes und Weines an die beiden Lehrer Th. und Dism. ausfolgen solle, die dann diese Stärkungen an die neuen Gäste vertheilen sollen. Robert thut das sogleich, und als die Gäste draußen auf diese Art zu solch einer Stärkung kommen, da hört man nichts als Jubel über Jubel, und Lob und Preis von allen Seiten. Die beiden Lehrer aber treten nach der Vertheilung auf einen Wink von Mir ebenfalls in den zweiten Saal, allwo auch wir das schon bereitete Mahl mit einander halten.

02. Die neuen Gäste aber können sich nicht genug verwundern, wie es denn doch möglich war, daß sie Alle so schnell allerbestens bedient haben werden können. Ein nächster Freund des Generals Theowald spricht darob Folgendes: „Lieber Freund! aber wie kommt Ihnen — nein, nein, dir wollt ich sagen, denn hier sind wir ja Alle gleich — also, wie kommt es dir vor, daß wir Alle, sicher über 3000 an der Zahl, von unsern zwei Brüdern, nehmlich vom ehemaligen Mönche und dem uns aus alter Zeit her schon bekannten Dismas, wie auf Einen Schlag mit Brod und Wein reichlichst versehen haben werden können? Ehedem brachte, wie ich's bemerkt habe, nur, so ich mich nicht irre, der berüchtigte R. Bl. mit etwa ein paar Dutzend gar verzweifelt schönen Maiden etliche Flaschen Weines und so auch etliche Laibe Brodes; ich dachte mir dabei, besonders als die beiden Brüder ganz allein die Vertheilung übernahmen: No, bis die Zwei diese wenigen Flaschen, und die wenigen Laibe Brodes werden an alle mathematisch genau wie beim Militär ausgetheilet haben, da werden die Ersten schier schon wieder hungrig und durstig sein, so die Letzten zur Betheilung kommen werden. Aber dem war es wunderbarst ganz anders. Wie durch irgend einen Zauberschlag hatte ein jeder von dieser ganzen Schaar einen guten Becher voll Weines, und ebenso ein ganz respektabelstes Stück des allerwohlschmeckendsten echten Himmelsbrodes in seinen Händen; und die etwa im Ganzen bei 30 Flaschen Weines waren richtig geleert, und vom Brode der letzte Laib bis auf's letzte Brodsaml vertheilt. Nun sage du mir und eigentlich uns Allen, wie diese Sache auf einem nur halbwegs begreiflichen Naturwege möglich war?! mir ist das ein Räthsel, so wahr ich lebe, über alle Räthsel!"

03. Spricht der General: „Ja du mein lieber Freund Johann von Kernbeiß, wie man dich auf der Erde nannte, du forschest schon wieder zu viel! denke du dir die göttliche Weisheit und Allmacht hinzu, so wird dir so was ohne allen Anstand begreiflich sein. Hast denn du auf der Erde alles begriffen, was du da gesehen und erlebet hast? Wer spannte deine Lunge, so du athmetest, wer machte dein Herz pochen und die Pulse schwellen; wer kochte in deinem Magen die zu dir genommenen Speisen? wer sonderte die Lebenstheile vom Unrathe? wer machte, daß du gewachsen bist? und wer sperrte dir das Wachsthum? wer baute die Augen, und wer das Ohr? und wie hat solcher Dinge Meister das alles zu Wege gebracht, und welcher Mittel hat Er sich dazu bedient? Siehst du, all diesen und noch tausend andern Wundererscheinungen sahen wir sogar schon auf der Erde so zu sagen täglich in's Angesicht; aber da wir uns an sie schon von Jugend an, wo wir noch gar nichts dachten, gewöhnt haben, so wie an's nicht viel Denken, so ist uns das wahrhaft Wunderbare bei all diesen Erscheinungen auch gar nie aufgefallen, und konnten wir gar leicht ganz gleichgültig darüber hinausgehen.

04. Aber hier, wo wir nun aller lästigen Materie bar sind, und unser Denkvermögen desto ungestörter seine Thätigkeit auszuüben im Stande ist, da freilich müssen uns alle Erscheinungen dieser Welt um so mehr in ein gerechtes Erstaunen setzen, in wie fern wir auch fähiger sind, das wahrhaft Wunderbare an einer Erscheinung schneller zu bemerken, und darüber in ein gerechtes Erstaunen zu gerathen; aber daß wir uns dabei und darob unsere Köpfe zerbrechen sollen, um die Möglichkeit solcher Dinge mathematisch erwiesen zu begreifen, siehe Freund Johann von Kernbeiß, das wär' eine barste Thorheit. Ist es zu unserem ferneren Heile von nöthen, so werden uns unsere zwei Lehrer, die jetzt auch, wie ich's durch die offene Thüre sehe, ein stärkendes Mahl zu sich nehmen, schon belehren; ist aber solch eine Belehrung zu unserem Heile nicht absolut nöthig, so ists genug, daß wir das wissen, daß einem allmächtigen Gotte alle Dinge möglich sind. Denn siehe, ich halte alles für ein unerforschliches Wunder! Wollte man nun von allen den zahllosesten Dingen und Erscheinungen den Grund wissen, so würde man ja ewig damit nimmer zu einem Ende kommen, und das wäre doch eine Arbeit non plus ultra zu nennen! Da sieh nur einmal diesen meinen Finger an, wie er sich nach allen Seiten ganz bequem bewegen läßt; ist das nicht auch ein Wunder? wer wird aber darüber zu grübeln anfangen wollen, und am Ende doch kein sicheres Resultat herausbringen. Gott hat es so eingerichtet, und das ist genug; mehr brauchen wir nicht zu wissen und zu begreifen.

05. Gott der Herr hat uns Allen aus Seiner Liebe und Erbarmung wunderbar des besten Brodes und Weines zukommen lassen, und das in einer hinreichendsten Menge; und wir haben uns daran, Ihm allein alles Lob, zur seligsten Uebergenüge gesättiget und gestärket. Was brauchen wir nun noch dazu zu wissen, wie Er das so wunderbar angestellet hat? Ich hielte so etwas für eine eitel läppische Neugierde. Danken wir aber dafür dem allmächtigen und allgütigen Geber, so werden wir Ihm auch sicher wohlgefälliger sein, als so wir Ihn mit der Weisheit aller Engel erforschen und zergliedern möchten!"

06. Spricht der Johann von Kernbeiß: „Du hast ganz vollkommenst recht, und ich bin da auch ganz deiner Meinung; aber überraschend wunderbar bleibt die Sache dennoch immer!" — Spricht der Gen.: „O — allerdings, das wird dir auch kein Engel in Abrede stellen; aber wir sind nicht da, um sie zu erforschen, sondern um sie zu bewundern und dankbarst zu genießen!" —

07. Spricht Johann Kernbeiß: „Du bist demnach durchaus nicht für einen geistigen Fortschritt?!" — Spricht der General: „O Freund! da irrst du dich sehr, so du aus dieser meiner Rede zu entnehmen scheinst, daß ich darob wider einen geistigen Fortschritt wäre, weil ich mich in keine zwecklose Untersuchung einer wunderbaren Erscheinung einlassen will; o, ich liebe nichts so sehr als eine geistige Vollkommenheit; aber ich eifere nur gegen solche Bestrebungen des Geistes, die nicht in seine Sfäre wenigstens vorderhand taugen. Warte du nur ein wenig ab, bis unsere zwei Lehrer wieder zu uns kommen werden, die werden dir sicher mehr über dein Petitum sagen können als ich; — so ich dir aber mehr sagen möchte als ich weiß, da wäre ich entweder ein eitler Narr, oder ein lügenhafter Großsprecher, der überall der Weiseste sein will, im Grunde aber bei sich selbst die Reife in ein Narrenkollegium sicher recht deutlich wahrnehmen muß.

08. Da sieh, die Beiden kommen schon, der Eine ganz schlicht und ohne vielen Glanz, d. i. der Dismas, und Thomas mit einem wahren Sonnenlichte. Ich werde dich sogleich ihnen als einen sehnsüchtigsten Forscher in der Weisheit Gottes aufführen, so es dir genehm ist." —

09. Spricht Johs. Kernbeiß: „O ich bitte dich, liebster Freund, thue du nur das nicht! denn weißt du, unsere Besprechung solle ganz unter uns bleiben; was braucht da die ganze himmlische Gesellschaft davon in die Kenntniß gesetzt zu werden. No, die Beiden würden ganz kuriose Augen machen, so ich ihnen mit einer solchen Frage käme. Daher sei du davon nur lieber ganz stille; ich bin nun schon ganz vollkommen deiner Meinung, und werde auch bei ihr verbleiben; aber nur nichts sagen diesen Zweien davon!"

10. Thomas und Dismas treten nun wieder in diesen ersten Saal zu der großen Schaar, und der General Theowald in Gesellschaft seines Freundes Johs. Kernbeiß treten ihnen freundlichst entgegen, und sprechen im Namen der ganzen großen Schaar den rührendsten Dank gegen den Herrn der Herrlichkeit für solch eine allerkostbarste Bewirthung aus. Der Johs. Kernbeiß bemerkt noch insbesondere, wie das alles so überraschend wunderbar schnell vor sich gegangen sei!

11. Der Mönch Thomas aber erwidert den herzlichen Dank dem General Th. darum, daß er nebst dem Herrn hauptsächlich der kräftigen Zurechtweisung von Seite des Gen. seine gegenwärtige geistige Vollendung zu verdanken habe, und nach ihm der gesamten Schaar, die ihm den guten Dienst erwies, daß sie ihn wegen seiner großen Dummheit hinauswarf. Darauf sagt der Johs. Kbß.: „Liebster Freund, nur davon rede nichts mehr! Denn ich war auch Einer von denen, die dich hinausgeschoben haben. Aber was einmal geschehen ist, das kann man leider nicht mehr ungeschehen machen. Mich hat es schon tausend Male gereuet; aber der Mensch, ob Geist, oder Fleisch, kommt dann manchmal in eine solche Hitze, wo er sich dann selbsten nicht mehr kennt, und oft nimmer weiß, wessen Geschlechtes er ist; es solle so was nach den weisesten Gesetzen Gottes freilich wohl nie stattfinden. Aber leider findet es denn manchmal sogar unter den sonst besten Menschen statt. Aber ich meine, so die Menschgeister dann ihre gegenseitigen Fehltritte an einander so viel als nur immer möglich wieder gut machen, und sich gegenseitig um Vergebung bitten, und die Hände der Freundschaft zu einem ewigen Bunde reichen, dann wird auch der liebe Vater der Himmel dazu kein gar zorniges Gesicht machen." —

12. Spricht Thomas: „Ganz natürlich, so die Menschen untereinander in der Ordnung sind, da sind sie es auch vor Gott; denn Gott der Herr will ja von den Menschen nichts anderes, als daß sie eben untereinander als wahre Brüder und Schwestern leben sollen; daß sich keiner über den andern erheben solle, und keiner des andern Richter sein. Wir Beide aber haben ohnehin gegen einander nie etwas gehabt, und haben uns daher auch nichts zu verzeihen; daß du mich aber früher schon hier in dieser Geisterwelt ein wenig hinausschummeln halfst, das hat auf unsere alte irdische Freundschaftsordnung ohnehin nicht den allergeringsten Bezug, und dadurch schon um so weniger, weil du mir dadurch nur einen entschieden besten Dienst geleistet hast, ohne den ich vielleicht noch jetzt über den ganzen Kopf und Hals in meiner mönchischen Dummheit stecken geblieben wäre, in der ich euch Allen noch so manchen Aerger hätte bereiten können; während ich euch nun für alle die an euch begangenen Dummheiten durch die Gnade des Herrn vielfach wieder gut machen kann, und sogar wieder gut machen muß, nach der Aufforderung meines eigenen Herzens.

13. Wie viel Dummes habe ich euch auf der Erde vorgemacht und vorgeschwätzt, so — daß es nun hier sogar noch Einige unter euch geben dürfte, die noch von einer oder der andern der vielen Dummheiten, die ich euch als ein Priester vormachte und vorschwätzte, befangen sein können. Aber alles dieses wird hier von mir an euch vielfach wieder gut gemacht werden. Dummheiten sollen vernichtet werden, und an ihre Stelle sollen, so viel es nur immer in meinen Kräften stehet, weise Belehrungen treten. Der aber, der mir dieses rein himmlische Amt gegeben hat, stärke euch und mich zu diesem schönsten Zwecke!

14. Durch die große Gnade des Herrn ist mir das Vermögen ertheilet worden, daß ich auch sehen kann, was nun auf der Erde, und namentlich in unserem irdischen ersten Vaterlande geschieht; auch ihr werdet bald Kunde von einigen hier bald eintreffenden neuen Ankömmlingen erhalten. Ich sage es euch, wie ich es sehe, und wie es mir der Herr Selbst offenbaret: Die Großen, die schon sehr klein waren, haben am Blute ihrer Brüder eine gute Mast gefunden, und sind wieder fett und stark geworden. Statt dem Herrn zu danken für den Sieg über ihre vermeinten armseligen Feinde, wissen sie nun vor Uebermuth, Stolz, Hochmuth und Rache nicht was sie thun sollen. Der Satan, solches wohl merkend — schiebt ihnen die ganze Hölle auf die Schaubühne der Weltpolitik unter die Füße; und sie ergreifen die Hölle, und wirthschaften nach deren Prinzipien!

15. Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet! und verdammet Niemanden, auf daß ihr nicht verdammet werdet! Seid barmherzig, so werdet ihr auch wieder Barmherzigkeit finden! Das sind des Herrn allerernsteste Mahnungen und Gesetze, die Er den Menschen auf der Erde gab. Aber trotz allen diesen ernstesten göttlichen Mahnungen und Gesetzen thun die Mächtiggewordenen mit ihren Brüdern nun, was sie wollen. Sie richten, verurtheilen, verdammen und tödten nun nach ihrem Wohlgefallen, da sie im Besitze der äußern Macht sind. Von solchen in der jüngsten Zeit grausam Ermordeten werden nun bald Mehrere hier anlangen, und werden ein großes Klaggeschrei anfangen. Diese müsset ihr sogleich zu euch nehmen, und sie trösten und beruhigen, so werdet ihr ein erstes himmlisches Werk verrichten."

132. Kapitel. Ankunft einer Schar Hingerichteter und Verzweifelter. Der Führer gibt ihre traurige Geschichte kund. Philosophie der Gott— und Lieblosigkeit.

01. Als Thomas noch kaum solche seine Belehrung an die große Schaar beendet hatte, wird von draußen her schon ein mächtiges Schreien und Heulen vernommen. Thomas ermahnt die Schaar zur Aufmerksamkeit, und sagt: „Wie ihr es nun vernehmet, so gehet das schon in die Erfüllung, was ich euch soeben durch die Gnade des Herrn verkündiget habe; eine schrecklich zerstörte Schaar naht sich diesem Hause; wir vernehmen nun ein mächtiges Schreien und Heulen; die da kommen, müssen sehr bedrängt und im höchsten Grade beleidigt worden sein. Es sind Seelen unbarmherzigst Hingerichteter; sie kommen näher und näher. Daher heißt es nun sehr aufpassen, daß wir ihre Worte nicht überhören! Nun stille, Freunde, sie eilen schon durch die große Gartenstraße herein. Ein Mann ganz düstern Ansehens, in eine schwarze Sammtblouse gehüllt, das Haupt mit einem blauen mit Gold gestickten Käppchen geschmückt, schreitet nahe wie ein Betrunkener voran, und etliche 30 folgen ihm. Hinter ihnen bemerke ich wie Flammen. O daß sieht ganz entsetzlich aus! Aber nun stille!

02. Der düstere Führer macht Halt, wendet sich um, und mustert seine Gesellschaft, und spricht nun zu ihr: „Da sind wir nun voll des höchsten Elends, voll des höchsten Jammers. O meine arme Gattin! Dein Schatten in Gestalt rachesprühender Flammen eilt vergeblich dem schändlichst gemordeten Gatten nach. Es hat sich die ganze Hölle wider ihn verschworen, und ihn in ihre ewig todbringende Tatze gefaßt, um ihn ewig nimmer auszulassen. O ihr meine lieben Freunde! — Ihr schreiet und heulet umsonst in dieser finstern Qualwelt. Eine übergeraume Zeit flohen, schrieen und heulten wir schon; aber von keiner Seite her kommt uns irgend eine Hülfe, oder irgend ein Trost entgegen. Es giebt keinen Gott, und keine Vergeltung, ihr schreiet umsonst um Rache gegen unsere Mörder. Denn gäbe es einen allgerechten Gott, so könnte Er ja doch unmöglich es je zulassen, daß auf der von mir aus für ewig verfluchten Satanserde solche Gräuel von elendsten Menschen wieder gegen Elende verübt werden!

03. Was thaten wir denn, das da des Todes würdig wäre? Wir wollten nur, was uns unser Kaiser und König versprach, und auch wirklich gab. Und weil wir das wollten, und das Gegebene von Heute auf Morgen doch nicht gleich feigen und fratzisch dummen Buben auf ein kaiserliches Obverlangen das Empfangene konnten so mir und dir nichts fahren lassen, ohne zur Kenntniß gelangen zu dürfen, warum?! so fragten wir, und wurden durch die Frage zu Rebellen und Hochverräthern. Wir wehrten uns gegen eine solche Zumuthung zuerst moralisch, und darauf auch physisch. Da zog man gegen uns zu Felde mit der Macht zweier Kaiser, und hätte uns nicht besiegt, wenn man nicht alle erdenklichen Mittel aufgeboten hätte. Wir ergaben uns nicht aus Gnade und Ungnade, sondern gegen von Seiten Rußlands garantirte Amnestie, und da — als Staatsverbrecher Hingeschlachtete haben wir sie nun!

04. O du verfluchte Erde mit all deinen Menschen und Herrlichkeiten! Wer auf diesem Satansboden reich genug, mächtig genug, und grausam genug sein kann, der hat auch das volle Recht für sich, und kann Alle als Verbrecher hinmorden lassen, die sein Gewaltrecht nicht als wirkliches die Menschheit wahrhaft beglückendes Recht annehmen wollen. Recht haben sie, daß sie uns gemordet haben. Sie wußten, wie man den Satansboden bearbeiten muß, um auf demselben sich eine Glückseligkeit zu schaffen, auf Kosten von Millionen von armen Grasfressern; hätten wir das schon lange gethan, so wären wir im selben Rechte, das wir zu unserem Besten uns selbst geschaffen hätten. Aber so sind sie uns zuvorgekommen, und haben nun auch alles Recht für sich, und wer wird ihnen, die nun mächtig sind, Unrecht geben? So es einen Gott gäbe, der könnte es thun. Da es aber ewig keinen Gott giebt, so sind sie frei, und können thun was sie wollen.

05. Jede Grausamkeit ist recht, weil sie dieselbe, dieweil sie Macht haben, als recht bestimmen, und von Niemanden zur Verantwortung gezogen werden können. Kurz, das alte Potiori jus! gilt für alle Zeiten. Nur der Reiche und zugleich Mächtige hat allein das Recht, zu leben und alles zu besitzen, wessen immer er sich durch seine überwiegende Macht bemächtigen kann. Nur der arme Teufel kann sündigen, Unrecht thun und dafür gezüchtigt werden, weil er ohnmächtig ist, und das, was er für sein Bedürfniß als Recht ansieht, nicht durch eine überwiegende Macht zur Geltung bringen kann. Glaubet ihr nun etwa noch an einen Gott, und an eine Vergeltung?"

06. Schreien alle Andern: „Nein, nein, wir glauben es nimmer! du hast recht geredet, so ist es! Eine Hölle ja giebt es, und zwar auf der Welt; aber einen guten und gerechten Gott giebt es ewig nimmer! Denn gäbe es irgend Einen, so müßte Er die verfluchte Erde ja schon lange zu allen Teufeln gerichtet haben. Aber, da es keinen Gott giebt und geben kann, so ist und bleibt die Erde gleichfort ein Thron der Hölle! so ist es, so ist es, und so bleibt es!"

07. Spricht ein Anderer aus dieser ganz neu angekommenen Gesellschaft: „Herr Graf, Sie haben recht; ich bin ganz Ihrer Meinung bis auf das, daß es keinen Gott gebe; aber daß dieser Gott, oder das schaffende Prinzip, sich um den Staub der Erde ebensowenig kümmert, als wie wir uns je gekümmert und gesorget haben um ein verdorrtes Schweißtröpfchen, das etwa im tiefsten Schlafe einer Pore des kleinen Fußzehens entquoll, das können wir mit Sicherheit annehmen. Eine Rauferei, oder ein Krieg unter den Menschen auf der Erde ist vor den Augen der wahren Gottheit beiweitem etwas viel geringeres, als für den Kaiser von China der Infusionsthierchenkrieg in einem Thautropfen, oder der Monaden und Atome in einem leeren blos mit Luft gefüllten Medizinfläschchen aus Porzellan. Daher haben der Herr Graf auch vollkommen recht, so Sie sagen: — Recht haben sie gehabt, daß sie uns gemordet haben! — Denn sie wußten es, wie man den Satansboden bearbeiten muß, um auf demselben sich eine Glückseligkeit bereiten zu können. O da haben der Herr Graf ein großes weises Wort gesprochen.

08. Wahrlich, Diebe, Straßenräuber und Mörder sind eigentlich die gescheidtesten Menschen auf der Erde; diese wissen den Werth der Dinge, der Menschen und ihres Lebens am besten zu taxiren, weil sie es eben wissen, daß eine Trillion Menschen vor Gott gerade so viel als nichts sind. Gott liegt nichts am Leben von Milliarden mal Milliarden Menschen; ob sie sich alle zusammen todtschlagen, oder ob noch hie und da einige übrig bleiben, das ist bei Gott eine Leberwurst; daher dürfen wir aber auch fürder nicht so dumm sein, als wie wir bis jetzt waren. Wir schließen einen Bund, und was uns nur unterkommt, muß ohne Rücksicht niedergemacht werden!"

09. Spricht ein Dritter: „Ich meine, ein bischen etwas von einer Rücksicht sollen wir denn doch gegen gewisse uns irgend aufstoßende Individuen nehmen, wie z. B. gegen unsere Eltern, Weiber, Brüder, Schwestern und Kinder, und noch gegen einen sonstigen gar guten Freund."

10. Spricht der Zweite: „Was da Rücksicht! was Eltern, was Weib, Kinder und Brüder, Schwestern und sonstige Freunde! Die Rücksicht ist nichts als eine entweder geflissentliche, oder wirkliche Feigheit gegen Andere, die man wie gesagt ehrenhalber, oder bessern Gewinnes halber noch etwas länger leben läßt, oder man hält sie in der sich eigen bewußten Schwäche für bedeutend mächtiger, als sich selbst; das ist also eine Rücksicht? Eltern?! Hohngelächter der Hölle! Das sind die ersten Tirannen der Kinder, daher keine Rücksicht mit derlei lästigen Häschern. Das Weib!? no, so es noch jung und sehr üppig ist, das kann man schonen; aber wird es einmal alt und häßlich, dann keine Schonung, da es dann doch Niemanden mehr zu einem Vergnügen dienen kann. Kinder als recht artige Spielpuppen, so sie schön gerathen, lasse ich mir auch gefallen, obschon ich diejenigen Völker der Erde für weiser halte, die ihre schönsten und üppigsten Kinder schlachten und dann fressen, weil sie ein besseres Fleisch haben, denn die magern und häßlichen. Sind sie aber einmal groß, dann auch mit diesen ersten Blutegeln ihrer Eltern keine Rücksicht mehr; und hier, wo man wahrscheinlich zu keinen Kindern mehr kommt, außer zu denen auf der Erde gezeugten, wird gegen gar kein Kind eine Rücksicht genommen! Brüder und Schwestern und sonstige Freunde sind schon auf Erden die lästigsten Nebenmenschen und werden es hier um so mehr sein, daher schon gar keine Rücksicht mit ihnen. Hätten die Menschen auf der dummen Erde die Einsicht, wie ich sie nun hier habe, so würde der Erstgeborne, so er zum Selbstbewußtsein gelangt, und zur gehörigen Kraft, sich dieser lästigen gleichberechtigt sein wollenden Nebenbuhler schon zu entledigen gewußt haben. Aber, was auf der dummen Erde Mensch heißt, ist bis auf wenige raffinirte Spitzbuben rein Vieh, und dummer noch, und so kommt es dann auch nothwendig, daß ein Vieh dem andern zur Last leben bleibt, bis es nicht erschlagen wird, von einem Pfiffigeren, oder bis es nicht am alten Gift der Luft krepirt. Daher keine Schonung und Rücksicht mehr mit jemanden!"

133. Kapitel. Ein Graf und ein Rücksichtsloser. Lebensgeschichte der beiden. Ihre einmütige, finstere Gottesverkennung. Der stolze Königsthronbewerber und sein klägliches Ende.

01. Spricht der Graf: „Freund, du gehst mit deiner Rücksichtslosigkeit denn doch etwas zu weit; denn dadurch verurtheilest ja du auch dich selbst, und sprichst die gleiche Rücksichtslosigkeit gegen dich selbst aus. Wird es dir recht sein, so man sich z. B. Deiner nach deinen Grundsätzen entledigen möchte, oder würde. — Spricht der Rücksichtslose: „Das gilt Einem wie dem Andern! Potiori fiat jus! So jemand sich meiner zu seinem Vortheile entledigen kann, so würde ich ihn selbst einen Esel nennen, so er's nicht thäte!"

02. Spricht der Graf: „Du nähmest also auch gegen mich keine Rücksicht?" — Spricht der Rücksichtslose: „So ich daraus einen Vortheil zu ziehen vermöchte, allerdings. Der Herr Graf haben doch unsern irdischen Mördern selbst recht gegeben, darum sie sich unser, weil sie uns für ihre Zwecke nicht dienlich ansahen, entledigten. Können Sie mir dann Unrecht geben, so ich ganz so denke und fühle wie Sie Herr Graf selbst?!"

03. Spricht der Graf: „Ja so, ist es um diese Zeit!? Höre! du bist auch Einer, der mich fangen will, aber es solle dir nicht gelingen, denn ich weiß nun schon, was ich zu thun habe!"(Am 20. Okt. 1849)

04. Spricht der Rücksichtslose: „Was werden Sie thun, und was können Sie thun? ich sage ganz offen, daß Sie nun samt mir ebenso viel thun können, wie Sie in Ihrer letzten Erdlebenszeit haben thun können, wo Sie wie ich der Henkerruthe folgen mußten hinaus zum Galgen, gleich wie ein Ochse den Hieben und Hundebissen in die Schlachtbank. Geflucht haben wir Alle schon bis zum Eckel, und es hat nichts genützt; alle neun mal hundert und neun und neunzig tausend Teufel haben wir auch ganz gehörig angerufen, und es ließ sich keiner sehen; wir haben allerkräftigst Gott, Tod, Teufel, Himmel, Erden, Sonne, Mond und Hölle verflucht; aber die wollen sich zu unserem größten Aerger auch nichts daraus machen. Was, sagen Sie mir, können Sie nun noch thun? wollen Sie etwa gar zu beten anfangen?"

05. Spricht der Graf: „Ja, gerade das will ich thun, um dich dadurch wenigstens bis zum Todtwerden zu ärgern!" — Spricht der Rücksichtslose: „O nur zu, Herr Graf, meine Lachmuskeln sind schon in der vollsten Spannung, um Sie im Gebete ganz gehörig unterstützen zu können. Aber sagen Sie mir, zu wem werden Sie beten? zu einem unendlich großen Gott, der Ihre Stimme gerade so vernehmen wird, wie Sie die etwaigen Sirenenstimmen jener kleinen Wesen, die zu Trillionen in einem Thautropfen wohnen, oder zu einem unendlich kleinen Götterl, dessen Ohren für Ihre Riesenstimme etwa doch ein Bischen zu klein sein dürften; oder werden Sie etwa gar ein allerandächtigstes Gebetlein zum allerheiligsten Herzen Jesu und Maria, und daneben auch ein Gebetlein zum heiligen Josef anstimmen?"

06. Spricht der Graf ganz zornig: „Jetzt halte mir das Maul, oder ich reiße es dir bei der Mitte auseinander! du verfluchtes Luder von einem Galgenstrick! nun nimmt sich diese gemeine, nie geborne, sondern wie ein Kalb geworfene Kanaille die Frechheit, mich ersten Cavalier von ganz Ungarn zu hänseln! Der Teufel hole dich, du schlechtes Hundsluder! So ich beten will, so werde ichs thun, und werde es wohl weislich so einer schlechten Kanaille nicht auf die Schweinsnase binden. Schaue er, daß er mir aus den Augen kommt, sonst solle er die Kraft meiner Cavaliersarme fühlen!"

07. Spricht der Rücksichtslose: „Herr Graf, sehen Sie, was Sie doch für ein sonderbarer Mensch sind; wie Sie auf der Erde waren, so sind Sie es auch hier. Ich habe nun zu Ihnen nichts anderes geredet, als was ich von Ihnen selbst aufgenommen habe, und das ärgert Sie nun bis zum Zerbersten. Wann haben denn Sie, lieber Herr Graf, je an einen Gott geglaubt? Ihr Gott war der unendliche Raum und die ebenso unendliche Zeit. Haben Sie nicht oft selbst bis zum Gallespeien sich geärgert, so Sie eines Kruzifixes oder eines Marienbildes ansichtig geworden sind? oder sind Sie nicht ein förmlicher Feind des edlen Koschuts geworden, darum, weil er für Sie ein religiöser Schwärmer war, und nicht selten ganz ernstlich Gottes Christi Hülfe anrief? Haben Sie auf der Welt je nur ein Vaterunser gebetet? und Sie wollen jetzt beten! Ich frage Sie: Wie, was und zu Wem denn?"

08. Spricht der Graf noch voll Zorn: „Das geht ihn einen Teufel was an! Kann ich denn auf der Welt in meinem Innern nicht ein ganz anderer Mensch gewesen sein, als wie ich mich nach außen hinaus zeigte?"

09. Spricht der Rücksichtslose: „Wird schwer halten, Herr Graf, ich werde es Ihnen genau sagen, wie Sie nach Innen und nach Außen sich benommen haben; sehen Sie, Herr Graf, nach Innen waren Sie ein Freund des schönsten und nobelst reizendsten Venusfleisches, und nach Außen waren Sie ein Cavalier non plus ultra, und wären lieber selbst König von ganz Ungarn geworden, als daß Sie jemand andern zum Könige gekrönet hätten. Christus war bei Ihnen eine lausige Fabel der Schwaben, aus dem Judenthume aufgegriffen; und eine andere Gottheit ein Hirngespinst irgend eines am Hungertuche nagenden filosofischen Schluckers. Und Sie sagen, daß Sie innerlich ein ganz anderer Mensch gewesen wären, als wie Sie sich von außen zeigten? Ich bitte Sie! lügen sich der Herr Grafs doch nicht selbsten an! Mein lieber Herr Graf, o wir kennimus nos! Sie und beten! das sind zwei ganz konträre Pole, die sich noch nie berühret haben, und sich auch schwer je berühren werden! Versteh'n Sie mich nun?"

10. Spricht der Graf: „Sage er mir nun nur das Einzige, wer ihm denn so ganz eigentlich das Recht giebt, mit mir so zu reden, als ob wir miteinander je die Schweine gehütet hätten? Glaubt er denn, ein Graf B. wird sich das etwa gar längere Zeit von ihm gefallen lassen? Oder meint er etwa, daß ich durch mein Unglück, oder dadurch, daß ich in der letzten Zeit in den Reihen der gemeinen Husaren stritt, mit ihm schon in einem gleichen Range mich befinde? o, da irrt er sich gewaltig! Ich sage es ihm, so er sein loses Maul nicht bald zur vollkommensten Ruhe bringen wird, so solle er es bald erfahren, welch ein Unterschied zwischen mir und ihm obwaltet. Daher nun kein Wort mehr! Nehme er sich ein Beispiel an unsern andern 32 Leidensgefährten; alle sind stille und ruhig, und betrauern in mir ihren künftig werden sollenden besten König, nur er nimmt sich eine gewisse Frechheit heraus und will, weil ich nun hülflos dastehe, mich hänseln. Lasse er ihm aber ja ehstens diesen Appetit vergehen, sonst könnte er ihm sehr theuer zu stehen kommen."

11. Spricht der Rücksichtslose: „Herr Graf! Unsere Waffen in dieser Dunstwelt, in der wir selbst nur Dunst sind, bestehen nur in der Zunge, und mitunter auch in den Händen und Füßen, wovon namentlich die letzten, beim Fersengeld nehmen, eine höchst wichtige Rolle spielen. Was die Zunge betrifft, da werden Sie mit mir nicht zu leicht aufkommen, also auch mit den Händen nicht; denn ich habe das Boxen in England aus der Kunst gelernt. Aber beim Gebrauche der Füße dürften Sie mir sehr bedeutend überlegen sein; denn von den Füßen habe ich in dieser Art gar nie einen Gebrauch gemacht."

12. Der Graf wendet sich nun von dem Rücksichtslosen ab, und spricht zu einem Andern: „Freund! was sagst denn du zu dieser enormsten Efrontie dieses gemeinsten Honvedshusaren? Was solle denn daraus mit der Weile werden, wenn man sich von solch einem Kerl am Ende noch wird müssen auf den Kopf machen lassen? Sage mir doch, ob du diesen Kerl von der Weltseite her etwa nicht näher kennest? Ich weiß nur so viel, daß ich ihn einigemale unter den gemeinsten Honveds gesehen habe; wo er aber her ist, und was er etwa früher war, das ist mir vollends unbekannt."

13. Spricht der Angeredete: „Meines Wissens war er einmal ein Mönch aus dem Franziskaner—Orden, und stand bei seines Gleichen im für den Orden etwas unangenehmen Geruche eines sogenannten Hellsehers, und sagte öfters verschiedene, den gesamten Orden über Hals und Kopf empörende Dinge über den Orden selbst aus, und nahm durchaus keine Zurechtweisung an; und wollten sie ihn deßhalb in eine Disziplinar—Stube unter Schloß und Riegel bringen, so prügelte er als ein unbändig starker Kerl das ganze Convent blau durch! Als er aber mit der Weile doch solches Neckens und Prügelns überdrüssig wurde, da packte er eines Tages alle seine Ordensfaxereien zusammen, schob sie in einen Abtritt, verließ darauf mit einigen mit sich genommenen Klostergeldern sein Convent, und ließ sich beim nächsten besten Honved—Bataillon anwerben, und focht allenthalben einem Löwen vollkommen ähnlich, weßhalb er dann nun auch mit uns als ein Kommandant sozusagen ins liebe Gras hatte beißen müssen. Das ist aber auch alles, was ich von ihm weiß."

14. Spricht der Graf: „Schau, schau, jetzt ist mir erst leid, daß ich den guten Menschen etwas zu hart angegangen bin. Wenn er ehedem ein Mönch war, und um so viel weiser als seine Ordenskollegen, deren Verstand doch noch allzeit so vernagelt war, daß er sie geprügelt hatte, da gehört er schon lange und alleroffenbarst den bessern Menschen an. Ah, mit dem muß ich ja sogleich wieder ganz freundschaftlichst anknüpfen." Wendet sich darauf sogleich wieder an den Rücksichtslosen, und spricht: „Mein allergeschätztester Freund! Sie müssen es mir schon ein wenig zu gute halten, so ich ehedem etwa doch ein bischen zu unhöflich mit Ihnen umgegangen bin. Aber ich wußte es ja nicht, wer Sie denn so ganz eigentlich waren. Da ich nun aber durch diesen werthen Freund erfahren habe, wer Sie sind, und wer Sie auf der Welt waren, so bekommt nun freilich alles, was Sie zu mir geredet haben, ein ganz anderes Gesicht. Also Sie sind der förmliche Riese Goliath, der seinem Orden den Rücken kehrte, aus innerer besserer Ueberzeugung, und ergriff darauf mit starker Hand das Schwert, zur möglichen Rettung des Vaterlandes!"

15. Spricht der Rücksichtslose: „Ja, mein lieber Herr Graf, der bin ich! ich opferte mich zum Besten der Menschheit, deren zu schwere Sklavenketten mir unausstehlich lästig wurden. Jedoch Herr Graf: Wir haben es gesäet, Andere aber werden es ernten! So war es stets in der dummen Welt, und so wird es auch bleiben. Die Erfinder großer Werke sind noch allzeit nahe Hungers gestorben; aber ihre Feinde haben sich dann damit gemästet. Wir haben den Weinberg bearbeitet, und unsere Ernte war Blut und Tod! Den goldenen Rebensaft aber werden Die auskeltern, die nach uns kommen werden. Schönes Loos der großen Menschen! sie sind verdammt, für das Fortkommen der Schmeißfliegen vorzuarbeiten. Kommt dann die Zeit der langerwünschten Ernte, so fallen ganz große Schwärme der faulen Schmeißfliegen über die großen Menschen her, bringen sie um, und bemächtigen sich sogestaltig der schönen Ernte. Wie gefällt Ihnen diese göttliche, weise Einrichtung der Welt und ihrer naturrechtlichen Lebensverhältnisse?"

16. Spricht der Graf: „Freund, ganz verdammt schlecht! darüber ist wahrhaft besser zu schweigen, als etwas zu reden. Denn diese Einrichtung ist gar für den Zufall zu schlecht, geschweige für irgend ein allweisestes, höchstes Wesen. Die Gottheit scheint, so sie irgend ist, überhaupt nicht die leiseste Notiz von ihren Werken zu nehmen; es genügt ihr wahrscheinlich als eine Art göttlicher Spielerei, blos nur Wesen und Menschen zu erschaffen; sind sie einmal da, so sorgt die liebe Gottheit wieder hauptsächlich dafür, daß sie nur so bald als möglich hingerichtet werden, und damit das aber desto leichter gehen und geschehen kann, so läßt sie die sonst harmlose Menschheit von der allerschändlichsten Selbst—und Herrschsucht beseelen; durch diese Höllengier getrieben, wird ein Bruder dem andern zur Hyäne, und vom nimmer zu löschenden Blutdurste erfüllt. O, das ist schändlich! ein scheußlich Spiel mit dem Leben einer sich selbst bewußten Menschenpuppe! Welch einen Ersatz kann die Gottheit auch einem Menschen bieten und geben, der wie ich — schändlichst tausendmale gestorben ist, ja gestorben eines Todes, wie die Weltgeschichte etwas Aehnliches kaum aufweisen dürfte.

17. Denke dir einen ersten Grafen vom ganzen großen Ungarn! Dieser wird durch ein paar bartlose kaiserliche Soldaten—Richterlein zum Galgentode verdammt. Der Graf wird sogleich ohne alle weitere Umstände und Rücksichten auf den Richtplatz hinausgeschleppt. Da er nun sieht, daß es für ihn weder eine Gnade noch einen Pardon giebt, so macht er in der größten Verzweiflung einen Selbstmordversuch, der ihm aber leider mißlingt; das zusehende Volk, vom Mitleide übermannt, fängt laut zu fluchen und zu drohen an, und verlangt unbedingten Aufschub meiner Hinrichtung. Da geben die Exekutoren aber blos nur wegen der Halswunde nach, und der Graf wird ins Spital zurückgebracht, wo man ihm ärztliche Hülfe angedeihen ließ. Der Wunde Schmerz ließ kaum ein wenig nach, und der Graf war der festen Hoffnung, nun vom Kaiser eine Amnestie zu erlangen; da kommt gegen Abend ein Auditor, oder was er etwa war, weckt den Grafen aus einem Ohnmachtsschlafe, und verliest ihm ein zweites Todesurtheil, das sogleich in den Vollzug gesetzt werden müsse. Der Graf, wie von tausend Blitzen gerührt, sinkt ohnmächtig zusammen, so daß man ihn laben muß. Als er wieder etwas zu sich kommt, wird er sogleich von den Schergen ergriffen, und da capo zur Richtstätte hinausgeführt, wo er sozusagen im Gnadenwege von mehreren Jägern wie ein Hund erschossen, und dann sogleich einer Schindmähre gleich begraben wurde, und dieser selbe Graf bin ich, was dir ohnehin bekannt sein dürfte. Und siehe, das heißt man Gerechtigkeit! O du von aller Gottheit verfluchte Gerechtigkeit!

18. Aber dennoch kann ich mich nun nicht so sehr ärgern über die rein bestialische Grausamkeit der Menschen; denn sie scheinen mir doch mehr stumme Werkzeuge einer unsichtbaren Macht zu sein, als daß sie so was lediglich aus ihrem höchst eigenen Willen heraus thun würden; aus welchem Grunde der in vielen Stücken sehr weise Lehrer aus Nazareth auch bei seiner Hinrichtung seinen vermeintlichen Gottvater für seine Mörder um Vergebung bat, da er auch sicher der unmaßgeblichen Meinung war, daß die Natur der Menschen denn doch nicht gar so böse sein könne. Und derselben Meinung bin denn auch ich.

19. Aber die eigentliche Gottheit oder Satan, was da nur immer übermächtig ist, das hat den eigentlichen Teufel gesehen. Dieß allmächtige Wesen sitzt ganz behaglich in irgend einem unzugänglichen Zentro, und spendet in einem fort seinen giftigsten Odem allen Weltkörpern, und ergötzet sich dann an den zahllosesten von ihm selbst zubereiteten Mordspektakeln. Daß dabei die armen Schauspieler aber auf das Entsetzlichste gepeiniget werden, das kümmert die große Gottheit ebenso wenig, wie uns Menschen ein von dir ehedem sehr weise und sehr bezeichnend angeführter Infusionsthierchenkrieg in einem Thautropfen, den vielleicht schon die nächste Sekunde in das Meer der ewigen Vergessenheit hinab verwehen wird. Also diese schändliche Gottheit möchte ich kennen, aber zugleich auch Macht haben, sie zu verderben!"

20. Spricht der Rücksichtslose: „Du hast nun ganz recht, nun taugen wir erst recht für einander! Aber horch, ich vernehme wie Menschenstimmen in der Nähe. Daher nun Ruhe, vielleicht hören wir etwas zu unserem Troste."

134. Kapitel. Rachestreben der Hingerichteten. Ehrenlehre des Rücksichtslosen. Fremde Stimmen und deren Wirkung. Not lehrt beten. Die Heilsstimme.

01. Spricht der Graf: „Was Trost, was Trost! Wer solle uns trösten können? Eine rechte Vergeltung denen, die uns auf der Erde ohne allen, aus dem allein wahren Naturrechte erweisbaren Grund haben ermorden lassen, wäre der einzige Trost für mich, wie sicher auch für euch Alle; jeder andere Trost ist mir ein Gräuel. Glaubst du wohl, daß mich ein Gott mit tausend Himmeln schadlos halten könne gegen das, was ich verloren habe, mein Weib, meine Ehre, und all mein großes Vermögen. Wohl weiß ich's, daß ich mit der Zeit auch so alles hätte verlassen und der Nachkommenschaft übergeben müssen, aber das wäre mit der mir gebührenden Ehre geschehen, und mein Name wäre glänzend wie die Sonne auf die spätesten Nachkommen wie der Name eines Davids oder eines Salomon gekommen; aber so wird mein Name nun in der Welt erlöschen, wie eine mattbrennende Lampe in einer von heftigsten Stürmen durchtobten Nacht, und schadenfrohe Weltrichter werden ihn in der spätern Zeitenfolge unter den Galgenstricken gezeichnet finden. Also Vergeltung! unerbittlichste Rache! das ist die Losung zu unserem Troste, zu unserer gerechten Sühne für die erlittene unendliche Schmach; weg daher mit allem, was nur den leisesten Geruch nach irgend einer Alles—versöhnen—wollenden Gottheit, oder sonstiger engelhafter Intervention (Vermittlung) verspüren läßt. Vor allem muß unsere Ehre auf der Erde vollkommen wieder hergestellet sein, und unsere Mörder müssen bis ins millionste Glied auf das aller—Höllischeste gerächt sein. Dann erst wollen wir von irgend einer Versöhnung in der Hölle vor dem Tribunale aller Teufel zu reden anfangen."

02. Spricht der Rücksichtslose: „Aber lieber Herr Graf, Sie sind ein wenig in einen zu starken Affekt gerathen, und können daher diese Sache auch nicht mit der gehörigen Ruhe und gerechter Würdigung betrachten. Sehen der Herr Graf, ich, der ich doch sicher ganz rücksichtslos strenge urtheile, und ein über alle Maßen glühendes Herz besitze, denke über den fraglichen Punkt der Wiederherstellung unserer auf Erden am Galgen gänzlich eingebüßten Ehre ganz anders. Welche Ehre solle uns denn nun das sein, bei solch einer Schandwelt in Ehren zu stehen? Ich bedanke mich für die Herstellung einer Weltehre in solch einer „Ehrenwelt", oder was! — ich sage Ihnen, Herr Graf, diese dummen Weltochsen hätten uns ja keine größere Ehre anthun können, als eben auf die Art, wie sie mit uns verfahren sind. Wäre es denn eine Ehre, von solchen hundsgemeinsten Schandbestien geehrt zu sein? Nein, bei Gott, dieser Wunsch sei für ewig ferne meinem Herzen!

03. Wo wäre der Name des edlen Blum, so ihm das böhmische Rindvieh von einem Fürsten W. nicht durchs Pulver und Blei den goldenen Weg zur Unsterblichkeit angebahnet hätte? Lange schon wüßte von ihm kaum Jemand etwas noch; so aber bleibt sein Name allen Zeiten als ein wahrer Ehrenname aufbewahret, während die Namen aller andern Deputirten schon ein nächstes Jahr in die völlige Vergessenheit gerathen werden. Und gerade so und noch besser wird es unseren Namen ergehen! Hab ich recht oder nicht?"

04. Spricht der Graf etwas beruhigter: „Schau, das gefällt mir von Ihnen! das ist ein köstlicher Gedanke! Wahrlich wahr! auch ich brauche keine Ehre mehr auf der Hundewelt. Ja, ja, solch eine Weltehre wäre wahrlich nun nur die größte Schande für uns! Sie haben recht, sehr recht!"

05. Nach diesen Worten des Grafen werden wieder Stimmen vernommen, und zwar diesmal auch vom Grafen selbst, so daß er zum Rücksichtslosen sagt: „Nun, nun, diesmal habe auch ich Stimmen wie von sehr vielen Menschen vernommen, das ist nicht übel! am Ende sind wir hier von für uns sehr feindlich gesinnten Geistern ausgekundschaftet worden, und sie haben uns nun ganz eingeschlossen, und werden uns fangen, und dann treiben irgend wohin zur Hölle oder zu allen Teufeln. Sie müssen uns schon ganz nahe sein, da sich ihre Stimmen so ziemlich klar vernehmen lassen. Wie wäre es denn, so wir denn doch noch möglicher Weise eine Flucht irgend weiter vorwärts, entweder nach rechts oder nach links versuchten? Denn gerade vor uns, nach den Stimmen zu urtheilen, scheinen sich unsere auf uns lauernden Feinde zu befinden?"

06. Spricht der Rücksichtslose: „Da bin ich schon wieder einer andern Meinung! Wohin sollen wir auch fliehen in dieser ewigen Nacht, wo wir kaum so viel Schimmers um uns verspüren, daß wir uns gegenseitig in der nächsten Nähe ausnehmen und schlecht genug erkennen mögen? Wer von uns ist denn bekannt mit dieser verzweifelten Gegend oder Welt oder A. . . — was sie etwa ist? Wir rennen vielleicht etliche Schritte nach irgend einer Seite hin, und ein ins Unendliche gehender Abgrund hat uns allergnädigst aufsgenommen per omnia saecula saeculorum. Amen! Denn hier scheint schon alles unendlich und ewig sein zu wollen. Oder wir könnten gerade unsern Feinden in den Rachen eilen. Denn eine Kriegslist wird auch wahrscheinlich hier zu Hause sein; und da kann gerade dort die Hauptmasse sich aufhalten, von woher wir gar keine Stimmen vernehmen, und wir könnten dann eben dort, wo wir uns am sichersten glaubten, am ersten gefangen werden; daher verhalten wir uns nur hier ganz ruhig, und kommt uns etwa so ein kleines Streif—Chörchen in die Nähe, oder so ein paar schleichende Rekognoszenten, so packen wir sie sogleich an, nehmen sie gefangen, und stopfen ihnen das Maul. Der Herr Graf werden mich hoffentlich verstehen?"

07. Spricht ein Anderer aus der Gesellschaft: „Wär' alles recht, wenn die Geister umzubringen wären. Aber ihr müßt ja schon aus dem entnehmen, daß die Geister nicht mehr umzubringen sind, weil auch wir, trotzdem man auf der Welt unsern Leibern das Lebenslicht ausgeblasen hat, von unseren Leutumbringern nicht haben umgebracht werden können, und hier gerade so fortleben, als so wir nie umgebracht worden wären. Zwar wohl ist das ein so höchst miserables Leben, wie es schon kein miserableres mehr geben kann; aber Leben ist und bleibt es dennoch.

08. Ich meine aber hier so: „Wir sollten uns geradewegs fangen lassen, und mit unsern vermeintlichen Feinden eine gemeinschaftliche Sache machen. Ueberhaupt aber kommt es wenigstens mir so vor, daß wir im Grunde gar keine Feinde haben können. Denn wie sollten wir hier uns irgend Feinde gemacht haben, da wir außer uns doch noch mit keiner Seele zusammengestoßen sind." —

09. Spricht der Graf: „Freund, das verstehen Sie nicht! Giebt es denn hier in dieser verfluchten Teufelswelt nicht auch eine große Menge schwarzgelber Seelen oder Geister, was Ein Teufel ist? und das ist genug! Wer schwarzgelb auf der Welt war, der wird es auch hier sein, und ist somit unser Feind, z. B. ein Latour, ein Lamperg und Konsorten, die werden etwa doch hoffentlich für ewig unsere Feinde sein!"

10. Spricht der Andere: „Glaube nicht, Herr Graf, denn schwarzgelb sind nur die Reichen; der Staat mache sie nur arm, daß ihnen vor Hunger die Hosen auf den Beinen schlottern, und sie werden radikal wie die Wölfe. Wenn sie dann erst durch des Leibes Tod alles einbüßen, und ihnen nichts als ein elendstes nacktes Seelenleben bleibet, da wird ihr schwarzgelber Sinn höchst sicher auch den größten Schiffbruch erleiden."

11. Spricht ein Dritter: „No, schwarzgelb und Geisterwelt, das passete so hübsch für einander! Man muß nur bedenken, warum die Unterthanen des eigentlichen Oesterreichs schwarzgelb sind, so wird man auch allerleichtest einsehen, daß in dieser Geisterwelt niemand mehr schwarzgelb gesinnt sein kann. — Warum aber sind die Unterthanen Oesterreichs schwarzgelb? Die Unterthanen Oesterreichs sind schwarzgelb: Erstens: Aus Furcht vor den vielen Bajonetten, Kanonen und Galgen; zweitens: Die Reichen aus Eigennutz, das Militär ebenfalls aus Eigennutz, und die Beamten ebenfalls aus Eigennutz; denn diesen allen liegt nicht das Wohl der Völker, auch nicht das ihres Kaisers, sondern nur ihr höchst eigenes am Herzen; und drittens sind auch Viele aus einer Art religiöser Dummheit schwarzgelb, weil es einen heiligen schwarzgelben K. Leopold gegeben habe, und einen frommen alle Protestanten verfolgenden und umbringenden Ferdinand. Die letzte Art könnte sich hier vielleicht erhalten; aber für die ersten Zwei stehe ich, daß von ihnen hier keine Spur mehr anzutreffen sein dürfte!"

12. Spricht der Graf: „Habt gut gesprochen, s' ist wahr! Aber ich verstehe unter schwarzgelb ganz was anderes, als Sie es meinen, und das dürfte auch hier ganz wohl anzutreffen sein, und das ist — Rache nehmen wollende herrschsüchtige Bosheit. Haha — Freund! Was sagen Sie dazu?" — Sagte der Dritte: „Nichts, als: Wo nichts ist, da ist es mit aller Rache und mit aller herrschsüchtigen Bosheit futsch, und alle wirklichen oder falschen Rechte gehen da einen hohlen Weg!" — Spr. darauf der Graf: „Mein Freund, die innere satanische Bosheit ist ein Feuerwurm, der nicht stirbt, und sein Feuer nimmer erlischt und auch nimmer gesättigt werden kann. Wir haben freilich wohl sonst nichts als unser allerelendstes Dasein; aber der echten Bosheit kann das noch viel zu wenig elend sein, und man kann es darum nur zu leicht annehmen, daß es ihr sehnlichster Wunsch ist, uns womöglich noch elender zu machen. Daher ich denn auch meine, daß wir uns so ganz langsam mit Füßen und Händen lavirend von dieser Stelle begeben sollen; und stoßen wir schon auf Jemanden, so fragen wir ihn dann, wer er ist. Ist er uns nicht gefährlich, so nehmen wir ihn auf; hat er aber etwas Gefährliches an sich, das sich bald herausfinden ließe, no, so lassen wir ihn wieder gehen!

13. Aber am besten wäre es denn doch, wenn wir so ein wenig zu beten anfangen möchten. Wohl habe ich auf der Erde kaum etwas für dummer gehalten als das Beten, besonders den Rosenkranz, und die lateinischen Gebete; aber hier kommt es mir vor, daß es denn doch gut wäre, etwas zu beten zu irgend einem allerhöchsten Gottwesen; und Sie, mein Freund, der Sie auf der Erde ein Franziskaner waren, werden doch noch so einige Praeces können, z. B. das Paternoster lateinisch oder deutsch, windisch oder ungarisch, das wird eine und dieselbe Leberwurst sein. Hilft es uns schon nichts, so wird es uns doch auch höchst wahrscheinlich nichts nützend zu schaden im Stande sein. Sind Sie daher von der Güte, uns wenigstens so per Spaß etwas vorzubeten!"

14. Spricht der rücksichtslose Franziskaner: „Warum nicht gar! das hieße die menschliche Vernunft doch mit Koth krönen. Wenn man schon beten will, so muß man wissen, zu Wem und warum man betet; aber bloß beten, um sich damit gewisserart die Zeit zu verkürzen, ist vor meinen Augen die größte und sogar sündhafte Dummheit. Denn giebt es irgend einen höchst weisen Gott, da wird Ihm so ein gebetartiges dümmstes Gemurmel wohl noch eckelhafter vorkommen als unser Einem; giebt es aber keinen Gott, no, da wird die Dummheit noch größer sein, so wir zu einem barsten Nichts unsere lateinischen Gebete möchten erschallen lassen. — Ich bin daher der unmaßgeblichen Meinung, daß wir vorderhand gar nichts thun sollen, sondern alles mit der möglichsten Ruhe abwarten; komme da am Ende heraus, was es nur immer wolle, so werden wir ganz vorbereitet für alles sein, was uns nur immer begegnen mag und will!

15. Aber nun vernehme ich ernstlich ganz in aller Nähe Stimmen, ja sogar Worte, wie es wenigstens mir vorkommt. Horchet, horchet! aus den Worten werden wir es am ersten erkennen, was für Geister sich nun in unserer Nähe befinden. Aha, aha! habt ihrs vernommen? Ich habe nun deutlich die Worte aufgenommen: „Wendet euch im Herzen an Jesum den Gekreuzigten, so wird euch geholfen werden!"

16. Spricht darauf der Graf, der auch dieselben Worte vernommen hat: „Freund, da sieht es schon sauber und gut aus, mit solch einem echt römisch—katholischen Zurufe und allfälliger Darnachachtung von unserer Seite wird uns wohl verdammt wenig geholfen sein. Es wundert mich nur, daß wir hier bloß auf Jesum, und nicht zugleich auch auf die ganze Litanei von Heiligen angewiesen worden sind. Ja ich möchte sogar behaupten, daß dies kein alleinseligmacherischer Zuruf war, sondern etwa so ein Lutheranischer oder Calvinischer?" —

17. Spricht der Franziskaner: „Das ist nun schon ein Plunder! Helfe nun, was da wolle, könne und möge! wenn uns nur geholfen werden kann, so wird das etwa doch einerlei sein, ob mit Dreck, ob mit Kletzen, oder ob mit Ananas. Wenn uns nun durch Jesum die Hülfe angeboten ist, was solle uns hindern, sie anzunehmen?"

18. Spricht der Graf: „Ganz gut, lieber Freund, wissen Sie es aber auch ganz bestimmt, daß da diese Hülfe uns angeboten wurde? Können nicht noch andere Gruppen in unserer Nähe sich aufhalten, und sich in einer ähnlichen miserablen Lage befinden? Allah ist groß, und Mohammed sein Profet ist breit; und so können auch wir sagen: Gott, so Er einer ist, ist groß, und Jesus war sein Profet, und war noch breiter in seiner Lehre, als der sarazenische Mohammed; Gott weiß, wo die sind, denen dieser Zuruf gilt."

135. Kapitel. Geheimnisvolle geistige Winke an die Unglücklichen. Zäher Grafenwahn von dem Rücksichtslosen gegeißelt. Ungarische Politik von damals.

01. Nach diesen Worten vernehmen wieder Alle deutlich die Worte: „Dieser Zuruf gilt euch, — ihr Ungläubigen von der ersten Geburt an!"

02. Der Graf erschrickt ordentlich bei diesem zweiten Zurufe, und der Franziskaner spricht: „No, da haben wir es jetzt doch auf die Nase geschrieben, wen allenfalls das angeht. Werden der Herr Graf jetzt auch noch ein Bedenken tragen, sich an Jesum den Gekreuzigten zu wenden?"

03. Spricht der Graf: „Auf mich allein kommt es hier ja nicht an; was die Andern thun werden, das werde in Gottes Namen ja auch ich thun. Fragen Sie aber auch die Andern, was sie thun wollen und werden. Nur das habe ich hinzuzufügen und ganz bedeutungsvoll zu bemerken, daß nur unsere reine Vernunft nicht gar zu leichten Kaufs mit dem Pantoffel der sogenannten christlichen Demuth umtauschen sollen. Wenn es unter dem Regimente Jesu auch Grafen und Fürsten giebt, dann: Eljen Christus! Ist aber das nicht der Fall, dann adieu Christus! Denn das wäre nicht übel, so wir hier in dieser Welt etwa am Ende so irgend einem Batzenlipl alle möglichen Honnörs machen, oder gar die Stiefel putzen müßten."

04. Auf diese Worte des Grafen ertönen wieder Worte, die so lauten: „Hier giebt es weder Grafen noch Fürsten. Nur Einer ist der Herr, alle Andern aber sind lauter Brüder und Schwestern!"

05. Spricht darauf der Franziskaner zum Grafen: „No, Herr Graf, das wird etwa doch klar und deutlich genug gesprochen sein. Was thamer denn hiazt? sagen die Weaner. Mir kommt es vor, als so diese sehr treffliche Antwort so ganz allein Ihnen gegolten hätte, der Sie noch in der Geisterwelt ein Graf oder Fürst sein wollen, aus purer reinster Vernunft?! Aber dennnoch verspüren Sie nicht, daß Sie sich mit ihrer reinsten Vernunft selbst foppen. Wie kann man als Geist noch eine Vorliebe zu dem Rocke haben, in dem man auf der Welt schmählichster Weise justifizirt (hingerichtet) worden ist. Nein, von der Vernunft schaffe ich wahrlich nichts. Ist es denn nicht offenbarst besser, als ein ganz gemeiner Kerl gut und sorglos zu leben, wie als ein Graf aufgehängt zu werden? Was haben denn der Herr Graf nun davon, daß Sie auf der Erd' einer der angesehensten Magnaten Ungarns waren? Wären Sie ein gemeiner unadeliger Sauhalter gewest, so könnten Sie vielleicht jetzt noch bei einer guten Tschutara Wein, und einer guten Schüssel Gollasch sitzen. So aber machen Sie als Graf mit uns hier das gleiche trübseligste Gesicht, und können von Ihrem Grafentitel nicht um eine Laus groß herunterbeißen. Haben Sie nie gehört, daß der Blitz die impertinente Eigenschaft hat, zuerst in die höchsten Gegenstände zu schlagen, und berührt die mindern erst dann, so diese sich zu nahe unter den hohen Gegenständen gleich wie die Ochsen unter einem Baume befanden."

06. Spricht der Graf: „Mir scheint, Sie machen leise Anspielungen auf mich. Wissen Sie, daß ich mir so was auch hier noch werde zu verbieten wissen. Denn ein Bathiani bleibt Bathiani auch in der Geisterwelt."

07. Spricht der Franziskaner: „Wahrscheinlich aus purer reinster Vernunft. Hm, ja, über die reine Vernunft eines ungarischen Edelmanns erster Klasse steht halt nix auf, sagen die Schwaben. Wünsch' Ihnen viel Glück und ein schönes Wetter dazu, Herr Graf! Bleiben Sie nur bei Ihrer echt magyarischen reinen Grafenvernunft, die Sie auf der Erd' an den Galgen gebracht hat, auch hier in der Geisterwelt! Wer weiß, zu welch schönen gehörnten Auszeichnungen sie damit gelangen können."

08. Spricht der Graf ganz erbost: „Halt er's Maul, sonst vergreife ich mich an ihm! hat er mir was zu sagen, so rede er, wie es sich geziemt, wenigstens als Mensch mit einem Menschen zu reden! Aber mich zu protzen, das lasse er bleiben, sonst solle er es erfahren, daß ein Graf Bathiani noch nicht aufgehört hat, ein Graf Bathiani zu sein. Versteht er das? er dummer Protzer." (Am 30. Okt. 1849)

09. Spricht der Franziskaner: „Wenn Sie sich an mir vergreifen wollen, so packen Sie mich nur sogleich an, und Sie werden sich dadurch wenigstens überzeugen, wie gar nichts ein Graf Bathiani hier vermag; was für eine Kraft hat denn etwa so ein Geist, wie wir zwei z. B.? Wann ist denn die Dummheit stark und mächtig gewesen? Ich sage es Ihnen: So lang die Welt steht, nie! Sie sind aber sehr dumm, was ich Ihnen nun ganz frei zu vermelden die Ehre habe, daher sind Sie auch in jeder Hinsicht sehr schwach, was Sie mir soeben dadurch bewiesen haben, daß Sie das beleidigt hat, was ich ganz rein zu ihrem eigenen Besten geredet habe. Und so haben Sie es auch auf der Erde gezeigt, daß Sie gar überaus dumm waren; denn wären Sie gescheidter gewesen, so hätten Sie entweder es so gemacht, wie ein Görgei und Klapka, oder wie ein Koschut und Konsorten, die noch zur rechten Zeit ein rechtes Loch aus dem Tempel gefunden haben. Sie haben aber mit ihrer reinen Vernunft sich lieber wie ein Gimpel fangen, und dann ganz heldenmüthig zur Hälfte aufhängen, und zur Hälfte todtschießen lassen. Sagen Sie mir, ob das pfiffig zu nennen verdient? Daß aber überhaupt ganz Ungarn bei dieser Geschichte mehr als saudumm gehandelt hat, liegt der klarste Beweis darinnen, daß es am Ende seiner unüberlegten Handlung mit Schande und Spott hat sein rostiges Aristokraten—Schwert in die saulederne Scheide stecken müssen, und sich darauf allen Muthwillen der pfiffigen Sieger gefallen lassen. Hätte man nicht so offen an den Tag gelegt, daß gewisse Magnaten eigentlich nichts anderes als die Krone Ungarns auf ihren Ochsenschädeln sitzen haben wollten, so wäre Oesterreich auch nicht so gewaltig gegen uns aufgetreten; und hätten wir nur einen Funken Politik besessen, so hätten wir gar keinen Schwertstreich zu machen gebraucht, und wir hätten uns zu den Beherrschern von ganz Oesterreich erheben können. So aber waren wir stolz, also dumm; ungeschmeidig und roh, also wiederum dumm; auf unsere alten Sau— und Ochsenrechte versessen, also noch mehr dumm; wollten, um unsere alte Dummheit zu restituiren und zu behaupten, uns als Zwerge mit Riesen messen, das war schon sehr dumm; und so noch tausend Dummheiten mehr; daher denn aber am Ende auch die totale Niederlage für alle Zeiten, was auch recht ist; denn wer ein dummes Vieh ist, dem geschieht es recht, wenn er wie ein Ochse niedergeschlagen wird. Ich bitte, Herr Graf, daher mit Ihrer alten echt magyarischen Aristokratendummheit nur auch in dieser höchst ernsten und bedeutungsvollsten Welt fortzufahren, so werden Sie damit sicher keinen bessern Sieg davontragen, als was für einer ihnen auf der Erd' allerlöblichst zu Theil geworden ist. Jetzt habe ich Ihnen ganz offen als Mensch die reinste Wahrheit gesagt; so Sie sich nun an mir vergreifen wollen, da können Sie sogleich den Versuch wagen!"

10. Spricht der Graf: „Wer den Schaden hat, über den kommt gewöhnlich auch noch die Schande. Wenn Sie aber schon so ein grundgescheidter Kerl sind, warum haben denn auch Sie sich aufhängen lassen? Warum sind Sie nicht dem Beispiele Koschuts und Görgeis gefolgt? Ich meine, so nach Ihrer Definition die Stärke mit der Weisheit gleichen Schritt hält, so dürften Sie auch nicht einer von den allerstärksten sein!"

11. Spricht der Franziskaner: „Halte mich gar nicht auf über dero allergnädigste Bemerkung; denn an der echt magyarischen Dummheit habe ich — als selbst so ein kleines Edelmännlein — niemal irgend einen Mangel gelitten. O so ein lausigs Adelsdiplömchen war noch stets das beste Fernhaltungsmittel der eigentlichen wahren Menschenvernunft; nur war es bei mir am Ende der Fall, daß ich einzusehen angefangen habe, wo in Ungarn der eigentliche Hund begraben ist, aber freilich leider um einige Wochen zu spät, wo man sich schon vollkommen zwischen der allerstürmischesten Szilla und Charybdis befunden hat; da stand links ein Galgen, und rechts ein zweiter Galgen; vorne und hinten Kanonen und Spieße ohne Zahl. Freund, da hat mir dann meine neuerwachte Vernunft freilich wohl keinen Ausweg mehr zeigen können. Aber bei Ihnen war die Sache ganz anders; Sie waren am Brette, konnten mit einer einfachen Altenweiberaddition an den Fingern ausrechnen, wie die Sache, für die zu verfechten einem nicht die Mittel zu Gebote stehen, in jüngster Zeit ablaufen wird; aber nein, Ihre echt magyarisch alte aristokratische Weisheit — oder was? — raunte Ihnen nur ins Ohr: entweder siegen oder sterben! Eljen! oder was! und Sie sind gestorben! Eljen! oder was! und frage, was haben Sie nun von dem Heldentode am Galgen? möchten Sie jetzt nicht auch großartig Eljen oder was rufen? Vielleicht werden Ihnen dafür einige Freunde in Nordamerika einmal eine Ehrensäule setzen; aber in Ungarn wird das nicht gar zu leicht der Fall sein. Auch in der Weltgeschichte werden Sie pro 1849 und 48 ein miserables Plätzchen finden; das wird aber dann auch schon alles sein, was Sie für Ihren Heldentod aus der Erde zu erwarten haben. Beißen sie da was herab!"

12. Spricht der Graf: „Ich werde von Millionen bemitleidet und betrauert; ist das etwa auch nichts? Millionen sehen das schreiendste Unrecht ein, das Oesterreich an mir verübt hat, und verwünschen dasselbe zu allen Teufeln; ist das etwa auch nichts?" — Spricht der Franzisk.: „Jm, ja, ja, das klingt alles sehr schön und romantisch, vielleicht schreibt noch einmal ein Franzose ein Trauerspiel, was ganz Paris alarmiren wird, unter dem Titel: „Graf Bathiani!" Aber wir die eigentlichen Helden sind fortlebend in circumstantiis miserabilissimis (elendester Lage) hier; und es fragt sich dabei: Was nützt uns nun und für ewig das alles?

13. Darum heißt es hier nicht mehr in der alten magyarisch irdischen Dummheit beharren, die uns schon auf der Erd' so schändlich hat sitzen lassen; sondern das mit dankbarstem Herzen annehmen, was uns dargeboten wird; so werden wir das sicher leichter vergessen, was uns auf der Welt für unsere Mühen zu Theile geworden ist, als so wir auch noch hier auf unserer alten Dummheit herumreiten wollen. Ich glaube, das wird doch etwa deutsch genug sein."

14. Spricht der Graf: „Ja, führe uns nicht in die Versuchung! — heißt es irgendwo in dem gewissen — ja, ja, hm! — wie heißt denn nur geschwind das Gebet? hm, hm, hm — fällt mir nicht ein! — Kurz, heiße es, wie es wolle, aber es steht irgendwo einmal so! Daher sage ich nun auch: führe uns nicht in die Versuchung!"

15. Spricht — den Grafen unterbrechend — der Franziskaner: „Wie, was, wann,was, was, was faseln Sie denn da von dem „führe uns nicht in die Versuchung?" was wollen Sie denn damit sagen? Ich verstehe doch so manches, aber das verstehe ich durchaus nicht. Denn das paßt doch auf meine Rede noch 1000 male schlechter, als eine Faust auf's Aug' statt einer Brille. Ich bitte, erklären sich der Herr Graf ein wenig deutlicher, so es Ihnen noch möglich sein sollte!"

16. Spricht der Graf: „Dummer Schwätzer! hätten Sie mich ausreden lassen, was haben denn Sie mich zu unterbrechen gehabt? Habe ich Sie doch auch nicht unterbrochen, wie Sie mir früher auf deutsch die Ohren vollgemacht haben mit Ihrem Geschwätz! Weil Sie denn diese Metapher (inzwischen der Franzisk.: „das nennt er eine Metapher! über die reine Grafenvernunft steht halt doch nix auf!") was murmeln Sie denn schon wieder dazwischen? Hören Sie mich an, dann erst können Sie gemurmelte Bemerkungen machen! Also noch einmal! Weil Sie denn die Metapher nicht verstehen, so will ich sie Ihnen ganz gut deutsch erklären. (Fr. bei sich: „Auf die Erklärung voll echt ungarisch—adlicher Klarheit freue ich mich!") Aber Sie haben ja schon wieder etwas gemurmelt!" — Spricht der Frzs.: „Eh! so lassen Sie mich murmeln und reden Sie fort, was Sie reden wollen. Bischen ein Aufstoßen werde ich doch etwa haben dürfen bei Ihrem metaphorischen Gespräche!" — Spricht der Graf weiter: „Wegen des Aufstoßens mache ich mir nichts daraus; aber Ihre satyrisch scheinenden Bemerkungen geniren mich; ich bin überhaupt kein Freund von gewissen Witzeleien." — Spricht der Franzs.! „O ich witzele ja gar nicht! daher geniren Sie sich nicht, und fahren Sie mit Ihren metaphorischen Didaskalien fort, sonst kommen wir zu keinem Ende!"

17. Spricht der Gr.: „Also denn, — die Metapher will so viel sagen, als: Sie haben eine gute Gosche, und wollen mich auf die schönste Art um meinen Grafentitel bringen. Es ist daher das eine Versuchung, mich ganz und samt allem und jedem auf den allerschönsten Hund zu bringen. Aber nichts da, ein Graf Bathiani bleibt fest! (Fr. bei sich: „Ein Ochs!") verstehen Sie nun das?"

18. Spricht der Franzsk.: „O sehr gut und sehr klar! Haben aber der Herr Graf den Spruch nie gehört, der ungefähr so lautet: „Memento homo, quia pulvis est, et in pulverem reverteris?" Spricht der Graf: „Ich habe wohl einmal gut lateinisch gesprochen, aber das ist aus'm Cicero, und den verstehe ich nicht!" — Frzsk.: „Ja warum nicht gar aus Horaz oder Virgil? Mir scheint, mit einem gar zu großen Löffel haben der Herr Graf aus der lateinischen Schüssel nie gespeist. Ich will es Ihnen übersetzen, weil sie den Cicero schwer zu verstehen vorgeben. Es heißt diese Sache auf gut deutsch: Gedenke, o ungarischer Magnat, der du allein Mensch — und noch etwas mehr — sein willst, daß du nur ein Staub bist, und wieder in den alten Staub deiner Dummheit zurückkehren wirst, und so Gott will, in selbem auch verbleiben in alle Ewigkeit. Amen. Haben der Herr Graf den Cicero nun verstanden?"

19. Spricht der Gr.: „Wie ich sag', Sie können nichts als witzeln und beleidigen. Wären Sie auch ein Magnat, da möcht' ich Ihnen schon was anderes sagen; aber weil Sie kein Magnat sind, so zahlt es sich gar nicht aus, Ihnen was Ordentliches zu sagen." — Spricht der Frzk.: „dös moan i hald a, sagen die Lerchenfelder in Wien; sehen Sie, Herr Graf, wo nichts ist, da kann auch der allerhabsüchtigste Tod nichts verlangen. Wie solle denn ich von Ihnen etwas verlangen, was Sie noch nie besessen haben?"

20. Spricht der Gr: „Was meinen Sie, daß irgend etwas ich nie besessen hätte, was ist das?" — Spr. der Frzk.: „Salomos Weisheit meine ich; mit der scheinen Sie nie in irgend einer Verwandtschaft gestanden zu sein. Aufrichtig, und ohne alle Witzelei gesprochen, Herr Graf, Ihre große magyaro—aristokratische Dummheit hat Sie sozusagen an den Galgen gebracht. Denn wären Sie um ein Haar nur weiser gewesen, so wäre Ihrem irdischen Hause solch eine Schmach nie widerfahren. Aber weil Sie eben dummer als ein Rebhuhn sind, so haben Sie es auch so weit gebracht. Das müssen Sie um Gotteswillen nun ja doch einsehen, daß die Welt für Sie wie für uns Alle für ewig verloren ist, samt allen ihren fingierten Rechten und Prärogativen; was wollen Sie denn hernach noch von ihr? und weigern sich nun schon bis zum gerechten Aerger der ganzen Gesellschaft, die angebotene Hülfe durch Jesum Christum anzunehmen, außer Er würde Sie auch hier — in der Geisterwelt — als Grafen Bathiani bestätigen, oder gar zum Fürsten erheben. Denken Sie doch einmal darüber weislich nach, und reden Sie dann entschieden, aber nicht als Magnat von Ungarn, sondern als ein hilfsbedürftiger Mensch, wie wir Alle es sind!"

136. Kapitel. Gespräche über Jesus. Religiöse Erfahrungen des Franziskaners. Der Graf als Bibelkundiger. Gleichnis vom Mann ohne Hochzeitskleid und von den 10 Jungfrauen.

01. Spricht der Graf: „Ja Wer oder was ist denn so ganz eigentlich ihr Herr Jesus? ist das etwa derselbe, von dem die jüdische oder römische Fabel sagt, daß er ein Sohn Gottes gewesen wäre, und von dem Sie doch selbst früher einmal sagten, daß Sie nie an Ihn und seine römisch—kirchlichen Alfanzereien geglaubet haben. Oder giebt es noch irgend einen andern Jesus?"

02. Spricht der Franziskaner: „Ja, derselbe Jesus, von dem die evangelische Tradition sagt, daß Er Gottes Sohn ist und bleibet, als ein Herr Himmels und der Erde ewig. Ich glaubte zwar bei meinen Lebzeiten auf der Erde nicht dieser Tradition, weil sie von Rom aus zu sehr gemißbraucht ward, und ich daraus den nothwendigen Schluß ziehen mußte. Wäre an der Sache etwas, wäre sie nicht ein Werk der früheren herrschsüchtigen Hierarchen, so wäre es ja doch unmöglich, mit solch einer von Gott abstammenden Lehre eben solch einen allerschändlichsten Unfug zu treiben. Denn es sind in der römischen Hierarchie in einem Zeitraume von kaum 1300 Jahren in Summa Summarum ja doch Dinge geschehen, vor denen die ganze Hölle mit dem ganzen Heere ihrer Teufel den tiefsten Respekt haben muß; und der im grauen Hintergrunde weilende Stifter von solch einer Lehre, deren römische Diener als wahre Großmeister von den grauenerregendsten Teufeleien in der untersten Hölle floriren müßten, solle ein Sohn des Allerhöchsten sein?! Wahrlich, Herr Graf, so was zu glauben wäre für meinen Geist keine kleine Aufgabe gewesen.

03. Als ich aber später einmal die vollkommene Bibel in meine Hände bekam von einem protestantischen Priester; da freilich ging mir ein ganz anderes Licht auf, und ich trachtete dann um jeden Preis aus der römischen Geistesmördergrube zu entkommen, und ward darauf lieber ein gemeiner Honved (ung. Soldat), als je wieder ein römisch—katholischer Völkergeist—Ermordungsgehülfe. Denn ich dachte mir: Es ist noch immer besser ein Fleisch— als wie ein Geistesmörder zu sein.

04. Es kann daher der obbesagte Jesus gar wohl Gottes Sohn sein, und die Macht haben uns zu helfen, wenn Er auch noch so von der schändlichsten Römerin verläugnet ward; denn Er ist auch trotz dem Verrathe des schändlichen Apostels Judas Jschariot doch am dritten Tage aus höchst eigener Macht vom Tode erstanden, und hat demselben alle Macht genommen. Und sehen Sie, Herr Graf, von eben diesem Jesus ward uns durch einen unsichtbaren Mund Hülfe angeboten; wir haben sie Alle vernommen die köstlichen Worte. Und nun delibriren wir noch, ob wir sie annehmen sollen oder nicht; und hauptsächlich Sie, Herr Graf, sind der hartnäckigste Anstandserheber, und wollen sich nicht dazu verstehen, als ob Sie in diesem allerscheußlichst elenden Zustande Gott weiß was alles vergeben müßten. Ich rathe es Ihnen daher nun zum letzten Male sich zu entschließen, die angebotene Hülfe anzunehmen, oder im Gegenfalle uns Andere nicht mehr zu beirren, die angebotene Hülfe anzunehmen!"

05. Spricht der Graf: „Was euch nicht schaden wird, das wird ja auch mich nicht umbringen; ich will auch die Hülfe annehmen; aber einige nothwendige Bedingungen könnten wir dabei denn doch in den Vorschlag bringen; sonst kann es uns hier zum zweiten Male ergehen als wie auf der Erde, wo man sich auch aus Gnade und Ungnade ergeben hat, und ärntete dann die löbliche Ungnade. So z. B. wäre meines Erachtens eine wohlgenährte Rachenehmung an unseren irdischen Feinden eine Hauptbedingung, und für unsere Persönlichkeit eine volle Schadloshaltung für all's auf der Welt Verlorene keine zu verachtende Bedingung."

06. Spricht der Franzsk.: „War' nicht schlecht, aber was fällt Ihnen doch alles für dummes höchst unkonsequentes Zeug ein. Wenn Sie z. B. auf der Erde irgend unter die Räuber geriethen, und jemand Starker wollte ihnen helfen; Sie aber schlügen ihm Bedingungen vor, unter denen Sie seine Hülfe annehmen! sagen Sie mir! würden Sie darob nicht sogar die Eisbären auszulachen anfangen? Wann hat man doch je gehört, daß ein Bettler dem Wohlthäter Bedingungen vorgeschrieben hätte, unter denen er eine Wohlthat anzunehmen Willens sei? Ah, ah, Herr Graf, das ist denn doch etwas zu dumm! Da läßt sich's nicht mehr darüber reden. Unser irdisches Sichergebungs—Verhältniß war ja ganz etwas anderes. Dort hat uns niemand eine Hülfe angeboten; sondern dort hieß es: Gnade und Ungnade unter verheißener Fürsprache; aber von einer Hülfe war dort nie auch nur die allerleiseste Rede. Hier aber ist uns doch ausdrücklich volle Hülfe angetragen, und keine Gnade oder Ungnade. Wie kann man das nachher mit dem irdischen Zustande, der uns des Leibes Tod brachte, nur in eine allerentfernteste Parallele ziehen. Ich bitte Sie, Herr Graf, sind Sie doch um Gotteswillen nicht gar so vernagelt!"

07. Spricht der Graf: „Ja, ja! Sie haben schon wieder recht; ich bin wohl etwas dumm; das sehe ich nun schon ein; aber ein gebranntes Kind fürchtet stets das Feuer. Es werden hier wohl ganz andere Lebensverhältnisse sein, als wie sie auf der scheußlichen Erde gang und und gäbe waren; aber an sich selbst traurig genug erfahrne Sachen haften tiefer in der Seele eines Unglücklichen, als daß man sie sozusagen von heute bis morgen aus dem Leibe schaffen könnte; und ist es mir denn doch auch sicher etwas zugute zu halten, wenn ich in der Annahme der angebotenen Hülfe, die uns Allen allerdings über alles willkommen sein muß, ein wenig gezaudert habe.

08. Der Feldherr Paskiewitsch hat uns Allen auch Amnestie verheißen, und sie uns für seine Person auch gewährt; als wir aber dann sogar unter russischer Fürsprachsgarantie an die Oesterreicher ausgeliefert wurden, da war sogleich ein anderes Gesicht zu bemerken, und von einer Amnestie war bis zur Stunde noch keine Rede. Aus solchen irdischen traurigsten Erfahrungsprämissen, die man nur gar zu lebendig mit herübergenommen hat, und bisher noch keine bessere zu sammeln die Gelegenheit hatte, muß ein Mensch, Geist oder Vieh denn doch etwas stutzig werden, und für die Zukunft, so viel es irgend in der eigenen Kraft liegt, in allem ganz verzweifelt vorsichtig zu Werke gehen.

09. Ich erkenne nun ganz wohl, daß es sicher einen Gott geben muß, ohne den wir sicher gar zunichte geworden wären, und kein Dasein hätten und haben könnten. Aber dieser Gott ist allein allmächtig; gegen Sein Urtheil findet kein Rekurs statt; was Er will, das muß unwandelbar geschehen. Und Freunderl, darin liegt mehr als Grund zur Uebergenüge, mit der Annahme, selbst von einer angebotenen Hülfe, wohl bedenklich zu zaudern, und vorher alle Umstände genau zu erwägen, die möglicherweise mit der angebotenen Hülfe vereint sein dürften. Sieh', ich kann mich aus meiner Jugend noch sehr genau erinnern, daß ich einmal ein Evangelium gelesen habe, wo von einem großen Gastmahle die Rede ist, zu dem am Ende, da die Geladenen nicht kommen wollten, alle an den Straßen, Gassen und Zäunen weilenden Proletarier durch die vielen Diener des mächtigen Gastgebers förmlich bei den Haaren herbeigezogen wurden; als der große Speisesaal auf diese Weise gefüllet ward, da kam auch der Gastherr in den Saal, besah die Proletarier—Gäste, und fand Einen, der kein sogenanntes Hochzeitsgewand anhatte; und siehe, diesen ließ er sobald ergreifen, und werfen ins finsterste Gefängniß. G'spürst was, Freunderl, was ich damit sagen will? Sieh', was hat der arme Teufel wohl verschuldet? Die Diener zogen ihn, wie die andern, die vielleicht zufällig besser bekleidet waren, von der Straße zum Gastmahle, und nahmen keinen Anstoß an seiner Kleidung; als aber dann der Herr kommt, da verurtheilt er so ganz mir und dir nichts den armen Teufel, der doch sicher ohne sein Verschulden in den Speisesaal gekommen ist.

10. Wenn man dieser Sache, durch die offenbar die Gottheit in ihrem sehr willkürlichen Handeln dargestellt wird, etwas näher nachdenket, so kann Einem sogar aus rein evangelischen Rücksichten wohl Niemand verargen, so man sogar bei angebotener Hülfe von Oben so viel als nur immer möglich behutsam zu Werke geht, bei der Annahme derselben. Dem Judas ward auch der Bissen gereicht; aber auf diesen ward er dann erst recht des Teufels. Sagen Sie mir nun, ob Sie auf diese meine gegründete Motivirung mich ob meiner Zauderei noch für so dumm halten, als wie Sie es mir ehedem offen in's Angesicht ohne alle Schonung sagten?"

11. Spricht der Franziskaner: „No, no, no, der Herr Graf sind ja ganz famos in der Bibel bewandert! das freut mich um so mehr, daß Sie hier gerade einen Text aus der Bibel zum Vorscheine bringen, der mir auch allzeit im höchsten Grade ungerecht vorgekommen ist. Es giebt zwar noch einige andere Texte, durch die der sonst überaus gute Herr Jesus Sich wahrlich als ein unerbittliches, und zugleich nach irdischem Sinne betrachtet ungerechtes Wesen beurkundet; aber dafür giebt es freilich wieder eine Menge Texte, die sehr trostreich sind. Ihre Bedenklichkeit, von diesem Standpunkte aus betrachtet, ist hier freilich sehr zu entschuldigen; denn die Macht, in wessen Händen sie sich auch befinden mag, hat stets das unwiderlegbar für sich, daß sie die Ohnmacht ewig im Schache zu halten vermag und thun kann, was sie will; aber das Gute dabei ist, daß sich keine wahre Macht ohne der größtmöglichen und vollkommenen Weisheit denken läßt, und mit einem höchstweisen Wesen ist es immer leichter auszukommen, als wie mit einem Dummen. Und so meine ich, wir könnten es denn doch wagen, die angebotene Hülfe anzunehmen.

12. Wenden wir uns denn im Herzen an Jesum den Gekreuzigten, und warten dann mit einiger Geduld ab, was aus solcher unserer Herzenswendung werden wird. Sieht da was Gutes heraus, so haben wir keine schlechte Wendung gemacht; solle aber aus dieser Wendung für uns etwas Schlechtaussehendes zum Vorscheine kommen, no, so kehren wir in unsern jetzigen Zustand wieder zurück."

13. Spricht der Graf: „Wäre alles gut und recht! Wenn eine allerhöchste Weisheit nicht dadurch eine höchste Weisheit wäre, daß sie in sich selbst dergestalt als abgeschlossen erscheinen muß, als wie ein mathematischer Beweis. Zwei gleiche Größen zu wieder zwei gleichen Größen addirt giebt für alle Ewigkeit vier gleiche Größen; da läßt sich ewig nichts herabhandeln, und so ist es auch mit der höchsten Weisheit der Gottheit. Was sie einmal ausspricht, das ist ausgesprochen für die Ewigkeit. Das zeigt auch Jesus sehr klar in einem Texte dadurch an, da er sagt: Himmel und Erde werden vergehen, aber Mein Wort ewig nimmer. Wenn wir nach unserer Herzenswendung zu Ihm etwa so was vernähmen: Hinweg mit euch, ihr Thäter des Uebels! was dann Freunderl? Ich meine: So lange wir von Ihm nichts verlangen, hat Er auch vernünftiger Maßen nicht von Nöthen, uns entweder etwas zu geben, weder Gutes noch Schlechtes; verlangen wir aber nur einmal etwas, da haben wir Ihm aber schon auch zugleich das Thor geöffnet, mit uns zu thun, was Er nach Seiner unwandelbaren Weisheit will.

14. Mir fällt jetzt gerade wieder ein recht passender Text zur Belehrung dieser meiner guten Meinung ein, und der hat, glaube ich, 10 Jungfrauen im Schilde, davon die Hälfte weise, und die Hälfte thöricht war. Alle erwarteten nach wahrscheinlich damaliger morgenländischer Sitte ihren Bräutigam; die weisere Hälfte versah ihre Lampen mit Oel, und die thörichte Hälfte aber zufällig nicht. Als aber in der Nacht die Kunde kam, daß der Bräutigam kommen werde, und wahrscheinlich schon etwa in einer Stunde, da baten die Thörichten die Weisen, daß sie ihnen etwas Oels in ihre leeren Lampen geben möchten. Aber die eisernen Weisen verweigerten solches den Thörichten, wahrscheinlich aus purer christlicher Nächstenliebe, oder was? und die Thörichten waren dadurch genöthiget, zu einem Kaufmanne zu gehen, und sich dort ums Geld ihre Lampen mit Oele füllen zu lassen. Sie kehren darauf sogleich in das Bräutigam—Erwartungshaus zurück voll guten Willens; aber „halt an", schon ist die Hausthüre verriegelt! Denn der Bräutigam ist bald darauf gekommen, und zwar früher als sie mit vollen Oellampen ankamen. Als die Armen dann ganz harmlos an die Thüre pochten, und um den Einlaß baten, da donnerte des Bräutigams Stimme ihnen ganz rauh entgegen: Hinweg mit euch! Ich habe euch noch nie erkannt, und kenne euch nicht!

15. Die Sache, mit einem allein menschlich ehrlichen Sinne betrachtet, ist impertinent grob, roh, ungerecht, und streng genommen auch unwahr, wenn unter dem Bräutigam die Gottheit zu verstehen ist. Denn wie kann die Gottheit zu Jemanden sagen: Ich kenne dich nicht! wo sie anderseits wieder lehrt, daß sie sogar alle Haare am Haupte eines jeden Menschen zählt. Aber wer kann der allmächtigen Gottheit Unrecht geben? Sie läßt kalt sein zum Verzweifeln, und wenn dabei Tausende erfrieren, und Millionen armer Teufel um Wärme bitten, so bleibt es dennoch kalt, so lange die Gottheit kalt haben will, ihrer Weisheit zufolge; so läßt sie ohne Gnade und Pardon die schönsten Saaten durch Fröste und Hagel zerstören, und Niemand kann ihr dagegen einen Damm setzen. Ich sage dir, wer sich von der Gottheit zu abhängig macht, der hat das Elend schon in sich. Was hätte denn den fünf oder wie viel thörichten Jungfrauen geschehen können, so sie gar nicht zum Bräutigamshause wieder zurückgekehret wären? Aergeres kaum, als so, da sie mit ihren gefüllten Lampen zurückgekehret sind, und da um den Einlaß baten. Die Grobheit hätten sie sich wenigstens doch sicher erspart; denn hätten sie da nichts mehr gesucht, so hätten sie auch dem sonderlich groben Bräutigam keine Gelegenheit geben können, ihnen die Thüre vor der Nase zu verriegeln, und ihnen dann allergröbst zu kommen. Denn wo nichts zu gewinnen ist, da ist auch nichts zu profitieren. Und so meine ich wenigstens für meinen Theil, daß wir der Stimme Gottes erst dann ein volles Gehör schenken sollen, wenn wir von ihrem vollsten Wohlwollen gegen uns ganz überzeugt sind; sonst aber bleiben wir wie wir sind, und solle es uns noch so schlecht gehen. Denn ich traue der allmächtigen Gottheit nicht. Was meinen Sie nach reiflicher Ueberlegung dieses meines Einwurfes?"

16. Spricht der Franzsk.: „Es ist alles recht, Herr Graf, Sie fassen die Sache möglichst behutsam auf; aber ich sage: Man muß die Schrift Gottes ja eben nicht so buchstäblich nehmen, da doch die ganze Schrift nur ein bildliches Darstellen der höhern Moral, wie sie ein vollkommener Mensch haben soll, ist; unter dem Lampenöle wird hauptsächlich nur die wahre Liebe zu Gott verstanden, wie unter dem Lichte der Lampe die aus der Liebe entspringende Weisheit; die thörichten Jungfrauen aber hatten keine Liebe, und wollten die Liebe auch den Andern nehmen; diese aber waren klüger, und ließen sich nicht verführen, sie beschieden die Liebelosen dafür hinaus in die Welt, daß sie sich da das Liebeöl holen sollten; und diese gingen, und holten sich ihre Lampen oder besser ihre Herzen voll. Als sie mit der Weltliebe in des Bräutigams Haus abberufen wurden, in dem wir uns nun schon seit einer geraumen Zeit befinden, wie ich mir's nicht ohne Grund nun vorstelle, oder noch besser: Als sie hier, ohne wahre Liebe zu Gott, ankamen und Einlaß ins Himmelreich verlangten, so kann zu ihnen die Gottheit auch kaum etwas anderes gesagt haben als: Ich kenne euch nicht mit dieser eurer Liebe, die Ich nie als die Meine anerkannt, oder noch besser — bestimmet habe; gehet also dahin, wovon eure Liebe ist! Sehen Sie, lieber Herr Graf, so verstehe ich diesen und noch manche andere Texte; und so verhält sich's auch. Und so meine ich denn auch, daß der Herr Graf der Gottheit gar zu viel Härte ansinnen. Setzen wir uns Alle darüber hinaus, und ergreifen denn doch die angebotene Hülfe; wahrlich, uns kann es nicht so arg ergehen, das sagt mir mein Herz."

17. Spricht ein Nebenstehender aus der Gesellschaft: „Das glaube ich halt a! Das Evangeli ist durjaus metapherisch, und muß guit Verstande werde. Weil als ist metapherisch?" — Spricht der Graf: „Ich bitte Sie, bemeistern Sie sich gütig Ihres Mundes, sonst wird's uns Allen übel! War denn unsere Hinrichtung auf der Erd' etwa auch metapherisch, oder etwa gar bloß nur provisorisch? Oder ist Jesus etwa auch metapherisch ans Kreuz genagelt worden?" — Spricht der Zurechtgewiesene: „O na, dos wo nit metapherisch, dos wor wirkli, sonst waren wir nit erlöst." — Spricht der Graf: „Schöne Erlösung das, wie Sie sich's wenigstens vorstellen. Mir hat bis jetzt wenigstens nichts davon geträumt; besonders diese echt egyptische Finsterniß, und unser ganz vollkommen leerer Magen sind die sprechendsten Beweise für die Eventualität der Erlösung an mir selbst; wahrlich, diese Erlösung macht sich. Auf der Erd' — Tod am Galgen, und hier, wie es scheint, die ewige Finsterniß, sind so recht handgreifliche Beweise vom Effekte der großen Erlösung an uns; gefallen sie euch, meine lieben Freunde?"

18. Spricht ein Anderer: „Bis jetzt hat es mit der Erlösung noch ganz verflucht schlecht ausgesehen; aber ich muß es auch anderseits bekennen, daß wir eigentlich wohl noch nie etwas gethan haben, was uns der Erlösung hätte theilhaftig machen können. Wenn zuletzt der Galgen nicht eine gute Portion von unseren massenhaften Todsünden von uns hinweggestreift hat (?), so sieht es, so hier wirklich nach den sogenannten zehn Geboten vorgegangen wird, hier mit der Erlösung schon ganz verdammt schlecht aus. Denn von irgend einer christlichen Tugendheldenschaft war bei uns Allen schwerlich je eine Rede. Ich wäre daher sehr für die sogleiche Annahme des Hülfeantrags, sonst kann es uns noch sehr übel ergehen. Denn wir haben gar nichts, worauf wir uns Rechtens stützen könnten, als höchstens unsere unbegrenzte Dummheit, und im besten Falle auf die alleinige Gnade und Erbarmung Jesu Christi!"

19. Spricht der Franzsk.: „Bene dixisti! Das ist dir gelungen! gerade aus meiner Seele gesprochen! so ist es! Gottes Jesu Christi Gnade und Erbarmung; oder wir sind Alle des Teufels. Denn wir waren es ja auf der Erde, besonders in der letzten Zeit, die ihre gehörige Portion armer Teufel in diese Welt herüberbefördert haben, und haben der Kinder im Mutterleibe nicht geschont, und hatten ganz verdammt wenig Mitleid mit dem tausendfachen Elend unserer Mitmenschen. Wir trieben sie wie Kälber vor uns her, und stießen sie auf das Schlachtfeld; und den slavischen Feinden ging es ganz verzweifelt schlecht, so sie in unsere Gefangenschaft geriethen. Kurz und gut, so uns jetzt noch Rache belebt gegen die, die ihre Hände an uns gelegt haben, welches Maß von Rache haben wir von Tausenden und abermals Tausenden zu erwarten, die durch unsere Hände gefallen sind, und ebenso gut, und Manche vielleicht tausendmal mehr Menschen waren denn wir?

20. Ich meine daher: Vergeben wir von ganzem Herzen allen Denen, die uns moralisch und physisch mißhandelt haben, und endlich gekreuziget oben darauf. Denn auch wir wußten, das Kreuz Tausenden ganz gehörig an ihr Leben zu schlagen. Was meinen Sie, Herr Graf, habe ich recht oder nicht?"

21. Spricht der Graf: „Leider, daß Sie recht haben müssen! Aber eben das macht mich stutzig und fürchten, daß es uns am Ende nicht so ergehen wird, als den fünf thörichten Jungfrauen. Wie wir anklopfen, so werden wir auch die sententiam quam miserabilem vernehmen und dann gute Nacht auf ewig! Was meinen denn Sie zu dieser meiner Meinung?"

137. Kapitel. Der magyarische Grafenstolz wird vom Rücksichtslosen gedämpft. Erdenpolitik in jenseitiger Beleuchtung. Der General und Robert über den Streit dieser Geister. Jesu große Geduld.

01. Spricht der Franzsk.: „Herr Graf, da läßt sich sehr wenig, wohl auch gar nichts darauf sagen. Das Unrecht ist einmal auf unserer Seite, und damit ist alles gesagt. Nun kommt es lediglich auf die Gnade Gottes an. Nimmt uns diese an, so sind wir nicht verloren; läßt uns aber diese im Stiche, dann gehören wir auf ewig der schwarzen Katze zu. Verstehen Sie das, Herr Graf?"

02. Spricht der Graf ganz erregt: „Was sagen Sie da, das Unrecht sei auf unserer Seite? Wo lebt der Gott, der mir das erweisen könnte? Stammen wir nicht geradewegs von Attila ab? Haben nicht unter seiner weisesten Leitung unsere Voreltern das herrliche Ungarn für uns mit ihren Waffen erkämpft? Haben wir dieß Land nicht schon über tausend Jahre inne? Wann ist dieses Reich noch einer andern Macht vollends unterthänig gewest! Wir selbst haben unsere Könige gewählt, und sind nie auf das Haus Habsburg beschränkt gewesen. Daß wir es lange genug beibehalten haben, das war unser ganz freier, echt magyarisch großmüthiger Wille. Wie konnten wir fehlen, den echten Usurpator unserer Krone, den wir nie zum Könige gewählt und gesalbet haben, des ungarischen Thrones verlustig zu erklären, indem er sich den Thron Ungarns nur angemaßet hatte? Denn sein Oheim, der rechtmäßige König Ungarns, hatte laut der alten pragmatischen Sanktion ohne unserer Einwilligung wohl nie ein Recht, an seiner Statt einen König für unser großes und mächtigstes Reich zu erwählen und einzusetzen. Und Sie reden von einem Unrechte auf unserer Seite? Hören Sie mir auf mit solch einer Diplomatie."

03. Spricht der Franzsk.: „Aber ich bitte Sie, um Gottes Herrn Jesus willen, reden Sie doch hier im Geisterreiche nicht so echt ultramagyarisch dumm! Sagen Sie mir, hat denn die Gottheit dies Land dem Attila wie den Israeliten ein gelobtes Land Canaan geschenkt? Oder hat es nicht vielmehr der Attila mit den Waffen in der Hand erobert, und somit unrechtmäßig den alten Ureinwohnern, die er vernichtet hat, geraubt? Ist das ein rechtmäßiger Besitz vor Gott? — So sagen Sie auch: Wir wären nie unter fremder Botmäßigkeit gestanden! Waren es denn nicht mehrere Male die Türken, die in Ofen und Pest alle Magyaren auf das Grausamste tirannisirt haben? und wer hat Ungarn von dieser Tirannei frei gemacht? Hat das Ungarnland nicht die Küsten des schwarzen Meeres, wie auch die des adriatischen beherrscht? Was ist nun das schwarze Meer, wo das adriatische nun? Belgrad und Bukarest waren magyarisch, wessen sind sie nun? Oesterreich hatte wahrlich größere und ältere Rechte auf unser Reich, als wir es ihm je zugestehen wollten. Oesterreich hat Ungarn von den Türken zurückerobert, und hat es uns wieder zu eigen gegeben, mit dem alleinigen Vorbehalte, daß die Habsburger stets das erste Recht auf die Krone Ungarns haben sollen, was ihnen auch feierlichst zugesagt wurde. Warum wollten wir denn nun eine eigene Wurst gebraten haben? Sehen Sie, das hat unser Hochmuth gethan; wir sind unter Oesterreichs Szepter zu reich und mächtig geworden, wollten dann unser Reich ganz selbstständig beherrschen, und unter die Regenten Europas erster Klasse aufgenommen sein, und viel von uns reden machen.

04. Aber das hat dem lieben Herrgott nicht gefallen, und Er machte uns einen groben Strich durch unsere Rechnung! Und Ihnen Herr Graf, als einem echten Attila's Sohn, steht es nun frei, einen Rekurs gegen unsern allmächtigen Herrgott zu ergreifen, und diesen geradewegs beim Herrn von Teufel einzureichen; wer weiß, welch seltene Effekte da herauskommen dürften. Ich wünsche Ihnen übrigens viel Glück und ein schönes Wetter dazu!

05. Wissen Sie denn nicht, wie es in der heiligen Schrift lautet, daß nehmlich alles, was vor der Welt groß sein will, vor Gott ein Greuel ist? Wir wollten aber groß und mächtig sein; und da stecken wir dafür nun in der schönsten Sauce. Das Rindfleisch ist uns schon auf der Erde ganz gehörig versalzen worden, und hier genießen wir die Sauce dazu; wie schmeckt Ihnen dieses Gollasch? Jetzt aber nur noch mit der magyarischen Dummheit ein wenig weiter getrieben; und es kann uns noch glücken, daß wir mit der Weile so ein echt höllisches Bratl mit einem Schwefelsalat als ewigs Confekt aufgetischt bekommen, und uns wird dann wahrlich nichts mehr zu wünschen übrig bleiben. Bischen ein Gewühl hätten wir bereits, und so ein kleines Vorgeschmäckchen. Nur zu in unserer starrsinnigen Dummheit, es wird schon noch besser werden! Es ist ein altes Sprichwort: Was die Hölle will, das bleibt ihr nicht aus. Ich habe nun ausgeredet."

06. Spricht der Graf: „Sehr wohl von Ihnen, Herr von echt Schwarzgelb, es ist nur ewig Schade, daß Sie mit dieser Argumentation nicht um 12 Monate früher auf der Erde zum Vorscheine gekommen sind; wahrlich, es müßte mit dem Teufel hergehen, wenn Sie nicht schon längst ein einträgliches Plätzchen beim Wiener Ministerium erlangt haben sollten; wahrhaftig wahr, so eine schöne Argumentation hätte sogar einem Fürst Metternich keine Schande gemacht.

07. Wenn wahrscheinlich für solch schöne schwarzgelbe Gesinnungen Sie etwa doch schon ehestens mit Jesu dem Herrn gar überaus freundschaftlichst in die nächste Berührung kommen dürften, so suchen Sie Ihn ja dahin zu bewegen, daß Er unverweilt einige himmlische Verdienstorden auf die Erde hinabsenden möchte, und sie als Zeichen Seines besondern Wohlwollens an Jene vertheilen, die sich bei unserer Aufhängungsgeschichte am thätigsten bewiesen haben. Vergessen Sie das ja nicht! Denn sehen Sie, das Leut'aufhängungsg'schäftl muß bei Jesu dem Herrn schon deßhalb einen ganz besonders hohen Werth haben, da Er Selbst eines ähnlichen Todes dem Leibe nach gestorben ist. Wie angenehm Ihm aber diese Todesart war, bewies Er durch die sonderbare Belohnung des Verräthers Judas Isch. Nach Ihrer guten Meinung werden die Herren Freimanns (Henker) wohl lauter Cherubims sein, oder was! nicht wahr, mein liebster Herr von Schwarzgelb! Nein, schauen's! das hätte ich nie geglaubt, daß Sie so ein Gutgesinnter wären. S' Aufhängen muß Ihnen ordentlich wohlgethan haben, weil Sie nun der österreichischen Regierung dafür so dankbar sein! Und nur die brillanten Aussichten hier als Folge unserer reizenden Aufhängung? Oh, oh, die Sache macht sich! Nein, Sie sind halt wohl ein ganzer Mann, Sie! Und wie Sie nur in der Geschichte Ungarns bewandert sind, wahrlich, ich muß es gestehen: Wer mit Ihnen keine Freude hat, der muß kein Mensch sein. Sie werden sicher auch schon die Kunde haben, der zufolge Christus der Herr auch vollkommen ein schwarz—gelber Tripons—Ordensritter sein solle. O, das wissen Sie gewiß, weil Sie in der Geschichte so außerordentlich bewandert sind!"

08. Spricht der Franzsk. wieder: „Lieber Herr Graf, Sie belieben mich zu hänseln gleich einem Lausbuben; aber das macht mir gar nichts; denn ich weiß es, woran ich bin, und warum ich so geredet habe; Sie aber haben meine ganze Rede gar nie verstanden; daher ist es Ihnen auch zu verzeihen, wenn Sie so reden, wie Sie soeben geredet haben. Ex trunco non fit Mercurius! verstanden, Herr Graf! Lobte ich denn die Handlung der österreichischen Regierung? Herr, ich kenne Oesterreichs Gebrechen so gut, als irgend Einer; aber ich sehe es auch ein, daß es ein größtes Malheur wäre, neben dem schon bestehenden Vesuv noch einen zweiten und noch wüthenderen Länderverheerer hinzustellen. Oesterreichs Kaiser ist schon ein genügender Vesuvius für alle Länder Oesterreichs; das weiß der Herr Jesus. Wir wollten aber mit aller Teufels—Gewalt ein zweiter werden, und das war, wie ich meine, gefehlt, und das Unrecht ist von Gottes wegen auf unserer Seite.

09. Wir haben aber nun die Pflicht, dieses Unrecht einzusehen, und Gott dem Herrn das in unsern Herzen zu bekennen; ansonst es nie besser mit uns wird. Sprach nicht Gott dereinst: In Meinem Zorne habe Ich euch einen König gegeben. Wenn ein König aber schon ein Werk des Zornes ist, warum trachteten wir denn auch darnach, was rein des Zornes Gottes ist? Wir erhielten auch, darnach wir getrachtet haben, wahrlich den Zorn Gottes, als erste Daraufgabe auf den König; wahrscheinlich wird auch bald ein König nachfolgen, aber wehe denen, die unter seinem Szepter stehen werden! Hätten wir lieber anstatt um den Zorn Gottes um Seine Liebe gekämpft, so stünde es nun wahrscheinlich heller um uns, als dieß gegenwärtig der Fall ist!

10. Der Herr Jesus aber will nun, wie ich es nun getreu in mir gewahre, die Zahl der Regenten vermindern, und nicht vermehren, aus sicher höchst weisen Gründen; und so sind wir Ihm gerade recht gekommen, die wir Europa um ein neues freies Königthum vermehren wollten! — Sollen wir etwa hier auch noch auf der Realisirung dieser gotteslästerlichen Idee beharren? und dadurch für ewig zu Grunde gehen?! — Lassen der Herr Graf doch einmal ab von diesen irdischen Hoheitsdummheiten und Narrenpossen! — es ist genug, daß wir auf der Erd' dafür gehörig eingegangen sind!"

11. Spricht im ersten Saale des Hauses der bewußte General zum soeben aus dem zweiten Saale mit dem schönen Weibe Helena tretenden Robert: „Hören Sie (bst) oder du, wollte ich sagen, das ist ja eine ganz verzweifelt langweilige Geschichte. Was diese unglücklichen etliche 30 Geister da draußen vor den Fenstern zusammenschwätzen, das ist ja ganz unerhört! Da schlägt doch buchstäblich eine Dummheit die andere. Der Graf ist ein Ochs, und sein Opponent ein Esel; und die anderen aber scheinen noch dümmer zu sein! Jetzt streiten die Kerls schon eine halbe Ewigkeit, ob sie die angebotene Hülfe des Herrn annehmen sollen oder nicht. Nein, so was dürfte in der ganzen Unendlichkeit Gottes doch nicht leichtlich zum zweiten Male vorkommen. Wie lange werden wir denn mit diesen dummen Schwätzern noch müssen Geduld tragen?"

12. Spricht der Robert: „Mein liebster Freund und Bruder, der Herr ist hier unser Aller lebendigster Maßstab; da seh nur zur Thüre hinein, wie gemüthlich Er Sich mit all den Seinen unterhält, und eben davon spricht, wie mit diesen 30 fürder solle vorgegangen werden. Merken wir Alle hier nur die geringste Ungeduld in Seinem allerheiligsten Angesichte." — Spricht der Gen.: „Nein, wahrlich nein, die wahrhaft göttlichste Ruhe und ewig gleiche höchste Anmuth entstrahlt Seinem ganzen Wesen."

13. Spricht der Robert weiter: „Siehst du, Bruder, das ist unser Geduld— und Liebemaßstab, für Ihn giebt es keine Feinde; die Konservativen sind so gut Seine Kinder, als wie die Radikalen; Er sorgt für Alle. Sieh', so irgend ein Vater auf der Erde recht viele Kinder hat, die untereinander im beständigen Zanke und Hader leben; er bestraft die muthwilligsten wohl; aber seine gleiche Liebe zu Allen kann er denn doch nicht verläugnen, und ist daher stets bemüht, für Alle bestens zu sorgen. Was ist vor dem Herrn das irdische konservative oder radikale Wesen der Menschen, die alle gleich Seine Kinder sind. Er züchtiget wohl auch die Muthwilligen; aber durch eben die Züchtigung sorgt Er desto mehr für sie. Er ist noch stets Derselbe, der 99 eingefriedete Schafe verläßt, und gehet suchen das hundertste Eine, das Er dann auf Seine Achsel nimmt, und es mit der größten Freude in Seinen großen Schafstall trägt, der nach allen Seiten hin eingefriedet ist, durch Seine göttliche Gnade, Liebe und Erbarmung.

14. Und so müssen denn auch wir mit Seinen Kindern, unsern Brüdern, und mögen sie noch so schwach sein, die allergrößte Geduld haben. Denn hier giebt es keine fremden Parteien mehr, sondern lauter Kinder eines und desselben Vaters. Wir sagen hier nimmer: Herr, Oesterreich handelt Deiner Ordnung durch seine Militärdespotie entgegen; strafe es! oder die Ungarn haben wider Dein Gesetz gehandelt; züchtige sie! denn es sind ja Alle unsere Brüder und Schwestern. Sondern wir sagen: O Vater, sieh gnädig zur armen Erde hinab, und erleuchte unsere schwachen Brüder, welcher Parthei sie auch immer angehören mögen, und helfe ihnen Allen! Und der Herr spricht dann huldreichst zu uns: Warum bittet ihr denn? Habt ihr etwa mehr Liebe zu euren Brüdern und Schwestern, denn Ich, als der Vater Aller? Auf solch eine Gegenfrage werden wir dann Alle wie stumm und sprachlos gegenüber der zu großen Liebe des ewig heiligsten Vaters.

15. Er liebt Alle gleich; die zu Ihm wollen, die kommen auch zu Ihm, und es ist da Niemand ausgenommen. Wie Er Seine Sonne scheinen läßt über Würdige und Unwürdige, und Sein Regen auf alle Kräuter, edle und unedle fällt, so ist auch Seine Gnade, Liebe und Erbarmung; sie erstreckt sich über Alle gleich, und nicht selten kommt gerade über die Schwächsten ein ganzer Wolkenbruch von Seiner höchsten Liebe, Geduld, Gnade und Erbarmung.

16. Geduldet euch daher nur noch ein wenig, und, ihr Alle werdet es sehen, was des Herrn Liebe vermag. An eben diesen 30 wird sich Seine Erbarmung ganz besonders hervorthun. Daher nur noch eine kleine Geduld."

138. Kapitel. Der Graf und der Franziskaner über die neu vernommenen Stimmen. Der Graf äußert immer noch Bedenken, zu Jesus zu gehen. Ein Mann aus dem Volk macht kurzen Prozeß und ruft Jesus an. Wahrheit durch Jesus — als Fremdling.

01. Die draußen befindlichen etliche Dreißig vernehmen abermal dieß Gespräch, und dießmal sogar der Graf B. ganz deutlich sozusagen von Wort zu Wort.

02. Er erstaunt sich sehr darüber, und spricht zum Frzsk.: „Freund, haben Sie die sehr tröstlichen Worte vernommen? Wie es mir vorkommt, so haben weder Sie, noch ich recht; und die ganze Sache scheint sich ganz anders gestalten zu wollen. Zwar war die Stimme, die wir zuerst vernommen haben, etwas rauh und voll Ungeduld, und hätte mich beinahe recht tief zu beleidigen angefangen; aber darauf erhob sich eine andere überaus sanfte wahre Engelsstimme, und floß wie ein herrlichster Balsam über meine gedrückte Brust. Ja, Freund, so lasse ich mir den Herrn Jesum schon gefallen; aber wie du Ihn mir mit höchst mangelhaften Umrissen vorgezeichnet hast, so hätte ich Ihn wahrlich nie brauchen können."

03. Spricht der Frzsk.: „Mein lieber Herr Graf, haben Sie denn das nie gehört, daß der ein Schelm und ein Hauptlump ist, der mehr giebt, als er hat? Meine Meinung war wenigstens ehrlich, wenn auch manchmal etwas roh und grob. Das sehen aber der Herr Graf selbst, daß es hier für uns Alle gleich finster ist, und es ist daher auch nicht sehr zu verwundern, daß unsere hell sein sollenden Controversen eben nicht zu hell ausfallen können. Ich hatte aber im Grunde dennoch sehr recht, so ich Sie stets zur Annahme der angebotenen Hülfe von Seiten des Herrn Jesu Christi zu bewegen trachtete. — Der Herr Graf aber waren dabei steinfest für die Nichtannahme dieser angebotenen Hülfe gestimmt, außer höchstens unter allerlei gegenüber der Gottheit wahrlich im hohen Grade lächerlich ärgerlichen Bedingungen. Nun aber haben Sie es mit eigenen Ohren gehört, und so meine ich denn nun auch, daß Sie von nun an weiter keine Anstände mehr finden und haben, und machen werden.

04. Daß ich Christum, den ewigen Sohn des Allerhöchsten — nicht so kenne, wie Ihn seine Engel kennen, das wird etwa doch so hübsch leicht, und sogar ohne Mathematik zu begreifen sein; aber das wußte ich doch, trotzdem ich ein Franziskaner war, daß der gute Herr Jesus nicht gar so tirannisch unerbittlich ist, als wie Ihn der heilige Ignatius von Lojola dargestellt hat. Denn ich habe den Vers stets vor Augen gehabt, wo der Herr Jesus einmal sprach: Kommet Alle zu Mir her, die ihr mühselig und sehr beladen seid; Ich werde euch Alle erquicken! Leider haben die römischen Priester das auf den löblichen Beichtstuhl hingewiesen, an dessen Stufen der Herr Jesus ausschließend allein nur die Mühseligen und Beladenen annehme und erquicke. Aber diese beicht—stuhlische Erquickung hat schon manchen Schwachen zur Verzweiflung gebracht, und manche um alle ihre nothwendige Habe, Ruhe und Leben; Zustände, die wahrlich sehr wenig Erquickliches aufzuweisen haben. Aber in diesem echt römischen Sinne habe ich's nie genommen, sondern wie ich es mir dachte, daß es ein überaus guter Mensch sicher anders thun möchte mit den Beladenen und Mühseligen, als die heilige römische alleinseligmachende Kirche, die nach der stundenlangen Verdammung der armen Ketzer zur ewigen Pein in der Hölle sich das Mittagsmahl ebensogut und ganz harmlos schmecken ließ und noch läßt, als wenn gar nichts vorgefallen wäre, und dabei noch die Keckheit hat, sich eine liebevollste Mutter zu nennen.

05. Und so meine ich denn nun, wie ich auch ehedem meinte: Mühselig und beladen wären wir schon so hübsch, wie etwa der gewiß im höchsten Grade gedrückte Mittelpunkt der Erde. Und so meine ich, hätten wir auch wohl Grund, in die schwerste Masse uns zu dem liebreichsten Herrn Jesus hinzubegeben, und Ihn um die verheißene und NB. bereits angebotene Erquickung anzuflehen. Ich bin ganz bereit, den Anfang zu machen. Wer mir folgen will, der nehme seine Sinne zusammen, und thue das, was ich nun unwiderruflich thun werde."

06. Spricht der Graf: „Aber so warten Sie doch ein wenig! Vielleicht kommen uns noch so einige Winke von irgend einem unsichtbaren Munde, wie wir die Sache anzustellen haben. Denn man kann denn doch bei dem allerhöchsten Herrn nicht gleich mit der ganzen Thüre ins Haus fallen. Sie sind wirklich ein Ehrenmann, und in Ihrer Art recht hellen Verstandes, trotz der uns umgebenden Finsterniß; aber den Fehler haben Sie dennoch, daß Sie diese höchst sonderbar mystischen Lebensverhältnisse dieser Welt, die schon gar keiner Welt mehr gleich sieht, mit zu natürlichen Augen betrachten, und hier ganz so handeln wollen, als wenn Sie auf der Erde im Hause ihrer Eltern sich befinden möchten. Bedenken Sie doch, wo wir sind. Wissen Sie denn, was hier ober uns und unter uns sich befindet? Daher heißt es hier sich eher genauest informiren lassen, bevor man auch den besten Schritt irgend wohin wagt.

07. Ich bin nun keineswegs mehr gegen die Annahme der angebotenen Hülfe. Ja ich freue mich sogar kindlichst darauf, wann wir dieselbe geziemendst und sichern Schrittes werden ansuchen und annehmen können. Ja ich sage Ihnen noch mehr, mein höchster Wunsch geht nun dahin, Christum, den Herrn von Ewigkeit zu ersehen, und in der höchsten Liebe Ihm zu den Füßen zu fallen, und so möglich da aus Liebe zu sterben! Aber, Freund, sogleich mit der Thüre ins Haus zu fallen, oder sogleich die ganze Hand herreißen, so einem ganz mystisch der kleine Finger gezeigt wird, das geht nicht.

08. Die Artigkeit, als ein schönes Aushängeschild eines guten, dankbaren und demüthigen Herzens, wird auf der Erde von jedermann gerne gesehen, und die vorlaute Dreistigkeit gar sehr mißachtet. Sollten wir denn nun hier im Reiche des eigentlichen Lebens annehmen, daß man hier wie ein Gassenbube unartig sein müsse, um bei dem höchsten Herrn der Unendlichkeit etwas durchzusetzen. Daher, mein lieber Freund, nur ein wenig mehr moderato et piano, etwas mehr „Eile mit Weile!" so wird sich meiner Meinung nach schon alles machen."

09. Spricht der Franzsk.: „No ja, no ja, in dem Sinne sollen ja auch Sie einmal nicht Unrecht haben! Vor Gott müssen wir freilich mit der höchsten Artigkeit und in tiefster Achtung hintreten, wenn auch schon Anfangs blos nur im Herzen. Und so warten wir denn noch ein wenig. Vielleicht hören wir noch einmal etwas Tröstliches."

10. Auf diese Worte des Franzsk. wird die ganze Gesellschaft ganz lautlos, und horcht, ob sie nicht irgend etwas Tröstliches vernehme. Aber es kommt von keiner Seite her ein Wort.

11. Nach einer ziemlichen Weile erfolglosen Harrens tritt Einer aus der Gesellschaft vor den Grafen hin, und spricht: „Freund, ich war, was mein allzeitiges irdisches Benehmen und Handeln überklar zeigte, stets ein Magyar mit Leib und Seele, und fürchtete weder Tod noch Teufel. Mein ganzes Leben war von der Zehenspitze bis zum Scheitel meines Hauptes dem schweren Dienste des Ungarnthums geweiht. Du selbst mußt mir das Zeugniß geben, daß ich stets ein glühender Ungar war, und kein Gott hätte mich zu was Anderem bewegen können, als was ich für ein Heil unseres Vaterlandes erkannte. Aber mein und unser aller Erkenntniß war ein Hirngespinnst; denn was wir auch thaten in der fixen Idee, daß es dem Vaterlande frommen werde, das thaten wir, wohlverstanden (!) ohne Gott. Wohl sprachen wir Gebete vor des Volkes Ohren, um es zu berücken; aber wo war da unser Herz, wo unser Glaube, wo die wahre Liebe — zu Gott und zum Volke.

12. Wir wußten, daß wir schwach sind, und es allein mit unsern Gegnern nicht aufnehmen können; wir täuschten aber unsern Feind mit einer blinden nur in den Journalen existirenden großen Macht, und harreten dabei auf eine Hülfe von außen her. Aber diese kam nicht, und wir mußten uns gefallen lassen, daß zufolge unserer illusiven Großthuerei unser Gegner in der Meinung, er habe es wirklich mit einer Halbmillion von den tapfersten magyarschen Kriegern zu thun, die Hülfe Rußlands ansuchte, und auch bekam; und wir waren dann genöthiget, uns wie ein berauschter Esel im volksbelustigenden Zwinger im Angesichte eines freigelassenen Tigers zu gebärden, um doch noch einige Zeit den Völkern Europas zu zeigen, als ob wir Gott weiß was für verborgene unüberwindliche Kräfte besessen hätten. Am Ende aber mußte es denn doch offenbar werden, wie wir bestellet waren, und das Facit war, daß wir unserem Volke durch unsere Hitze nicht nur nichts genützet haben, sondern uns blos nur gestellet zwischen die Szilla und Charybdis, und unsere goldene Hoffnungen gemacht zu leeren Träumen.

13. Daraus aber folgere ich nun, daß wir uns hier auch nicht auf ein Erwarten fremder Hülfe verlassen, und uns auch nicht mehr Kraft und Geduld zugestehen wollen, als wir sie in der Wahrheit besitzen; die Hülfe ist uns bedingungsweise zugesagt worden, so wie uns gleich anfangs unseres unglücklichen Aufstandes von Seite des Wiener Ministeriums auch annehmbare Bedingungen gemacht worden sind. Wir aber nahmen sie nicht an, außer nur unter von uns gestellten Bedingungen, die das Wiener Ministerium nicht annehmen konnte oder wollte; und wir kamen bald darauf zwischen zwei Stühlen am Boden zu sitzen. Und gerade so kann es uns auch hier ergehen, so wir unter allerlei scheinbar rechtlichen Vorwänden suchen, die Annahme der bedingten Hülfe hinauszuschieben. In dem wunderbar klingenden Antrage hieß es: Wendet euch an den Herrn Jesum, und es wird euch geholfen werden; dawider und dafür habe ich nun schon bis zum wahren Eckel zwischen dir und dem Pater Frz. eine mir lästige Menge Worte versplittern gehört; um wie viel besser ist es darum nun mit uns? Noch stehen wir am alten Flecke; darum kein Zaudern mehr! sondern handeln! nach der gegebenen Bedingung; sonst gehe ich auf und davon, und werde für mich ganz allein handeln."

14. Spricht der Graf: „Mein lieber Freund, du bist nun ja über alle Salamander schwarzgelb. Das ist hier ja ganz entsetzlich merkwürdig, daß in dieser über alle Begriffe chimärenhaften Geisterwelt alle Radikalen ganz verteufelt schwarzgelb werden. Am Ende ist die Gottheit denn doch auch so ganz con amore schwarzgelb."

15. Fällt ihm der Andere ganz erregt in die Rede: „Eh, leck' du mich, mit deinem dummen schwarzgelben Sarkasmus! Sage mir in Gottes Namen, was hast denn du (!) gewonnen mit deiner antischwarzgelben Völkerbeglückung? Daß wir Beide, und vielleicht noch einige Dutzend unsertwegen aufgehängt wurden, das ist unser ganzer radikaler Gewinn; und es muß unser höchst antischwarzgelbes Benehmen denn doch auch der lieben Gottheit nicht sehr anständig gewesen sein, ansonst wir nach unserer Justifizirung doch sicher nicht in einen solch jammervollen Zustand wären versetzet worden.

16. Siehe, Freund, obschon wir uns in einer nimmer heller werdenwollenden Finsterniß befinden, so wird es mir aber im Herzen doch stets klarer, und ich sehe es ganz hell ein, daß der Mensch nicht für die Erde, aus der er nur ein Vorbereitungsleben durchzumachen hat, das sozusagen — nur von heute bis morgen währet, sondern für eine reine ewig dauernde Geisterwelt erschaffen ist, in der sich möglicherweise wohl gar leicht die höchste Seligkeit beurkunden kann.

17. Wären wir lieber der österreichischen schwarzgelben Oberleitung und Regierung treu, gehorsam und unterthänig geblieben, und hätten uns so manchen Druck gefallen lassen, besonders — so er zum allgemeinen Besten berechnet war, da stünde es nun besser um uns. Da wir aber der sicher von Gott, oder doch wenigstens durch Seine Zulassung gestellten Regierung ungehorsam geworden sind, und haben selbst Regenten werden wollen, so haben wir aber nun auch den Lohn dafür, der nach meinem Ermessen für unsere irdischen Handlungen ganz vollkommen konvenabel ist. Mache es durch deinen allerradikalsten Sinn besser, so du es kannst. Aber ich meine, daß dir das noch viel schlechter gelingen dürfte, als das: dir die ungarische Reichskrone auf dein Haupt hinauf zu setzen. Wo sind alle die berauschten Eljen's, die dir und deinem Rivalen Koschut dargebracht wurden millionenfach. Siehe, es ist alles stumm, nicht einmal eine lästigste Gelse summst dir etwas ins Ohr. Ich bitte dich, höre doch einmal auf dumm zu sein.' Es ist ja übergenug, daß wir auf der Erde die größten Meisterstücke der menschlichen Dummheit an das helle Tageslicht befördert haben; sollen wir hier davon nicht etwa auch noch einen ewigen Gebrauch machen? Nein, hörst du, davon schaffe ich wahrlich nichts! Lieber für ewig ein ganz gemeinster Einwohner irgend eines schwarzgelben Himmels sein, als in dieser Hölle, sonst dieser Ort wohl nichts ist (?!), einen allerradikalsten König abgeben.

18. Ich aber binde mich nun wohl nimmer an irgend eine Farbe, außer an die des Gehorsams und der wahren Demuth. Und so rufe ich nun zuerst laut aus:

19. „Du allererhabenster, gerechtester und liebevollster Herr und Gott Jesus, Der Du auch mich mit deinem heiligsten Blute am Kreuze erlöst hast, hilf mir! und womöglich uns Allen aus dieser allerlichtlosesten Bedrängniß. Höre nimmer auf das dümmste herrschsüchtigste Eselsgeplärr eines ungarischen hochadeligen Demokraten, bei dem trotz seines vorgeschützten Demokratismus das gemeine Volk dennoch Canaille hieß; sondern höre auch auf uns andere armen Teufel, und helfe uns Allen nach Deiner Gnade und Barmherzigkeit aus diesem großen Jammer, der nun schon wohl einige Tausende von Erdjahren andauerte!"

139. Kapitel. Auch im Grafen wird es hell. Ein herrliches Hochgebirge und ein Palast wird sichtbar. Ein Himmelsbürger naht und gibt liebevollste Belehrungen über die jenseitige Ordnung.

01. Der Graf kehrt sich bei diesem Aufrufe des Redners aus der Mitte der Gesellschaft beinahe um vor Aerger, und will davon fliehen; aber der Franzsk. faßt ihn am Rocke fest, und läßt ihn keinen Schritt weiter thun; und sagt: „Herr Graf, keinen Schritt weiter, Sie haben in Ungarn über uns als erster Minister geherrscht; nach ihren Gesetzen handelten wir! Es wird heller nun; der ewige Richter kommt. Sie werden uns vor Ihm verantworten; verstehen Sie mich?"

02. Der Graf ganz entsetzlich überrascht über den ganz sonderbaren Ernst des Franzsk., und noch voll Aergers über das Gebet des Redners aus der Mitte, geräth in ein förmliches Fieber, und spricht nun ganz sanft und gelassen: „Nun, nun, mir ist, ist, ist, ja so, ja, ja, mir ist schon alles recht; aber nur um das bitte ich euch, daß ihr mich nicht wie einen Raubmörder umbringet. Fallet mich nur nicht gar so maliziös an, ich will ja alles thun!" — Spricht der Frzsk.: „Nun gut denn, aber vor dem ewigen Richter, wie wird es Euch da ergehen, und wie uns als Ihren Helfershelfern?"

03. Spricht der Graf: „Aber lieber Freund, haben Sie es denn nicht früher gehört, daß der Herr uns Allen gnädig und barmherzig sein will; so Er uns aber Gnade für Recht wird ergehen lasten, wie solle Er uns dann richten wollen? was solle denn an uns überhaupt zu richten sein? oder wozu solle der Allmächtige und Allwissende erst eine Konfrontation mit seinen lausigen Geschöpfen halten, um sie durch ihr eignes Geständniß dahin zu bringen, daß sie selbst einsehen, daß sie rechtens verdammt werden. O, das ist ganz verdammt schwach von einem römisch—katholischen Ordenspriester, der Gottheit menschliche Schwächen anzudichten. Gott ist gut und gnädig, dem Er gut und gnädig sein will; den Er aber fallen läßt, dem hilft auch gar nichts; und schon am allerwenigsten das Vorwort eines ungarischen Grafen Bathiani. Ich glaube aber, daß der liebe Herrgott auf den Mist gar nicht schauen wird, den wir uns gegenseitig vor die Thüren gekehret haben; sondern es dürfte schon ohnehin ein Jeder von uns für sich ein ganz bedeutendes Häufchen haben, der sein ganz eigenes Werk ist, und nur dafür dürfte im schlimmsten Falle eine Rechnung verlangt werden, wobei Sie, mein Freund, sich wahrscheinlich sehr schwer auf mich hindeutend werden rechtfertigen können. Verstehen Sie das, mein lieber Herr Pater Ciprianus oder Grobianus, oder was Sie sonst etwa noch sind?"

04. Spricht der Franzsk.: „Schon gut, schon gut, Herr Graf, wir werden es ja doch endlich einmal zu sehen bekommen, wer denn am Ende recht haben wird. Es wird nun immer heller und heller von Osten her, wie es wenigstens mir vorkommt; die Sache muß bald anders werden. Wenn nur der fatale Nebel nicht wäre. Wir müßten sonst bei dieser Helle doch schon hie und da etwas ausnehmen, wenn es hier überhaupt etwas zum Ausnehmen giebt."

05. Spricht wieder der Redner, sagend: „Liebe Freunde und Brüder, höret mich nun an; denn mir ist nun ein guter Gedanke durch meine Seele gefahren, und diesen will ich euch nun kund thun! Sehet, wir sind Alle gleich unglücklich geworden, und Keiner hat etwas vor dem Andern; wie wäre es denn, so wir lieber in echter Bruderliebe und Freundschaft beisammen verharren möchten, und ohne gegenseitige Vorwürfe das erwarten, was die Allmacht Gottes über uns verfügen wird. Es ist ja ohnehin Qual genug, so wir uns vor Gott fürchten wie eine Taube vor den mächtigen Krallen eines Aars. Wozu sollen wir uns selbst da noch hinzu quälen? Meinet ihr denn, daß dadurch das Urtheil Gottes gegen uns milder ausfallen wird? O mit Nichten! Gott thut, was Er will, und keine Ewigkeit bringt Ihn von Seinem einmal gefaßten Urtheile ab! Denn es stehet in der Schrift: Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte nicht! Freunde, darin liegt ein ganz kurioser Ernst, an dem wir für ewig zur Uebergenüge werden zu beißen haben. Daher seien wir wenigstens unter uns freundlich, so uns die Gottheit nimmer freundlich entgegenkommen sollte. Aber es wird nun im Ernste heller und heller, und gegen aufwärts kommt mir auch der Himmel schon recht schön blau vor; nur Sterne kann ich noch nicht ausnehmen; wahrscheinlich werden hier auch keine sein!"

06. Spricht der Graf: „Bravo, Freund Miklosch, deine Sprache gefällt mir schon um ganze tausend Male besser, als die des Pater Ciprianus; wahrlich, ein Pfaffe bleibt denn doch ewig ein gefühlloses Wesen: aber es sei ihm nun alles verziehen! Von nun an werde ich mich ewig nimmer erheben, auch über meinen ärgsten Feind nimmer. Gott gebe uns Allen eine rechte Erkenntniß und eine gegenseitige wahre feste und bleibende Geduld; Sein Wille mit uns Allen!"

07. Auf diese Aeußerung des Grafen werden die Nebel dünner, und es kommt nun Allen vor, als wenn sie noch nicht gar zu lange sich in dieser Gegend befänden. (Am 13. Nov. 1849)

08. Der Miklosch sagt nach einer Weile, als er gegen Abend und Mitternacht ein starkes und mächtiges Gebirge entdeckt: „O Freunde, Freunde, liebe Freunde, da, da, da sehet hin! Land, Hochgebirge, endlich, endlich zum ersten Male Land in dieser Welt, und das ein Hochgebirgsland; eine schwache Seite von mir, so lange ich auf der Erde gelebt habe. Es steht über den majestätischen Anblick eines Hochgebirges denn doch wohl ewig nichts auf! Das sättigt und sänftigt ganz wahrhaft wunderbar das sonst oft gar so hungrige und magere Gemüth des Menschen, und sein Herz wird im Glauben an einen allmächtigen Gott gestärket, und von Liebe zu Ihm entbrannt; und das bewirkt alles der Anblick von einem wahren Hochgebirge. O wie erbauet bin ich nun beim Anblicke dieses allerriesigsten Hochgebirges! Besonders die Spitze zwischen Abend und Norden, so ich mich richtig orientire (?), ist etwas Ungeheuerstes. Wahrlich, die muß über hunderttausend Fuß hoch sein. Gegen diese wären die höchsten Spitzen der Erde wohl kaum Hügelchen zu nennen. Sehet ihr wohl auch dieß prachtvollst herrliche Hochgebirge?"

09. Sprechen Alle: „Ja wohl, ja wohl sehen wir es, das ist eine große Pracht, aber es muß doch sehr weit von hier entfernt sein; denn man kann das aus der graulichtblauen Färbung entnehmen; und doch muß man sich beinahe das Genick ausrenken, so man jene höchste Spitze, die richtig zwischen Abend und Norden sich befindet, erschauen will. Das muß eine Höhe sein! O Gott Lob, Gott tausend Male Lob, daß wir doch einmal etwas zu sehen bekommen, und so ein herrlichs Gebirge noch dazu! O, das ist herrlich, herrlich, herrlich, man könnte sich gerade die Augen ausschauen! Aber merkwürdig ist es, daß gegen Mittag und besonders gegen Morgen noch alles in Nebel gehüllet ist, und doch kommt eine gewisse Helle, wie wir es merken, nur von Morgen her. Die Sonne, so es hier auch eine giebt, muß noch sehr tief unter dem Horizonte stehen, weil selbst auf jenen höchsten Spitzen keine Strahlen anschlagen."

10. Spricht der Graf: „Jedoch, jedoch, wie ich es merke, so steht die höchste Spitze doch schon in den Strahlen, ansonst sie nicht so röthlich schimmern würde. Aber es ist wahrlich etwas ungeheuer Majestätisches: der Anblick so eines Gebirges. Wahrlich wahr, Freunde, wenn wir so einen Führer hätten, da wäre ich wirklich einer der ersten, der sich dazu entschlöße, so ein Gebirge zu besteigen. Von der mittägigen Seite müßte sie nicht einmal gar zu schwer zu besteigen sein; und zu verlieren und zu versäumen hätten wir hier gerade ja auch nichts. Nun, Herr Pater Ciprianus, was sagen denn Sie dazu?"

11. Spricht der Frzsk.: „Was solle denn ich dazu sagen? Ich habe geredet genug, und man hat mich nicht gehört, sondern nur als einen Grobian gescholten; darum bin ich nun stille, und werde blos hören, und darnach handeln, so mir das Gehörte konvenirt! Gehet ihr ins Gebirge, so werde wohl ich nicht allein hier Zurückbleiben; aber ich meine, auf jener sicher unermeßlich hohen Spitze wird keinen aus uns je der Kopf schmerzen, denn da wird man schon beim Hinaufschauen schwindlich; wie würde es einem erst oben ergehen! Ich sage und bleibe daher bei meinem alten Spruche: Berge sind sehr schön zu sehen; doch besser ist es, unten steh'n und hinauf zu schauen, als herab voll Angst und Grauen."

12. Spricht der Miklosch: „Ja, ja, so denke ich auch; wir sind zwar hier wohl Geister, und somit um ganz verzweifelt vieles leichter als auf der Erde; aber von einer solchen Höhe möchte ich denn doch kein Saltum mortale wagen. Wir bleiben daher noch eine Weile, bis es etwas heller wird; und es wird sich dann schon zeigen, was zu thun uns am Ende übrig bleiben wird. Mir geht es immer im Geiste vor, daß wir in Kürze hier ganz seltene Visiten bekommen werden; und so mich meine Sinne nicht täuschen, so kommt dort von Morgen her soeben schon Jemand gerade auf uns zu."

13. Spricht der Graf: „Ja, ja, ich sehe auch Jemanden mit einem sehr faltenreichen Gewande. Am Ende ist das wieder ein neuer Ankömmling von der lieben Erde, etwa auch ein gleich uns Justifizirter?"

14. Spricht der Franzsk.: „Da müßte er gleich uns noch in die irdischen Lumpen gehüllet sein, denn auf der Erde trägt seit den Zeiten der alten Griechen und Römer wohl kein Mensch ein Faltengewand mehr; das wird schon so ein recht alter Bürger dieser Welt sein! No, es wird sich wohl bald zeigen, wer er ist, was er will, oder wohin er geht, und was etwa sein dürfte seines Amtes? Ich werde Ihn zu uns her rufen."

15. Spricht Miklosch: „Freunde, ich glaube, daß wir Ihn gar nicht zu rufen brauchen; denn er bewegt sich ohnehin geradewegs zu uns her, und seine Annäherung macht einen guten, ja ich möchte es sagen, sogar wohlthuenden Eindruck auf mein ganzes Wesen. Das muß ein guter Mensch oder Geist sein! Es wird aber nun auch heller und heller, je näher er kommt. Das ist schon einmal etwas sehr Merkwürdiges, und, oh, oh, da sehet hin gegen Morgen: etwas hinter dem auf uns zugehenden Manne erschaue ich durch die noch ziemlichen Nebel auf einmal ganz deutliche Umrisse eines ungeheuer großen Palastes."

16. Alle wenden ihre Gesichter nun gen Morgen hin und entdecken zugleich, was der Miklosch entdeckt hat, und verwundern sich darüber ganz gewaltig. Der Graf aber sagt: „Sehet, ich hatte früher denn doch recht. Hätten wir uns etwa um einige hundert Schritte weiter bewegt, so wären wir ja doch nothwendig am Ende mit der Nase an dieses Gebäude gestoßen, und hätten dort um einen Einlaß bitten können; so aber sind wir noch hier." — Spricht der Franzsk.: „Das macht nichts, in der Ewigkeit um ein paar Minuten früher oder später, das ist schon einerlei. Aber nun stille; der gute Mann, der wahrscheinlich in jenem Palaste wohnt, ist uns schon sehr nahe, und es erfordert die Artigkeit, daß wir ihm entgegengehen, indem er sich ganz sicher unsertwegen hierher bemüht."

17. Mit diesem Antrage sind Alle einverstanden, und gehen dem Ankommenden sehr anständig entgegen, und als sie mit ihm völlig zusammenkommen, da nimmt der Graf das Wort und spricht: „Mit dero gütigster Erlaubniß zu fragen: „Wohin, wohin denn so eiligen Ganges, werden wohl vielleicht einen noch sehr weiten Weg zu machen haben?"

18. Spricht der Fremde: „Seid mir tausendmal gegrüßt, liebe Freunde und Brüder! Ich komme blos nur euretwegen hierher zu euch; ich habe eure Stimmen vernommen, und bin daher von diesem Hause herausgeeilt, um euch Allen nöthigenfalls eine Hülfe anzubieten, so ihr irgend einer bedürfet. Ich wohne in diesem Hause, das ihr von hier noch etwas im Nebel erschauet." — Spricht der Graf: „Dieselben werden wohl höchst wahrscheinlich der Eigenthümer?"

19. Spricht der Fremde: „Ja, ja, so halb und halb, wie man zu sagen pflegt. Aber sehet, es giebt hier so kein eigentliches isolirtes Eigenthum; sondern alles ist da mehr und mehr gewisserart ein Gemeingut; in diesem Reiche herrscht eine reine Demokratie; denn was dem Einen gehört, das gehört auch allen Andern, die eines Sinnes und eines Herzens sind; und so könnet auch ihr von allem einen Mit—Genußbesitz nehmen, ohne sich dabei zu fragen: Wem gehört hier dieß oder Jenes? Hier herrscht die vollendetste Freiheit, über die nur eines jeden freiester Geist für sich ohne irgend eine Einsprache zu befehlen hat. Was hier Jemand will, das wird ihm auch zu theil."

20. Spricht der Graf: „O schön, schön, das ist eine allerherrlichste Ordnung. Das wollten wir auch auf der Erde erkämpfen; aber es ging da nicht; denn da ist noch immer Potiori Jus! Aber hier scheint demnach das ledige Primo occupanti zu gelten, oder gar das uralte quilibet sui juris?"

21. Spricht der Fremde: „Ja, ja, fast also; aber doch noch etwas anders; denn hier giebt es nur Ein Recht, und das ist das Recht der freien reinen Liebe. Wie die Liebe, so das Recht, aus und durch die Liebe! Was ihr wollet, daß man euch thue, das thuet auch den Anderen. Das ist hier der Grundsatz des Lebens; und weil Jedermann diesen obersten Rechtsgrundsatz zu seiner Hauptlebensmaxime stellt, so räumt er dadurch auch Jedem das freie Recht ein, von allem, was er hat, den vollen Mitgenuß zu nehmen, da er umgekehrt auch das gleiche Recht ganz unbeirret sich herausnehmen darf. Ihr sehet nun jenes Haus schon etwas klarer, und ich sage euch, daß ihr das vollste Mitgenußrecht dieses Hauses habet, weil der Besitzer dann auch entgegen dasselbe Recht hat an einem Besitze, der euch hier irgendwo zu theile werden kann. Seid ihr mit diesen Rechtsprinzipien einverstanden?"

22. Spricht der Graf: „Aber Freund, das ist ja der Communismus in optima forma, oder so ganz eigentlich das reine alte Christenthum. Auf der Erde blüht für solch eine Staatsverfassung wohl noch lange kein Waizen. Es ist wahrlich die natürlichste und beste Verfassung eines Volkes; nur das Ueble ist daran, daß dabei die Trägheit vor dem Fleiße in einer mächtigen Bevortheilung sich befindet."

23. Spricht der Fremde: „Freund, du irrst dich, der Träge und der Fleißige stehen hier in keiner Gemeinschaft; weil der Träge unmöglich das wollen kann, was da will der Fleißige. Hier ist das Wahre — „Gleich und Gleich gesellet sich", und das Ungleiche scheidet sich von selbst aus. Denn wenn der oberste Rechtsgrundsatz also heißet, daß ein jeder seinem Bruder gerade dasselbe zu thun hat, was er im Gegenfalle von seinem Bruder wünschen kann, daß dieser ihm thäte, so ist dann das schon durch sich selbst erklärt, daß nehmlich der Träge von seinem fleißigen Bruder wohl alles ihm Zusagende wünschen würde, ohne jedoch im geringsten des Sinnes zu sein, dem Bruder das zu thun, was er von ihm wünscht. Das aber gehet hier schon durchaus nicht, da hier eben ein jeder Geist über alle Maßen nur suchet und trachtet, allen seinen Brüdern zu nützen auf jede mögliche Art. Wer aber träge und nicht von diesem Geiste beseelt ist, dem eckelt es alsbald vor solcher Cosmopolitie, und er sucht sich bald eine Gesellschaft aus, die in allem seines Sinnes ist. Wie es aber nach kurzem einer solchen ganz isolirten Faulenzer—Gesellschaft ergehen kann, das und noch so manches dürfte wohl Jedem aus euch ohne viele Erläuterung klar sein. Ihr saget dazu: Ja!

24. Weil ihr denn nun das vollends klar einsehet, und das Rechtsgesetz dieser Welt, in der es keinen Tod mehr giebt, — so verhaltet ihr euch denn auch so! wie es in euch und eurem höchst eigenem Interesse dieß Gesetz fordert, so seid ihr dadurch schon vollkommen Bürger dieser Welt, und könnet von Allem einen guten euch dienlichen Gebrauch machen, so ihr meinetwegen in jenes Haus ziehen wollet, um dort irgend eine Erquickung zu nehmen; nur müsset ihr aber den festen Willen mitnehmen, diesem Hause auch auf jede mögliche Weise nützlich sein zu wollen."

25. Spricht der Graf: „Mein geehrtester, lieber Freund, das versteht sich von selbst; denn ich wollte ja beiweitem lieber gar nicht sein, als von Jemanden etwas anzunehmen, das ich ihm nicht auf eine oder auf die andere Art wieder rückerstatten könnte. Und wie ich da gesinnt bin, so ist auch diese meine ganze Schaar; dafür getraue ich mich, einen Bürgen zu machen, und das mit dem besten Gewissen von der Welt. Aber nun, lieber Freund, der du schon sicher länger diese Gegend bewohnest, und dich überall gut auskennen wirst, sage uns Allen gefälligst, wie wir uns zu unserer Hülfe an den alleinigen Gott Himmels und der Erde, also an Jesum den Gekreuzigten, wenden sollen? Wo ist Er? und werden unsere allersündigsten Augen je Sein heiligstes Antlitz auf einige Augenblicke zu sehen bekommen?

26. Wir sind ehedem, als es hier noch sehr finster war, ein paar Male durch eine Stimme förmlich aufgefordert worden, uns an Jesum zu wenden, so es uns geholfen werden solle. Anfangs hielt ich das mehr für eine Art akustische Täuschung; aber nach und nach wurde mir die Sache klarer, und ich fing an es einzusehen, daß da an der Sache wirklich was daran sein müsse. Aber wie eben diese Sache effektvoll anpacken, das ist eine andere Frage, und diese Frage würde uns höchst wahrscheinlich wohl kein Wesen besser beantworten können als geradewegs du, der du hier sicher in Allem und Jedem schon ganz zu Hause sein wirst."

27. Spricht der Fremde: „Ganz gut, ganz gut, meine lieben Freunde, denn in dieser Welt bin ich ganz und sozusagen überall vollends zu Hause; aber was da euer Anliegen betrifft, so habt ihr euch ja ohnehin schon an den Herrn Jesum gewendet, weshalb es auch sogleich heller um euch geworden ist, und ich brauche euch dann in dieser Sache nichts Weiteres mehr zu eröffnen. Behaltet Jesum nur hauptsächlich in eurem Herzen, so wird euch ehestens die beste Hülfe in Allem werden. Aber nur müsset ihr allen euren von der Welt mit hergebrachten Hochmuth, Stolz, Eigendünkel, alles Rachegefühl und die leidige Sinnlichkeit in Bezug auf das weibliche Geschlecht für ewig von euch verbannen, und alles Jesu, dem Herrn, anheimstellen, so werdet ihr Jesum nicht nur auf einen Augenblick zu Gesichte bekommen, sondern werdet für ewig bei Ihm, um Ihn, und in Ihm sein. Denn Seine Güte ist unermeßlich."

140. Kapitel. Weitere Frage an den fremden Besucher über Jesus und dessen Aufenthaltsort. Seine rätselvolle Antwort.

01. Spricht der Miklosch, ganz entzückt über die angenehmen Worte des Fremden: „O liebster Freund, da du den Herrn Gott Jesum Christum sehr gut zu kennen scheinst, ansonst du doch sicher nicht mit solch einer Zuversicht von Ihm reden könntest, so sei denn auch so gut, und gebe uns Allen gefälligst eine kleine Beschreibung vom Herrn Jesu Christo, und zeige uns nur so ungefähr die Gegend an, wo Er Sich mit Seinen seligsten Freunden vorzugsweise aufzuhalten pflegt."

02. Spricht der Fremde: „Liebe Freunde! Was da die erste Frage betrifft, so muß Ich euch sagen, daß gerade Ich Selbst die größte Aehnlichkeit mit Ihm habe; persönlichermaßen sieht Er gerade so aus wie Ich; auch Seine Stimme ist ganz wie die Meinige. Fürwahr', wer Mich sieht, der sieht das wirklich vollkommene Ebenbild Jesu des Herrn. Ihr dürfet also nur Mich recht fest ins Auge fassen, so sehet ihr auch schon so gut wie Jesum Selbst, der Gestalt nach.

03. Was aber die zweite Frage betrifft, nehmlich das Wo? so ist die Antwort darauf denn doch ein wenig schwieriger, obschon am Ende alles auf Eins hinausläuft; im allgemeinen aber wohnt Er im ewigen Osten, und vom irdisch naturmäßigen Standpunkte aus betrachtet in der großen Gegend des Sternbildes, „der Löwe", und in der entsprechenden geistigen Zentralsonne, die da umfaßt die naturmäßige unter dem Namen Regulus, und über sie hinaus die ganze Unendlichkeit. Habt ihr Mich wohl verstanden?"

04. Spricht der Graf: „Ja, so gut es nur immer gehen mag; aber daß Du dabei so ein wenig dunkel Dich über das Wo geäußert hast, das wird wohl Jeder aus uns gemerkt haben. Wie da Deine persönliche Aehnlichkeit mit Jesu, und Sein wahres Wo am Ende auf Eins hinauslaufen können, das, liebster Freund, mußt mir schon vergeben, ist mir ein bischen zu rund! Denn was hat Deine sozusagen zufällige Aehnlichkeit mit dem wahren Wo des Herrn Jesu zu thun? Wie kann das Eins sein? Da mußt Du Dich im Eifer denn vielleicht doch ein wenig verredet haben. Sei demnach so gut, und deute uns diese Sache ein wenig klarer!"

05. Spricht der Fremde: „Ja, mein lieber Bathiani, schau, hier ist es schon einmal so. Es muß Einem da aber ja auch gerade nicht Alles auf einmal klar sein; siehst denn nicht, wie diese Gegend von den fatalen Nebeln nicht auf einmal klar werden will; also geht es auch mit so mancher Antwort. Eine vollständige Antwort macht den Geist träge, weil er um nichts weiteres mehr zu fragen hat; ist aber die Antwort etwas dunkel, o, da wird der Geist dann über alle Maßen fleißig, um sich in einer kleinen Dunkelheit wieder zurecht zu finden. Sieh, über die Gestalt Jesu des Herrn hast du keinen weitern Anstand erhoben, und dein Geist gab sich auf diese klare Antwort sogleich seiner trägen Ruhe hin, und fragte um nichts mehr; aber die Dunkelheit der zweiten Antwort erweckte ihn wieder, und er nöthigte dich dann sogleich, daß du weiter fragen mußtest; und siehe, das ist gut! Mache dir daher in der Zukunft über irgendwo vorkommende Brocken nichts daraus, denn zu rechter Weile wird dir schon ohnehin alles klar werden!"

06. Spricht der Graf: „Das ist alles recht schön, gut und wahr, aber mystisch, sehr mystisch bleibt es immer." Fällt ihm der Franzsk. ins Wort und sagt: „Ja, ja, ja, mystisch, mystisch, und halt immer mystisch! Wir müssen froh sein, daß uns dieser Freund so viel Aufschluß ertheilt, nicht aber, daß wir noch seine herrlichen Worte bekritteln sollen. Mich z. B. hat die zweite Antwort gar nicht im Geringsten genirt; Sie, Herr Graf, aber möchten halt schon wieder die ganze Hand, wo Ihnen ein Finger gezeigt wurde. Ich finde darinnen wahrlich keine Höflichkeit mehr, die Ihnen doch sonst so eigen war!" Spricht der Graf: „Freund, das geht Ihnen wenig oder nichts an! Wenn Sie eines trägen Geistes sind, so seien Sie es immerhin, aber von meinem Geiste haben Sie keine Trägheit zu verlangen!"

07. Spricht der Fremde: „Ruhig, ruhig, Freunde, denn in solchem Eifer läßt sich nichts Großes und Wahres erreichen. Liebe sei euer Führer!"

141. Kapitel. Der Franziskaner spricht über die Liebe und kritisiert den Grafen wegen seines Titels. Dessen aristokratische Antwort. Miklosch's Vermittlung und gute Missionswinke.

01. Spricht der Franzsk.: „Haben Sie's nun gehört, was dieser edle gute Freund gesagt? Die Liebe solle unser Führer sein! mit sehr wenig Worten ungeheuer viel gesagt, ja, ja, und noch ein und Hunderttausendmale ja, die Liebe, die Liebe, die große heilige Liebe! Darin liegen alle Geheimnisse des Lebens verborgen.

02. Wir kennen wohl auch eine Art Liebe; aber diese heißt bei uns Nro. 1 Eigenliebe und Nro. 2 Fleischliebe, das heißt das Fleisch des schönen Geschlechtes. Mit der Liebe haben wir beide so manches Abenteuer zu bestehen gehabt. Aber jene göttliche Liebe, die noch am Kreuze unter den größten Schmerzen für seine Mörder den ewigen Vater der Aeonen um die vollste Vergebung bitten konnte, Herr Graf, von solch einer Liebe hat uns Beiden wohl noch nie etwas geträumt; und doch ist nur in dieser Liebe Alles enthalten, was das Leben bedingt.

03. Unsere Feinde verderben, ihnen alles Ungemach über ihre Köpfe wünschen, den österreichischen Thron in die kleinsten Splitter zerstören, und seine Besitzer der Hölle überliefern, dazu, kommt es mir vor, wären wir ganz gemacht; aber Die segnen, die uns verflucht haben, unsern Missethätern Gutes thun, und Jene aufnehmen und beherbergen, die uns verfolget haben, von dem ist noch keine Spur in unsern Herzen. Denn bisher haben wir geheim noch immer eine mögliche Rache gebrütet. Ueber seine Brüder ein gesetzliches Recht sprechen, und sie verurtheilen aus irgend einer Macht heraus, ist wahrlich keine Kunst; Brüder wegen irgend einer Meinungs—Verschiedenheit hassen, und sie der göttlichen Gnade für unwerth erklären, ist eine ganz leichte Sache; aber Meister der höchst eigenen Leidenschaften zu werden, und über alle Schwächen der oft sehr blinden Menschen die reine göttliche Liebe allein walten lassen, und ihnen ohne Unterschied ihrer blinden Thaten die Gnade und Vergebung von Oben herab aus vollstem Herzensdrange wünschen, und mit allen Brüdern, mögen sie so oder so beschaffen sein, eine gleiche Geduld und Erbarmung haben, Freund, das ist eine ganz andere Kunst, als mit 800 Kanonen und 100 000 Spiesen die ganze Welt magyarisch oder polnisch, oder russisch machen wollen.

04. Und sehen Sie, werthester Freund, das ist eben die Liebe, die große heilige Gottesliebe, das Geheimniß alles Lebens, von der uns Beiden noch nie etwas geträumet hat. Und so ich mich nicht irre, da hat dieser unser uns noch unbekannter Freund gerade diese Liebe gemeint, daß sie unser Führer werde! Wie aber wird das möglich sein, so lange wir nicht viel besser als Hunde und Katzen miteinander harmoniren, und heimlich in uns noch immer auf Rache über unsere Feinde sinnen. Aufrichtig gesagt, von Ihnen Herr Graf ärgert mich hauptsächlich das am meisten, daß Sie Ihren Titel nicht einmal ablegen wollen; zu verstehen hab' ich's Ihnen doch einige Male so ganz handgreiflich gegeben. Aber wer nichts davon verstehen will, das sind Sie! Ich habe meinen Pater Frzsk. schon lange bis auf den letzten Tropfen verabschiedet, und es ist keine Spur mehr davon an und in mir vorhanden! Warum haben Sie es mit ihrem „Hrn. Grafen" nicht auch schon lange also gemacht? Glauben Sie mir sicher, ich hätte Sie als Mensch und Bruder wohl nie mit einer Silbe beleidigt, so mich an Ihnen der Graf, der in dieß ernste Geisterreich noch viel schlechter paßt, als die gröbste Faust auf das Auge eines zarten Säuglings, nicht noch ärger genirt hätte, als einen müden Wanderer sechsunddreißig Hühneraugen, und einen Hungrigen eine ganz leere Börse. Ich bitte Sie aber nun um Ihres eigenen Heiles willen, geben Sie selbst dem Herrn Grafen Bathiani einen Nasenstüber für ewig, und Sie sollen nimmer ein Wort aus meinem Munde vernehmen, das Sie nur im geringsten beleidigen solle; und ich will Sie für alle Ihnen angethanen Beleidigungen aus meinem ganzen Herzen um Vergebung bitten. Wenn Sie es schon meinetwegen nicht thun wollen, so thun Sie es doch dieses edelsten Freundes wegen, aus Dessen Munde schon so viel Tröstendes für unsere traurigen Herzen geflossen ist."

05. Spricht der Graf: „Aha, aha, hinc ergo ille lacrimae! Mein lieber Ciprian, so wohlfeil wird der Graf nicht verkauft, das sage ich Ihnen! Dieser Freund, der auch sehr weise zu sein scheint, hat so was von mir noch nicht verlangt; und so er's verlangt hätte, da fragt sich's, ob ich seinem Begehren sogleich gewillfahret hätte! Denn das Geschlecht Bathiani ist sehr alt, versteh'n Sie das? (Spricht Fr.: „O ja!") Bleiben Sie, was Sie sind, und ich was ich bin. Was genirt Sie das, ob ich ein Graf, oder kein Graf bin? Hat es denn nicht auch sehr fromme Grafen, Fürsten und Herzoge gegeben? Oder kann man als ein Graf Gott nicht ebensogut, und vielleicht noch besser als sonst ein ganz hundsgemeiner Batzen lieben? Ich glaube, die feine Bildung eines echten Kavaliers wird für eine reine Liebe denn doch wohl fähiger sein, als die eines gemeinen Stallbesens. Und Gott müßte nicht vollkommen sein, so Er am Unvollkommenen ein größeres Wohlgefallen hätte, als an etwas, dem doch die ganze Welt die größere Vollkommenheit zugeben muß. Warum werden denn sogar im Himmel die vollkommensten Engel „Erzengel" genannt? Auch nennt man sie Fürsten des Lichtes, und Herolde der Macht Gottes! Wenn also aber schon unter den Erstgeschaffenen vollkommensten Geistern Gott Selbst eine bestimmte Rangordnung gestellet hat, die Er sogar unter den Weltkörpern, Bergen, Flüssen, Seen, Meeren, Pflanzen und Thieren genau beobachtet hat, und zwar so, daß sich gegenseitig wohl Alles dienen muß; aber dessen ungeachtet bleibt die Sonne fortan Sonne, und kann zu keinem gemeinen Planeten herabgezogen werden, und der Tschimborasso bleibt Tschimborasso, und kann zu keinem Maulwurfhügel herabgedrückt werden, und zwischen einem Amazonenstrome und einem Bächlein, das in einer Stunde kaum einen Eimer Wasser liefert, wird hoffentlich doch auch ein merklicher Unterschied sein.

06. Möchten Sie denn nicht die Gottheit darum angehen, daß sie solche Ihnen sicher lächerlich und ärgerlich vorkommende Prioritätsrechte in der großen Natur annullieren möchte. Warum hat denn dereinst Jehova nur Einen Saul, Einen David, und Einen Salomo zu Königen und Herren über's ganze jüdische Volk gesetzt? Hätte Er nach ihrer Meinung nicht lieber das ganze Volk zu lauter Königen salben sollen? So hat meines Wissens Gott auch dem David die ausschließende Verheißung gemacht, daß Er aus des Davids Stamme den künftigen Messias der Welt erwecken werde, und daß des Davids Stamm bestehen werde ewig. Sagen Sie mir, hat da die Gottheit nach Ihrer Logik — nicht einen ungeheuern Putzer gemacht, daß sie gerade Einen Menschen aus Millionen gar so sehr bevorzugt hat. Mußte der Herr Jesus denn gerade von der Maria, die königlichen Stammes von David her war, geboren werden; und mußte denn Joseph, der desselben Stammes war, Sein Nährvater sein. Lesen Sie, oder haben Sie es nie gelesen, wie im Buche, ich glaube die Chronik genannt, von Adam angefangen die edle Primogenitur bis auf Jesum treulich nachgewiesen wird? Wozu solle denn solch ein sehr aristokratisch aussehender Galimathias gut sein? Sollen nach Ihrer Meinung nicht lieber alle Menschen wie die Spatzen gleich sein, bei denen es auf eine Primogenitur sicher sehr wenig ankommen wird.

07. Sehen Sie, sehen Sie, lieber Freund, wie können Sie je eine Prioritäts—Ordnung, die die Gottheit Selbst doch alleranschaulichst eingeführt hat, nun auf einmal aufheben wollen? Habe ich mich denn selbst zu einem Grafen gemacht, oder hat das nicht die Gottheit so geordnet, daß mein Stamm in das gräfliche Patriarchat aufgenommen werden mußte? Hat aber Gott einmal etwas geordnet und bestimmt, dürfen das wohl Menschen so bloß nach ihrem Gutdünken aufheben? Ich bin Graf von Gott aus, und kann daher dieses allerehrwürdigsten Vorzuges nicht von Seite eines gallsüchtigen und ehrneidigen Franziskaners entsetzt werden. Haben Sie mich verstanden, mein lieber Pater Ciprianus?!"

08. Spricht der Franzsk.: „Und ob ich Sie verstanden habe, und vielleicht besser, als Sie es meinen dürften! Denn ich habe aus Ihrer mit allerlei fraglichen Beweisen unterspickten Rede auch das ganz klar entnommen, daß dem Menschen, der weder eine Sonne, noch ein Tschimborasso, und ebensowenig ein Amazonenstrom ist, nichts schwerer ist, als sich zu demüthigen, und seine auf der Welt erreichten Hoheitsvorrechte fahren zu lassen. So habe ich aus Ihrer wirklich genialen Rede auch das herausgefunden, daß es den irdischen Hohen sehr schwer wird, so klein zu werden wie die Kinder, die noch von keiner irdischen Vorzüglichkeit etwas in sich verspüren, und nach dem Worte Gottes wegen solcher ihrer wahren irdischen Geringheit allein die Befähigung haben, in das Reich Gottes einzugehen. Und auch das habe ich ganz merkwürdiger Weise darinnen gefunden, was einst der Herr und Gott Jesus zum reichen Jünglinge gesagt hat; wo nehmlich ein Kameel leichter durch das Oehr einer Nähnadel käme, denn ein Reicher, oder Hoher, was eins und dasselbe ist, ins Himmelreich.

09. Freund, ist denn das Senfkörnlein, mit dem der Herr Selbst Sein Reich verglich, etwa ein Tschimborasso oder ein Amazonenstrom? O nein, es ist unter den Samenkörnern das kleinste, wie es der Herr Selbst ganz klar angedeutet hat. So aber der Herr Selbst Sein Reich mit einer solchen Kleinigkeit vergleicht, wodurch Er ganz sicher die äußerste Demuth des Menschen andeuten will, so kann man denn hoffentlich doch nicht annehmen, daß Tschimborassos und Amazonenströme auf der Oberfläche des kleinen Körnchens Platz finden sollen. Auch sagt Er, daß unter den Aesten des ausgewachsenen Senfgesträuches die Vöglein des Himmels Wohnung nehmen werden. Hätte Er da zu Gunsten der irdischen Hoheit nicht vielmehr sagen sollen: Und unter seinen Aesten werden Vogelgreife, Aar's, Lämmergeier, Strauße und Kasuars Wohnnung nehmen, — um dadurch anzuzeigen, daß man wenigstens doch ein Baron auf der Welt sein mußte, um ins Himmelreich aufgenommen zu werden.

10. O mein lieber Herr Graf, Sie können mir mit tausend Beweisen kommen, und ich werde stets bei dem Spruche Christi verbleiben: Was vor der Welt groß, hoch und herrlich ist, in was immer für einer Hinsicht, das ist vor Gott ein Gräuel. Ich möchte Alles darauf wetten, daß wir, so uns je die Gnade zu Theile werden möchte, ins Himmelreich eingehen zu dürfen, weder einen König David, noch einen Salomo als König, keinen Kaiser Karl den Großen, und auch keinen heiligen König Stefanus von Ungarn, und somit auch keine Fürsten und Grafen Bathiani's antreffen werden; sondern, so sie schon im Himmelreiche sind, lauter liebe gegenseitig dienstbeflissene Brüder, die Alle nur Einen Gott, Einen Herrn und Einen Vater haben. Aber in der Hölle, da dürften noch so manche eisenfeste Erzaristokraten sich gegenseitig ganz ausgezeichnete Honnörs machen! — Da, dieser unser edle Freund, unser ersehntester Trostmann, möge mich auf's Maul schlagen, so ich hier eine Unwahrheit geredet habe; will Ihnen aber dadurch nur gesagt haben, wie ich Ihre Rede so für mich verstanden habe. Der edle Freund aber möge zwischen uns Beiden einen giltigen Schiedsrichter machen, wenn Sie nichts dawider haben." (Am 20. Nov. 1849)

11. Spricht der Graf: „O mit Nichten; ich habe dagegen gar nichts einzuwenden. Es bedarf aber da meiner Meinung nach keines Schiedsrichters; denn Sie haben Recht für Ihren Theil, und ich desgleichen für meinen Theil. Ich will Ihnen zu ihrer künftigen Seligkeit nichts in den Weg legen, und Sie lassen mich von nun an der meinigen zugehen; und so sind wir Beide ohne alles Schiedsgericht auf die leichteste Weise quitt miteinander." — Spricht der Franzsk.: Requiescat in pace per omnia saecula saeculorum, et lux perpetua luceat ei! Oder frei ins Deutsche übersetzt: Bei dem ist Taufe und Krisam verdorben! — Alles kann gewonnen werden, selbst ein Judas Ischariot; aber bei einem Magnus Hungariae ist jeder noch so wohl gemeinte Versuch rein für und zu nichts. Darum noch einmal: Requiescat in pace! etc. etc."

12. Spricht darauf der Miklosch, der sich unterdessen mit dem Fremden unterredet hatte, sagend: „Freunde, ihr hadert so hübsch fest miteinander, aber ich sage euch, euer Hadern kommt mir so vor, wie das Getreidedreschen der kleinen Kinder, die mit kleinen Spieldreschflegeln, so die starken Eltern in der Wirklichkeit dreschen, in einem abgelegenen Winkel der Scheune auf einem leeren Strohhalme herumpicken;

13. ich sage euch's: „Wir werden und können uns gegenseitig schon darum nicht bessern, und in eine gerechte Ordnung bringen, weil wir — als ein Jeder für sich — schlecht sind von A— Z; was nützt es denn uns, so wir uns gegenseitig auch noch so weise belehren, wenn wir aber als That dennoch nichts Weises und Gutes aufzuweisen haben, und der Belehrte dem Lehrer entgegen sagen kann: Was lehrst du mich in eine gute Ordnung zu treten, und wandelst selbst in der größten Unordnung? ordne dich zuvor selbst, und so ich an deiner Ordnung ein Wohlgefallen finden werde, dann warte, bis ich selbst zu dir komme, und sage: Bruder, deine Ordnung gefällt mir! Weihe mich ein in alle die Vortheile und geheimen Grundsätze derselben. Es fehlt uns auch alle nöthige Erfahrung in dieser neuen Welt, und wir wissen im Grunde Alle zusammen nichts, was da die Wege und Verhältnisse dieser Welt betrifft; wie sollen wir uns dann gegenseitig über dieselben belehren können.

14. Es war deine Rede, mein lieber Freund Ciprian, sicher sehr schön, und ganz echt evangelisch christlich, und hätte von einer Kanzel auf der Erde gesprochen viel Aufsehen, und vielleicht auch manche gute Wirkung zur Folge gehabt; aber welche Wirkung hat sie bei meinem Freunde Bathiani hervorgebracht? Siehe, gerade das Gegentheil, als was du damit hast bezwecken wollen. Was aber ist davon die leidige Ursache? Siehe, nichts anderes, als das, was der Herr einst auf der Welt zu Farisäern, so ich mich nicht irre, gesagt hatte, da Er sie als blinde Blindenführer bezeichnet hat, und ausdrücklich hinzusetzte, daß nehmlich kein Selbst—Blinder wieder einen Blinden führen kann.

15. Sehet, hier in unserer Mitte weilt ein überaus erfahrener Führer, der in dieser Welt schon gar sehr wohl sehend ist; diesen ersuchen wir Alle einstimmig, uns des rechten Weges zu führen; und ich bin fest überzeugt, daß von Ihm Ein Wort mehr wirken wird, als so wir Blinde uns gegenseitig noch eine halbe Ewigkeit herumstupfen würden, und dreschen einen leeren Strohhalm."

16. Spricht der Graf: „Ja, ja, mit diesem Antrag bin ich ganz vollkommen einverstanden, da werde ich auch alles thun; aber der gute Ciprianus, der zeitweilig ein sehr bedeutender Grobianus ist, solle mich mit seinem requiescat gerne haben. Ich läugne es nicht, daß seine letzte Rede mehr als gut und echt evangelisch war; aber wer gab ihm denn das Recht, mich damit führen zu wollen? Er ist de fakto doch um kein Haar besser als ich; wie will er mich dann lehren?

17. Eine wahre Lehre muß von einem sanften, reinen und erleuchteten Herzen ausgehen, und darf keine satyrischen Witzfloskeln in sich tragen; dann wird sie auch stets von der besten Wirkung sein. Aber eine noch so in sich selbst reine Lehre, wenn sie mit sichtlicher Satyre unterspickt ist, verdirbt allzeit mehr, als sie gut macht. Denn so ich gebessert werden solle, darf ich nicht beleidigt, sondern nur sanft und wahrhaft brüderlich überzeugt werden. Der Freund Ciprianus aber beißt mit seiner Lehre ja ärger denn die schärfste Paprika um sich herum. Wer — Teufel — solle sich dann nach solch einer Lehre kehren? Aber dein Antrag, Bruder Miklosch, ist ganz was anderes; ah, darnach kann man sich schon richten, und ich werde mich auch darnach richten."

18. Spricht der Franszk.: „Ja, so ihr Alle das thuet, was schon lange mein sehnlichster Wunsch war, so sind wir Alle ja schon längst in der allerschönsten Ordnung. Bitten wir daher Alle diesen lieben Freund, daß Er uns die rechten Wege zeigen möchte, die wir dann aber auch ganz unverwandt wandeln wollen und werden!"

142. Kapitel. Ernste Predigt des Fremden gegen den Richtgeist unter Brüdern. Einwurf des vergeltungssüchtigen Franziskaners. Der Fremde über Herzensordnung.

01. Spricht der Fremde: „Meine lieben Freunde! Ich verlange von euch noch keine Bitte, sondern blos nur ein folgsames sanftes Herz; alles Andere wird dann schon von selbst kommen, und ihr sollet dann ewig an nichts einen Mangel zu erleiden haben. Aber ihr müsset euch fürderhin wegen irgend einer Meinungsverschiedenheit nicht mehr anfeinden, und euch gegenseitig eine Menge Sünden vorwerfen, und euch gegenseitig beschuldigen, als hättet ihr ein Recht, auch zu richten und zu verurtheilen!

02. Da ihr Alle in der Schrift so ziemlich bewandert zu sein scheinet, so müsset ihr es ja auch wissen, daß, wer zu seinem Bruder sagt: Du Racker! er des Gerichtes schuldig sei; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr! des ewigen Feuers in der Hölle schuldig sein solle. So ihr dieses wisset, wie könnet ihr dann hadern miteinander. Ich sage es, ein Jeder aus euch Allen ist für sich voll Fehler und Gebrechen, und hat genug vor seiner Thüre zu fegen; daher mache sich Keiner breit über die Fehler seines Bruders; denn das ist am meisten ein Gräuel vor Gott.

03. Auf der Erde wohl weiß Ich leider, wie Brüder gegen Brüder zu Felde ziehen, aus purem Hochmuthe und der bellendsten Habsucht; denn da will ein Jeder weiser sein als der Andere; ein Jeder hält sich für fehlerfrei gegenüber seinem Bruder, und zeichnet seinen Bruder oft mit allen Farben der Hölle. Besonders schief und scheel werden die irdisch Wohlhabenderen von den Aermeren angesehen und beurtheilet, wozu freilich ein nicht selten zu knickerischer Geist der Wohlhabenderen die Veranlassung ist. Da aber der Wohlhabende auch stets der Mächtigere ist, und der Aermere bei ihm Dienste und Brod suchen, und ihm dadurch die Priorität zugestehen muß, so thut er das aber dennoch nicht aus Liebe, sondern aus Noth, und es wurmt ihn heimlich nicht selten ganz entsetzlich, daß er seinem Bruder untergeordnet sein muß und befolgen dessen Gebote, während er doch um sehr vieles lieber seinen wohlhabenden Bruder auf jede erdenkliche Art beherrschen möchte. Daß, wie ehedem bemerkt, auf der Erde leider zwischen Brüdern solche Verhältnisse stattfinden, ist traurig genug gegenüber dem reinsten Gottesworte.

04. Aber hier im Reiche der Geister, wo von keinem Mangel, von keiner Armuth, und von keiner Priorität mehr die Rede sein kann, dürfen solche irdisch aussehende Gehäßigkeiten wohl ewig nimmer zum Vorscheine kommen. Denn ich sage es euch ohne Hehl: Wer seinen Bruder haßt aus was immer für einem Grunde, in dem ist Gottes Gnade nicht, und seine Seele ist ein Teufel voll Hochmuthes, und voll unversöhnlichen Geistes, und ihr steter Wunsch ist — alles Ungemach und Unglück, zu einer gewissen strafartigen Witzigung ihren Brüdern, darum sie ihr ein eingebildetes Unrecht anthaten.

05. Eure gegenseitigen Belehrungen mögen noch so gut und richtig sein; was nützen sie aber, so hinter ihnen ein gewisser Prioritätseifer, Herrschlust, Eigennutz und allerlei Habsucht stecken. Wer seinen Bruder wirksam lehren will, der muß zuvor den Balken aus dem eignen Auge entfernen, und dann erst voll Liebe zum Bruder sagen: Mein theuerster Bruder, ich sehe, daß ein Splitterchen eines deiner Augen trübet; komme zu mir, oder lasse mich zu dir hingehen, auf daß ich es dir ganz sanft aus dem Auge nehme. Sehet, sogestaltig wird dann jede Lehre, die sich Brüder gegenseitig ertheilen, voll der herrlichsten Wirkung sein, aber so Brüder durch ihre gegenseitige oft ungebetene Belehrung nur zeigen wollen, daß Jeder aus ihnen der Weisere und Bessere sei, und der am meisten Autoritätswürdige, da ist die beste Belehrung kein nütze, sondern verdirbt nur, und macht es schlechter, wo sie leider oft nur zu augenscheinlich eigennützig bessern wollte.

06. Sehet, Ich bin ein rechter Lehrer; denn Ich verlange von euch Nichts, als daß ihr das annehmet, das allein zu eurem höchst eigenen Frommen dienen kann; und so müsset ihr Alle sein gegenseitig, dann werden gesegnet sein eure Worte.

07. Der Bruder Miklosch ist ehedem euch Allen gegenüber also aufgetreten, und seine Worte haben sogleich Eingang in eure Herzen gefunden; hätten der Brd. Cipr. und der Bath. auch also gesprochen, so wäre diese ganze Gesellschaft schon um viele Schritte weiter; aber diese Beiden wollten einander nur — und zwar ganz evangelisch — beweisen, daß ein Jeder aus ihnen der Vorzüglichere ist, und so lag in ihren Worten denn auch kein gesegnetes Gedeihen.

08. Leget sonach nun alles ab, was nur immer einen Schein von irgend einem Vorzüglichkeits—Gelüste in sich birgt, ansonst ihr nicht Kinder eines und desselben Vaters im Himmel werden könnet! Was könnte es euch wohl nützen, so ihr es mit eurer gegenseitigen Bekehrung dahin brächtet, daß Einer dem Andern eine ganze Welt abgewänne, dabei aber an der eigenen Seele den größten Schaden erlitte, was wohl wird er geben können, seine eigne Seele zu erlösen aus dem Pfuhle des Verderbens.

09. Ihr kennet doch das Gebet des Herrn? Sehet, da lautet es unter andern: „Vergieb uns unsre Sünden, so wie wir sie vergeben unsern Brüdern, die sich an uns versündiget haben. So ihr aber allerlei schwere Versöhnungsbedingungen stellet, die von dem Gegenparte oft kaum zu erfüllen sein dürften zu eurer Genüge; auf was basiret ihr dann eure Parallelbitte zu Gott?

10. In der Schrift heißt es auch: Segnet, die euch fluchen, und thut Gutes denen, die euch hassen und Uebles wollen. So ihr aber schon als Freunde und Unglücksgenossen euch untereinander zerzausen möchtet, was würdet ihr dann euren Feinden thun. Und doch sage Ich es euch, daß aus euch Keiner eher in das Gottesreich wird eingehen können, als bis er gleich Christo am Kreuze aus der Tiefe seines Herzens ausrufen wird: Herr! vergieb es ihnen, denn sie wußten es ja nicht, was sie thaten!

11. Seid ihr Alle damit einverstanden, so kommet nun mit Mir in jenes Haus; im Gegentheile aber bleibet, und suchet euch selbst eine Herberge! Denn frei ist euer Wille für ewig."

12. Spricht der Bathiani: „Freund, deine Worte sind zwar wie scharfe Pfeile, und treffen allzeit ganz genau das Zentrum, aber sie verwunden dennoch kein Herz; denn sie sind vollkommen nach der besten Ordnung, in der allein eine Gesellschaft glücklichst bestehen kann, mehr als überaus wahr; und ich, und hoffentlich wir Alle nehmen sie, wie du sie uns gütigst gegeben hast, allerdankbarst an. Auf diese Deine Worte vergebe ich auch aus meinem ganzen Herzen allen meinen irdischen Feinden. Denn sie thaten, was sie thaten, wahrlich nur in einer blinden Siegeswuth an uns, ihren vermeinten größten Feinden. Gott der Herr vergebe es ihnen. Von mir aus haben sie keine Schuld mehr an mir.

13. Nur möchte ich den Herrn Himmels und der Erde bitten, daß Er meines Weibes und meiner Kinder gedenken möchte, und sie so leiten, daß sie dereinst auf einem besseren Wege zu Gott dem Herrn gelangen möchten, als es bei mir der Fall war!"

14. Spricht der Fremde: „Mein lieber Bruder! — sorge du dich um nichts mehr, was auf der Erde unten ist und geschieht; denn dafür sorgt schon der Herr, der euch Allen hier um sehr vieles näher ist, als ihr es meinet. Was dein Weib und deine Kinder anbetrifft, so thut ihnen eine recht tüchtige irdische Demüthigung überaus noth, ohne die sie wohl kaum ewig je dahin gekommen wären, wo du dich nun befindest; aber durch diese Demüthigung lernen sie doch etwas die vollste Nichtigkeit aller irdischen Güter kennen, und heimlich sogar verabscheuen, und so wird es ihnen nach der Ablegung ihres Leibes leichter werden, in das Reich des Lichtes zu gelangen. Du aber sorge dich nun um nichts anderes, als um die Liebe zu Gott und allen deinen Brüdern; alles Andere wird dir von selbst hinzukommen!"

15. Spricht der Franzsk.: „Freund, ich bin sonst auch ganz in der Ordnung, was hier diesen meinen Leidensgenossen betrifft, aber was die unbarmherzigsten wahren Teufel auf der Erde betrifft, da bin ich wohl nicht so leichten Kaufes fertig, als der Freund Bathiani, und vielleicht noch einige Andere mehr. Denn das muß ja doch die liebe weiseste Gottheit Selbst einsehen, daß denn das doch keine Kleinigkeit ist, auf der Erde gleich einem gemeinsten Straßenräuber per Galgen hingerichtet zu werden. Für solchen Frevel verlange ich von Gott eine gerechte Sühne durch eine verhältnismäßige scharfe Züchtigung an unsern Richtern zu nehmen, ansonst mein Herz nicht leichtlich je eine Ruhe finden wird."

16. Spricht der Fremde: „Freund, die, welche dich gerichtet haben, sind ebenso des Herrn, wie du. Nehmen wir aber an, du hättest durch Unvorsichtigkeit dir mit deinen Händen an den Füßen eine Verwundung zugefügt, die dich sehr schmerzete, so daß du im Schmerze deine Hände verwünschtest, und es käme Jemand zu dir, und sagte: Freund, das haben dir deine eigenen Hände zugefüget, nehme darum volle Rache an ihnen, und lasse sie dir abhauen. Denn sie sind fürder nicht mehr werth, Theile deines Leibes zu sein. Sage Mir, würdest du diesem Antrage wohl Gehör und Willen leihen?"

17. Spricht der Franzsk.: O, vor so einer Dummheit wird einen Menschen doch die liebe Gottheit bewahren. Das wäre nicht übel! zu einem Wehe noch ein Zehnfaches hinzufügen!"

18. Spricht der Fremde: „Aha, da habe Ich dich schon, wo Ich dich haben wollte! Wenn dir ein zweites Wehe zufolge des strafartigen Abhauens deiner Hände, die sich doch offenbar an deinen Füßen versündiget haben, nicht munden will, wie solle es dann der lieben Gottheit munden, Sich ihre Glieder abzuhauen, so sie sich gegen andere unvorsichtig benommen haben sollen. Wie magst du von Gott verlangen, daß Er an Sich thun solle, was du doch an dir selbst nimmer thun würdest. Siehe, wie du mit allen deinen Leibesgliedern als ein ganzes und vereinigtes Wesen dastehest, so ist auch die Gottheit mit allen ihren geschaffenen Wesen ein konkretes ganzes Wesen, und sucht stets alle ihre kranken Theile bestens zu heilen, und sie für ihre ewige Bestimmung tauglich zu machen. Wenn Gott der Herr dir aber deine Wunden auf eine andere und viel bessere Art zu heilen versteht, wirst du dann noch auf die Rache gegen deine irdischen Feinde sinnen?" —

19. Spricht der Frzsk. etwas verlegen: „Ja, dann freilich wohl nicht mehr; überhaupt sage ich's denn in Gottes Namen auch: Wie es Gott dem Herrn recht ist, so solle es künftighin auch mir recht sein; aber ich hoffe, daß mir die liebe Gottheit solche meine durch die traurigsten Umstände herbeigeführte Gesinnung zu keinem Fehler anrechnen wird."

20. Spricht der Fremde: „Wenn du in deinem Herzen in der Ordnung bist, dann bist du es auch mit Gott; und hast du allen deinen Feinden vom innersten Grunde deines Herzens vergeben, so ist dadurch auch deine Schuldtafel vor Gott gereinigt; und du kannst dann ganz ruhigen Herzens und Gewissens zu Gott beten: „Vater, vergieb mir alle meine Sünden, so wie ich nun Allen vergeben habe, die an mir gesündigt haben!" Und der Vater wird es dir vergeben, und hat dir's schon vergeben, bevor du Ihn noch darum gebeten hast."

143. Kapitel. Letzte Zweifelsfragen des Franziskaners. Was geschieht mit Todsündern? Weise, liebevolle Antwort des Fremden. Einladung ins Haus.

01. Spricht der Franzsk.: „Ich danke dir, liebster Freund, für diese herrlichste Auskunft, sie ist wahr, und eines großen Gottes vollkommen würdig, und jedes Gemüth muß in ihr die vollkommenste Beruhigung finden. Aber es giebt demungeachtet dennoch Dinge und Sachen, die als Hauptfehler der menschlichen Natur anzusehen sind, und man kann es mit ihnen wahrlich nicht so machen, wie mit den Feinden, die mir Uebles thaten. Dazu gehören z. B. gewisse Betrügereien, die man an verschiedenen Personen ausgeübet hat, und man sie nun mit dem besten Willen nicht wieder gut machen kann. Also ist auch die Unzucht, sogar ausgeübte Nothzucht, Selbstbefleckung, Knabenschändung oft sogar an geweihten Orten etc. etc. eine von Gott Selbst strengstens verbotene, und mit der sozusagen unabweisbaren ewigen Verdammniß belegte Sündensache, die sich nimmer ungeschehen machen läßt, und trotz der Beichte, die man vor der Hinrichtung ablegte, auf der Seele nahe unvertilgbare Sündenmackel zurücklassen muß. Es fragt sich daher sehr bedeutungsvoll: Was wird die liebe allerheiligste Gottheit da thun! Gehen diese Mackel auch mit dem lebendigen „Herr! vergieb uns, wie wir vergeben" von der Schuldentafel?"

02. Spricht der Fremde: „Freund, hältst du die Gottheit für weiser, als die weisesten und besten Menschen, so wirst du auch das von ihr halten müssen, daß Sie die natürlichen Schwächen der Menschen mit noch viel besseren Augen betrachtet, als wie diese Schwächen von den weisesten und bestherrlichen Menschen betrachtet werden. Du hast freilich viel gesündigt in deinem Fleische, weil du von selbem viel versucht worden bist; du hättest zwar diese Versuchungen wohl bekämpfen können, so du je einen wahren Ernst dazu verwendet hättest. Aber solch ein Ernst kam dir zu ernst vor, und des Naturlebens Tändeleien zu süß, und so bliebst du deinem Fleische nach unverändert gleich. Aber siehe, da legte sich dann dir unbewußt die Gottheit in's Mittel, führte dich aus deiner sinnlichen Friedenszelle, und stellte dich auf das Schlachtfeld. Da hattest du dann eine mächtige Gelegenheit, das Ende alles Fleisches und seiner Gelüste in den grauenerregendsten Zeichnungen vor dir zu erblicken, und wurdest dabei nüchterner; und am Ende mußte dein eigenes Fleisch an sich selbst erfahren, welch ein Werth in allen, seinen Gelüsten und Vollbringungen derselben gelegen war. Und siehe, so hat die Gottheit dein Fleisch gestraft, und deine Seele von selbem gereiniget, befreiet, und du brauchst daher nun nicht mehr zu fragen, was daher aus solchen deinen Sünden wird. Denn Ich sage es dir: sie haben mit dem Fleische ihr Urtheil und ihr Ende erreicht! — Denn was des Fleisches ist, das wird auch mit dem Fleische gerichtet und begraben.

03. Ja ein anderes ist es, wo die Seele selbst ganz ins Fleisch übergegangen ist; da freilich kann ihr kein anderes Loos, denn das des Fleisches zu Theile werden. Aber bei dir ist das nicht der Fall, was du selbst daraus erkennen magst, daß du hier ohne Fleisch vollkommen lebest, und liegst nicht wie todt im Grabe, aber dennoch fühlend in sich das Loos des Fleisches."

04. Spricht der Frzsk.: „Aber Freund, was geschieht denn dann mit solchen das schaurige Loos ihres Fleisches theilenden Seelen? Die werden denn nach der totalen Verwesung ihres Abgottes doch sicher zur Hölle fahren?"

05. Spricht der Fremde. „Keine Seele wird je ihrer Freiheit beraubt, wie auch ihres Bewußtseins und ihrer Erinnerung nimmer! Was sie will, das wird ihr! — Will sie erstehen, so wird sie erstehen; will sie aber noch tiefer unter ihr Grab zur Hölle hinab, so wird ihr der Weg nicht verrammet werden. Wohl ist die Hölle von Gott (zugelassen) gestellet, und als für ewig in sich selbst von allen Himmeln strengst gerichtet abgeschieden, aber nicht also eine Seele; denn diese wird nicht gerichtet, außer von ihrer eigenen Liebe und vollsten Freiheit des Willens. Will sie zur Hölle, weil diese ihre eigentliche Liebe ausmacht, so wird sie zur Hölle gehen, und wir Alle werden sie nicht abzuhalten vermögen. Will sie aber zum Himmel, so werden wir sie auch allerzuvorkommendst und liebreichst aufnehmen, und auf den besten Wegen dahin geleiten; denn so will es die beste Ordnung Gottes!"

06. Spricht der Franzisk.: „Aber Freund, könntest du uns denn nicht auch sagen, wie es denn so eigentlich in der Hölle aussieht?

07. Spricht der Fremde: „Freund, in der Schrift heißt es: Vor allem suchet das Gottesreich, alles andere wird euch dann von selbst werden; und so wollen wir uns denn auch für's göttliche Pro lebendigst kümmern; das leidigste Contra wird dann Jedem früh genug ersichtlich und bekannt werden. Und so denn gehet nun Alle mit Mir in jenes nun schon von allen Uebeln befreite Haus; dort werdet ihr ein größeres Licht erhalten; es sei!"

144. Kapitel. Staunen der Neulinge vor der Herrlichkeit und Größe des Hauses. Wohnt hier Jesus Christus? Sehnsucht der Seelen nach Jesus. Mikloschs gute Ahnung.

01. Bathiani schließt sich rechts knapp an den Fremden an, und der Frzsk. auch, und zwar zur Linken, so knapp als möglich, und der Miklosch geht als Anführer der ganzen Gesellschaft hinter dem Fremden von Tritt zu Tritt nach.

02. Je näher sie dem Hause kommen, destomehr fällt ihnen die ungeheure Großartigkeit und unnennbare Pracht und Majestät des Gebäudes auf. Schon so hübsch in der Nähe des Hauses kann sich Bathiani nicht mehr halten vor Verwunderung, und sagt in einer höchsten Exaltation: „Freund, Freund, Freund! das können weder Engel, und noch weniger die weisesten Geister aus allen Sternen erbauet haben, sondern das hat Gott mit höchst eigener Hand erbauet. Diese furchtbare Größe, und dabei dennoch eine über alles ästhetische Ebenmäßigkeit, die mit nichts zu vergleichen ist! Ah, das ist mehr, als was wir Alle ewig je begreifen werden. Nun, nun, nun! so dieß Haus aller Häuser schon äußerlich so unaussprechlich wundervoll angeordnet ist, wie erst wird es innerlich eingerichtet sein."

03. Spricht der Franzsk.: „Du hast recht, bitte um Vergebung, Herr Graf! Sie haben ganz recht, wollt ich sagen." — Spricht der Graf: „Freund, bleiben Sie beim Du, ich will von keiner Titulatur irgend mehr was wissen, wir sind von nun an Brüder!"

04. Spricht der Franziskaner: „Schön, schön und gut, lieber Freund, das war schon lange mein Wunsch; aber nun zur Sache! Also, du hast recht! Ich habe doch die Peterskirche zu Rom samt dem vieltausendzimmrigen Vatikan gesehen, und ich sage es dir, das alles ist kaum ein Schneckenhaus gegen diesen Palast. Ganz gering gerechnet könnte nach meiner Augenschätzung in diesem Riesenpalaste aller Riesenpaläste wohl ganz bequem 100 mal die ganze Bevölkerung der Erde Platz haben; da betrachte man nur einmal diese Breite der ersten Hauptfront. Das geht's ja links und rechts nahe gerade in's Unendliche hin; und was da die Höhe betrifft, so kommt es mir vor, daß, so es auch hier einen Mond gäbe, er offenbar an den Giebel des Daches anstoßen müßte. Denn solch eine Höhe läßt sich wohl nimmer nach Klaftern, sondern nur nach Meilen bestimmen. Ah, ah, das ist etwas Ungeheueres! Nein, da könnte man aber schon gerade zu einem Narren werden."

05. Spricht der Graf zum fremden Führer: „Aber sage uns doch, Du lieber guter Freund, wohnt etwa der Herr Gott Jesus Christus in diesem mehr als weltgroßen Gebäude? Denn für einen, oder auch für mehrere seligste und größte Engel wäre es denn doch zu ungeheuer groß und herrlich."

06. Spricht der der Gesellschaft noch Fremde: „Ja, ja, Er Selbst wohnt auch sehr häufig in solchen Häusern, und so auch in diesem bei Seinen Freunden und Kindern. Nur in diesem Augenblicke ist er nicht im Hause; wird aber, so ihr in das Innere des Hauses treten werdet, Sich auch höchst wahrscheinlich sogleich einfinden; nur müßt ihr da hübsch Obacht geben, daß ihr Ihn erkennet."

07. Spricht der Graf: „Eljen Christus! O Freund, bei Gott, wenn ich nur einmal Christum sehen könnte, so verlange ich mir nachher keine andere Seligkeit mehr! Aber weißt du, wohl den wirklichen Christus, und nicht so eine römische Maskerade!" — Spricht auch der Franzsk.: „Ja, ja, auch ich verlange mir keine andere Seligkeit mehr."

08. Tritt auch ein Anderer aus der Gesellschaft vor und sagt: „Oh, oh, ich bitte, auch nur einmal Cristum sehen; und wann kunnt möglich sein, auch heiligen Josef, weil war er mein Namenspatron. Aber wann kann nit sein, verlange ich nit, wenn kann ich nur Christum sehen."

09. Spr. der Fremde: „Ja, warum möchtest denn du gar so ungeheuer gerne Christum sehen? erkläre mir das!" — Spr. der Hervorgetretene: „Ho, da braucht ja nix Erklärung. Weil ich hab Christum gar so gern über alles; und was man so hat über alles gern, das möcht man auch über alles gern sehen!" — Spr. der Fremde: „Das ist schon recht; aber warum hast denn du Christum gar so über alles gerne?" — Spricht der Hervorgetretene: „Ho, das ist ganz klar, weil ist Er Christus, und weil ist Er Gott, und weil hat Er mich erlöst von der Höll, und weil war Er auch gar so a guter Heiland!" — Spricht der Fremde: „Aber was wirst du machen, so du Christum sehen wirst?" — Spr. der Hervorgetretene: „O da werd i vor Freud Eljen Christus schreien und aufspringen, und Ihm, wann werd' i dürfen, um den Hals fallen."

10. Spr. der Fremde: „Nun, nun, das sehe ich jetzt schon, daß du Christum sehr gerne hast; aber was machtest du denn dann, wenn dich Christus nicht so gerne hätte, wie du Ihn?" — Spr. der Gefragte: „Ho, das macht nix, weil bin i so nit werth, daß soll mich Christus a gerne haben. Da werd' ich mir nix draus machen!" — Spr. der Fremde: „Mein Lieber, geh nun wieder zu deinen Kameraden zurück, und zwar mit der Versicherung, daß dich der Herr Christus vielleicht doch noch lieber haben wird, als du Ihn."

11. Der Josef geht nun zurück, und der Fremde spricht zum Grafen: „Höret, der hat mit seinem Herzen, statt mit seiner Zunge gesprochen; das ist auch der Unschuldigste unter euch Allen, und hat seine irdische Todesstrafe wahrlich nicht im geringsten verdient: auf den Menschen mußIch schon eine besondere Rücksicht nehmen. Nun sindwir aber aucham Thore; lasset uns sonach denn auch sogleich einziehen in dieses Hauses Gemächer!"

12. Spricht der Graf: „Liebster Freund, nur noch eine Bitte! Sage uns doch gütigst, so Christus ankommen wird etwa mit vielen Millionen Engeln; wie werden wir Ihn gleich erkennen?" — Spr. der Fremde: „Da verlasset euch nur auf Mich! Ich habe es euch ja schon einmal gesagt, daß Er Mir vollkommen ähnlich sieht; ihr dürfet dann nur Mich ansehen, und vergleichen, ob Jemand Mir ähnlich aussieht, und der wird es dann auch sein!" — „Ich danke dir," spricht der Graf; „weil du bei uns bleibst, da wird uns Christus der Herr auch nicht durchgehen, ohnedaß wir Ihn seheten. Nun,nun, dasist gut, dasist sehr gut!"

13. Spricht auch der Miklosch rückwärts: „Freunde, wie ichs nun merke, so sind wir noch ein wenig blind. Ich sage es euch, ich habe eine ganz sonderbare Ahnung." — Spricht der Franzsk.: „No, was denn für eine Ahnung?" — Spr. Miklosch. „Ich sage euch sonst nichts; in der Bälde aber werdet ihr es auch fühlen und sagen: Aber wie konnten denn wir gar so blinde Ochsen sein! Habt ihr mich verstanden? Gar so blinde Ochsen!"

14. Spricht der Graf: „Liebe Freunde, wir stehen bereits an der Schwelle des großen Einganges in ein Haus, wovon Sonne, Erde und Mond nichts Aehnliches aufzuweisen haben dürften; mit dem Eintritte in die Wundergemächer wird auch sicher der Eintritt in ein ganz neues, bisher noch nie geahntes Lebensverhältniß auf das Engste und Unwiderruflichste verknüpfet sein. Vor diesem von unberechenbaren Folgen vollen Eintritte sagt der Brd. Miklosch, daß er eine gar gewichtige Ahnung habe und macht uns aufmerksam, und erstaunt förmlich, wie wir Andern davon noch keine Spur haben mögen. Weil aber dieser Eintritt in dieß Wunderhaus von den allergroßartigst wichtigen Folgen sein muß, so bin ich der Meinung, daß sich der Brd. Miklosch über seine Ahnung eher ganz klar ausdrücken sollte, bevor wir in dieses Hauses Gemächer treten. Denn so eine Ahnung kann uns vom größten Nutzen sein, so wir tiefer in ihre Elemente einzugehen vermögen. Sei daher du Brd. Miklosch so gut, und detaillire uns deine Ahnung. Unser lieber Freund wird schon so gut sein, und ein paar Augenblicke Geduld mit uns haben."

15. Spr. Miklosch: „Ja, meine lieben Freunde, meine Ahnung ist wahrlich sonderbar. Aber ich kann sie euch nicht beschreiben; aber mir kommt es hier nahe so vor, als wie es so nach meinem Gefühle denen Zweien nach Emmaus wandelnden Jüngern vorkommen mochte, als der Herr Selbst in ihrer Mitte wandelte, und sie Ihn nicht erkannten, obschon Er sie allerweisest über allerlei belehrte. Sehet, gerade so kommt es mir hier vor; und ich wollte beinahe eine Wette eingehen, daß diese meine sonderbare, mich durch und durch beseligende Ahnung nicht ganz mit einem leeren Stroh zu vergleichen sein wird. Kurz, kommt Zeit — kommt Rath; am Ende wird es sich dennoch zeigen müssen."

16. Spr. der Graf: „Geh, geh, geh, du lieblich frommer Schwärmer! Was meinst denn du? Christus der Herr wird aus Seinem allerhöchsten Himmel auch so ganz schlicht und ohne alle Glorie zu uns groben Sündern herabsteigen, als wie Er als Menschensohn zu den harten Juden herabgestiegen ist. Schau, schau, wo thust du dich denn hin? Bedenk' doch, was und wer Christus ist, und was und wer wir sind, Ihm gegenüber. Dann wirst du gleich zu einer andern Ahnung kommen. Siehe, deine gute Ahnung ist nichts als so ein recht artiges Christusluftschlößchen, deren ich auch in meiner Jugend in die schwere Menge gebauet habe. Aber wo ist die liebe Wirklichkeit geblieben! Mir gefällt übrigens dein Luftschlößchen nahe besser als dieß Haus, und muß dir's sagen, so es eine Realität hätte, ich sicher der glücklichste Geist von der ganzen Unendlichkeit wäre. Aber darüber seien wir ganz ruhig; denn weißt du, Christus mag noch so gut und herablassend sein, ob Er es aber gar so wohlfeil gebenwird, wiewirunses inunsern idyllisch—christlichen Luftschlößerchen ausmalen, das möchte ich denn doch ein wenig stark, verstehst du, bezweifeln. Hab' ich recht oder nicht?"

17. Spricht Miklosch: „Du hast recht; aber ich kann dem ungeachtet meiner Ahnung nicht los werden, und wahrlich, mein Herz bebet in mir!" — Spricht der Graf: „Laperl! s' meinige bebet auch, und das wie! aber das macht der bedeutungsvollste, vor uns harrende Eintritt in dieses sicher echteste Gotteshaus, und die Ungewißheit, was uns darinnen alles begegnen wird." — SprichtMiklosch:„Ja, ja, du wirst am Ende denn doch noch recht haben. Das wird es sein, ja,ja, das ist es ganz sicher!"

18. Spricht der Fremde: „Nun, seid ihr schon fertig mit eurer Debatte?" — Spricht der Graf: „Freund, wir sind schon wieder ganz in der Ordnung! Es wäre freilich sehr interessant, auch von Dir über diesen Punkt eine kleine Aufklärung zu bekommen; aber Du greifst schon nach der Thürschnalle, daher wird sich vielleicht ja noch im Hause irgend eine Gelegenheit finden, um darüber unsern Verstand ein wenig näher zu beleuchten."

19. Spricht der Fremde: „Oh allerdings, da wird es noch gar manche Gelegenheiten geben. Aber nun heißt es einmal ins Haus treten; und so denn öffne dich, du Pforte zum ewigen Leben!"

145. Kapitel. Eintritt ins himmlische Haus. Begegnung mit alten Bekannten. Blindes Suchen des Grafen nach Jesus. Überraschungen. Endlich gefunden!

01. In diesem Momente gehet die Thüre sogleich weit auf; eine unbeschreibliche Pracht strahlt aus dem ersten Saale den Eintretenden entgegen, und eine übergroße Volksmenge in Faltenkleidern wie aus feinstem Bissus begrüßet die Eintretenden allerherzlichst; an der Spitze stehet der General, umgeben von dem Mönche Thomas und Dismas.

02. Als der Graf den General gleich erkennend ersieht, stürzt er sich, über die Maßen erfreut ob dieses unvermutheten Wiederfindens seines alten Freundes, an die Brust desselben, küßt ihn, und spricht voll Feuers: „Hunderttausend Male gegrüßt in einem sicher besseren Leben sei du mir, mein lieber alter guter Freund und Bruder! O wie glücklich bin ich, daß ich dich wieder habe, und so es Gott der Herr will, dich vielleicht auch ewig haben werde! Du bist schon glücklich, überglücklich. Gott der Herr wird mich ja auch nicht unglücklich lassen. Ah, ah, aber alles hätte ich eher erwartet, als dich hier so glücklich zu treffen, und wiederzusehen. Wie ist's denn dir ergangen gleich nach deiner Ankunft allhier? und wie geht es dir jetzt? und was machst du so ganz eigentlich hier?

03. Der General erwidert den Gruß, und sagt darauf: „Mein liebster Freund, von etwas Machen ist hier gar keine Rede; sondern blos vom Genießen alles dessen, was uns die unbegrenzte Güte und Liebe des Herrn Jesu Christi in der überschwänglichsten Fülle bescheret. Wenn der Seligkeitsgenuß nicht mit einer nie zu beschreibenden wundervollsten Mannigfaltigkeit verbunden wäre, so müßte man wahrlich mit Hiob auszurufen anfangen: „O Vater, süßester bester Vater, höre doch endlich eine kleine Weile nur auf zu segnen." Ja, Freund, dahier erst lernt man wahrhaft Jesum Christum kennen. Lieber, ich brauche dir weiter nichts mehr zu erzählen, denn es wird dich die jüngste Folge über alles das ins Klare setzen. Willst du dir aber von der Weisheit, Allmacht und Liebe des Herrn so im Voraus einen kleinen Begriff machen, so betrachte nur ein wenig die Herrlichkeit dieses Saales, und du wirst schon bei dieser Betrachtung dir einen ganz kuriosen Begriff von Christo, dem alleinigen Herrn Himmels und der Erde, verschaffen."

04. Spricht der Graf: „Gerade recht, daß du mich an Christum den Herrn erinnerst. Was weißt denn du von Ihm? Hast du etwa gar schon das unaussprechliche Glück gehabt, Ihn, den Allerheiligsten, zu sehen? Ist Er schon da gewesen; oder wird Er etwa bald wieder kommen? von woher wird Er kommen, und wie werd' ich Ihn sogleich erkennen? Weißt du, ich liebe Ihn so ungeheuer, daß mir wahrlich alle diese Herrlichkeiten wie ein ausgestorbenes Haus ohne Ihn vorkommen würden. Sei daher so gut, und mache mich ja sogleich aufmerksam auf Ihn. O Gott, o Gott, welch ein Anblick wird das sein, so ich Ihn, meinen Schöpfer sehen werde." (Am 27. Nov. 1849)

05. Der General schmunzelt bei diesem emsigsten Befragen des Grafen, und sagt nach einer Weile: „Aber Freund, du kommst mir hier gerade so vor als Einer, der den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Sage mir doch zur Güte, wie du dir so ungefähr denn doch Jesum den Herrn vorstellest. Nachher will ich dir etwas sagen, was dich sicher sehr mächtig überraschen wird."

06. Spricht der Graf: „Freund, es ist das zwar ein sonderbares Verlangen von dir; aber um desto eher zu dem zu gelangen, was du mir sagen willst, will ich deinem Wunsche sogleich Nachkommen. Sieh', ich stelle mir Christum als Gott den Herrn in einer unbeschreiblichen Glorie vor, und umgeben von seinen Aposteln und zahllosen Engelskören. Denn so steht es in der Schrift, daß Er wiederkommen werde auf schwebenden Lichtwolken der Himmel, aus denen in jeder Sekunde sicher wenigstens eine Trillion Blitze nach allen Richtungen in die Unendlichkeit hinauszucken werden. Da hast du nun meine gute Vorstellung von Christo dem Herrn; und nun sage du mir, was du mir versprochen hast."

07. Spricht der General: „Bruder! da hast du wahrlich eine ganz grundfalsche Vorstellung von Christo dem Herrn. Wie gesagt, du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht. Sieh', wir Alle haben es hier ganz deutlich vernommen, wie dir dieser unser allergrößter Freund, den du noch fest bei Seinem rechten Arm umschlungen mit deiner linken Hand hältst, die Erkennungsmerkmale von Christo dem Herrn gegeben hat, wie auch zugesagt, daß der Herr mit euch, zugleich in diesem Hause eintreffen werde. Nun, so sehe dich denn ein wenig um, ob du Niemanden triffst, der Ihm auf ein Haar ähnlich sehen dürfte; und findest du Jemanden, so halte ihn für den Herrn. Denn ich sage es dir, der Herr Gott Jesus ist hier eben so einfach und prunklos, als wie Er es auf der Erde war, und von irgend einem Glanze an Ihm ist nirgends eine Spur anzutreffen."

08. Spricht der Graf: „Richtig, richtig, gerade so hat dieser Hochliebwertheste Freund uns Allen draußen gesagt. Aber ich werde eine ziemliche Weile brauchen, bis ich mit der Durchmusterung aller dieser sicher tausend Anwesenden mit diesem lieben Freunde fertig werde. Aber es ist das eine Arbeit, bei der es sich wahrlich der Mühe lohnt. Der Saal ist wohl ungeheuer groß, und stark beleuchtet, die Anwesenden stellen sich wie durch ein Kommando in Reihe und Glied auf, was sehr gut ist, und so möchte ich mit der Durchmusterung denn doch eher fertig werden, als ich mir's Anfangs gedacht habe. Da in den ersten Reihen finde ich einmal nichts Aehnliches, daher also weiter gemustert. Auch weiterhin will sich nichts Aehnliches auffinden lassen. Ich nehme hier mehr die entfernteren zwar ebenso gut aus, als wie die ganz nahe Stehenden, aber unser lieber guter Freund scheint darinnen keinen Zwillingsbruder zu haben. Dort ganz im Hintergrunde entdecke ich noch eine Gruppe, die ich mir etwas näher besehen möchte, so es gestattet wäre, derselben sich einige Schritte zu nähern?"

09. Spricht der General: „O nur zu, ganz ohne allen Anstand! denn hier ist die vollkommenste Freiheit zu Hause." Darauf begiebt sich der Graf mit dem ihm noch unbekannten Freunde hin zu der obbenannten Gruppe; als er aber ihr mit seinem Freunde in die Nähe kommt, so fällt sie vor zu großer Ehrfurcht ergriffen auf ihr Angesicht nieder, und schreiet: „Heil dir, Heil dir, Heil dir Allererhabenster!"

10. Der Graf erschrickt förmlich vor dieser Metamorfose, und sagt zu seinem Begleiter: „Nun, da haben wir's! ich wollte sie mit Dir vergleichen, und nun liegen sie alle auf ihren Angesichtern vor uns, und schreien Gott weiß zu wem (?) Heil Dir! Sollte das etwa einen von uns Beiden angehen? Oder ist etwa schon Jesus sichtlich irgend woher gekommen da?" — Spricht der Fremde: „Warte nur ein wenig; diese Gruppe wird sich sogleich wieder erheben, und du wirst dann sogleich deine Forschungen weiter fortsetzen können."

11. Auf einen geheimen Wink des Herrn erhebt sich die ganze Gruppe wieder, und der Graf macht sogleich die Entdeckung, daß sie aus lauter weiblichen Individuen besteht, und sagt darauf: „Liebster Freund! auf der Erde war meines Wissens der Herr Gott und Heiland Jesus ein vollendeter Mann, und wird in seinem ewigen Gottesreiche sicher kein Weib geworden sein; daher meine ich, wird sich zu meinem Zwecke hier sehr wenig eruiren lassen. Aber nur das möchte ich von ihnen erfahren, warum sie denn früher gar so enorm Heil Dir geschrieen haben." — Spricht der Begleiter: „Gehe hin und frage sie!"

12. Der Graf nähert sich der Gruppe ganz bescheiden; diese aber schreiet ganz stentormäßig ihm entgegen: „Zurück, zurück, zurück! mit dir haben wir keine Gemeinschaft, denn du bist ein Frevler im Hause Gottes!"

13. Der Graf tritt wohl sogleich zurück, sagt aber dennoch zur Gruppe, die sich zwar selbst noch nicht gar zu lange in diesem Hause befindet: „Nun, nun, gebt ihr nur Acht, daß wir euch nicht etwa einige Lothe Apotheker—Gewicht herunterstreifen von eurer noch höchst päpstlichen Heiligkeit; o ihr haiklichen Greteln ihr! ich glaube, so heilig als ihr es seid, dürften wohl auch dieser mein Freund und ich auch sein?! Geh', lieber Freund, weiter mit mir; denn mit diesen echten Menschern ist nichts zu machen; ihr echt jesuitischer Heiligkeits— Hochmuth ist mir unausstehlich!"

14. Spricht der Begleiter: „Ah, Freund, das darfst du nicht also nehmen. Denn hier muß alles mit der größten Geduld ertragen werden! Diese sind auch noch nicht ganz in der Ordnung; aber sie haben nicht gar weit mehr zum Ziele!"

15. Spricht der Graf: „Ja, ja, es ist schon alles recht; aber uns wie ein Paar Verbrecher zurückweisen, das ist etwas zu sonderbar; aber in Gottes Namen, sei's nun wie ihm wolle. So ich nur schon meinen Zweck erreicht hätte. Es ist mir aber auch ganz unerklärlich, wie ich dir nun nahe für gar nichts, als allein nur für Jesum den Herrn einen Sinn habe. Alle diese wahrsten Himmelsschönheiten, sowohl dieser reizendst schönen Damen, als wie auch dieses Saales sind für mich wie todte Mumien, oder Bilder ohne Seele, so lange der Eine nicht da ist. Es ist aus der Erde, wo der Schöpfer für tausend und tausenderlei Abwechslungen gesorget hat, schon langweilig genug, daß man wohl öfter von einem allerhöchsten Wesen Gottes blos nur etwas zum Hören bekommt; aber von einem noch so erwünschten Sehen ist wenigstens in dieser Zeit wohl nie eine Rede mehr. Hier aber, wo man auf dem Punkte steht, als selbst Geist den allervollkommensten Geist Gottes sehen zu können, wird einem das Dasein unerträglich, so man Den nicht zu sehen bekommt, Der Einem allein alles in Allem ist. So du, lieber Freund, es weißt, wo Er Sich nun befindet, da zeige mir Ihn, daß ich Ihn nur in der Ferne erblicken möchte."

16. Spricht der Begleiter: „Mein lieber Freund und Bruder, das wird etwas hart hergehen, daß Ich dir Jesum in der Ferne zeigete; denn wer Jesum nicht in seiner nächsten Nähe vorerst zu sehen bekommt, der kann Ihn in einer Ferne nicht ersehen. Du mußt Jesum nur allein in deiner nächsten Nähe zu erschauen wünschen, dann wird es dir auch werden nach deinem Wunsche."

17. Spricht der Graf: „Mein allerhochgeehrtester Freund, das wäre schon alles recht; und es wäre das sehr wünschenswerth, wenn ich Seine zu heilige Nähe ertragen könnte; aber es sollen Seine nächsten und höchsten Engel sogar Seine nächste Nähe nicht zu ertragen im Stande sein, frage: wie dann ich?" — Spricht der Begleiter: „Freund, so aber Christus der Herr nicht um ein Haar ansehnlicher vor dir stünde, denn Ich, und gerade so mit dir redete, als wie Ich nun, sage Mir, hättest du denn da auch noch so eine gewisse Heiligkeitsscheue vor Ihm, als wie du sie nun hast?" — Spricht der Graf: „Jenun, ich meine: das würde mir wohl etwas leichter vorkommen, es würde mir zwar wohl noch immer etwas schwer fallen, da ich denn doch gar ungeheuer wohl bedenken müßte, wer Er, und wer ich es sei. Er das unendlichste Alles, und ich das vollendetste Nichts. Aber leichter müßte mir dabei doch auf jeden Fall zu Muthe sein, als so Er in aller Seiner himmlischen Macht daher käme."

18. Spricht der Begleiter: „Gut; was thätest denn du, so z. B. Ich Selbst Christus wäre, und gäbe dir aber aus gewissen Gründen Mich erst jetzt zu erkennen; was möchtest denn du dazu für ein Gesicht machen?"

19. Spricht der Graf: „Höre Freund, das heißt einen armen Teufel wie nun ich Einer bin, denn doch auf eine zu harte Probe stellen. Wahrlich, hoher Freund, so Du am Ende dennoch Selbst es wärest, da würde ich wahrlich für die ganze Ewigkeit sprachlos. Aber sage es mir lieber bestimmt, auf daß ich vor lauter Ehrfurcht, Liebe und Entsetzen sogleich hin werde."

20. Spricht der Begleiter: „Ja, Freund, Ich Selbst bin es, und so du es schwer glauben solltest, so frage Diese hier, sie werden es dir sagen. Deine Liebe hat Mich so an dich gezogen."

146. Kapitel. Der große Augenblick des Grafen Bathianni: Ja, Du bist es! Herrliche Huldigungsrede. Jesu Antwort über das Verhältnis des Vaters zu Seinen Kindern.

01. Der Graf, ganz außer sich theils vor Furcht, theils aus zu großer freudigster Entzückung, und theils auch aus der Furcht vor irgend einer von ihm für möglich gehaltenen Täuschung, kann sich über Meine Erklärung gar nicht fassen; nach einer ziemlichen Weile des freudigsten innern Erstehungskampfes, durch den sein Geist alle Bande zerreißt, und sich in seiner ganzen ihn umfassenden Seele ausbreitet, stammelt der Graf erst die Worte in einer sehr stotternden Weise (Bathi.):

02. „Also — d— d — du — du — b— b— bist — es! — Du? — der ewige — Herr — über alles, was Zeit und Raum fassen, und über alles, was über alle Zeit, und über allen Raum erhaben in ewiger Freiheit lebet, und mit vollendeten Augen in die ewigen Tiefen Deiner Wunderschöpfungen schauet. O Gott, o Gott, o Gott! — ich — ein elender von andern Würmern zertretener Wurm, ein nichtigster Staub am Staube des Staubes, stehe nun vor Dir, Dem heiligen ewigen Meister der endlosen Wunderwerke, die alle aus Deiner allmächtigen Hand geflossen sind, vor meinem Gott, vor meinem Schöpfer, Vater, vor meinem Heilande Jesus!? — O höret es, alle Himmel! ich stehe nun vor Gott, meinem Gott und eurem Gott. Kommet, kommet hierher, alle ihr überseligen Eonen, und helfet mir fühlen die endloseste Tiefe aller himmlischen Wonnen; fühlen, was das ist! Ein Geschöpf stehet das erste Mal vor Gott, seinem allmächtigen Schöpfer, und — o — es ist kaum zu denken. Dieser Gott ist wie ein Mensch, einfach und schlicht, und spricht von der höchst eigenen Liebe geleitet so herablassend milde und sanft mit mir, wie nur ein bester Bruder mit seinem einzigen besten Bruder sprechen könnte.

03. O Menschen, die ihr in allerlei Irrsalen auf der Oberfläche der tückischen Erde herumwandelt, und am oft sehr traurigen Pilgerziele mit versenktem Haupte, und versenkten Armen stehet, und nimmer wisset, wo aus, und wo ein ihr euch wenden sollet: Hierher, hierher kommet — in euren Herzen, und lernet Gott in Jesu, dem lieblichen Heilande kennen, und ihr werdet für das kurze Probeleben auf der Erde mit euren großen und eitlen Plänen leicht fertig werden.

04. Die wahre und rechte Erkenntniß Gottes wird es euch zeigen, wie wenig dazu gehört, um in Gott dem Herrn sich zurecht zu finden, und dann über alle eure Begriffe überglücklich zu sein. Balget euch nicht wie elende Hunde und Katzen um irdische Dinge, die sehr vergänglich sind, und vor Gott keinen Werth haben; sondern bewerbet euch hauptsächlich um wahre und rechte Erkenntniß und Liebe Gottes, und liebet euch um Gottes Willen wie wahre Brüder und Schwestern, als Kinder eines und desselben Vaters, der allzeit und ewig heilig ist, und über alle eure Begriffe lieb, gut und sanft, so habt ihr in euren Herzen mehr, als was euch die ganze Welt je geben und verschaffen könnte! Was ist die glänzendste Ehrenstelle auf der Erde gegen diese meine Stellung vor dem sichtbaren Gott und Herrn, an Dessen Liebe und Weisheit alle himmlischen Eonen sich nimmer genug sättigen können!

05. O Gott, o Gott, welch eine Wonne ist es doch, bei Dir zu sein; und wie gar so ganz vergessen sind nun alle die schlimmen irdischen Kalamitäten, die mir auf der Erde begegnet sind. Wo sind nun meine Feinde? wahrlich, nun könnte ich und Eonen mit mir ausrufen: Kommet her Millionen, ob Feinde oder Freunde, und lasset euch brüderlichst umarmen!"

06. Nach diesen Worten, die er so vor sich hin voll der höchsten Liebegluth mehr stammelt als spricht, fällt er auf die Kniee vor Mir nieder, faltet die Hände, und spricht (Bath.): „O Du mein allein ewig guter Gott und Heiland Jesus! Lasse Dich also ewig von mir mit den erhabendsten Akzenten anbeten, loben und preisen! Denn es ist unmöglich, Dich je zu viel zu preisen und zu loben. O nun begreife ich es, wie man unter Deinem Lobe und Preise allein nur die höchste Seligkeit aller Seligkeiten empfinden kann; und so lobe Dich denn alles, was an mir ist, ewig, und danke Dir auch ewig für alles, was Du je über mich, wenn auch in einem noch so bitter—schwer zu tragenden Gewande verhänget hast; denn nun erst fange ich an es einzusehen, daß das Alles blos Deine unberechenbar große Liebe zu mir gethan hat!

07. O Herr, Du heiliger Vater, ich war wohl auch sehr stark ein verlorener Sohn, und mußte durch ein großes Elend zu Dir zurück gewendet werden. Aber nun — nun — bin ich wieder bei Dir — Du ewig guter heiliger Vater; nehme mich auf als einen Allergeringsten in Deinem Reiche, und sei auch mit allen Andern vielen verlornen Söhnen ebenso gnädig, wie mit mir, dem allerletzten Deiner begnadigten Kinder; und wenn es Dein Wille wäre, so lasse meine auf Erden hinterlassene Familie eher um alle irdische Habe kommen, als daß sie vor Dir zu tief falle, und Deiner am Ende gänzlich vergäße."

08. Rede Ich: „Stehe auf, stehe auf, Mein lieber Bruder, und mache nicht gar so viel Aufhebens; denn du siehst es ja, daß Ich Mich deßhalb nicht im geringsten verändert habe, darum du Mich nun erkannt hast. Wie die Brüder miteinander reden, handeln und wandeln, so werden auch wir es ewig miteinander machen.

09. Ich bin Gott wohl, als das urewigste Wesen voll Weisheit, Macht und Kraft, und du nur ein Geschöpf Meiner Willenskraft, aber dein Geist ist dennoch ganz das, was Ich Selbst bin, und somit bleibt zwischen uns fortan das vollends gleiche Verhältniß, wie zwischen Vater und Sohn, oder wie zwischen Bruder und Bruder. Denn deiner Seele nach, die nun dein äußeres Wesen ist, bist du Mir ein Sohn, und deinem Geiste nach ein Bruder: Die Seele ging hervor aus dem Urlichte Meiner Weisheit und ist minder um endlos Vieles, als das erschaffen habende Urlicht; und darum ist die Seele ein Sohn zu Mir, der Ich im Grunde des Grundes pur Liebe bin; aber dein Geist, der da Meine Liebe Selbst in dir, und somit Mein höchst eigener Geist, ist demnach Mein Bruder aus und aus, und durch und durch! — Also — bedenke dich nicht zu weitläufig über diese Sache, sondern stehe auf, und komme mit Mir zu den andern Brüdern hin!"

10. Spricht der Graf, sich ganz langsam vom Boden aufrichtend: „O Vater, wie endlos gut bist du doch! Wenn meine über alle Kälber dumme Zunge Dich nur so einigermaßen Deiner heiligsten Würde entsprechender loben könnte. Aber ich bringe nun fast nichts zu Wege."

11. Rede Ich: „Sei ruhig, Bruder, und lasse das übertriebene Loben; denn dein Herz ist das beste Lob, an dem Ich stets allein das größte Wohlgefallen habe; alles andere gehört mehr oder weniger ins Reich der Mir lästigen Betbruderei. Stehe nun vollends auf, und gehe mit Mir zu den anderen Brüdern."

147. Kapitel. Bathiannis übermäßige Zerknirschung. Jesus über die Reifung des Menschen zur höchsten Gotteserkenntnis. Der immer noch blinde Franziskaner erhält derbe Winke von Miklosch.

01. Spricht der Graf ganz zerknirscht vor Liebe, und tiefster Erfurcht: „O Herr, bei deinem allerheiligsten und allmächtigsten Namen, es ist Dir sicher leichter zu sagen: Stehe auf, und komme, als für mich Sünder, aufzustehen vor Dir — dem ewigen Herrn der Unendlichkeit. Es kommt mir nun das Aufstehen nahe gerade so vor, als wie es einer Blattmilbe, so sie eine Intelligenz hätte, vorkommen müßte, so die ganze Erde zu ihr sagete: Du winzigstes Thierchen, dem das Blatt einer Staude eine Welt voll Wunder ist, erhebe dich, und begleite mich auf meiner weiten Reise um die Sonne. O Herr, das müßte für die große Erde doch eine sonderbare Gesellschaft abgeben, die schwerlich je von dem Auge eines Naturforschers beobachtet werden möchte und dürfte etwa vom Uranus aus selbst mit Trillionen Mal vergrößerten Fernröhren noch schwerer zu entdecken sein, als wie von der Erde aus die Monde desselben Planeten mit freien unbewaffneten Augen der Menschen. Und doch taugete eine Blattmilbe viel eher noch für einen Trabanten der Erde, als ich, ein totales Nichts, für einen Begleiter des ewig unendlichen Gottes, gegen Dem die ganze Schöpfung für sich nicht einmal werth ist, ein Punkt genannt zu werden. O Herr, — ich — ein dummer Menschengeist, ein Nichts im Nichtse vor Dir, und Du das unendlichste ewige Alles in Allem, und solle Dich begleiten. Nein, dieser Gedanke ist zu ungeheuer für einen geschaffenen Geist, dessen ganze Größe fisisch und moralisch mit 5 Spannlängen erschöpft bemessen werden kann, während Dein Maß keine Ewigkeit je ergründen wird. O lasse mich doch noch eher ein wenig tiefer fassen; denn mir schwindelt es ungeheuer vor Deiner unendlichen Größe in Allem."

02. Rede Ich: „Aber Mein geliebter Bruder, jetzt wirst du Mir schon ordentlich fad' mir deinen Elogen an Meine endlose Macht, Kraft und Weisheit. Da stelle dich einmal zu Mir her, und prüfe selbst, um wie viel Meine Nase über dje deinige emporragt. Schau, schau, du kindischer Bruder. Ich muß als Gott ja das sein, was und wie Ich es eben sein muß; auf daß du aus Mir und neben Mir das sein kannst, was du bist, und was du vielmehr noch werden wirst. Uebrigens bist du ja doch Mein Werk, und so du dich dann als Mein Werk gar so für ein vollstes Nichts ansiehst, da beschimpfst du ja Mich, und das meine Ich, wirst du ja doch nicht füglich thun können?"

03. Spricht der Graf: „Nein, nein, nein, Herr, ewig nein, von Dir aus bin ich ja ungeheuer groß. Aber nur von mir aus bin ich nichts. Nun, nun, ich stehe nun schon auf; denn Dein Wort hat mich nun ganz aufgerichtet." — Darauf richtet sich der Graf vollends auf, und gehet sogleich ganz muthig zu Mir hin, und sagt: „Herr, Vater, Gott, Jesus! Ich bin nun durch Deine alleinige Liebe und Gnade ganz geheilt, und die gewisse übertriebene Furcht vor Dir ist auch dahin; aber dafür eine unbegrenzte Liebe zu Dir tobet förmlich wie zur höchsten Leidenschaft potenzirt in jeder Fiber meines Herzens. Nach und nach wird sich vielleicht auch diese neue Eigenschaft des geistigen Lebens wenigstens in etwas legen; aber jetzt möchte ich Dich wohl so mit aller meiner Lebenskraft umarmen, und also sterben in der höchsten Gottesliebe unbeschreiblichsten Wonne. „Herr, lasse Dich nur ein Bischen umarmen, und an mein vor Liebe gleich einem Aetna oder Vesuv brennendes Herz drücken!" —

04. Rede Ich: „Mein lieber Bruder, das würde dir jetzt schädlich sein, weil dein Geist in der Seele noch zu wenig festen Fuß gefasset hat; aber wann dein Geist ehestens eine rechte Consistenz erreicht haben wird, dann werden wir uns auch ohne alle Furcht vor irgend einem Schaden umarmen können. Denn weißt du, lieber Bruder, Ich bin freilich, so viel als nur immer möglich, dir gleich ein Mensch; aber in diesem Menschen wohnt dennoch die Fülle Meiner Gottheit leibhaftig, und diese würde dein Geist nicht ertragen, sondern zersprengen alle Fesseln, und sich dann vereinen mit der Gottheit in Mir, als seinem ewigen Urgrunde und Urelemente. Wann aber dein Geist in deiner Seele vollkommen sich wird geordnet haben, und wird erfüllet sein mit aller Stärke der Liebe aus Mir in ihm selbst, dann wird er Meine Umarmung ohne allen Nachtheil ertragen können.

05. Jetzt aber gehe mit Mir nur geschwind zu den Andern hin, auf daß auch sie Alle auf Deinen Erkenntniß—Grad mögen erhoben werden; denn ihre Wißbegierde ist nun schon über die Maßen groß und stark; denn sie wissen es noch immer nicht, welche Resultate du mit deiner Christussucherei herausgebracht hast; — der einzige Miklosch hat eine ganz tüchtige Ahnung, die ihm aber der Franziskaner gleichfort bestreitet, und dadurch auch die übrige Gesellschaft nach seiner Meinung stimmet. Daher müssen wir schnell hin, um dem Franziskaner ein wenig den etwas zu vorlauten Mund zu stopfen."

06. Spricht der Graf: „O Herr, Du ewige Güte und Sanftmuth, das ist ganz aus meinem Gemüthe gesprochen! Dieser Mönch ist zwar an und für sich ein gutes Wesen, so überhaupt außer Dir noch etwas gut sein kann; aber was da seine gerade nicht zu verwerfenden Begriffe über das Verhältniß Gottes zu den Geschöpfen, und so umgekehrt betrifft, da ist er unverdaulicher als ein gekochtes Pfund Leder. Ich bitte Dich, Herr, nur den lasse Du so ein wenig durch — wie man so zu sagen pflegt." — Rede Ich: „Ganz gut, ganz gut, aber nun ein wenig mehr leise gesprochen, denn sie kommen uns schon entgegen!"

07. Ich bewege Mich nun mit dem Grafen der Gesellschaft entgegen, und der Franziskaner ruft dem Grafen schon von weitem zu: „Nun, lieber Herr Graf, welche Resultate haben Sie, hast Du, wollt' ich sagen, denn auf deiner Saaldurchsuchung geärntet? Hast Ihn etwa doch irgend wo gefunden, den Herrn über Leben und Tod, und über Himmel, Erde und Hölle? Mir scheint's, der famose Zwillingsbruder verzieht noch immer, denn ich sehe noch keinen Dritten bei euch Beiden."

08. Spricht der Graf: „Mein Freund, das hat's auch gar nicht von nöthen; denn wir Beide genügen uns auch ohne die Dazwischenkunft eines Dritten; verstanden, Herr von stets hübsch stark Naseweiß." — Hier stupft der Miklosch den Franzsk. und sagt: „Herr Ziperl, merkst was, und wirst des Ecksteines nicht eher gewahr, als bis du dir daran deine Nase breitschlagen wirst?" — Spricht der Frzsk.: „Nun, was denn, was für einen Eckstein? wo ist denn hier einer?" — Spricht der Miklosch: „Ich glaube, der Graf hat es dir doch so hübsch auf deutsch gesagt. Aber du siehst noch den Wald vor lauter Bäumen nicht!"

09. Spricht der Franzsk.: „Ich weiß es wahrlich nicht, was du mit dem „Wald vor Bäumen nicht sehen" immer hast, erkläre dich einmal deutlicher! Was ist es wohl, das mir der Graf auf ziemlich gut deutsch gesagt haben solle? Er sagte nichts, als: daß er und unser aller bisher noch zumeist unbekannter Freund sich auch ohne die Dazwischenkunft eines Dritten genügen. Ist denn das gar so etwas Außerordentliches? Ich verstehe diese Sache ganz natürlich: Der Dritte, Allerhöchste wird wahrscheinlich noch sehr lange verziehen, da von uns wohl keiner als moralisch Wesen so gestellet ist, daß er sich als würdig erachten könnte Gott zu schauen; so lange man aber außer der nothwendigen Würde sich befindet, und einen schon würdigen Gottesfreund zur Seite hat, der einem alle die rechten Wege zu Gott zeiget, da kann man auch leicht sagen: Wir Beide genügen uns auch ohne die Dazwischenkunft eines Dritten, es versteht sich von selbst nur vorderhand. Denn das wäre sehr traurig, wenn wir nie zu der Anschauung Gottes gelangen sollten."

10. Spricht der Miklosch: „Freund, du bist vernagelt, sonst kann ich dir nichts sagen, weil ich dir nichts anderes laut einer mahnenden Stimme in mir sagen darf. Es kann zwar auf der Welt noch eine große Menge von solchen vernagelten Köpfen geben, wie da ist der deinige; aber sie werden doch sicher alle eher zu kuriren sein, als du, obschon sie noch in der Welt in ihrem stummen Fleische wandeln, während du als Geist dich lange schon hier in den Gefilden Gottes befindest, dabei aber dennoch stummer und blinder zu sein scheinst, als der leidigste Mittelpunkt der Erde. Um dir aber möglicherweise dennoch etwas mehr die Augen zu öffnen, so will ich dir ein passendes Gleichnis erzählen; gebe aber wohl acht, auf daß du's verstehest, was ich dir damit sage! Siehe, es war auf der Erde einmal ein gar großer und mächtiger Herr und Gebieter; da es ihm aber darum zu thun war, seine verschiedenen Unterthanen persönlich kennen zu lernen, da er sich nicht mit dem Ohrenblasen der geheimen Spitzel begnügete, so verkleidete er sich oft zu einem ganz ordinären Menschen, und besuchte sogar zu öftern Malen als Bettler die Häuser der Reichen, die besonders mit der Obsorge für die Armen von ihm aus öffentlich betraut waren; und wohl denen, die Er als Unerkannter in der von ihm gegebenen gesetzlichen Ordnung traf; aber es war Jedem ein gar starkes Wehe sicher vorbehalten, den er nicht in der gesetzlichen Ordnung fand. Und siehe, der Herr des Himmels und aller zahllosen Miriaden von Welten und Sonnen scheint ein Aehnliches zu thun, freilich sicher nicht in der Absicht, um Seine verschiedenen Menschen zu prüfen, und daraus erst zu ersehen, wie sie beschaffen sind; sondern um ihnen eine Gelegenheit zu geben, sich selbst zu prüfen und zu läutern, wozu Er ihnen durch Seine Liebe und Weisheit die handgreiflichste Gelegenheit giebt; aber ich möchte beinahe auch hier sagen: Wehe jenen, die durch ihren Eigensinn, durch ihre, man könnte sagen, absichtliche Blindheit und Stupidität Ihn bezüglich Seiner Langmuth und Geduld auf eine zu empfindliche Probe stellen. — Hast du dieses Gleichnis verstanden?" —

11. Spricht der Franziskaner: „So ziemlich, aber was soll ich damit? Soll ich deshalb etwa gar jenen fremden Freund für den gewisserart verkleiden Herrn Himmels und der Erde ansehen? oder ist vielleicht irgend Jemand anderer hier? — Am Ende gar dieser mit dem strahlenden Hute? Diesen aber kenne ich, daß er meines Standes auf der Erde war, und muß erst hier zu dieser Ausstrahlung des Kopfes gelanget sein; denn auf der Welt war sicher nichts strahlenloser als sein Kopf. Sage mir daher, wo ist Er denn, der Verkleidete, daß ich hingehe, vor Ihm niederfalle und Ihn gebührend anbete?"

12. Spricht Miklosch: „Freund, ich habe dir schon beinahe zu viel gesagt, und rede nun kein Wort mehr mit dir; dort ist der Graf mit dem großen Freunde; wende dich zu ihnen hin, und frage sie um den Verkleideten. Das aber bleibt eine ewige Wahrheit: „Ein Pfaffe ist auf der Welt gewöhnlich das hartnäckigste Wesen, und in der Geisterwelt mag er den Herrn nicht erkennen, so er auch mit Ihm hart zusammenstößt! — Weißt du, wer zu Jerusalem am blindesten und verstocktesten war, siehe, es waren die Pfaffen! Und willst du wissen, welchen Menschen auf der Welt nahe aller Glaube mangelt, und sie auch am wenigsten geneigt sind, einen wahren Glauben anzunehmen? Siehe, das sind wieder die Pfaffen, und hauptsächlich die römisch—katholischen, zu denen auch du gehörst. Jetzt habe ich dir's zur Genüge gesagt. Gott gebe, daß es dir etwas nützen möchte; aber jetzt gehe du nur zu den Zweien hin, und bespreche dich mit ihnen; ich habe ausgeredet."

148. Kapitel. Erneuter Zweifel des Franziskaners wegen des Anblickes von Robert Blum. Seiner Teufelsangst begegnet Jesus mit den Wundern und Gaben Seiner Vatermilde.

01. Der Franzsk. geht nun ein paar Schritte vorwärts zu Mir und dem General, und dem Grafen; als er gerade seine wichtige Frage: (Wer bist du, fremder Freund?) losgeben will, kommt gerade Robert Blum zu Mir (natürlich auf einen innern Ruf) und sagt: „Herr! Brod, Wein und Kleidung stehen in der vollsten Bereitschaft."

02. Sage Ich: „Ganz gut, Mein geliebter Robert — Blum (geflissentlich hinzusetzend), in diesem deinem Hause bist du ein Herr — neben dem Herrn, und die große Liebe zum Herrn in deinem Herzen ist die Gesetzgeberin über dein ganzes Haus, und über Alle, die darinnen sind."

03. Als der Franzisk., der aus Liebe zu einer gewissen Freiheit, aber ja nicht aus Liebe zur freiesten großen Wahrheit des Evangeliums seinen Orden verließ, hier des für ihn aus vielen gelungenen Zeichnungen wohlbekannten Robert Blum ganz leibhaftig ansichtig wird, schlägt er die Hände überm Kopfe zusammen, und spricht nach einer stummen Weile: „Aber um Gotteswillen, Jesus, Maria und Josef, und ihr alle lieben Engel und Heiligen Gottes, stehet uns bei! Da befinde ich mich ja in dem Hause eines erzerzischesten Hauptketzers. O Jesus, Maria und o du heiligster Josephus! Das ist ja ebensoviel als in der — Gott steh uns bei! — Hölle selbst! Und da solle irgendwo Christus der Herr Sich aufhalten. O du verfluchter Teufel du, du hinterlistiger Beelzebubteufel du, o du abscheulichster und gleisnerischester Hauptteufel du! Gelt, du hast gemeint, daß du mich hast; aber nichts da, du wildester, grauslichster, abscheulichster und dummster Teufel du! Die seligste Jungfrau hat dich zu rechter Zeit mit ihrer himmlischem Allmacht vor mir entlarvt, und ich kann mich noch aus deinen Klauen entreißen. Ja, ich habe aber auch stets sozusagen allein nur die Hochseligste verehrt, damit sie mich vor den Versuchungen des Teufels bewahren möchte zeitlich, als wie auch ewig. Und jetzt hat sich's doch offenbarst gezeigt, wie sie die Ihrigen vor allen Teufeln in den Schutz nimmt. O ihr bestialischen Teufelsfreunde Alle, und du schon so hübsch ein passabler Teufelskerl Miklosch! Möchtest du mir nun keinen neuen Christus unter eurer herrlichen Gesellschaft bekannt geben? O du Hauptteufelslump, wie schön hast du dir die Mühe gegeben, mich in die Hölle zu bringen! Aber die seligste Jungfrau hat dir einen Strich durch deine böse Rechnung gemacht. Probiers noch einmal, was du vermagst. So bald, als du meinst, wird der Teufel mit einem Frzsk. denn doch nicht fertig."

04. Rede Ich: „Mein Freund, dieß Haus ist weder das eines Ketzers, und noch endlos weniger einer Kompagnie von Teufeln! Das sage Ich, der alleinige ewige Herr Himmels und der Erde dir; denn in der Hölle wandeln nirgends freie Gestalten im Lichte der Himmel. Ist dir aber diese echte himmlische Brüderschaft zu verdächtig und schlecht, so siehst du dort das noch offene Thor, und draußen eine ewig weite Freie. Die Unendlichkeit ist weit, breit, hoch und tief genug. Und nun schweige oder gehe! — Du Brd. Blum aber gehe in den großen Nebensaal, und heiße sie Alle, Alle herauskommen, und lasse des Brodes und Weines in aller Hülle und Fülle auf diesen genug großen runden Tisch bringen, auf daß dieser blinde Narr sich überzeugen mag, wie die vermeintlichen Teufel dieses Hauses aussehen, und wie sie gehalten, und etwa gar gesotten und gebraten werden."

05. Robert begiebt sich schnell — Meinen Willen zu vollziehen — in's große Nebenlokal; und sogleich kommen alle die Altväter, Profeten, Apostel mit Auszeichnungen, an denen sie leicht zu erkennen sind, ebenso auch die Altmütter von der Eva angefangen, und nun auch die Mutter Maria mit dem Josef, und so auch alle in den Evangelien vorkommenden Personen. Diesem großen Zuge folgend schloßen dann die Neuangekommenen als Robert, Messenhauser, Jellineck, Becher, Niklas, Bruno, und alle die zu ihnen Gehörigen, und am Ende auch noch die 24 Tänzerinnen sich an, die vom Weibe Roberts geführt werden, und Wein und Brod in großer Menge dahertragen; und diese Lebenssache in bester Ordnung auf dem besagten Tische aufstellen, Alle aber, die aus dem Nebensaale kommen, sind mit einer starken Glorie umfangen, und das hauptsächlich, um dem Franziskaner die Augen zu öffnen.

06. Als der Tisch ganz bestens bestellet, so sage Ich zu allen denen 29 Neuen: „Kommet her, Freunde und Brüder, und du vom Franzsk. als ein Teufelskerl dargestellter Miklosch trete ganz zu Mir her, und nimm und esse zuerst das Brod des Lebens, und trinke dazu zugleich den Wein des Erkenntnisses und der Kraft, und sage es dann dem Franzisk., der schon lange einen sehr leeren Magen hat, wie dir diese höllische Kost schmecket."

07. Miklosch, der Mich eigentlich heimlich schon draußen hatte zu erkennen angefangen, und darum öfter den Andern zurief, daß sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sähen, kommt sogleich allerehrerbietigst und demüthig zu Mir hin, und spricht: „Nun, o Herr, kann ich zum ersten Male meines gesamten Seins wahrhaftigst ausrufen: O Herr, ich bin es nicht werth, daß Du eingingest unter mein sündiges Dach; aber ein heilig Wort nur rede, o Herr, und alles, was in und an mir ist, wird gesund. — Ja, das ist ein wahres lebendiges Brod der Himmel, Dein rechter Leib ohne Falsch und Trug, o Herr! Wer dieses Brod isset, der wird ewig leben; denn dieß Brod hat in sich die Kraft des ewigen Lebens, und welch ein überhimmlisch süßester Geschmack! und dieser Wein, rein aus Deinem Herzen geflossen, ist also auch Dein wahrhaftigstes Blut, durch das uns alle Sünden rein abgenommen werden, die wir je gewöhnlich liederlicher und leichtsinniger Weise auf der Erde begangen haben. Und so denn wage ich es, denselben, gleich wie das heilige Brod zu genießen. — Oh, oh, oh, welch ein Geschmack, und welch ein Geist! O Herr, das faßt kein Sterblicher einer Welt! O mein Gott, o mein Gott und Vater, ist das aber doch eine Herrlichkeit! — O Brüder, esset und trinket, und schmecket es selbst, wie viele Himmel in einem jeden Tropfen zu Hause sind."

08. Alles greift nun zu, und ißt und trinket nach Herzenslust; und Niemand findet Worte, zu beschreiben die große Herrlichkeit des Geschmacks, der Süße und des Geistes.

149. Kapitel. Der noch immer zweifelnde Franziskaner versteift sich auf die katholische Lehre. Miklosch kuriert ihn mit scharfen Fragen. Endlich bricht auch bei dieser starren Seele das Eis. Seligstes Staunen ob der himmlischen Wahrheiten.

01. Nach einer Weile des tiefsten Erstaunens spricht der Graf zum nicht gar sehr ferne stehenden Franziskaner: „Freund, wenn es in deiner vermeintlichen Höll' so aussieht, da bleibe ich schon unverrückt in dieser Höll' und der Brd. Miklosch sicher auch samt allen Andern. So sehen auch jene höllischen Geister, und — ich möchte sagen — auch Geistinnen ganz ungeheuer schön und herrlich aus. Wahrlich in der Gesellschaft solch einer höllischen Kompagnie wird sich's für ewig gar nicht so schlecht bestehen lasten; he, Freund, was meinst du da?"

02. Spricht ganz mürrisch der Frzsk.: „Es sind schon unendlich Viele an der illusorischen höllischen Süße zu Grunde gegangen; dieß Loos wird etwa auch euch zu Theile werden. Ich bin zwar wohl auch sehr hungrig und ganz besonders aber durstig. Aber bis ich nicht gleich einem Thomas handgreifliche Beweise über alles das habe, traue ich dem Landfrieden nicht. Denn bei Ketzern, wie der Robert Blum und Konsorten es sind, kann Gott der Herr nicht wohnen."

03. Spricht der Miklosch: „Freund, da komm mit mir an jenes große Fenster dort; ich werde dir etwas zeigen." — Spricht der Franzsk.: „Was denn?" — Spricht Miklosch: „Wirst's schon sehen!" — Spricht der Frzsk.: „Gut, so gehen wir hin; aber täusche mich nicht, sonst!"

04. Die Beiden gehen an's Fenster, und der Miklosch zeigt ihm eine große Freie außerhalb des Hauses, und in einer bedeutenden Ferne gen Abend eine Stadt wie Ofen und Pest aussehend, und sagt zu ihm: „Freund, jener Herr, den deine ungeheure Dummheit noch stets für der Teufel Obersten hält, läßt dir's durch mich sagen: Ich gebe dich los von dieser Hölle. Dort ersiehst du Ofen und Pest; gehe hin, und schaffe dir daselbst, oder auch irgendwo anders einen bessern Himmel. Du kannst auch gleich hier durch's Fenster hinaus gehen; denn diese Fenster haben kein Glas." — Spricht der Franzsk.: „Ein wenig werde ich denn doch noch warten." — Spricht Mikl.: „O warum denn? so das die Hölle ist, wie möchtest du dich wohl noch länger darinnen aufhalten?"

05. Spricht der Franzsk.: „Weißt du, ich möchte nur noch für gewiß erfahren, ob etwa der Blum vor seiner Hinrichtung sich doch wieder in den Schooß der allein wahren und seligmachenden Kirche zurückbegeben hat, samt seinen Glaubensgenossen. Ist dies nicht der Fall, was ich eben am meisten befürchte, so ist das hier nichts als höllisches Blendwerk. Denn auch die Hölle ist darin voll des hartnäckigsten Eifers, daß die Ihrigen eher wohl zubereitet werden, als bis sie als vollends tauglich in die eigentliche wahre Hölle hineingelassen werden. Es ist hier wahrlich alles beisammen: Christus, Maria und der hl. Josef, alle hl. Apostel, alle Urväter, Patriarchen und Profeten, und sonst noch eine Masse männlicher und weiblicher Heiligkeiten; so ist auch dieß Lokal mehr als hinreichend, um den Seligen als eine Art Paradies oder Vorhimmel zu dienen; aber wie gesagt, so der Blum und Konsorten noch stets die gleichen Ketzer sind, so ist dieß alles nur höllisches Blendwerk, und ich muß mich dann schnellst von hier entfernen. Denn schau du, Freund, wenn der römische Papst nicht der allein wahre Stellvertreter Gottes auf Erden ist, und die römische Kirche nicht ausschließend die allein wahre und seligmachende, die allein die Schlüssel zum Himmel und zur Hölle in ihren allerheiligsten Händen hat für alle Menschen der Erde, so ist Christus gar nicht Christus, und alle Religionen der Erde sind keine Religionen mehr, sondern ganz werthlose menschliche Hirngespinnste, und es ist bei solchen Umständen auf kein Fortbestehen dieses geistigen Lebens sich zu verlassen. Siehe, so stehen die eigentlichen Dinge, und ich bin nun darum auch äußerst auf der Hut, mich irgendwo von der Hölle berücken zu lassen; denn die wahre Kirche ist ein Fels, den die Pforten der Hölle ewig nimmer überwinden werden."

06. Spricht der Miklosch: „Gut, gut, gut; alle diese römisch—katholischen Narrheiten kenne ich so gut als du; ich könnte dir deinen römisch—katholischen Mund zwar augenblicklich stopfen, so daß du auf 100 nicht Eins erwidern könntest; aber ich ziehe es vor, dich blos durch einige Fragen in die engste Enge zu treiben; sage dir's aber im Voraus, daß du eine jede beantworten mußt; denn beantwortest du sie mir nicht, so wirst du mir dadurch nur stets mehr und mehr bejahen, daß das Papstthum ebenso wenig von Christo gegründet ist, als wie wenig je der Apostel Petrus auf der Erde mir ein natürliches Fischernetz ausgeflicket hat. Und so höre denn! da sind die Fragen:

07. „Bei welcher Gelegenheit hat Christus das von der Kirche so hoch gehaltene Meßopfer, und zwar ausschließend nur in der damals heidnischen römischen Sprache nahe bei Verlust des ewigen Lebens angeordnet? Bitte um eine streng aus der hl.—Schrift dokumentirte Antwort!"

08. Dem Franzsk. geschieht bei dieser Frage, wie den Ochsen vor einem neuen Thore, und es erfolget keine Antwort;

09. und der Mikl. fragt weiter: „Da du auf diese Frage keine Antwort findest, so muß ich dir schon mit etwas Leichterem kommen. Wann und bei welcher Gelegenheit hat denn Christus die Ceremonien, die reich verbrämten Gewande, die Stola, das Quadratel, rothe Strümpfe, die Impfel, den sehr werthvollen Hirtenstab (denn meines Wissens hat Er sogar den Aposteln verboten, einen Stock zu tragen), die päpstliche Tiara, die sehr theueren Kardinalshüte verordnet? Bitte um eine Antwort! — du bist schon wieder stumm! Nun, nun, ich werde gleich mit etwas Leichterem da sein.

10. Sage mir: Wann hat denn Christus der Herr, Der eigentlich blos nur Eine lebendige Kirche im Herzen des Menschen erbauet hat, und für alle Zeiten erbaut haben wollte, die gemauerten Tempel, deren es nun schon bei einer Million und darüber auf der Erde geben dürfte, ihre inneren heidnischen Einrichtungen, die privilegirten und nicht privilegirten Altäre, die Gnadenbilder, das hochgeweihte Taufwasser, eben so das heiligste Krysam (denn die wahren Apostel tauften mit ganz natürlichem Wasser, wie es Gott erschaffen hat; ob sie sich bei der Taufe auch des allerheiligsten Oeles bedienten, davon scheint die Geschichte zu schweigen); wann die Glocken, Orgeln und Meßlieder? die theueren Meßrequisiten, wann die Exequien und die theueren Todtenämter? und wann und bei welcher Gelegenheit hat Er die Kapläne, die Pfarrer, die Dechante, die Domherrn, die Pröbste, Prälaten, Bischöfe und Kardinäle eingeführt, und sie mit so großen Einkommen dotirt? Denn meines Wissens hat Er den Aposteln, als Er sie hinaussandte, auszubreiten Seine Lehre, sogar verboten, Säcke zu haben, um irgend ein Geschenk einstecken zu können. Bitte hier abermals um eine wohl dokumentirte Antwort! Rede nun, rede! hast ja doch sonst stets eine so geläufige Zunge gehabt! wie magst du denn nun gar so stumm vor mir dastehen! Du bist und bleibst stumm, das heißt also: Ich weiß nichts zu sagen zu Gunsten der römisch—katholischen Kirche, und bin daher lieber still!"

11. Spricht endlich doch ganz unwillig der Franzsk.: „Ich könnte dir wohl so manches sagen, aber vor einem Ketzer ist es besser, so man schweigt." — Spricht Miklosch: „Das glaube ich auch, besonders so man mit gar keinen Beweisen aufkommen kann. Sage mir aber doch wenigstens das, wann Christus die gottlose (fluchvolle) Uebertrittsformel von einer christlich—ketzerischen Religionssekte in die römische angeordnet? Wann den Ablaß? wann das Rosenkranzfest, wann das Partiunkolafest und das Fronleichnamsfest? Bei welcher Gelegenheit hat Er denn die heilige (!!) römische und spanische Inquisition eingesetzt, und wann und warum eingeführt alle die Ordensgeistlichkeit? Rede, und gieb mir Antwort! Sieh', du bist schon wieder stumm wie eine Grabmauer! — Warum? das weiß ich! — also etwas Leichteres:

12. Sage mir, wo in der Apostelgeschichte stehet es denn geschrieben, daß der Apostel Petrus wirklich in Rom war, und das Papstthum gegründet hat? Meines Wissens hat sich dieser Apostel in seiner letzten Zeit wohl in Babilonien aufgehalten, und hat von dorther nach Jerusalem auch einen Brief geschrieben; aber Rom und Petrus haben einander eben so wenig gesehen, als wie ich und der Kaiser von China. Aber vielleicht hast du andere verbürgte Daten? nun so rede! — aber du redest schon wieder nichts! Dir fällt sicher wieder nichts Gescheidtes und Haltbares ein; schau, schau, was du doch für ein armer Mensch mit deiner Papstvertheidigung bist?

13. Aber das wirst du mir vielleicht doch sagen können, wie und wann Christus, oder Petrus, dem Papste den Titel: „Heiliger Vater" gegeben haben? und angeordnet den ablaßreichen Pantoffelkuß? Christus hat ja meines Wissens freilich sogar strenge untersagt, irgend jemand Andern gut und heilig zu nennen, als blos nur Gott allein; so sollte man auch Niemanden Vater nennen, als Gott ganz allein; denn alles andere wäre Bruder und Schwester. Aber wer weiß, ob da Christus der Herr hintendrein, so Ihm etwas Besseres mag eingefallen sein (!!), nicht eine Menge uns Laien ganz unbekannte nachträgliche Verordnungen hat ergehen lassen, trotz dem, daß Er es Selbst offen vor vielen Menschen zu Jerusalem göttlich fest erklärte, und sagte: Himmel und Erde werden vergehen; aber Meine Worte werden nicht vergehen.

14. Ja, mein Freund, du schweigest noch immer, und deine ärgervollste Verlegenheit könnte man dir schon auf eine Meile Entfernung aus dem Gesichte lesen! — was solle denn daraus werden? Schau, ich könnte dir noch mit einem ganzen Millionerl von solchen sonderbaren Fragen aufwarten; aber was nützete es, du magst mir keine beantworten, und so wird es besser sein, du lässest entweder den Papst ganz fahren, und gehest mit mir zum wirklichen Herrn hin, und bekennest vor Ihm treu und offen deine Dummheit; oder du machst dich auf die Reise nach dem ersichtlichen Pest und Ofen hin."

15. Spricht endlich der Franzsk.: „Freund, du hast durch deine merkwürdigen Fragen mich nun auf ganz andere Ideen gebracht, wofür ich dir sehr dankbar bin, und ich werde dir folgen hin zu jenem Wahren."

16. Spricht Miklosch: „Also nicht nach Ofen und Pest hin?" — Spricht der Franzsk.: „Nein, wahrlich nein, denn ich glaube, in diesen Städten der Welt schaut für einen Geist ganz verdammt wenig mehr heraus; sind die dort noch Lebenden schon, wie man sagt, petschirt auf ihr Lebenlang fisisch und moralisch, was könnte alldort erst einem Geiste alles widerfahren, so er sich irgend blicken ließe ?" — Spricht Mikl.: „Aber rede nur nicht gar so ein geschwollnes Zeug zusammen! Welcher Sterbliche hat denn noch irgend einem Geiste etwas anthun können! Aber besser wärest du dort durchaus nicht geworden, sondern nur um sehr vieles schlechter; denn von solchen Disteln pflegt man wohl nie Trauben zu ernten."

17. Spricht der Franzsk.: „Aber sage mir, weil du schon wirklich um ein Bedeutendes weiser bist denn ich, ist denn das wohl das leibhaftige Ofen und Pest von Ungarn? Mir kommt die Sache denn doch ein wenig verdächtig vor. Ich bin der Meinung, daß jenes sichtbare Ofen und Pest mehr eine Illusion denn etwas Wirkliches ist." — Spr. Miklosch: „Lassen wir Beide nun das gut sein; ob das, was wir sehen, Wirklichkeit oder nicht Wirklichkeit ist; das wird uns schon noch einmal klar werden; wir gehen nun hin zum Herrn, und bekennen vor Ihm unsere große Thorheit, und lassen dann alles Andere Ihm allein über."

18. Spricht der Franzsk.: „Aber meinst du nicht, daß es vielleicht gut wäre, so wir uns denn doch eher an die allerseligste Jungfrau Maria wendeten, weil sie auch da ist." — Spricht Miklosch: „Warum nicht gar an Adam und Eva, und an alle Patriarchen und Profeten vor Maria! Sieh' hin, an Wen hat sich denn der Graf gewendet? An niemand Andern, als geradewegs an den Herrn Selbst; und sieh', er ist bei Ihm, und zwar zuallernächst. Willst du etwa noch näher sein? Sieh' an den Robert Blum, dem der Herr dieß Haus, dessen Pracht und Größe wir von draußen schon nicht genug bewundern konnten, zu eigen für ewig gegeben hat; der hat sich zuvor doch sicher an Niemand andern gewendet, als an den Herrn selbst; und er ist selig, überselig! willst du etwa noch mehr?"

19. Spricht der Franzsk.: „Ja, ja, du hast recht; es hängen Einem nur so viele katholische Narrentrümmer an, die man nicht auf einmal los werden kann; aber nur Geduld! es wird sich mit der Zeit alles machen. Gehen wir daher nun nur zum Herrn hin, und zeigen uns Ihm, wie wir sind; und ich meine — Er wird es mit unser Einem ja doch nicht gar so römisch—katholisch genau nehmen."

20. Spricht Miklosch: „Ist meine geringste Sorge, schau, ich bin doch etwa schön dumm und unweise, und dazu noch sehr schlechten Herzens gegenüber dem Herrn; und schon ich, als nur ein Bischen besser denn ein römischer Kardinal, könnte dich deiner Blindheit wegen doch unmöglich scharf angehen, sondern dich als ein rechter Bruder nur ganz gemüthlich behandeln, wie ich's bisher auch stets gethan habe; um wie viel mehr läßt sich das vom Herrn, der Selbst die reinste Liebe ist, im Vollmaße erwarten! Der Herr wird übrigens auch Seine höchst scharfen Seiten haben, besonders gegen den Hochmuth, Geiz und Neid, und gegen Alle, die ihre irdisch ärmeren Brüder als reine Nullen angesehen haben, aber gegen uns, die wir auch in dem gemeinsten Honved (Soldaten) stets einen Menschen sahen, wird Er sicher viel humaner sein. Und so gehen wir nun nur ganz guten Muthes zu Ihm hin."

21. Die Beiden gehen nun schnell zu Mir hin, — und — Ich gehe ihnen wenige Schritte entgegen, und sage zum Miklosch: „Nun, nun, ist dir der Br. Ciprian doch nicht durchgegangen? das freut Mich, das freut Mich recht sehr! nun so kommet nur! etwas Brodes und Weines ist noch vorräthig; esset und trinket davon nach eurem Bedürfnisse! nachher werde Ich euch Alle in das große Museum dieses Hauses führen; da werdet ihr Augen machen! Gehet nun nur schnell zum Tische hin, und stärket euch! — sollte nicht genug da sein, da wird der Hausherr Robert Bl. sogleich die Dosis repetiren."

22. Die Beiden treten ganz ungeheuer schüchtern zum Tische hin, und der Franziskaner, weil er gerade der Maria unter's Gesicht zu stehen kommt, getraut sich kaum etwas anzurühren;

23. die Mutter aber lächelt ihn an, und spricht: „Aber mein lieber Freund Ciprian, warum denn gar so verlegen? Iß und trink! meinst denn du, hier im Himmelreiche gehe es auch so hochmüthig zu, wie an den Höfen der Könige auf der finstern Erde? O mit Nichten; hier sind wir Alle wie Kinder, und lieben den Vater, und sind voll Liebe, Güte und Sanftmuth gegen Jedermann. Daher also keine Scheue mehr, mein lieber Ciprian!"

24. Der Ciprian sinkt fast zusammen vor Ehrfurcht vor der Maria. Aber der Miklosch sagt zu ihm: „Sei nur jetzt nicht dumm, lieber Bruder, und thue, was dir der Herr Selbst und die liebste und herrlichste Maria gesagt haben." — Spricht der Franzsk. ganz weinerlich vor Gefühl: „Du hast leicht reden; denn das feine höhere Gefühl war dir sicher nie im höchsten Grade eigen; aber ich, der ich schon von Geburt an so ein empfindlicher Kerl war, daß ich über den Tod einer Fliege 3 Tage habe weinen können, bin hier auf ganz kuriose Gefühlskohlen gestellt."

25. Rede Ich: „Mach' dir nichts d'raus; sieh', das ist nur anfangs so; mit der Weile wirst du schon muthiger werden." — Spricht der Frzsk.: „O Herr, wenn Du nur nicht gar so herablassend wärest, da ginge es auch noch leichter; aber Deine zu ungeheure Herablassung könnte einem gerade das Herz vor Liebe zu Dir zerbersten machen!" — Rede Ich: „Nun, nun, so esse und trinke, denn sieh, der Miklosch hat seinen Mann schon gestellt. Robert! mehr Brod und Wein herbeigeschafft! Ich merke es dem Miklosch an, daß es ihm schmeckt."

150. Kapitel. Der Franziskaner labt sich am himmlischen Brot und Wein und dankt Jesus. Das wahre Himmelreich mit neuen, endlosen Wundern tut sich auf. Die ganze Gesellschaft der Seligen im Hauptsaal: "O Herr, wie groß bist Du!"

01. Robert holt schnell mehr Brodes und Weines, und der Frzsk. nimmt, unter dreimaliger tiefster Verbeugung vor dem Brode und Weine, das Brod, und ißt es. Schon beim ersten Bissen weiß er sich aus lauter Entzückung über den wunderbarsten Wohlgeschmack gar nicht zu helfen, und es fehlen ihm auch Worte, zu schildern, welchen Eindruck des Brodes enormster Wohlgeschmack auf ihn ausübet. Als er aber darauf den Wein verkostet, da ist es aber völlig aus mit ihm; man vernimmt von ihm nichts — als ein nahe nimmer enden wollendes Ah!

02. Bei dieser Verwunderung fragt ihn der schon gestärktere und beherztere Miklosch: „Nun Bruder, was sagst denn du nun zu dieser deiner früheren höllischen Illusionskost? Mir scheint, daß dir dieser Schwefelpfuhl u. s. w. ganz vortrefflich schmecket."

03. Spricht gar freundlich lächelnd der Frzsk.: „Mein lieber Bruder, zum Sein eines jeden Menschen gehören 4 Dinge, ohne die kein Mensch gedacht werden kann; davon kommt zuerst das Erschaffen werden in die Welt; darauf kommt die Dummheit, in der sich der Mensch auf der Welt breit macht; No. 3 kommt dann des Leibes Tod, der zwar der Seele auf eine oft sehr unhöfliche Weise die schwere Fleischbürde abnimmt, ihr aber dabei die weltliche Dummheit ganz ungeschmälert beläßt, und so geschieht es, daß der Mensch No. 4 in der Geisterwelt zuerst auch dumm sein muß, um weise werden zu können. Und so ging es denn auch mit mir: ich bin erschaffen worden in die Welt; dort war ich dumm, und nach dem Tode war ich hier wieder dumm; nun aber hat sich der Herr meiner erbarmet, und so werde ich nun nach und nach etwas weniger dumm.

04. Mein Gott, Du weißt es so gut wie ich, wie dumm unser Glaube bestellet war, und wie dumm das Dogma, das ihn uns einbläute; woher hätten denn wir bei solch einer Lehre die wahre Weisheit schöpfen sollen? Wie das liebe Vieh sind wir erzogen worden, und sind in dieser Eigenschaft auch groß gewachsen; als dann der österreichische Tod über uns gekommen ist, so hat er uns als noch immer unveränderte Ochsen angetroffen, und als solche durch die höchst undelikate Abnahme unseres Fleisches uns dann als noch immer die gleichen Ochsen hierher versetzt, in welcher Eigenschaft wir auch bis an unsere künftigen Ewigkeiten verblieben wären, so nicht der übergute heiligste Herr, Gott und Vater Seine höchst eigenen allmächtigen Hände an uns gelegt hätte. Ihm daher allein alles Lob, allen Preis und Dank! — Aber da sieh, der Brd. Robert hat richtig noch einen tüchtigen Becher voll Weines, und einen ganzen Laib des köstlichsten Brodes hierher auf den Tisch gebracht!"

05. Spricht der Miklosch: „Das ist wahrlich zu viel des Guten! Trinke und esse, Bruder! ich habe meinen Mann bereits gestellt, und bin nun so gesättigt und gestärkt, daß ich es für ewig, wie es mir nun vorkommt, aushalten könnte." — Spr. der Frzsk.: „Mir geht es nun auch also; aber was etwa der Herr dazu sagen möchte, so wir Ihm dieß Brod und diesen Wein zubrächten?"

06. Spricht die Mutter Maria: „Thuet es! thuet es! das wird Ihn freuen!" — Spricht der Frzsk.: „Bruder, so die Allerseligste damit einverstanden ist, da giebt es gar kein weiteres Fragen mehr. Er spricht nun zwar etwas Geheimes mit dem Grafen, aber das macht nichts; nimm du nur den Wein, und ich werde das Brod nehmen, und so wollen wir Ihn überraschen.

07. Beide thun nun das, und bringen Mir Brod und Wein, und der Frzsk. sagt in der höchsten Demuth: „Herr, Du sagtest dereinst auf Erden: Nun werde Ich von diesem Gewächse nicht eher etwas genießen, als bis Ich es neu genießen werde mit euch in Meinem Reiche. Herr, hier ist nun Dein wahres Reich; o so genieße denn auch zu unserem großen Troste von diesem neuen Gewächse Deines Reiches."

08. Rede Ich: „Nun, nun, das freut Mich wahrlich ganz und gar sehr, daß ihr euch Meiner erinnert habt, und habt als Kinder eurem Vater auch etwas zu Essen und zu Trinken gebracht. Ich könnte Mir es freilich wohl Selbst nehmen; aber dann hätte es Mir ja beiweitem nicht so gut geschmeckt, als so es Mir Meine Kindlein zubringeu. Und so gebet das Brod und den Wein nur her, und ihr werdet euch sogleich überzeugen, daß Ich im Ernste davon essen und trinken werde." Darauf verzehre Ich etwas Brodes und Weines, und gebe den Rest allen Umstehenden, die Alle davon genießen, und eine abermalige noch größere Stärkung in sich wahrnehmen!

09. Der Frzsk. aber sagt dazu im höchsten Grade entzückt: „Herr, Gott und Vater, so mir's je womöglich selbst ein Engel aus der Erde gesagt hätte, daß es in Deinem Himmelreiche so aussähe und zugehe, als wie ich es nun wahrlich überselig mit meinen eigenen Augen sehe, und mit meinen Ohren vernehme, so hätte ich ihm nicht geglaubet. Denn wo ist hier dieser von uns Roms—Katholiken geglaubte übermystisch gloriöse göttlich unanschaubar heilige Nimbus? wo das schrecklich ernste Richtergesicht des Gottessohnes? wo das des unerbittlichen Vaters! Alles ist hier so höchst natürlich, die größte Herablassung, die höchste Freundlichkeit von allen Seiten, und Du — als das allerhöchste Gottwesen wandelst am allereinfachsten unter Allen einher, und Niemand merkt Dir es an, was und Wer Du bist. Deine Rede ist die schlichteste von der Welt, und alles an Dir ist Zeuge der größten Prunklosigkeit.

10. Wahrlich wenn Einem die große Majestät dieses Saales, das herrliche durch die großen Fenster hereinfallende Licht, und alle die übergut, gesund, frisch und engelsjung aussehenden und herrlichst bekleideten Seligen und Seligsten nicht sageten: Dieß ist das wahre Himmelreich, es kann ewig kein wahreres geben, als das, wo der Herr Himmels und der Welten im schlichtesten und prunklosesten Hauskleide unter Seinen Kindern herumwandelt, und für sie sorgt, da ist auch der wahrste Himmel im Vollmaße zu Hause. Ich muß es hier offen gestehen, daß mir hier sogar nach den Worten des Evangeliums anfangs so manches nicht zusammen gegangen ist, wie sicher auch Mehrern nicht; denn es wird dort öfters erwähnt, wie der Sohn zur Rechten des allmächtigen Vaters sitzet im ewig unzugänglichen Lichte; wieder, wo es heißt: Ich werde kommen in den Wolken der Himmel mit großer Macht, Kraft und Herrlichkeit, und richten die Lebendigen und die Todten. So sah auch ein Stefanus vor seiner Steinigung die Himmel offen, und des Menschen Sohn zur Rechten des Vaters; und wie seltsam mystisch sind die Gesichte des Johannes, und von allem dem ist hier keine Spur; sondern es ist alles ganz himmelhoch anders. Darum ist es uns gewisserart auch zu vergeben, so wir hier in diesen nun allerwahrsten Himmel eine Zeit lang so hinein schauten, wie allenfalls chinesische Ochsen in ein spanisches Dorf.

11. Aber ich sehe es nun auch ein, daß nur ein gerade so gestalteter Himmel jedem Geiste die wahrste, freieste und somit auch höchste Seligkeit für ewig bieten kann; und dafür sei Du, o heiligster und liebevollster Gott und Vater, von mir und uns Allen gelobet, geliebet und gepriesen."

12. Rede Ich: „Nun, nun, Mein lieber Ciprian, es sieht hier alles sehr einfach aus, und man entdeckt nirgends ein unnöthiges Gepränge; aber darum mußt du dennoch nicht dich der vollen Meinung hingeben, als wären mit dem, was du nun siehst, Meine Himmel schon abgeschlossen. O warte nur ein wenig, und du wirst des Wunderbaren noch in der größten Hülle und Fülle zu sehen bekommen.

13. Wir werden jetzt sogleich in den großen anstoßenden Saal gehen, und von dort ins große Museum dieses Hauses, wo sich dir Dinge vorstellen werden, vor denen du sicher niedersinken wirst; aber da darfst du dennoch nicht denken, daß es damit mit Meinen Himmeln schon eine bestimmte Grenzmarke hat; sondern da mußt du dir's so denken: Das ist alles erst des Voranfanges erster Voranfang.

14. Aber alles dessen ungeachtet werd' Ich dennoch bleiben wie Ich nun bin; und wenn du alle Dinge verändert und ins Endloseste veredelt und verherrlicht erschauen wirst, da werde Ich aber dennoch stets und ewig unverändert inmitten Meiner Werke erscheinen, obschon deren Größe und Tiefe keine Ewigkeit je ermessen wird. Jetzt aber machen wir uns nur auf, und begeben uns in den anstoßenden großen Saal!"

15. All die mehrern tausend Gäste gehen nun voraus; denen folgen die Urväter, und die Apostel, vor uns gehet die Maria mit dem Josef und dem Ap. Johannes, und Mir zunächst gehen der Graf, der Frzsk., der Mikl., der General, dann der Thomas und der Dismas; und hinter uns gehet der Robert mit seiner Helena, der Messenhauser, der Dr. Becher, Jellinek, Bruno, Bardo, Niklas, und die 24 Tänzerinnen, die dem Robert all die Geschirre und Gefässe nachtragen.

16. Als wir so geordnet in den großen Saal gelangen, in dem sich die mehrern tausende von Gästen gerade so ausnehmen, als so kaum einige 30 Menschen sich im selben befänden, da sinkt der Frzsk. fast nieder vor Verwunderung, und spricht:

17. „O Herr, das ist zu viel auf einmal für einen schwachen Geist! Aber diese Größe, diese Höhe, diese Pracht! wahrlich, Herr, das wird doch kein Voranfang des Voranfanges sein; sondern das ist schon der gesamte Himmel mit allen Aermeln, wie man so zu sagen pflegt; der Plafond ist blos nur gleich der ganze komplete gestirnte Himmel selbst mit den herrlichsten Sterngruppen, und die Wände sind gleich wie Wolken im Morgenroth strahlend; und die wundersamst verschlungenen Galerien gleichen den hohen Bergzinnen, die zuerst im Morgengolde prangen; o herrlich, herrlich! das ist zu viel, zu viel, viel zu viel auf einmal für einen schwachen Geist! O Herr, wie groß bist Du!"

Ende des ersten Bandes